Rund um die Moorburg

Ein Heimatbuch

von Alfred Aust





Aus dem kleinsten Kammerfenster
Kannst Du in den Himmel sehn;
In dem engsten Vaterlande
Lernt der Mensch die Welt verstehn.
Rückert.




Verlag A. Aust, Moorburg
Druck von G. Lühmann, C. Hergeröder's Nachfl., Harburg-Wilhelmsburg 1
1930


Dem Landherrn

Herrn Senator Heinrich Stubbe

zugeeignet.




Vorwort

Die erste Anregung zu der Moorburger Heimatgeschichte erhielt ich im Unterricht; meine Mitarbeiter waren zunächst die Schulkinder des Jahrgangs 1920-1928. Sie sammelten mit großem Eifer, was noch an altem Kulturgut in der Gemeinde vorhanden war, und manche Großmutter mußte ihre fernsten Erinnerungen hervorkramen.
Aber das genügte nicht. Um ein einigermaßen abgerundetes Bild der Moorburger Geschichte zu gewinnen, waren größere Vorarbeiten notwendig, die mir durch die Unterstützung und das Entgegenkommen des Hamburger Staatsarchivs, der Hamburger Staatsbibliothek, des Moorburger Pfarrarchivs und des Harburger Museums möglich waren; insbesonders seien an dieser Stelle die Herren Archivrat Dr. H. Kellinghusen, Heitmann, Pastor A. Pasewalk und Pastor G. Gerdts genannt, die meine Arbeit in jeder Weise förderten. Im übrigen haben die Herren Prof. Dr. F. Bargheer, Hannover, Mittelschuldirektor Lübbers, Harburg, und Dr. Heyken, Moorburg, mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Bei der Erarbeitung und Sichtung des Materials unterstützte mich Fräulein Elfr. Breternitz, Moorburg, bei der Aufstellung des Namens- und Sachregisters meine Frau Marg. Aust. Vom statistischen Landesamt erhielt ich das statistische, von der Baudeputation, Abteilung Strom und Hafenbau, das geologische Material zur Verfügung gestellt. Der Magistrat der Stadt Harburg gestattete mir in liebenswürdiger Weise das kopieren und Photographieren der Freesischen Elbkarte.
Ein großer Teil meiner Arbeit aber wurde in Gesprächen und Plauderstunden mit Moorburger Landwirten, Milchleuten, Handwerkern und Gemüsefrauen zusammengetragen. Sie alle waren stets gern bereit, mir mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen zu dienen. Es waren u.a. die Landwirte Herm. Westphalen, Nr. 151, Nik. Gerkens, Nr. 192, Claus Harms, Nr. 162, der Reepschläger Hinrich von Sieden, Nr. 30, sowie die Milchleute J. Stubbe, Nr. 19, und H. Schwartau, Nr 109a. Über alte Moorbueger Frauenkleidung unterichtete mich Frau M. Thiemann, Nr. 18a.
Für das Zustandekommen der Drucklegung setzten sich in erster Linie der Landherr, Herr Senator H. Stubbe, Herr Oberregierungsrat Töpfer, Herr Staatsrat Zinn und der Gemeindevorsteher Herr Fritz Pinkenburg ein. Nur durch die opferwillige Unterstützung der Stadt Hamburg und der Gemeinde Moorburg war die Herstellung des Buches möglich. Ihnen und allen ungenannten Helfern und Förderern sei hiermit mein herzlichster Dank ausgesprochen.

Moorburg (Hamburg), im März 1930

Alfred Aust.





Inhalts=Verzeichnis

Von der Erde, auf der wir wohnen

Wie Moorburg eingedeicht und besiedelt wurde

Von Deichen und Schleusen

Die Burg und ihre Geschichte

Grenzstreitigkeiten

Moorburg in der Zeit der napoleonischen Kriegswirren

Moorburg in den Jahren 1815, 1866, 1870-71

Moorburg während des Weltkrieges

Seuchen, Feuersbrünste, Fluten

Von Schulen und Schulmeistern

Die Kirche der heiligen Maria=Magdalena

Von allerhand Gebeten, die in unserer Kirche einst gesprochen wurden

Unsere Bauern- und Kätnerhäuser

Von Namen und Hausmarken

Von hohen und niedrigen Ämtern und Berufen
Landvoigt
Pastor
Lehrer
Nachtwächter
Bettlerunwesen und Prachervögte
Polizei
Arzt
Hebammen
Milchmann
Handwerker
Branntweinbrennereien
Schenkwirtschaften
Torfhandel
Hausgewerbe
unehrliche Berufe
Die Landwirtschaft

Wie man sich kleidete

Verlöbnis und Hochzeit

Tod und Begräbnis

Vom Rechtswesen in alter Zeit

Allerlei Aberglaube

Von Steuern und Abgaben

Moorburger Verkehrsverhältnisse

Die Bank

Flur-, Orts-, Fluss- und Wegenamen

Statistisches


Anhang

Verzeichnis der Moorburger Prediger ab 1528

Moorburger Grundbesitzer 1577 und 1713

Moorburger Milchleute 1814

Ehrentafel der im Weltkrieg Gefallenen

Ein Überlassungskontrakt der Familie Harms 16. November 1826

Verträge aus dem Hamburger Staatsarchiv, sowie dem Hamburger und Lüneburger Urkundenbuch, Moorburg betreffend und Kirchengründung:
1309 Kirchengründung

1353 Überlassung des Glindesmoors

1354 Schenkung an die Kirche

1373 Vertrag über die Süderelbe

1373 Verkauf der Rethwisch an Mynecke Schulte

1375 Verkauf des Olden Moores und der Rethwisch an den Hamburger Rat

1396 Klageschrift der Harburger Herzöge

Verteidigungsschrift der Stadt Hamburg

1548 Interims-Rezeß

1591 Endgültige Festlegung der Grenze

Zwei Beiträge von H. Wiegers:
Faßlamfliegen

Die Mullhäuhner



Verzeichnis der Abbildungen.

Geologischer Schnitt durch die Moorburger Marsch von der Landscheide nach der Süderelbe
Blick auf Vorland und Süderelbe
Alte Katen am Deich
Am Alten Deich
Die Bäckerschleuse
Die Burg nach der Karte des Melchior Lorichs
Die Burg nach der Karte des Daniel Freese
Die Burg nach der Karte des Reinhold Schildknecht
Armbrustscharte mit Kammer
Die Landscheide (Schnede) bei der Wiesenschenke
Der Querweg
Die Mairie
Das Denkmal für die Gefallenen des Weltkrieges
Die letzte Mühle während des Brandes
Die Überschwemmung am alten Deich 1928
Sturmflut auf Ellerholz
Die Warft auf Ellerholz
Der Wasserturm
Das Brack am alten Deich
Die Schule 1929
Cl. Fr. Grothkopp
Blick auf den Friedhof und Kirche
Die Kirche 1687
Das herausgenommene Altargemälde
Bauernhaus im Deichschutz
Ziegelmuster und Mühlen
Haus des ehem. Gemeindevorstehers P. N. Harms
Alkoven und Finsterschapp
Fährmann Ritscher (Hol öwer!)
Polizei Oberwachtmeister 1914
Reepschläger
Dr. med. Schreier
Alte Anlegestelle der Milchewer "up dem Horne"
Katschbinderin
Weidendes Milchvieh
Vorland in Blüte
Bei der Obsternte
Die Landungsbrücke
Moorburger Deern mit Mütz
Mariken Timmermann
Liekenbidder
Die Fregen
Die Niederelbische Bank
Karte des Daniel Freese


Sämtliche Autotypien und Strichzeichnungen wurden in der Chemigraphischen Kunstanstalt von Nelles & Co., Hamburg, Neustädter Str. 14, angefertigt.



Dem Text eingefügt:

Höhenlage Moorburgs
Reihenfolge der Deichungen
Die Burg nach der Karte des Christian Möller
Hausmarken Moorburger Höfner
Milchmann 1809
Milchmann 1840
Silberne Knöpfe der Milchleute
Moorburger Milchewer




Für diese Arbeit benutzte gedruckte Literatur

Amsinck, W.
Aufzeichnungen über Verwaltung der Landherrenschaft von Bill- und Ochsenwärder. 1800-1801. Herausgegeben von Dr. J. F. Voigt, Hamburg 1911.
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Die deutschen Personennamen. Leipzig 1910.
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Spadenrecht. Heimatbücher deutscher Geschichte. Heft 5. Frankfurt a. M.
Baasch, E. Dr.
Der Kampf des Hauses Braunschweig-Lüneburg mit Hamburg um die Elbe. Hannover 1905
Borstelmann, H.
Familienkunde der Stader Elbmarsch. Bd. 1 Familienkunde des alten Landes. Hamburg 1927. Bd. 2 Familienkunde des Landes Kehdingen. Hamburg 1929
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Historische Nachrichten über die Elbinsel Altenwerder. Hamburg 1894
Bock, E.
Alte Berufe Niedersachsens. Hannover 1925
Brons, B.
Friesische Namen. Emden 1877
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Predigt am Sonntag vor dem Fasten über die große Wasserfluth. Hamburg 1825
Der Köhlbrandvertrag
Verlag Basedow. Hamburg 1909
Des Deutschen Reichsarchiv
Leipzig 1714
Eilers, E.
Hamburgs Vergangenheit. Hamburg 1923
Finder, E. Prof. Dr.
Die Vierlande. Beiträge zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens. Teil 1 und 2. Hamburg 1922
Förster, H.
Die volkstümliche Kunst Niedersachsens. Hannover 1926
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Altdeutsches Namenbuch. Bd. 1 und 2, Bonn 1910 und 1913
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Historische Topographie der Freien und Hansestadt und ihrer nächsten Umgebung von der Entstehung bis zur Gegenwart. Hamburg 1880
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Geschichte der Stadt Hamburg. Bd. 1-3. Hamburg 1853
Galerie der Nationaltrachten in der Freyen und Hansestadt Hamburg
Lüneburg 1806
Gernet, Dr.
Geschichte des Hamburger Landphysikats von 1817-1871. Hamburg 1884
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Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. Geschichte des Deutschen Deichrechts. Bd. 1 und 2. Breslau 1901
Goebel, Otto
Familienforschung, Stader Archiv Heft 15. Stade 1925
Hamburger statistische Monatsberichte.
Statist. Landesamt Hamburg
v. Heß, L.
Hamburg, topographisch, politisch und historisch beschrieben. Hamburg 1789
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Die deutschen Familiennamen. Halle 1908
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Einige Erläuterungen zur historisch-topographischen Ausbildung des Elbstroms und der Marschinseln bei Hamburg 1869
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Beiträge zur Geschichte der Stadt Hamburg und ihrer Umgebung. Hamburg 1897
Jellinghaus, H. Dr.
Holsteinische Ortsnamen. Zeitschr. d. Ges. f. Holst. Geschichte. Bd. 29. 1899
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Eine Elbkarte des 16. Jahrhunderts im Museum für Hamburgische Geschichte. Hamburg 1919
Kleseker,
Sammlung der Hamburgischen Gesetze und Verfassungen. Bd. 10. Hamburg 1771
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Erläuterungen zur geologischen Karte von Preussen. Blatt Harburg. Berlin
Koppmann, K.
Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg. Hamburg 1869-1894
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Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache. Hamburg 1861
Lappenberg, J. M. Dr.
Die Elbkarte Melchior Lorichs vom Jahre 1568. Herausgegeben von Alb. Aust, Hamburg 1927
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Die Niederelbe. Bielefeld, Leipzig und Berlin 1909
Lindner, Theod. Prof.
Die deutsche Hanse. Leipzig 1901
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Geschichte der Stadt und des Schlosses Harburg. Harburg 1845
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Die hamburgischen niederdeutschen Personennamen des 13. Jahrhd. Dortmund 1925
Melhop, W.
Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg von 1895 bis 1920. Hamburg 1923 u. 1925
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Struktur des Haushaltes der Stadt Hamburg. Leipzig 1914
Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte
Voigt, Dr. J.F. Meßgewänder lutherischer Geistlicher in Moorburg. Bd. 4
Derselbe: Ältere Hauseinschriften in den hamburgischen Marschlanden (1605 bis 1820). Bd. 2
Derselbe: Mandat von 1648 für das hamburgische Landgebiet wider die Entheiligung des Sonntags, wider Fluchen und Spielen. Begräbnismahlzeiten und Kleiderluxus.
Derselbe: Ehemalige Gerichtsgebräuche in Bergedorf. Bd 3. Von Pranger und Halseisen. Bd. 2
Dr. Otto Rüdiger. Eine Luxusordnung für Bill- und Ochsenwärder vom 21. Febr. 1583
Neddermeyer, F. H.
Zur Statistik und Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg und deren Gebiets. Hamburg 1847
Peßler, W. Dr.
Niedersächsisches Trachtenbuch. Hannover 1922
Peters, H.
Mineralogie und Geologie. Kiel Leipzig 1905
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Burgenkunde. München und Leipzig 1905. 1908
Plettke, Fr.
Heimatkunde des Regierungsbezirks Stade. Bremen 1909
Reincke, H. Dr.
Hamburg, ein kurzer Abriß der Stadtgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bremen 1925
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Elbmarschkultur zwischen Bleckede und Winsen. Harburg-Wilhelmsburg 1929
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Hamburg in der Franzosenzeit. Hambuirg 1913
Schiller, K. und Lübben, A.
Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Bremen 1875
Schlunck, J. Wolff, W.
Erläuterungen zur geologischen Karte. Blatt Hamburg. Berlin
Schumann, H.
Geschichte des Hamburger Landschulwesen. Hamburg 1903
Sudendorf, H.
Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und ihrer Lande. Hannover 1859
Suhr
Der Ausruf in Hamburg. Hamburg 1808
Stüven, H.
Die Landschaft Moorburg in der Franzosenzeit und die Kämpfe um die Moorburger Schanze. Hamburg 1909
Voigt, J. F. Dr.
Geschichtliches zur Versorgung Hamburgs mit Milch. Hamburg 1903
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Flurnamensammlung. München 1924
v. Wersebe, D. A.
Über die niederländischen Colonien, welche im nördlichen Deutschland im 12. Jahrhundert gestiftet worden. 2 Bde. Hannover 1826
Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte
Dr. O. Benecke. Die Amtseinkünfte der hamburgischen Landpastoren in älterer Zeit. Jahrg. 1874
Pastor Dr. Geffken. Die Leichenbegängnisse in Hamburg im 17. Jahrhundert. Jahrgang 1843. Seite 497
Dr. W. Hübbe. Einige Mitteilungen über Kulturverhältnisse, Sitten und Gebräuche im Landgebiet der Stadt Hamburg. Bd. 5. 1866
Kellinghusen, H. Das Amt Bergedorf. Bd 13.
Prof. Dr. Krabbe. Über das Hamburger Landgebiet in kirchenhistorischer Rücksicht. Jahrg. 1843. Seite 484











