Moorburger Jagd

Im Jahr 1787 trat der Landherr sein Jagdrecht an die Gemeinde Moorburg gegen Zahlung einer Abgabe ab. Von nun an wurde die Jagd an interessierte Landbesitzer verpachtet. Moorburg wurde als Jagdrevier aufgeteilt in verschiedene Reviere (Elbe, Vorland, obere, mittlere und untere Feldmark). Die einzelnen Reviere wurden teilweise noch von Pächtergemeinschaften gepachtet. Dies führte dazu, dass die Pflege des Wildbestandes teilweise außer Acht gelassen wurde.
So wurde berichtet dass in Moorburg 1910 die ersten Fasanen auftauchten (sie wurden in einer Nachbarjagd ausgesetzt). Im Jagdtagebuch eines Jagdpächters wurde allein in diesem Jahr von 50 bis 60 erlegten Exemplaren berichtet. Bereits im Jahr 1911 wurde die neue Wildart quasi wieder ausgerottet. Am 23.10.1928 beschloss der Moorburger Jagdvorstand die Jagd in der Feldmark ein Jahr komplett ruhen zu lassen.
Eine durchgreifende Änderung zum Artenschutz wurde durch die Jagdbestimmungen in den dreißiger Jahren erreicht. Die Reviere wurden vergrößert und die Abschussquoten wurden strenger reguliert. Die Jagd in Moorburg verlor damit aber auch ihren Status als "Volkssport".
Nach Ende des zweiten Weltkrieges ruhte die Jagd, weil die Waffen von der englischen Besatzungsmacht eingezogen worden waren. Teilweise jagten englische Offiziere zu dieser Zeit in Moorburg. Die Jagdpächter stellten in dieser Zeit vereinzelt Fallen auf.
Der Jagdpächter Herbert Meyer erhielt am 17.9.1949 einen englischen Jagd- und Waffenschein aber noch kein Gewehr. Am 15.4.1950 erhielt er dann einen Bezugsschein für ein Gewehr und die Jagd wurde in Moorburg wieder aufgenommen. Seit der Sturmflut von 1962 verkleinerte sich das Moorburger Revier ständig durch Anlage von Spülfeldern, durch Industrieerweiterungen und auch durch die Wildzäune der Obstbauern.




Jagdschein von 1874/75









Eine Streife durchs Moor im Oktober.
© Herbert Meyer ca. 1920


Wieder einmal stehe ich vor dem Gewehrständer und überlege. Schließlich greife ich zur langen 12er, schnell die Jagdtasche mit Patronen, den Rucksack umgehängt, ein Butterbrot ins Jagdtaschennetz und den vor Freude winselnden Hund angeleint. Mein Schwager P. steht schon fertig vor der Tür. Also los! Mit Riesenschritten stampfen wir vorwärts, in den leicht diesigen Tag hinein. Lustig unsere Zigarren dampfend durchwandern wir schier endlose Wiesen, wobei wir von diesem und jenem sprechen und uns schon einen festen Plan von unserer Streife machen. Alle paar Schritt stehen Kiebitze mit lauten Rufe vor uns auf, über uns klingeln ab und zu einige Enten hinweg, jedoch für den Schuss viel zu hoch. Im nahen Ellernbestande lärmen die Elstern, und von Zeit zu Zeit dringt aus der Ferne der heisere Schrei eines unsichtbaren Fischreihers an unser Ohr. So erreichen wir die alte Holzbrücke, welche über die Landscheide führt und wandern auf dem festgetretenen Weg ein kurzes Stück dahin. Jetzt biegen wir links ab, und vor uns haben wir das Moor. Dicht am Wege ist es noch mit einigen Torfstichen durchzogen, aber weiter hinaus kommt die Wildnis.