Geologischer Schnitt durch die Moorburger Marsch von der Landscheide nach der Süderelbe.








Von der Erde, auf der wir wohnen

Es mag wohl kaum glaubhaft erscheinen, daß die Haakeberge, die im Süden die flache Marsch abgrenzen, einst, vor Jahrhundertausenden, nicht waren, daß an der Stelle, wo heute unsere Wohnhäuser stehen, wo das Vieh weidet und das Dengeln der Sensen ertönt, gewaltige Wassermassen dahinbrausten, gegen die unsere Elbe nur wie ein dürftiges Rinnsal erscheinen würde.
Es war am Ende der Braunkohlenzeit (Tertiär), als unsere Gegend und mit ihr ganz Norddeutschland von riesigen Gletschern bedeckt wurde, deren Mächtigkeit man auf 100 Meter schätzt. Ein Teil ihrer Seiten= bezw. Endmoränen sind die Hügel am Rande unserer Marsch. Von ähnlich riesigen Ausmaßen war die Tätigkeit der Gletscherwasser, die, im Süden abgeschmolzen, sich in mächtigen Strombetten sammelten und in westlicher Richtung einen Ausgang ins Meer suchten. Auf jeder Karte von Deutschland ist der Weg dieses Urstrombettes festzustellen: die heutigen Flußtäler von Bober und Queis, von Neiße und Spree, das Flußgebiet der schwarzen Elster und die Niederelbe. Die Schmelzwasser, die brausend und tosend sich ins Meer ergossen, führten Steine, Sand und Kies mit sich. Erst wo ihr Lauf ruhiger wurde, wo sich ihre strömende Kraft verebbte, ließen sie ihre Last zu Boden sinken und erhöhten so in jahrhundert-, vielleicht jahrtausendlanger Arbeit ihr eigenes Bett.
Man nimmt an, daß bei Beginn unserer letzten Erdepoche, der Alluvialzeit, unter Land noch 10 bis 20 Meter höher über dem Meeresspiegel lag als heute. Die Elbe war demnach den Gezeiten, dem Wechsel von Ebbe und Flut, noch nicht ausgesetzt.
Das änderte sich erst mit der Senkung des norddeutschen Küstengebiets. 1) Die Nordsee drang immer weiter in die Elbmündung hinein und weitete sie bis in die Gegend von Uetersen und Wedel zu einem gewaltigen Meerbusen. Selbst bis Vierlanden hinauf wurde das Wasser brackisch.
Mit dem Ende der jüngeren Steinzeit oder zu Beginn der Bronzezeit hatte dieses langsame Versinken des Küstenlandes aufgehört. Flut und Ebbe waren fortan in der Hamburger Bucht tägliche Erscheinungen geworden. Zu der Stauwasserzeit lagerte sich Schicht auf Schicht des humosen Schlicks ab und bildete mit der Zeit eine starke Decke am Grunde des Wassers. Sandbänke und Inseln traten aus dem Strom heraus. Bei Ebbe lag sogar ein großer Teil des weiten Flußbettes als Watt trocken. Ganz allmählich wurde durch diese aufbauende Tätigkeit des Wassers das Meer zurückgedrängt, aus dem Salzwasser wurde nun wieder Süßwasser, aus dem Meerbusen eine weite Flußmündung.
Als Plinius der Ältere, der um 50 n. Chr. herum unsere Heimat schildert, an den Elbufern gestanden hat, mag der oben erwähnte Zustand für unsere Marschen erreicht gewesen sein:
"Mit ungeheurem Andrang rollte dort zweimal in 24 Stunden der Ozean daher, breitete sich ins Unermeßliche aus und bedeckt ein ewiges Streitgebiet der Natur, von dem man nicht weiß, ist es noch Festland, ist es noch Meer. Hier haust das armselige Volk auf Hügeln oder mit der Hütte auf künstlichem Gerüst über der höchsten Flutlinie : Seefahrer, wenn das Wasser alles ringsum bedeckt, Schiffsbrüchige bei der Ebbe, Jäger hinter Fischen, die im Umkreis der Hütten mit dem Meere entweichen. - Vieh zu halten und Milch zu trinken wie die Nachbarn, ja, auch nur Jagd auf Wild ist diesen Leuten nicht vergönnt; denn weit und breit wächst kein Strauch. Aus Seegras und Sumpfbinse flechten sie Fischnetze. Mit den Händen heben sie Torf auf und trocknen ihn mehr am Winde als an der Sonne, ihre Spesen damit zu wärmen und die vom Nord starrenden Eingeweide. Ihr Trank ist der Regen, in der Grube vor dem Hause gesammelt." -
Es gab also noch keine Weiden, keine Äcker, keine Deiche und Dämme nur von Prielen durchzogenes Watt und Wälder von Ret und Schilf. Die Siedlungen der Menschen lagen am Seestrand. Wo heute die Autos von Harburg nach Buxtehude entlangrasen, war damals Elbufer, und bei Sturmfluten brandeten die Wogen gegen die Haakeberge.
Ein Blick auf den Schnitt durch die Erdschichten unserer Landschaft, auf Grund wissenschaftlicher Bohrung wurde zusammengestellt, läßt die weitere Entwicklung der Moorburger Marsch mit Leichtigkeit erkennen. (Karte.) In einer durchschnittlichen Tiefe von 13 Metern stößt man überall auf eine Kiesschicht oder auf groben mit Steinen durchsetzten Sand. Darüber lagert in einer Durchschnittsstärke von 5 Metern ein feiner gelber Sand, wie er auch heute noch an der Elbe verschiedentlich angespült wird. Auf diesem Sande liegt das Moor, das unserer Gemeinde den Namen gegeben hat: das Glindesmoor, später Moorburg. Von der Geest bis an die Moorkaten tritt es in einer Mächtigkeit von 2 bis 4,5 Metern zu Tage; dann verschwindet es unter einer Kleieschicht, die zuweilen Einlagerungen von Sand und Torf enthält, oft auch mit Feinsand durchsetzt ist.
Die Kleichschicht ist im Innendeich über 2 Meter stark; im Außenbereich erreicht sie sogar eine Mächtigkeit von 5,8 Metern.
Ist die Ablagerung von Kies und Sand ein Beweis dafür, daß das Elbbett einst das ganze Tal zwischen Hausbruch und Blankenese ausfüllte, so bleibt die Frage nach der Entstehung des Moores zunächst ungeklärt.
Wer sich die Mühe gibt, den Torf näher zu untersuchen, findet in der oberen Schicht reichlich Holzreste von Fichten, Kiefern, Birken und Erlen, zuweilen auch von Eichen und Haselnuß. Das beweist immerhin daß hier einst ausgedehnte Wälder gestanden haben müssen. Tatsächlich zeigt selbst noch die Freesische Karte von 1577 2) einen reichen Waldbestand, der das ganze Gebiet südlich der Moorkaten bedeckt.
Unter dieser oberen Schicht liegt ein grünlich=schwarzer von Graswurzeln und Seggenarten reichlich durchsetzter Torf. Ihm folgt der gelbbraune Moostorf (Hypnomtorf), der seine Entstehung den Torfmoosen verdankt. (Sphagnum cymbifolium und acutifolium). Da sie in flachen, stehenden Gewässern gedeihen, muß wohl vorausgesetzt werden, daß die Elbe durch ihre Bildung von Inseln und Sandbänken einen Teil ihres Bettes von der täglichen Überflutung absperrte, so daß das Wasser keinen oder nur geringen Abfluß hatte. Im Herbst und Winter sank das Moos zusammen und geriet unter Wasser; im Frühling aber schickte es erneut ein dichtes Gewirr von Trieben in die Höhe, so daß sich über dem alten, untergetauchten ein dichtverfilztes neues Pflanzengeflecht aufbaute. Nach wenigen Jahrzenten schon hatte die Moosdecke bereits eine solche Mächtigkeit, daß sich auch Kräuter und Büsche auf ihr ansiedelten, Knopfgras, weißer Schnabelsamen, Linsen, Wollgras und die zahlreichen Arten der Segge (Carex), die zwar das schlechte, sog. saure Heu liefern, aber für die Fortbildung von ungeheurer Bedeutung gewesen sind. Auch das Sumpf= oder Wiesenschilf sowie die Rohrkolbengewächse (Typhaceae), die noch heute überall in den Gräben wuchern, sollen nicht vergessen sein. Ihre abgestorbenen Reste halfen mit, das Moor zu bauen, bis es Tannen, Kieferin, Birken und Erlen tragen konnte.
Es bliebe noch das Vorkommen des Schlicks, der Kleie, zu erklären.
Nach jedem Hochwasser scheinen noch heute alle Gräser im Außendeich mit einem feinen, grauen Schleier überzogen zu sein. Es ist der tonige Absatz aus der Hochwassertrübe, der sie und das Land bedeckt. Seit vielen Jahrhunderten wiederholt sich dieser Vorgang, so daß sich allmählich eine starke Decke gebildet hat, selbstverständlich nur dort, wo die Flut das Moor noch überschwemmte. Die Ausdehnung der Kleieschicht nach Süden gibt uns also gleichzeitig Aufschluß, wieweit die Fluten reichten, bevor das Land gedeicht wurde. Als erst der Deichring geschlossen war, konnte nur noch die Schicht im Außendeich wachsen. So wird auch ihre größere Mächtigkeit erst erklärlich. Sie wird wachsen, solange den Sturmfluten das Eindringen ins Vorland noch möglich ist.
Man könnte die Kleierde als fetten Ton bezeichnen im Gegensatz zum reinen Ton, der keine Sand=, Kalk= oder Humusbeimengungen enthält, und wegen seiner Kälte und Nässe nur magere Ausbeute gibt.
An der Oberfläche ist der Ton durch Oxydation des in ihm enthaltenen Eisens in eine bräunliche Farbe übergegangen; nach der Tiefe jedoch wird er graublau bis schwarz, je nach dem Gehalt an humoser Beimengung.
Wie kann aber die Elbe diesen fruchtbaren Kleiboden liefern? Flüsse und Ströme erhalten von den waldigen Gehängen der sie umgebenden Berge mit Erde untermengte Humussubstanz zugeführt. Auch weht ihnen der Wind Pflanzenteile zu, und endlich bildet sich aus den in ihnen absterbenden Pflanzen und Tieren fortwährend Humus. Aus diesem und dem Ton (verwittert und vom Wasser zerfetzter Feldspat) bildet sich der Schlick.
Tritt die Elbe über ihre Ufer, wird sie in erster Linie dies Gemisch von Ton und Humus mit sich führen, während der Sand, weil er schwerer ist, zurückbleibt.
Eigenartig scheint es, daß nur dicht am Deich im Binnenland sich eine verhältnismäßig geringe Humusdecke angesammelt hat.
Was ist Humus? Welche Bedeutung hat er überhaupt? Es ist eine braune oder schwarze Masse, in welche pflanzliche oder tierische Stoffe nach ihrer Verwesung zerfallen; es ist das Produkt des Gärungs= und Fäulnisprozesses. Was also in unserer Landschaft den Humus bildet, ist der Dung, den der Moorburger Landwirt in den vielen Jahrhunderten in seinen beim Hause liegenden Kohlgarten geschafft hat, sind die Rückstände an Wurzeln und Blättern, die er nicht miterntete, sind die Blätter und Zweige der Bäume, die am Deiche standen, und menschliche und tierische Exkremente.
Auffallend ist die Kalkarmut unseres Kleibodens.
Natürlich hat man auch in Moorburg versucht - vor allem nach 1813, als jeder Hof stark verschuldet war - den Kleiboden nicht nur landwirtschaftlich auszuwerten. Verschiedene Höfner suchten um das Privileg nach, Ziegeleien zu gründen. 3) Eine Bedeutung hat dieser Erwerbszweig aber nie gehabt. Da die Kleidecke abgeschält wurde und der Moorboden zu Tage trat, schädigte sich jeder Landwirt am meisten selber, wenn er Ziegel brannte. Man erzielte wohl zunächst einen kleinen Nutzen; aber der landwirtschaftliche Wert des Hofes sank dafür um so mehr.
Durchweg ist der Marschboden in 4 Ruten breite Stücke aufgeteilt worden, die nach beiden Seiten flach gewölbt sind. Dadurch wird das Regenwasser nach den Gräben abgeleitet. Durch ein gutdurchdachtes Entwässerungssystem wird das Grundwasser immer so niedrig gehalten, daß der Boden in seiner Oberfläche trocken und warm, in Wurzeltiefe aber gut durchfeuchtet ist.
Das jährliche "Kleien" oder Aufziehen der Gräben mit "Kruthaken, Wallsnieder und Hau" liefert immer wieder frischen Klei.
Wer das alles weiß, wird fortab die Elbe mit ganz anderen Augen betrachten. Durch ihre immerwährende Unruhe, durch ihr stürmisches Drängen und Fordern, ihr Wüten und Toben bei Sturmfluten, durch ihr wildes Aufbegehren und überfluten weiter Landstriche hat sie schließlich ein Werk geschaffen, das wir - Heimat nennen.

1) Litorinasenkung.

2) Im Anhang.

3) 1843 eröffnen H. Rübcke, B. Meyer und J. Harms im unteren Teil des Landes bei der Schleuse eine Ziegelei. 1844 werden in Moorburg noch 3 Ziegeleien, eine unten, zwei oben, angelegt. (Kirchenchronik.)








Wie Moorburg eingedeicht und besiedelt wurde


Wer einmal von den Höhen bei Hausbruch den Blick über die weite Elbmarsch schweißen ließ, so weit, daß er fern im Hintergrund die Höhen von Othmarschen, Flottbek und Blankenese erblickte, kann sich ungefähr ein Bild von der Größe des Elbstromes machen, wie er einst war. Das war kein Strom, das war ein Meerbusen, der tief in das Land hineindrang. Kein Wunder, daß er bis zum Jahre 1000 als natürliche Grenze das am westlichen Ufer gelegene Herzogtum Niedersachsen von der Grafschaft Holstein=Stormarn am östliches Ufer trennte; auch die geistlichen Gebiete des Erzbistums Bremen=Hamburg und des Mainzer Bistums Verden wurden durch den Elbstrom geschieden. Damals noch mag er dem Bilde entsprochen haben, das Plinius (50 n. Chr.) von ihm gibt, wenn er berichtet: "Da strömt auf ungeheurer Strecke, zweimal täglich sich unermeßlich ergießend der Ozean." Während der Ebbezeit lag zwar ein großer Teil des Elbbettes als Watt und Sand, als schilfbewachsener Sumpf und mit Ret und Weidengestrüpp bedecktes Inselland vom Wasser frei; aber die nächste, höhere Flut deckte alles wieder mit ihrem Wogenschwall.
Diese Verhältnisse bestätigt Helmold in seiner Slavischen Chronik, wenn er von der großen Normannenschlacht im Glindesmoor (995 n. Chr.), dem heutigen Moorburg, berichtet: "Als der andere Teil der Piraten durch die Weser herangeführt war, verwüstete er das ganze Ufer jenes Flusses und gelangte dann mit einer sehr großen Zahl Gefangener nach dem Glindesmoor. Als sie nun einen gefangenen sächsischen Krieger zu ihrem Wegweiser gemacht hatten, leitete jener sie nach den unwegsamen Stellen des Sumpfes, in dem die Ermüdeten von den Sachsen, die ihnen gefolgt waren, leicht zerstreut wurden. 20 000 von ihnen gingen zu Grunde." 1) -Ähnliches berichtet Adam von Bremen in seiner hamburgischen Kirchengeschichte. Diese Vernichtungsschlacht war eben nur möglich in einem Wirrsal von Sümpfen, Mooren und Bruchwäldern, wie es das derzeitige Elbtal bot.
Daß auf diese Gebiete zunächst kein geistlicher oder weltlicher Fürst Anspruch machte, ist erklärlich. Erst als das Land so hoch aufgeschlickt worden war, daß es die längste Zeit des Jahres nicht mehr überflutet wurde, als es zumindest eine gute Viehweide bot, erwachte der Land- und Machthunger der anliegenden Fürsten. Die Besitzergreifung gab dann wieder den Anreiz, das Land endgültig gegen die Fluten abzusperren; es folgte die Zeit der Deichung und Siedlung.
Die erste Nachricht über Anlegung von Deichen stammt aus dem 9. Jahrhundert. In unserer Marsch glaubt man im allgemeinen noch heute an eine Besiedlung und Deichung durch Holländer; doch existiert ein Kolonisationsvertrag des Erzbischofs Friedrich von Bremen mit holländischen Einwanderern aus dem Jahre 1106, aus dem entnommen werden muß, daß Elbe und Weser schon vor deren Emigration zur Hauptsache bedeicht waren. 2) Aufgabe der aus Holland und Friesland herbeigerufenen Ansiedler scheint es vielmehr gewesen zu sein, das Bruch= und Sumpfland zu entwässern und urbar zu machen. Man wird ihnen, die aus einem Land stammten, das den Deich= und Schleusenbau schon damals zu einer gewissen Vollkommenheit gebracht hatte, selbstverständlich nicht absprechen können, die Technik desselben in gewaltigem Maße gefördert und entwickelt zu haben.
Sowohl v. Gierke als auch v. Wersebe vertreten die Ansicht, daß für die erste Besiedlung unserer Elbmarschen landbürtige Bewohner in Frage kommen. 3)
In der Moorburger Marsch wird es so gewesen sein, daß die ersten Ansiedler die Geest zum Ackerbau, die nach der Elbe vorgelagerten Marschstriche zur Viehweide ausnutzten. Später schritt man dazu, die reifsten Marschflächen, also die Stücke, die am höchsten aufgeschlickt waren, einzudeichen. Die aufgeworfenen Erdwälle mögen in der Höhe kaum den heutigen niedrigen Sommerdeichen gleich gewesen sein. Sie zogen sich in geringem Abstand am Ufer des Flusses hin und bogen dann an beiden Enden im Winkel nach der Geest zu ab. Ein Teil der Marsch zwischen der Geest und dem bedeichten und besiedelten Strich blieb häufig unkolonisiert liegen. Man spricht dann von einer Randsiedlung. Eine breite "Schnede" oder Landscheide zwischen dem bebauten und unbebauten Land leitete das eindringende Sumpf= und Moorwasser ab.
Da der Erzbischof von Hamburg Ansprüche auf die ganze Marsch bis an den Rand der südlichen, lüneburgischen Geest machte, die verbrieften Grenzbestimmungen aller in Betracht kommenden Fürsten aber am Rande des Elbtals endeten, so konnten Grenzstreitigkeiten zwischen den geistlichen und weltlichen Herren im Laufe der Zeit nicht ausbleiben. 4)
Von einem großangelegten einheitlichen Plane einer Besiedlung und Eindeichung unserer Elbmarschen kann also keine Rede sein. Es waren immer nur kleinere Stücke, die einer Siedlungsgemeinschaft zugewiesen wurden. Da auch, wie schon oben erwähnt, die reifsten Stücke zuerst in Angriff genommen wurden, ist es erklärlich, daß wir heute Marschgebiete durch gemeinsamen Deich geschützt finden, die doch in ganz verschiedenen Jahrhunderten kolonisiert wurden.
Wie lagen die Verhältnisse nun im Glindesmoor der heutigen Landschaft Moorburg?
Urkunden, die uns über die ältesten Zeiten Aufschluß geben könnten, sind nicht vorhanden. Man ist also mehr oder weniger auf Mutmaßungen angewiesen.
Das Jahr 1926 war für die Besiedlung der bei Harburg liegenden Elbmarschen, insbesondere des Lauenbruchs, 5) dessen neu herbeigerufener Anbauern Herzog Otto 11. von Lüneburg-Celle besondere Vorrechte einräumte, 6) von besonderer Bedeutung. Daß dies die erste Besiedlung gewesen sein sollte, ist kaum anzunehmen; denn schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts ließ Erzbischof Hartwig die Marschen um die Harburg urbar machen, nachdem ihm diese durch Papst Hadrian überwiesen und vom Kaiser Friedrich 1. als Schenkung bestätigt worden waren.
Da das Glindesmoor 1926 auch Besitz der Herzöge von Lüneburg=Celle war (meiner Ansicht nach ist das Lewenbruch sogar ein Teil des Glindesmoors gewesen), wird es wohl zur selben Zeit und unter ähnlichen Bedingungen besiedelt worden sein, wie der "Lewenwerder". Es werden weder Friesen noch Holländer als Einwanderer genannt, sondern nur "die Leute, welche in dieses Lewenwerder genannte Land in Hoffnung eines besseren Glückes sich werden zu wohnen begeben". Ja es wird zunächst nur mit Kolonisten aus des Herzogs eigenem Lande gerechnet; denn es heißt in dem Kolonistenrecht: "Wenn einer aus eines andern Fürsten Herrschaft in diesem Lande sich niederlassen und ein Jahr seine Wohnung darin beständig haben wird" usw.
Die älteste Urkunde, die über die Moorburger Marsch berichtet, stammt aus dem Jahre 1309 und ist lateinischer Sprache abgefaßt. Sie beginnt mit der Tatsache, daß Herr Willekin von Stade und sein Sohn Arnold für Glindesmoor und Redwisch eine Kirche erbaut haben, die als Filialkirche Wilstorfs gedacht ist. 7) Durch die Abteilung dieses Gebietes erleidet die Mutterkirche einen Ausfall an Einnahmen von 10 Mark, wofür die Schöffen samt dem Schultheiß (schabini et schultetus) dem Pfarrherrn von Wilstorf nun jährlich einen Zins von 5 Mark zu überreichen haben. Auch gibt uns die Urkunde Gewißheit, daß Glindesmoor und Redwisch bereits einen Niedergerichtsbezirk bildeten.
Diese Tatsachen lassen den Schluß zu, daß um 1309 unser Marschgebiet schon besiedelt war, daß die Höfe sogar schon zu einem gewissen Wohlstand gekommen waren.
Ob schon eine Bedeichung des Glindesmoors - wenigstens einzelner Teile - stattgefunden hatte, ist aus diesem Schriftstück nicht zu entnehmen, müßte aber wohl bejaht werden, soweit wir über die Siedlungsart in unsern Elbmarschen unterrichtet sind.
Jedoch halte ich ein Wohnen auf künstlichen Hügeln, sog. Wurten, selbst wenn heute auch keine Reste mehr zu finden sind, nicht für ausgeschlossen. In unserer Moorburger Marsch wurde stets zum Deichbau und zur Instandhaltung der Deiche viel Erde verbraucht. Finkenwärder, das fast in jedem Jahrhundert von mehreren Sturmfluten heimgesucht wurde, mußte trotz seiner Deiche seine Wurten erhalten. Im Glindesmoor fühlte sich der Bauer ungleich sicherer. Er hatte die Wurten für seinen Hausbau nicht mehr nötig und konnte die Erde für seine Deiche verwenden. Ist doch selbst die große Kirchwarft der alten Maria=Magdalenen=Kirche fast ganz verschwunden; die Burgwälle der Moorburg sind abgetragen worden, und 1827 hören wir sogar, daß der ganze "Alte Deich" von den Anliegern unterpflügt und eingeebnet worden war. 8)
Einen Fingerzeig für die Reihenfolge der Eindeichung sowie über die Größe der eingedeichten Fläche gibt uns heute noch die Höhenlage der Marschstriche im Glindesmoor.