Fußhohes hartes Grass, Schilf und Gebüsch bedeckt das unebene, weiche Gelände. Hierhin wenden wir uns, denn dieses sind die Lieblingsplätze der Bekassine. Rasch werden die Flinten geladen. Nr.6 in den rechten, Nr.4 in den linken Lauf. mit etwa 40 Schritt Abstand durchstreifen wir zwei das Moor, ich den Hund unangeleint hinter mir. Vorsichtig muss man von Bulten zu Bulten treten, denn ein Fehltritt kann leicht zu einem unangenehmen Moorbad führen. Kaum 50 Schritt weit sind wir im Moor, als mitlautem "krätsch" eine Bekassine vor uns hoch wird. Es ist die erste heute und ehe ich darauf fertig werde, ist sie bereits außer Schussweite. Gerade bin ich im Begriff, meine Flinte wieder abzusetzen, als abermals krätschend eine Bekassine zwischen uns hochsteigt. Wieder sucht das Korn die Bekassine und gerade will ich drücken, als drüben sich ein Schuss löst, und die Bekassine ins Schilf wirft. Ein Wink, und mein braver Kurzhaar holt sie mir. Sie lebt noch, und so schlage ich sie gegen den Kolben und reiche sie meinem Schwager rüber. Er freut sich riesig, denn es ist seine erste Bekassine, und dementsprechend lobe ich auch seinen Schuss. Wieder verteilen wir uns und weiter geht es. Kaum sind wir vom Fleck, als ein Hase unmittelbar vor meinen Füssen aus dem Lager fährt. Im hohen Bogen spritzt das Wasser unter seinen Läufen auf. Das Gewehr fliegt an die Backe, aber ich warte noch einen Augenblick da ich ihn bei der geringen Entfernung total zerschießen oder vorbeischießen würde. Jetzt, wo die Entfernung ca. 30 Schritt beträgt, drücke ich ab und im Dampf sehe ich ihn radschlagen. Während mein Tell den Hasen apportiert, nehme ich den Rucksack runter und öffne ihn, wobei ich nicht vergesse, mir aus der darin befindlichen Schachtel eine Cigarette in das Gesicht zu stecken. Dann wird der Hase verstaut und weiter geht's. Eine Zeit lang suchen wir erfolglos, bis wir uns einer dicht mit kaum meterhohem Busch bewachsenen Stelle nähern. Kaum ist jeder auf einer Seite dieses kleinen Urwalds angelangt als mir mein auf der andern Seite stehender, Schwager P. ein lautes "tire haut" zuruft, und wirklich kommt in sausendem Fluge eine Waldschnepfe über die Büsche gesegelt, leider auf sehr große Entfernung. Schnell habe ich das Gewehr am Kopf und jetzt, wo sie einen Augenblick zwischen einigen höheren Büschen frei wird, krümme ich durch, Und schwer aufklatschend fällt die Schnepfe auf den moorigen Boden. Wieder schicke ich Tell, und schon kommt er mit meiner ersten im Moor erlegten Waldschnepfe bei mir an. Ich nehme ihm den Vogel ab, betrachte ihn erst eine ganze Weile und freue mich über die Königin der Niederjagd, die mir durch Dianas Gunst mitten im Moor, wo der Wald eine gute Wegstunde entfernt ist, beschieden, und über die gute Cal. 12, mit ihren langen, engschiessenden Läufen, die mir den edlen Vogel zur Strecke brachte. Ich vermute aber in dem Buschwäldchen noch mehr und sage deshalb meinem Schwager Bescheid, dass ich Tell zum Stöbern hinschicke. Kaum ist er verschwunden, so fängt er an Hals zu geben und der Rummel scheint auf den Stand meines Schwagers loszugehen - Demms!!- da fällt auch schon ein Schuss, worauf ich den Hund abpfeife. Ich begebe mich auf die andere Seite. Hier höre ich, dass mein Schwager auf einen Hasen geschossen hat, der leider etwas weit gekommen war, er ihn aber habe deutlich zeichnen sehen. Mein Tell muss schließlich sein Bestes wieder tun. Ich lasse ihn verlorensuchen. Mit tiefer Nase verschwindet er auf der Spur des Hasen uns aus den Augen. Wir zünden uns jeder eine Cigarette an und betrachten gegenseitig unsere Jagdbeute, ziehen Vergleiche zwischen Schnepfe und Bekassine und dererlei mehr. Jetzt, ein paar Minuten mögen wohl vergangen sein, kommt mein braver Hund mit dem Hasen im Fang im gestreckten Galopp auf uns zu. Ich nehme ihm den Hasen ab, der, wie sich beim Abbalgen ergab, einige Schrote weidewund hatte und gebe Tell ein Stück Brot, welches ich noch bei mir in der Tasche fand Da es schon anfängt gelinde zu dämmern, so denken wir bereits an den Heimweg, den wir auf dem gradesten Wege, quer durchs Moor zurücklegen wollen. Zur Vorsicht behalten wir aber noch unsere Flinten schussfertig in der Hand. Und richtig, auf ungefähr halbem Wege gehen vor mir zwei Bekassinen hoch. Ein rasch hingeworfener Schuss lässt die eine herunterkommen und da ist die zweite auch schon in der schnell vorrückenden Dämmerung verschwunden. Nachdem der Hund die Bekassine gebracht hat, gebe ich sie ihrer großen Verwandten zur Gesellschaft an die Jagdtasche. Aber nun entladen, denn es wird wirklich zu dunkel. So schnell wie möglich sehen wir zu, wieder vom Moor auf den festen Weg zu kommen, und in einer knappen Viertelstunde haben wir ihn erreicht. Nun wird gemütlich plaudernd und rauchend der Weg nach Haus in dreiviertel Stunde langsam zurückgelegt. Frühzeitig geht's ins Bett, nachdem man beim Abendbrot auch noch gute Arbeit geleistet hat, und der Schlaf lässt nach der Hüpferei und Springerei bei einer Streif durchs Moor nicht lange auf sich warten.




1. Foto : Herbert Meyer ca. 1935
2. Foto : Nicolaus Meyer 1901
3. Foto : Nico Meyer ca. 1931
4. Foto : Herbert Meyer ca. 1920