Höhenlage Moorburgs



Im Westen mit 0,5 beginnend, steigt das Land über 0,6 auf 0,7 im Osten an. Nun ist es stets so gewesen, daß man die reifste Marschfläche zuerst deichte. Ebenfalls ist es aber erwiesene Tatsache, daß man in unserer Marsch fast immer zu früh gedeicht hat, daß das Land also bei weiterer Überflutung noch höher geschlickt wäre. War aber erst einmal der Deichring geschlossen, war auch jede weitere Aufschlickung unmöglich geworden. Nur das ungedeichte Land konnte sich fernerhin erhöhen. Es besteht demnach der eigenartige Schluß zu Recht, daß die niedrigsten Flächen zuerst, die höchsten aber zuletzt eingedeicht worden sind. Das entspricht auch der Bemerkung auf der alten Freesischen Karte von 1577, 9) von der heute eine gute Kopie in der Moorburger Schule hängt.
Ganz am westlichen Ende steht die Notiz: "Dis Moor ist voor alters allein bediket gewesen und zum Westerhäusen genant." Das Moor Westerhäusen war also eine Rand= und Inselsiedlung zugleich; denn nach Süden hin war ein Teil des Moores zwischen der Geest und dem gedeichten Land als Wildnis und Sumpfland liegen geblieben.
Westlich des Deiches lagen als Borland die "hohen Wischen"; nach Osten aber erstreckten sich wahrscheinlich die Retwiesen (Redwisch), von denen die Siedler das für ihre Hausdächer so wichtige Ret schnitten.
Es ist mir gelungen unter gütiger Mitwirkung des Herrn Dr. Heyken die ehemalige Deichlinie der ersten Siedlung auch nach Osten hin festzulegen. Noch heute liegt auf dem Westphalenschen Grundstück Nr. 176 eine schmale Fenne, die "dat hoge Stück" genannt wird und wesentlich höher als die beiden Nachbarfennen ist. Außerdem liegt der Stehrsche Hof (Nr. 177) westlich vom "hogen Stück" tiefer als die sämtlichen Nachbarhöfe im Osten. Diese Tatsache scheint mir nur dadurch erklärlich, daß das "hoge Stück" der Rest des ehemaligen Deiches ist, der tiefgelegene Stehrsche Hof aber die östliche Grenze der ersten Siedlung innerhalb des Deichrings bildete. - Im Westen war der noch heute als Fahrweg benutzte "Alte Deich" der Abschluß der kleinen Kolonie.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts scheint dann die Retwisch bis zum heutigen "Kirchdeich" als Anstoßsiedlung er Elbe abgerungen worden zu sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Deichung auf Veranlassung der Herren von Hiddesacker, die das Land von den Lüneburger Herzögen als Leben in den Händen hatten, geschehen sein, die einer Siedlungsgenossenschaft - vielleicht Söhnen oder Brüdern der Siedler im "Olden Moor", im alten Moor Westerhäufen - "macht ende verlof gewen", das neue Land zu deichen und zu kultivieren. DIe Namen dieser Neusiedler hat uns die Freesesche Karte erhalten. Die Notiz lautet: "Dis Land von dem Dick bis an den alten Kirchdick ist innerhalb 20 Jahren gedicket und haben nur 6 Kerl aldar, als der alte Hans Richers, der alte Hans Reimers, Karsten Brant, Henke Wenten, Hein Wenten und Hermann Meyer gewohnt und die andern erst newlicher Jahr dahin gebawet."
Es ist wohl selbstverständlich, daß die Deich jener Zeit in ihrer Größe nicht im Entferntesten mit unseren heutigen Deichen zu vergleichen sind. 10) In 20 Jahren konnte im Höchstfall ein Deichring geschaffen werden, der in seiner Stärke den jetzigen Sommerdeichen entsprach; nur der Hausdeich, der am meisten von den Fluten bedroht wurde, mag höher und fester gewesen sein.
Immerhin soll man die Arbeit, die hier einst geleistet wurde, nicht unterschätzen. Nicht nur, daß die Soden des alten Bodens abgehoben und die Erdmassen aus dem Vorland in kleinen Handkarren und Sleupen (Schlickschlitten) herangeschafft werden mußten, es wurde auch Fuhre für Fuhre festgestampft. Braucht doch der laufende Meter unserer Deiche etwa 35-40 cbm zähen, bindigen Bodens, der aus dem schlickigen Vorland herausgeholt werden muß. 11) Die Kleie wird an der Luft hart wie Stein; Sand wird niemals den Widerstand bieten können. Der Erdwall wurde zum Schutze noch mit einer Grasnarbe bedeckt, die man zum Zweck der größeren Verfilzung beweiden ließ.12) Die beste Wehr aber gegen die anstoßenden Fluten war das weite, mit Weiden bepflanzte Vorland, die als Eis und Wellenbrecher dienten. Heute tun die Obstbäume, die in den Gärten im Außendeich stehen, dieselben Dienste.
Die Deiche unserer Landschaft sind also mit Recht Denkmäler, die die ersten Siedler, wenn auch unbewußt, ihrer Kultur- und Pionierarbeit, ihrem eigenen Fleiße setzten.


Reihenfolge der Deichungen


Es ist selbstverständlich, daß der Erwerb eines solchen Neulandes nicht etwa mit einer modernen Bodenspekulation verglichen werden kann. Nicht Geld und Gelderwerb waren es, was diese Männer lockte; sie wollten sich nur durch harte Arbeit eine Heimstätte schaffen. Die Neueindeichung blieb ein Wagnis, zu dem ganzer Mannesmut und zähe Energie gehörten; es war stets ein Kampf, bei dem zunächst nur wenig zu gewinnen war, aber alles verloren werden konnte. Ein Deichbruch zur Zeit der Herbst= oder Frühjahrsstürme, ein Zerreißen des festen Dammes durch die herantosenden Eismassen bei Tauwetter konnte den Siedler zum Bettler machen und zur Verspätung zwingen. Mußte doch derjenige, der die Deichlasten nicht mehr tragen konnte, Haus und Hof "im Stich" lassen. 13)
Den Anschluß nach dem von Herzog Otto II. 1296 gedeichten Lawenbruch (lawe= vom Wasser bespült) wird man höchstwahrscheinlich erst zur Zeit der Besitznahme des Landes durch Hamburg, vermutlich auf Kosten der Stadt und auch auf deren Veranlassung gesucht haben; denn im Kämmerei=Rechnungsbuch stehen vom Jahre 1386 ab recht bedeutende Summen für diesen Zweck verzeichnet, so im genannten Jahre "den Glindesmoor tho dykende dedimus 44 Talente", im Jahre 1382 zwanzig Talente usw. Immerhin sind die Summen nicht so hoch, daß man daraus schließen könnte, die ganze Eindeichung Moorburgs sei erst auf Veranlassung Hamburgs nach dem Erwerb im Jahre 1375 geschehen.
Besagt doch schon der Kontrakt, der beim Verlauf des Landes durch Jürgen von Hitzacker an den Ritter Mynricke van Schulte im Jahre 1373 unterzeichnet worden ist,14) daß das Land "belegen in deme Olden Moore und in der Retwischk mit allem rechte eghendome, mit holte, volde, ackere, buwet und unbebuwet, mit watere und waterlosinghe, mit dike und dame, mit wischen, mit wende, mit vischerie, mit gherichte, mit ghude und bughude" für 500 Mark Hamburger Pfennige verkauft wurden ist.
Auch die Verkaufsurkunde von 1375,15) durch die die Bürgermeister von Hamburg, Bertram Horborch und Hinrich Vermerschen "al guet, alse it beleghen is in dem olden more unde in der reedwisch" für die Stadt erwarben spricht von "diken und damen".
Es steht demnach urkundlich fest, daß das "Alte Moor" und die Retwisch schon vor der Besitznahme durch Hamburg bedeicht waren; das wäre also das Stück vom "Alten Deich" bis zum "Kirchdeich".
Ein letzter Beweis für eine zeitlich getrennte Eindeichung Moorburgs ist das Bestehen eines Oben= und Untenburger Deichverbandes durch all die Jahrhunderte hindurch, deren gemeinsame Grenze der eben erwähnte Kirchdeich bildete. Diese beiden Deichkommunen waren sich selbst noch am Anfang des 18. Jahrhunderts so spinnefeind, daß sie sich in der Nacht die Siele im Kirchdeich einrissen und zuwarfen, auch ihren Kämpfen um eine neue Entwässerungsschleuse bei der Burg mit den Fäusten Nachdruck verliehen.
Die Art und Weise, wie die Siedlung und Deichung der Anbauer auf dem der Flut abgerungenen Boden vor sich ging, ist im großen und ganzen überall die gleiche gewesen. Da ein Streifen etwa 1000 Meter Breite zunächst den Geesthöhen als Unland und Wildnis liegen blieb,16) so mußte das Kulturland wie eine Insel ringsherum gedeicht werden. Den Deich nach der Süderelbe hin wählte der Siedler als Wohn= und Hausdeich benutzte ihn zugleich als Hauptverkehrsweg. Auf der entgegengesetzten Seite - also nach Süden - lag der Hinterdeich. Ein breiter Graben, die "Snede", wehrte mit dem Hinterdeich während der Flut und der Schneeschmelze, wenn das Schneewasser in tausend Rinnsalen sich von den Haakebergen ins Wildmoor ergoß, die andrängenden Fluten ab. Die heutige Landscheide ist erst nach 1591 ausgeworfen, als der Beauftragte Hamburgs, Eberhard Twestreng, am 25. November genannten Jahres den Vertrag unterzeichnet hatte, der Moorburg den endgültigen Frieden mit den Herzögen von Hamburg bringen sollte.17) Die Hamburger übernahmen danach die Verpflichtung, den neuen Grenzgraben "vierzehn Fuß weith, halb auff des Hertzogen und halb auf der Stadt zukommenden theill" anzulegen, damit "dadurch des Hertzogen Mohr von der Stadt Mohr und ihrer leute zur Morburgk feldt, abesondert undt geschenden werde."
An den Seiten schlossen die "Sytwendige" - Deiche, die nach den Seiten umwenden - den Deichring.
Die Deichbaupflicht in den zu kolonisierenden Marschgebieten war zumeist eine genossenschaftliche. Jeder hatte sich seiner Kraft gemäß an sämtlichen Deicharbeiten zu beteiligen.
Der Grund und Boden, den der Ansiedler nach vollzogener Eindeichung als Eigentum erhalten sollte, war gewöhnlich schon vorher bestimmt. Es war die "hoeve" oder Hufe, ein Stück von 40 Marschmorgen, das mit der Schmalseite an den Deich stieß und auf den übrigen Seiten von breiten Gräben, den Scheidegräben, eingeschlossen war. Auf seiner Hufe erbaute der Bauer auf festem Ständerwerk sein weites Haus mit dem ausholenden Retdach, das Menschen und Vieh in gleicher Weise Schutz gewährte. Stets ist die Eingangstür dem Deiche, die große Tür zur Hinterdiele den Wiesen und Feldern zugekehrt.
In den ersten sieben Jahren waren "die ghene, diet dyken sullen, von allen scoten, von beden unde heerwaerden" frei.
Bei Sturmfluten wurde also das Glindesmoor von den tosenden Wassermassen wie eine Insel umrauscht, und der Bauer fürchtete ebenso für seine Hinter= wie für seine Vorderdeiche. Zahlreiche Bracks, die heute zwar durchweg mit Erde ausgefüllt sind, daß der Nichteingeweihte sie kaum erkennt, geben Zeugnis von dem Kampf mit dem tückischen Element. Das Bild änderte sich erst, als 1600 die Deichlinie auch den Anschluß nach Westen an den Francoper Deich erhielt und dadurch eine geschlossene Wehr gegen die Fluten der Elbe geschaffen wurde. Noch heute führt dieses Stück den Namen "Der neue Deich" und gibt der Nachwelt ein glänzendes Zeugnis von der letzten großen Kulturtat der Anbauer Glindesmoor.


1) Altera pars piratarum (Danorum) quae per Wirraham subvecta, omnen illius fluminis ripam usque Lestmonam vastaverant, cum maima captivorum multitudine pervenerunt ad paludem Glindesmor. Ubi cum quendam Saxonem militem captivum facerent ducem itineris ille perduxit eos ad loca difficiliora paludis, in qua diu fatigati facile a Saxonibus qui insecuti sunt, disjecti sunt et perierunt ex eis 20 millia.

2) J. v. Gierke, Geschichte des deutschen Deichrechts. 2. Bd.

3) v. Wersebe, über die niederländischen Kolonien, die im nördlichen Deutschland im 12. Jahrhundert gestiftet worden. 2. Bd. 1826. Vergleiche auch Dr. E. Finder, Die Bierlande. 1922.

4) Hübbe, Erläuterung zur historisch=topographischen Ausbildung des Elbstroms. 1869.

5) Heute Harburger Hafengebiet.

6) Charta Ottonis Ducis, abgedruckt bei Ludewig, Stadt und Schloß Harburg. 1845.

7) Urkunde im Anhang.

8) Bericht der Landherren von Bill= und Ochsenwärder. (Hamb. Staatsarchiv.)

9) Original in Hannover

10)Die Krone der Moorburger Deiche liegt heute etwa 9 Meter über dem Meeresspiegel.

11) Nach Prof. Dr. Linde, Die Niederelbe, Belhagen & Klasing, wurden 1853 zum Bau des 18 km langen Deiches um den Friedrichskoog in Dithmarschen 1122 Karrenarbeiter 185 Tage lang beschäftigt; dazu kamen 174 Gespanne und 391 Handarbeiter. Im nächsten Jahr wurden 622 Karrenarbeiter 162 Tage beschäftigt; dazu kamen 22 Wagen und 21 Landarbeiter.

12) Verordnung der Landherren über Schafhaltung und "Ringelung der Schweine, so am Deiche weiden". Erst durch Senator W. Amsinck bekämpft. 1800.

13) Vergleiche "Von Deichen und Schleusen".

14) Staatsarchiv Hamburg.

15) Staatsarchiv Hamburg

16) Bericht des Deichgeschworenen Joh. H. G. Rübke an den Landherrn Schwartz 1827. Staatsarchiv Hamburg.

17) Original im Staatsarchiv Hamburg.






Blick auf Vorland und Süderelbe
(Im Hintergrund rechts Ellerholz)


Alte Katen am Deich


Am Alten Deich


Die Bäckerschleuse




Von Deichen und Schleusen

Wie die Soldaten einst Gräber bauten, um sich vor den Geschossen des Gegners zu schützen, so warf unser Marschbauer in jahrhundertelanger Arbeit Deiche und Dämme auf, um vor seinem ärgsten Feind - der Flut - sicher zu sein. In langer Kette folgen sie dem Strom, soweit er die Niederung durchfließt. Das Vorfeld des Kampfplatzes, das "Butenland", nur durch niedrige Sommerdeiche geschützt, geht fast bei jedem größeren Ansturm des Feindes verloren. Aber die Hauptwiderstandslinie hält, muß gehalten werden. Wehe, wenn die Flut sie zerreißt und wogender Wasserschwall ins Land einbricht! Haus und Hof, Vieh und Mensch sind in Gefahr; denn erbarmungsloser als der schlimmste Feind sind die tosenden und brüllenden Wasserwogen.
Herr der Deiche und Dämme, der Schleusen und Siele aber war und ist der Deichvogt oder Deichgraf. Zwar haben ihm die letzten Jahrhunderte seine Rechte und Pflichten wesentlich gemindert; doch ist sein Amt auch heute noch wichtiger und verantwortungsvoller als jedes andere, das eine Gemeinde zu vergeben hat. Früher oblag ihm die Deichschau, die Exekution gegen pflichtvergessene Deichgenossen, die Anregung zu neuen Deich= und Schleusenbauten und deren Ausführung; er war der Vorsteher des "Schwarenkollegiums" und trug die Sorge für Siele, Schleusen, Gräben, Wege, Stege und Brücken. Der Landherr war für damalige Verhältnisse weit. Daher verlangte das Amt im Falle der Gefahr einen ganzen Mann von schneller Entschlußkraft und rücksichtsloser Energie, der seine Maßnahmen unbeeinflußt von Verwandtschaft und Freundschaft treffen wollte und konnte. Das Gemeinwohl allein mußte ihm höchstes Gesetz sein, eingedenk seines Schwurs, den er dem Landherrn bei Antritt seines Amtes ablegen mußte.

"Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen, daß ich Einem Hochedlen und Hochweisen Rath dieser Kayserlichen freyen Reichs Stadt, und dem jedesmaligen Wohlweisen Landherrn. zu Bill= und Ochsenwärder und sämtlichen dazu gehörenden Marsch= und anderen Ländereyen, als meine ordentliche Obrigkeit und Vorgesetzte will treu und hold sein, der Stadt und der mit anvertrauten Voigtey Morburg Bestes auf alle Weise fördern und Schaden abwenden, zu dem Ende die allgemeinen und besonderen Befehle der Wohlverordneten Landherren willig, getrau und nach bestem Vermögen zu jederzeit bey Tage oder Nacht, bey guter und schlechter Stürmischer Witterung ausrichten, vorzüglich auf die Deichte gute Aufsicht haben, die Schauung mit denen Deichgeschworenen zur gewöhnlichen jeder und anderen Zeit, wo es die Notdurft erfordern sollte, vornehmen und bey besonderem Mangel ohne Ansehen der Person bestrafen und unpartheyisch nach Vorschrift der Gesetzte verfahren." (1803.)

Dem Vogt standen die 4 Deichgeschworenen zur Seite. Das Amt ging unter den Höfnern reihum. Auf der landherrlichen Diele hatten sie den Eid abzulegen, der es ihnen ausdrücklich zur Pflicht machte, "tho dohn den Fründt as den Frömden, den Frömden as den Fründt; kehn uth Fründtschop verschonen oder uth Feindschop straffen." -
Es liegt in der Menschen Natur, sich gegen Lasten aller Art zu sträuben, sobald kein persönlicher Vorteil herausspringt oder doch vor der Hand nicht wahrzunehmen ist. Das macht es erklärlich, daß das Amt der Deichbevollmächtigten einen dauernden Kampf, einen Kleinkrieg gegen Unfähigkeit und Nachlässigkeit, gegen Dummheit und bösen Willen mit sich brachte, so daß Geldstrafen, Halseisen und Roggenkiste (Gefängnis) verhängt werden mußten.
Ging es gar um eine Gerechtsame am Deich oder Vorland, die von Harburg oder Francop den Moorburgern streitig gemacht wurde, so mußten selbst Landherr 1) und Senat einschreiten.
Ungeheure Lasten für die Deichverbände brachten die Frühjahrs= und Herbstfluten. Nach solchen Verwüstungen am Deich klang der landesherrliche Befehl, der jahrhundertelang im gleichen Wortlaut von der Kanzel Jahr für Jahr vor jeder Schau verlesen wurde, doppelt unangenehm in den Ohren der Höfner:

"Es wird einem jeden Eingesessenen und Einwohner in Moorburg hiermit anbefohlen, seinen Deich innerhalb 9 Tagen gehörig zu sanden oder sanden zu lassen bei landesüblicher Strafe."

Die Deichpflicht lag auf jedem, der Grundbesitz in der Marsch erwarb. Selbst Adlige und Geistliche waren ursprünglich nicht davon befreit. Erst im 17. Jahrhundert scheint es in Moorburg üblich geworden zu sein, daß des "Pastors und Kösters Deich" durch Hand= und Hofdienste der Höfner der Gemeinde instand gehalten werden mußten. Als 1716 die Juraten sich noch einmal dagegen auflehnen wollten und den Landherrn zur Entscheidung anriefen, billigte er den zur Gewohnheit gewordenen Zustand und ordnete an, daß man "alles ferneren supplicirens in dieser Sache sich zu enthalten habe" 2)
Und wehe, wer sich gar zur anbefohlenen Deicharbeit, zu der jeder verpflichtet war, nicht einfand! Noch 1793 werden 3 Einwohner von dem Landherrn Hermann Manecke mit "3 Tagen Rogkenkiste bestrafet", weil sie sich nicht zum Land= und Spanndienst am Deiche eingefunden hatten.
Der Befehl zur Wiederinstandsetzung der Deiche war leichter gegeben als ausgeführt. Woher die Erde nehmen? Wo die Soden stechen? Wie Erde und Soden nach der Kabel hinschaffen?
Die Moorburger stachen ihre Soden gewöhnlich auf der Moorburger Außenweide oder dem Blumensand, in kleinen Mengen auch auf ihren Außenländereien, die seit 1810 ausgemessen worden waren. Häufig war man dabei mit den Lauenbruchern in Streit gekommen, da sie dasselbe Recht auf den Weiden auch für sich in Anspruch nahmen. Im Jahre 1750 hatte man sich endlich in einem Vergleich geeinigt und einen Grenzgraben zwischen der Außenweide und der Hohen Schaar festgelegt. Ein für diesen Zweck gemeinsam ausgearbeiteter Riß des Harburger Ingenieurs Buhne und des Hamburger "Lieutenants" Hasenkamp soll noch heute vorhanden sein. 1791 wurde zwar von Harburger Seite behauptet, die Außenweiden seien den Moorburgern nicht eigentümlich überlassen; sie hätten dort nur das Recht zum Sodenstechen. - Schon 1770 war ebenfalls wegen des Sodenstechens zwischen dem Obenburger Deichverband und den Lauenbruchern ein Streit um den Blumensand neu ausgebrochen. War doch in einem Vergleich von 1632 von beiden Seiten anerkannt worden, hier nur für die Lauenbrucher und Moorburger Deiche zu stechen. Die Lauenbrucher hatten trotzdem ein neu angelegtes Deichstück auf Hohe Schaar mit solchen Soden abgedeckt. Was Wunder, wenn die Moorburger sich berechtigt hielten, auch für ihren Kattwyker Deich vom Blumensand ihre Soden zu nehmen. Um den Frieden wieder herzustellen, griff man kurz entschlossen auf einen Vertrag vom 3. März 1739 zurück, in dem beiden Parteien das Sodenstechen auf dem Blumen= und "Krottsand" verboten war. Woher aber nun die notwendigen Soden nehmen? -
Bedarf es noch weiterer Worte, um zu beweisen, daß die Deichlast die Höfner am allerschwersten drückte? Ist es da noch verwunderlich, daß sie sich derselben soweit wie möglich zu entledigen suchten? Da die Deichlasten stets mit dem daranstoßenden Land verbunden waren, so verkaufte man gern solche Stücke an Kätner und verpflichtete sie, eine gewisse Strecke des Kabels mit seinen Lasten zu übernehmen. Oft mag es aber vorgekommen sein - vor allen Dingen nach großen Fluten - daß der Neubesitzer, dem weder Gespanne noch genügend Arbeitskräfte zur Verfügung standen, seinen Deichpflichten nicht genügen konnte und der Vogt zur Verspatung hätte schreiten müssen. Um das zu vermeiden, sah sich schließlich im Jahre 1764 der Landherr gezwungen, zu entscheiden:

"Wenn jemand von seinem Gehöft Teile an Kätner verkauft, und mit dem Käufer über eine gewisse Zahl Ruthen Deichs, die derselbe zu seinem Lasten nehmen soll, contrahiere, so soll sich der Deichvoigt dadurch nicht irre machen lassen, sondern in Ansehung des ganzen Deichs, der zu den geteilten Höfen gehöret, immer auf den Besitzer des Hauptteiles sehen, ihn allein in die Brüche nehmen und in der Deichrolle keine Veränderung noch Umschreibung vornehmen." 3)

Schon 1562 hatte man begonnen, den Hauptdeich wesentlich zu erhöhen. 1772 schien dasselbe auch für den "Alten Deich" und den Hinterdeich erforderlich. 1775 erfolgte eine notdürftige Erhöhung des Kirchdeichs. Wie notwendig sie geworden war, ergibt sich aus einem Protokoll des Amtmannes und Burgpächters Element Müller (1718), in dem es heißt, daß

"das Land zur Burg gehörig gleichsam getheilet und abgesondert durch den Kirchdeich oder Mohrweg, welches eben kein sonderlicher Deich ist, sondern ein Weg nach dem Mohr und vorzeiten nach der alten Kirche; jetzo aber ists eine Weide und gibt der Burg ihre Hauer (Heu)."


Bereits neun Jahre später mußte dieser Befehl erneuert werden, wobei man entdeckte, daß für den mittleren Teil, die eigentlichen Moorkaten, überhaupt kein Kabelhalter zuständig war. Schließlich kam eine Einigung dahin zustande, daß der Burgpächter Bauer die Deichung von der Brücke bis an die Moorkaten, die Obenburger bis zum Schlagbaum an der Landscheide, und den mittleren herrenlosen Teil - der Landherr hatte ex aequo et bono entschieden die "Moorkater" und Obenburger gemeinsam übernehmen sollten.
Man hatte also diese sog. Toten Deiche oder Schlafdeiche, die doch auch einmal Außendeiche gewesen waren, nach erfolgter Weiterführung des Hauptdeiches nach Osten und Westen allmählich verfallen lassen, sie später unterpflügt und, wie am Alten Deich, sogar Korn darauf gesät. Der Hinterdeich muß 1827 nach einer Klage des Landvogts Bauer in ähnlicher Verfassung gewesen sein. Das allmähliche Wegsacken der Deiche (daher Sackdeich im Altenland!) im moorigen Untergrund mag ein übriges dazu beigetragen haben, daß sie allmählich ihren Deichcharakter fast vollständig eingebüßt hatten.
Erst nach den großen Überschwemmungen von 1773,1775, 1816 und 1825 wurde man sich über die wichtige Aufgabe, die "Alter Deich" und Kirchdeich (auch heute noch) haben, wieder klar.
Doch lassen wir den Deichgeschworenen Joh. Heinr. Gottf. Rübke reden, der 1827 die Neuherstellung des "Alten Deichs" in einer Schrift an den Landherrn Schwartz ausführlich begründet:
"Hinter unserm Lande, wie auch hinter unsern Nachbarn rechts (Francop) und links (Lauenbruch) lag früher ein bis jetzt wüstes, mit Busch und Heide bewachsenes höckeriges Land, das hannoversche Moor genannt, welches von unsern Hinterdeichen bis hinauf zum Heidelbeerholze oder der sogenannten Hake reicht und einen Inhalt von 1700 Marschmorgen Landes hält. Dieses soll nun urbar gemacht und mit Gräben und Abwässerungen versehen werden, womit bereits der Anfang gemacht ist. - dann haben unsere Hinterdeiche noch mehr abzuhalten; denn das Wasser, welches im Frühjahre bei schnellerem Auftauen des Schnees aus den meilenweiten Gebirgen sich heruntergießt, und welches dann in diesem rauhen, buschigen, unkultivierten Lande sich mehrere Tage aufhielt und nur langsam und allmählich zu uns kam, wird dann in einer Zeit von wenigen Stunden mit größter Gewalt auf unsere Hinterdeiche eindringen" 4)
Das Schlimmste war, daß durch die Moorburger Schleusen das Schmelzwasser aus Wetterungen und Schleusengräben nicht in die Süderelbe abfloß, da diese selbst in dieser Zeit viel Wasser führte. Dazu kam, daß die Altenländer und Lauenbrucher nach den letzten überschwemmungen ihre Binnendeiche stark erhöht hatten. Bisher waren deren Deiche niedriger als die der Moorburger gewesen, und bei großen Fluten waren zuerst deren Deiche übergelaufen. Auf diese Weise waren etwa 2500 Morgen unter Wasser gesetzt worden, und die Moorburger Deiche hatten dadurch Luft bekommen. Jetzt aber, im Jahre 1861, hatte sich das Blättlein gewendet. -
Erst die furchtbaren Überflutungen Moorburgs in den Jahren 1825, 1826 und 1827, bei denen etwa 375 Morgen viele Wochen lang fußhoch unter Wasser standen - selbst in diesen Häusern schwammen die Möbel - hatten soviel Lehrgeld gekostet, daß man sich endlich entschloß, den Hinterdeich überall auf eine Höhe von 4 Fuß zu bringen, den ganzen "Alten Deich" aber um 3 Fuß zu erhöhen. Verantwortlich für die Instandhaltung waren natürlich die Anlieger, der Höfner E. Mohr, die Halbhöfner J. Mohr, Joach. Meyer und 5 Käthner. Hatten doch die Vorgänger einst (nach der Zudeichung des Domlandes durch den heutigen "Neuen Deich", durch den die Lücke zwischen Moorburg und Francop in der Hauptdeichlinie geschlossen wurde, etwa 1600) das Land mit der Bedingung übernommen, den Deich stets so zu erhalten, wie es für des Landes Wohlnötig befunden würde. Dafür waren sie von allen übrigen Deich= und Schleusenabgaben für ewige Zeiten befreit worden. Trotzdem erklärten sich die 19 Höfner des Niedenburger Deichverbandes bereit, die Anlieger des "Alten Deiches" mit Hand= und Spanndiensten zu unterstützen. Sie erklärten nichtsdestoweniger in einer Beschwerde an den Landherrn und den Senat, daß sie lieber ihr Eigentum "im Stich lassen und das Land verkaufen" 5) wollten, als diese Lasten tragen. Ihre Wortführer waren Joh. Harmß und Hans Jak. Schmidt. Außerdem forderten sie ein Hinausrücken der neu projektierten Deichlinie nach Westen bis an den Landscheidegraben, der noch heute die Grenze bildet. Es sollten dadurch 25 Morgen guten Ackerlandes mehr gegen die andringenden Geestwasser geschützt werden. Hatte die von dem Deichvorstand vorgeschlagene Deichlinie eine Länge von 339 Ruten, so würde die von den Anliegern verlangte Eindeichung sie um 80 Ruten verlängert haben. Die Kämmerei, welche die 15 Morgen Domland im früheren Außendeichsland erworben hatte, glaubte aber auf eine Einbeziehung in den Deichschutz des "Alten Deiches" verzichten zu können, da das Land durch die spätere Eindeichung genügend über Fluthöhe aufgeschlickt war.
Nach langen Kämpfen entschloß man sich endlich zur Ausführung des ersten Planes. Im ganzen wurden dadurch 24 Morgen nach Westen hin neu eingedeicht. Der Untenburger Bezirk umfaßte damit 375 Morgen Binnenland, der Obenburger 131½ Morgen (1 Morgen = 600 Quadratruten). Die Moorburger Schleuse führte hinfort beim "Schwedischen Baum", dem Grenzschlagbaum, ihr Wasser in die Süderelbe, die Altenländer Schleuse bei der Hohen Wisch. -
An dieser Stelle mag auch der sogenannte Schleusenkrieg zwischen dem Oben= und Untenburger Deichverband aus dem Jahre 1718 6) Erwähnung finden. Auf Veranlassung der " Nidenburger" war der Kirchdeich wieder erhöht worden, damit das Moorwasser der "Obenburger" nicht zu ihnen herabgeflossen käme. Nun konnte aber die "erste Schleuse in der Burg Lande nechst der Kirche gelegen" Das Wasser nicht mehr genügend abziehen, " weil vor etlichen Jahren hero in der Elbe ein Sand oder Land zugewachsen". Die Nidenburger hatten daher die Einrichtung eines Notsiels gestattet, das im Kirchdeich angelegt worden war und das Wasser der "Obenburger" durch die Untenburger Wetterung den Niedenburger Schleusen zuführte. - Die Sturmflut von 1718 aber riß die Niedenburger Schleuse "an der Burg Land nechst Johan Harmß Land gelegen" heraus, und der Untenburger Deichverband deichte diese Stelle zu, ohne eine Schleuse wieder anzulegen. - Das nun durch das Notsiel im Kirchdeich abfließende Moorwasser der Obenburger machte sich nun im unteren Moorburg doppelt unangenehm bemerkbar. Man schimpfte, man protestierte und verwies auf die Abmachungen, die zwischen den Deichverbänden getroffen waren, daß "das Notsiel möchte nur aufgemacht werden zu gewisser Zeit, wenn die Obenburger zu viel waßer und die Niedenburger zu wenig waßer hätten". Die Obenburger ließen das Siel ständig geöffnet. So griffen die Untenburger zum letzten Mittel - zur Gewalt.
In einer mondhellen Nacht haben die Niedenburger sich erkühnet und das Siel mit Macht wieder herausgerissen, und das Loch in den Kirchdeich mit Erde zugeworfen." - Da war auch die Geduld der Obenburger erschöpft, und wie zwei feindliche Nachbarn sahen sich hinfort die beiden Deichverbände mit scheelen Augen an. Der Chronist aber berichtet, daß "die Obenburger nun wieder im Wasser saßen, sonderlich im Vorjahr, da sie nicht zu bequemer Zeit ihre Saat in die Erde bringen könnten wie andere, auch ihr Winter Korn, so weit das Wasser gestanden, verdarb."
Nach vielem Hin und Her, bei dem sogar Tätlichkeiten eine Rolle spielten, einigte man sich dahin, daß die Obenburger in der Nähe der alten, fortgerissenen Schleuse eine neue bauen sollte, die das Wasser oben des Kirchdeichs abziehen könnte. Als aber die, "welche das Land zur Burg gehörig, das nieder dem Kirchdeich lieget", ihr Wasser durch den "Wolfsgraben" auch in diese Schleuse leiten wollten, begann der Streit von neuem. Erst am 20. Juli 1745 hören wir aus einem "Extractus Protocolli Extraiudicialis" von einer endgültigen Regelung. Die Unterburger waren durch die Höfner Heinr. Sattler und Joh. Harms, die Obenburger durch Karl Werdier und Jochim Hams vertreten. Der Kirchdeich durfte danach von den Niedenburgern bis "an den Damm bey Hans Brencke und noch 10 Ruthen darüber" erhöht werden. Die Obenburger konnten ihre Schleuse bauen, mußten aber dafür sorgen, daß der Niedenburger Deichverband in Zukunft von ihrem Wasser ganz verschont blieb. -
Bis 1928 wurde die Moorburger Marsch nur durch ein weitverzweigtes Grabensystem - den Grübben, 7) Scheidegräben, 8) Wettern 9) und Schleusengräben - entwässert. Durch 4 Schleusen wird das Wasser aus dem Binnenland in die Süderelbe geschafft. Durch seinen Druck öffneten sich die Schleusentüren selbstständig, so wie die Ebbe eintritt; die Flut schließt sie wieder, so daß ein Einströmen des Elbwassers unmöglich ist. Sind die Schleusen schadhaft geworden, kann binnendeichs an eisernen Ketten ein Schott heruntergelassen werden, welches dann die Gräben absperrt. Dasselbe geschieht, wenn man bei großer Trockenheit das Wasser im Lande halten will.
Als 1928 die Süderelbe dermaßen versandet war, daß sie mit ihrem Bett teilweise höher lag als die Schleusengräben und damit die ganze Entwässerung des Landes in Frage gestellt wurde, entschlossen sich die Landwirte, mit Unterstützung Hamburgs, ein Pumpwerk in der Mitte des Dorfes zu errichten." So ist es möglich geworden, in jeder Jahreszeit den Wasserspiegel in den Gräben so zu senken, daß eine Gefahr "des Ersaufens" der Weiden vermieden wird.


1) Moorburg gehörte mit Billwärder, Ochsenwärder, Finkenwärder, Reitbrook, Krauel, Grasbrook und den Elbinseln am linken Ufer der Norderelbe zur Landherrenschaft von Bill= und Ochsenwärder, die von zwei Senatsmitgliedern, dem 9. und 10. Senator nach dem Amtsalter, verwaltet wurde. Der ältere erhielt die Bezeichnung "Regierender Landherr", während der andere schlechthin der "zweite Landherr" hieß.
In der Hand des ersten Landherrn lagen alle Zweige der Verwaltung; außerdem übte er die bürgerliche sowie die strafrechtliche Gerichtsbarkeit über die Eingesessenen aus. Erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde ihm die letztere genommen und dem Niedergericht in Hamburg überwiesen. (Amsinck, Aufzeichnungen.)

2) Decretum Mercurii d. 6. July 1716. Hamb. Staatsarchiv.

3) Berichte der Landherren. Hamb. Staatsarchiv.

4) Protok. Der Landherren. Hamb. Staatsarchiv.

5) Der Mitgliedschaft des Deichverbandes ging verlustig , wer sein Grundstück verkaufte, oder, wenn einer die Dechlasten nicht mehr tragen konnte, seinen förmlichen Austritt erklärte. Es ist das sogenannte Spatenrecht. Die Zeremonie bestand darin, daß der Deichhalter vor versammelter Gemeinde einen Spaten in seine Kabel stie0. War es den Anbauer nicht länger möglich, die Deichlasten zu tragen, verlangte man oft einen Schwur von ihm, in dem er erhärten sollte, daß er mit seinem gesamten Geld und Gut nicht imstande sei, den Anforderungen der Deichgenossenschaft zu entsprechen. Von diesem Spatenrecht ist überall nach großen Sturmfluten, die den Deich fast gänzlich zerstört hatten, Gebrauch gemacht worden. - Aber auch persönliche Demütigungen blieben diesen Ärmsten oft nicht erspart. So heißt es in einer alten Deichordnung: "Als enn Man fynen Dyck mit Rechte opgewen will, de sall komen voer den Duchgrewe (Deichgrafen) enn voer de Heeraeden (Deichgeschworene) op ten Dyck in een hempt, in een neddercleet, gegordet (gegürtet) mit eyne lyne ( Leine) unde eyne spaede (Spaten) over hem steckende in den Dyck, de eyne krucke (Krücke, Griff) herfft, unde leggen feyne handt daerop. Unde sweeren dan den Hilligen (Heiligen), dat he anders dien duet en heefft (Gut darin hat), dan men an hem tasten nach ende ansien." -
Wollte der Deichhalter seinen Verpflichtungen nach einer Deichschau nicht nachkommen, so wurden ihm zunächst "Bussen und Brüche" auferlegt. Ja, man scheute nicht davor zurück, Deichvergeben mit dem "Halsyseren", dem Pranger, zu bestrafen (Hammerbröker Recht von 1486).Halfen alle Strafen nicht, so folgte die Ausstoßung aus dem Verbande. Der Vogt oder "Dyckgrewe" steckte zum Zeichen der "Verspatung" einen Spaten in die betreffende Deichkabel. Damit war der bisherige Deichhalter seiner Deichstrecke und seines Besitzes verlustig erklärt worden; der Höfner hatte sein Eigentum "im Stich" lassen müssen.

6) Nicht mehr genau festzustellen. 1867 ereignete sich ähnliches noch einmal.

7) Grübben = Grübeken, kleine Grube, Rinne.

8) die die einzelnen hoeve oder Hufen voneinander scheiden.

9) Ndtsch. Wätern, affwätern = wässern, entwässern







Die Burg und ihre Geschichte

Als die Vertreter der Stadt Hamburg im Jahre 1375, am "Sunte Egidiesdaghe des hilghen Abtes", 1) das Alte Moor und die Reethwisch - der Name Glindesmoor wird in dem Vertrage nicht erwähnt - für 500 Mark Pfennige erworben, schritt der Rat nur auf dem Wege weiter, den er bereits 1372 mit weit vorausschauendem Blick eingeschlagen hatte. Damals hatte er pfandweise die nördliche Spitze des Landes Hadeln und das Schloß Ritzebüttel der Herren von Lappe in Besitz genommen, um von hier aus die Elbmündung zu beherrschen.
Diesmal galt es, die Herrschaft über die Süderelbe zu gewinnen. Die Teilung des Elblaufs bei Moorwärder hatte zu jener Zeit auch eine Teilung der Machtverhältnisse herbeigeführt, die in dem Privileg des Kaisers Sigismund für Harburg im Jahre 1417 und in dem Privileg des Kaisers Friedrich III. im Jahre 1482 für Hamburg ihre rechtliche Grundlage erhielt. War den Herzögen von Braunschweig=Lüneburg=Harburg das Recht der freien Schifffahrt zwischen Lüneburg und Stade eingeräumt, so war den Hamburgern mit dem Hinweis auf "altes Herkommen und Gewohnheit" bestätigt worden, daß "niemand Korn, Roggen, Weitzen, Gersten, Meel noch ander Getreid, auch Wein noch Bier für die gemelte Stadt Hamburg auff der Elbe hinabführen dürfte, sondern solches in der Stadt Hamburg verhandelt und verkauffet werden solle". 2)
Dr. H. Reincke in seinem "kurzen Abriß der Stadtgeschichte", Bremen, urteilt: Im Jahre 1482 erhielt die Stadt mit Hilfe einer in das Jahr 1465 zurückdatierten Scheinurkunde des holsteinischen Landesherrn, also nicht ohne Trug, eine kaiserliche Anerkennung.
Wollte Hamburg aus diesem sog. Stapelrecht wirklich Vorteile ziehen, so mußte es danach trachten, auf alle Schiffe, die von der Oberelbe kamen, einen Zwang auszuüben, den Weg durch den nördlichen Elbarm zu wählen. Die Verhältnisse lagen nicht gerade günstig für die Stadt. Der Weg durch die Süderelbe war der kürzere, wasserreichere und wurde von den Schiffern auch wegen des günstigeren Windes bevorzugt. Außerdem fühlten sich die Herzöge hier als Herren, die Zölle, Gerichtsbarkeit und Fischfang als ihre Regalien betrachteten.
Es war daher unvermeidlich, daß die Stadt bei Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen Pläne in einen Kampf mit den lüneburgisch=cellischen Fürsten geraten mußte.
Was Wunder, wenn die Ratmannen 1375 gerne zugriffen, als sie "diesen nichtsnutzigen Sumpf an der Süderelbe" 3), das Alte Moor und die Reethwisch billig erwerben und damit im Machtbereich der Herzöge festen Fuß fassen konnten!
Schon 1377 hatte Hamburg dort ein Häuflein Stadtknechte liegen. Ihr Hauptmann war Nikolaus Swerduthe, dem die gleichen Jahre für 25 Talente ein Haus bauen ließ, zu dem sie Ziegelsteine und eiserne Geräte lieferte. 4) Auch ein Kornberch wurde angelegt, um Getreide zu lagern, das wohl in erster Linie aus den Abgaben des Landes die durchweg in Naturalien bestanden, zusammenkam.
Zunächst strebte die Stadt danach, sich als Herrin des Landes auch alle Rechte zu sichern. 1376 erhielt Henno Plakschard 25 1/2℔ Taler 2 Schilling für seine Rechte an die Elbe beim Alten Moor, sowie 13 1/2 Taler 2 Schilling für das Lybermannsholt, das ihm einst - wahrscheinlich von den stets geldarmen Herren v. Hiddesacker - verpfändet worden war. Auch der im Glindesmoor von Henneke Ulrich verpfändete Zehnte "van dem Hilghenlande wente to Henneken Hannensohnes" wurde um die Summe von 12 1/2 Taler 6 Schilling wieder eingelüst. 1378 kam das letzte verpfändete Recht, der an Jakob Schelen aus Buxtehude verpfändete Recht, der an Jakob Schelen aus Buxtehude verpfändete Zente gegen ein Ablösungssumme von 4 Taler wieder in Hamburger Besitz. 5)
Zu gleicher Zeit ging man tatkräftig daran, das Sumpf= und Moorland, das bei der Erwerbung nur zum Teil gedeicht war, in Kulturland zu verwandeln. Das Kolonisationswerk wurde von vornherein mit vollem Ernst angepackt. Kühe und Pferde wurden ankauft, Ackergeräte, unter andern ein Pflug zur Bestellung des Landes, erworben und eiserne Werkzeuge aller Art von Hamburg herübergebracht. Man rodete den Sumpfwald 6) und grub ein weitverzweigtes Grabensystem, Wettern (Entwässerungsgräben), Scheidegräben (die die einzelnen Hufen voneinander trennten), Fregen ( die die Allmende einfriedigten) und breite Schleusengräben, (die das Moorwasser in die Süderelbe abführten). Außer Tauen und Seilen wurden auch 3 Wagen angeschafft. Zu den Deichungsarbeiten benötigte man außerdem ein "dicschip" - Schiff zum Deichen -, das Erde und Grassoden, Ret und Busch aus dem Vorland und von den Inseln heranbringen sollte. Es war so gebaut, daß es in den breiteren Gräben bequem fahren konnte. Im allgemeinen wird man derzeit überhaupt den Wasserweg dem Transport zu Lande vorgezogen haben. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts besaß in Moorburg jeder Höfner seinen Kahn, mit dem er seine Heuernte hereinbrachte. 1283 waren bereits annähernd 27 Taler an Arbeitslöhnen gezahlt worden. Als Verpflegung für die Arbeiter werden u. a. Hirschbraten und Speck genannt.
Aus den Kämmerei=Rechnungsbüchern geht ohne weiteres hervor, daß man auf dem Glindesmoor von vornherein Pferdezucht trieb, und die Hauptleute der Burg haben sich ihrer mit ganz besonderer Liebe angenommen. Die Art des Grafes auf den neuerworbenen Ländereien forderte direkt dazu heraus. 7) DIe Herren von Holdenstedt und von Geldersen kauften 1376 drei einjährige Pferde, Johannes Klatzeke 1383 ebenfalls; 1526 wurden sogar 12 x für einen Apfelschimmel Moorburger Zucht gezahlt.
Auch die Wege waren 1385 soweit verbessert worden, daß man zur Anschaffung von 2 Reisewagen, "sloden" genannt, schreiten konnte. Galt es doch häufig, vornehme Standespersonen zu befördern oder die Ratsherren der Stadt durch das Land zu fahren. Im Jahre 1386 war die Königin Margarete, Tochter Waldemars IV. von Dänemark und Gemahlin König Hakons VI. von Norwegen, als Gast der Stadt Hamburg im Glindesmoor. Wahrscheinlich hatte sie 1386 an den Verhandlungen der nordischen Herrscher mit den Städten und Gesandten des Herzogs von Burgund in Lübeck teilgenommen und nahm nun ihren Rückweg über Stade, wohin Nikolaus Swerduthe ihr mit seinen Knechten das Geleit geben mußte. 8)
Schon am 28. Oktober 1347 waren Sendboten des Rates der Stadt in das Karmeliterkloster zu Brügge in die Versammlung der "gemenen Koplüde unter Römischen Rieke von Alemanien" gesandt worden, um dem Schutz= und Trutzbündnis der Hanse beizutreten.
Hamburg war es ernst geworden, seinen Handel auszubauen und seine Rechte zu schützen.
Die dichten Waldungen, die Sümpfe und Brüche des Glindesmoors, die unendlichen Ret= und Schilfwiesen der Inseln und die im Süden abschließenden Haakeberge (Grotenholz, Stiftsholz usw.) boten Räubern und Wegelagerern, die den Handel und die Schifffahrt erheblich störten, guten Unterschlupf. Ihnen allen legte der Hamburger Hauptmann das Handwerk, 9) und verschiedentlich werden kleine Summen genannt, die wahrscheinlich als Belohnung für eingebrachte Sptzbuben gezahlt wurden. Vielleicht rührte sogar sein Name "Swerd uthen" "von dieser, seiner kriegerischen Betätigung im Dienste des Landes her.
Daß das Land bei der Erwerbung durch Hamburg nicht so wertlos war, wie es häufig hingestellt worden ist, 10) ersieht man aus den Einnahmen an Steuern, Zöllen, Zehnten und bezahlten Pachtsummen für Weideländereien in den ersten Jahren nach der Erwerbung. Es wurden eingenommen: 11)

Jahr Schatzung Zehnter Elbzölle Weideländereien
1377 14 Taler 6½ Taler - 3½ Taler
1378 15½ Taler 7 Taler 4 Taler 3 Taler
1379 16½ Taler 7 Taler 4½ Taler 4 Taler

Legt man Talente im 14. Jahrhundert einen Wert von 250 Mark zugrunde, so ergäbe das für das Jahr 1378 bereits eine Einnahme von etwa 7500 Mark, davon allein an Schatzung 4000 Mark. 12)
Im Jahre 1390 kamen die Ratsherren und Kämmerer auf ihrem Herrenschiff nach dem Glindesmoor gefahren, um den neuen Besitz in Augenschein zu nehmen und Pläne zu seiner Sicherung zu erwägen. Anschließend sind Summen von 651 Taler 1 Schilling 8 Pfennige gebucht worden "ad usum des Glindesmors", ohne nähere Bezeichnung der Verwendung dieses Geldes. Eine solche Summe kann nur für ein größeres Werk ausgegeben worden sein. Da im nächsten Jahre die Kämmerer mit einem Maurermeister erneut zum Glindesmoor fahren, ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß es sich um die Besichtigung eines Bauwerks handeln muß. Leider fand ich im Kämmereirechnungsbuch bis zum Jahre 1410 keine Aufzeichnungen, die irgendwie Aufschluß geben könnten.
Es ist aber anzunehmen daß es sich um den

Bau der Burg

gehandelt hat, wenn auch die älteste Elbkarte 13) berichtet: Datsulvige Huß is denn van Hacker thovoren thobehorig gewesenn, auch von denselbigen bewonet und dar nach dem Rath von Hamborg ingedan." Es wird also der Erbauung der Burg von dem Zeichner der Karte zumindest in die Zeit vor der Erwerbung des Glindesmoors durch Hamburg gelegt.
Dem widersprechen nicht nur die "Hamburger Chronik von 799 bis 1559" wenn sie berichtet:
"Anno 1390 hebben de Hamborger dat slot Morborch gebuwet umme affoer (Abfuhr) des kornes; ydt heft Glynde vor gheheten."
und das "Liber extractuum manusccriptorum verschiedener Documentorum" von 1513 , wenn es behauptet:
"Betreffend das Land und die Burg Mohrburg, so ist schon 1390 von der Stadt solche Burg auf dem ihr damals bereits zustehenden, jenseits der Elbe belegenen Glindes Mohr erbauet gewesen", sondern auch die

Klageschrift der Herzöge Bernhard und Heinrich von Braunschweig=Lüneburg

wider den Rat und die Bürger der Stadt Hamburg über den Bau der Burg in Glindesmoor vom 27. Oktober 1396, sowie die darauf folgende Verteidigungsschrift des Hamburger Rates. 14)
Da die Klageschrift der einzige authentische Bericht über den Burgbau ist, sei sie hier z. T. wörtlich angeführt:
"Dit find de schulde, de we, Bernd und Hinrik van godes (gnaden), hertogen to Brunswik und to Luneborg ghewen dem Rade und den ghemenen Borgheren der Stad Hamborg, dat se hebben ghebuwet und buwet laten eyn slot, und ghevestent (befestigt) mit graven und mit klancken in unse land, ghebede und gherichte Alse up den glindesmor mit ghewalt und wedder unsen willen, alse men doch in dem rechten neyn (nie ein) slot eynem anderen also na (nahe) buwen schal, it en sche (es geschehe denn) mit willen der herschop, de dat gherichte dar over hebbe, und se hebben dit ghedan alse we to der tyd vruntliken (in Freundschaft) mit en dar ane seten, wes se nu dar umme an uns vorkroken hebben in dem rechten, und wer se dat slot ich by don und breken schullen und wedderdon (ersetzen) uns den hon und schaden, den we des hebben, den we nicht wolden leden hebben umme Teyndusent lodighe mark zind dem male, dat se dat ghebuwet hebben in unse land, ghebede und richte, und uppe dat unse, wedder unsen willen, und unsen slote negher, wen sik dat doch in dem rechten boret."
Das im Glindesmoor von den Hamburgern errichtete Bauwerk war also eine Burg, mit Gräben und Planken befestigt, die in der Nähe der Harburg errichtet den Herzögen mit Recht gefährlich erschien. Wie groß ihre Einbuße sein sollte, werden sie damals noch nicht annähernd geahnt haben, wenn auch ihre Erbitterung über den Hohn und Schaden gewaltig war.
Der Rat lehnte es ab, irgendwie unrechtmäßig gehandelt zu haben, da die Stadt das Land "van also langer tyd und tho so langhen tyden, de nuschaftig (notwendig) zin tho redeliker und tho rechter besittinghe" bereits in Händen hatte, ohne daß die Herzöge bisher "weddersprake" eingelegt hätten. -
Die Waffen mußten entscheiden. Zweimal belagerte der Hamburger Bürgermeister Johann Hoyer mit Hilfe der Lübecker und Lüneburger das feste Schloß Harburg und beschoß es mit "Blyden und Büchsen". Erst 1397 wurde der Friede geschlossen. Der Brand war damit nicht gelöscht; er schwelte unter der Decke weiter fort. Die Hamburger waren sich ihrer Macht, die Herzöge ihres Rechtes bewußt. -
Währenddessen schritt der

Ausbau der Burg 15)

rege fort. Ein Prunkbau, der den Namen Schloß im heutigen Sinne verdiente, ist die Moorburg nie gewesen; alle romantischen Vorstellungen, die wir im allgemeinen mit einem solchen Bauwerk des Mittelalters verbinden, müssen wir von vornherein fallen lassen. Es war ein einfacher Zweckbau, der einem dringenden Bedürfnis entsprach, der allen Forderungen Hamburgs in diesem neuen Interessengebiet den nötigen Nachdruck verschaffen sollte und im Falle der Not der Besatzung die letzte Zuflucht bieten konnte. So ist es auch erklärlich, daß beim Bau der Feste weniger Rücksicht auf Wohnlichkeit als auf Verteidigungswert gelegt wurde. Ihre Lage bot an sich bereits eine gewisse Sicherheit. Inmitten des Sumpfes der Reethwisch, im Norden durch die Süderelbe, im Süden durch die weiten, ungangbaren Moore geschützt, die sich zwischen der Randsiedlung und den Geesthöhen ausdehnten und nur durch den schmalen Maria=Magdalenen=Steig zu durchschreiten waren, der gerade auf die Burganlage zuführte und daher von hier aus beherrscht wurde, war sie durch natürliche Hindernisse schon stark begünstigt. Es genügte darum zunächst ein starker Wohnturm, von einem breiten Graben umgeben, wie ihn die Elbkarte von Melchior Lorichs aus dem Jahre 1586 noch zeigt. Der Turm lag hoch auf der Warft,16) deren Erdmassen beim Auswerfen des Befestigungsgrabens gewonnen worden waren. Dadurch erhielt die Burg gleichzeitig die überhöhende Lage, die bei der damaligen Kampfesweise mit Wurfgeschützen und Ballisten notwendig war. Das ganze Verteidigungswerk wurde überdies durch einen Ring von Schanzpfählen eingeschlossen. Sie waren nebeneinander eingegraben und oben zugespitzt, sowie durch Flechtwerk und angenagelte Bretter fest miteinander verbunden. Den Beweis für diese Befestigung bringt die Freesische Elbkarte von 1577. Daß sie auch bei andern Burgen in der Ebene üblich war, bezeugt eine Urkunde über das Schloß Trittau, in der es heißt: "Dat se moghen plancken laten de vorborgh van der schüne wente to deme dore, also by ander fyden dores planket is."
Für diesen Zweck werden in erster Linie die Ausgaben "pro naghele und pro krampen" zu verstehen sein, die in der ersten Zeit recht häufig auftauchten. Mit dem Jahre 1423 scheinen die Holz= und Erarbeiten einen gewissen Abschluß erreicht zu haben; es wird ihrer von nun an seltener Erwähnung getan. Dafür nehmen die Ausgaben für "murstenes, dacstenes und cementi" einen weiten Raum ein. Ja, man legte fortab auch ein größeres Gewicht auf Wohnlichkeit; denn die Burg erhielt "fenestri vitrei", also Glasfenster.
Die Baumaterialien wurden in gemieteten Schuten herangefahren und von Zuträgern in die Burg geschafft. 1425 wurden erneut Eisenteile, Hölzer, Stricke und Fässer mit Zement gekauft; Steine quadrati et concavi, wurden herangefahren, bis endlich im Jahre 1426 mit dem Anlauf von Planken für eine Brücke und ein Siel die zweite Bauperiode einen gewissen Abschluß fand.
Die Burg wurde mit Butter, Bier, Eiern, Gerstenmalz, Salzfleisch, Fischen und Käse reichlich versehen, der Wall ausgebessert, der Graben von Fahrzeugen aus gereinigt und die Wurfmaschinen überholt.
Die Burg mußte danach einen Verteidigungswert erreicht haben, der ihrer Bedeutung voll entsprach.
Um sich ein klares Bild über jene erste Burganlage machen zu können, liegt es nahe, auch die

Art des Baues

Ins Auge zu fasssen. Burgen waren im wesentlichen Bedürfnisbauten, bei denen Bauherr und Bauleute sich besonders nach dem richteten, was sie bei anderen Burgen der Gegend sahen und als zweckmäßig kennen gelernt hatten. 17) Es war üblich, daß die Maurer auch hier dem Landesbrauch in Bauart und Material treu blieben. Danach müßte - wie es auch die Freesische Karte zeigt - die Moorburg ein Fachwerkbau aus rotgebrannten Ziegeln gewesen sein. Bestätigt wird diese Annahme durch einen Bericht des Landherrn 18) aus dem Jahre 1819, kurz vor dem Abbruch der Burg: "Das von Ständer= und Mauerwerk erbaute Haus enthält 2 Zimmer, 1 Kammer, 1 Salon, 1 geräumige Kellerküche nebst Vorratskammer, Keller, sowie verschiedene kleine Abteilungen und hinlänglichen Bodenraum; es liegt auf einer Anhöhe und ist mit einem breiten Wassergraben umgeben. Außerhalb des Grabens an der Deichseite ist es von einer Dornenhecke gesichert." -
Die Ecken des Turmes waren durch Verwendungen größerer Steine, vielleicht von Findlingen, besonders stark fundiert. Die Wände waren, entsprechend der Bauweise des 14. Jahrhunderts, im gotischen oder polnischen Verband gemauert: ein Läufer und ein Binder in jeder Schicht wechselnd. Sie mußten außerordentlich stark sein, um den Stößen der Mauerbrecher bei einer evtl. Belagerung auch Widerstand leisten zu können. Man wird bei dem Mauerwerk der Moorburg mit einer Stärke von 2 bis 3 Metern rechnen können. 19) In einem Kriegsbuch von 1450 wird verlangt, daß der Turm "von grund off bis under das Dack gelich dick und als fest seyn soll, daß er starken Buchsen widerstehen muge." Dieser allgemein gültigen Regel wird auch der Wohnturm der Moorburg entsprochen haben.
Der Eingang lag niemals zu ebener Erde, sondern in etwa 4 m Höhe und war nur durch eine Leiter zu erreichen, die man jederzeit leicht zerstören konnte. Die aus schweren Eichenbohlen verfertigte Eingangstür war durch starke Balkenriegel versperrbar. In der Mauerdicke ausgesparte Steintreppen oder hölzerne Blocktreppen führten zu den höherliegenden Geschossen. Das Licht fand seinen Eingang durch kleine, im Mauerwerk ausgesparte Schlitze und fensterartige Öffnungen.
Der Wohnturm der Moorburg hat den viereckigen Grundriß eingehalten. Ueber Verließ und Vorratskammer lag der Raum für die Küche und das Gesinde; darüber befand sich ein Raum für den Burghauptmann. Der Balkenboden war wegen der Feuersgefahr mit dickem Estrich bedeckt, war zu oberst mit quadratischen Ziegeln ausgelegt. In tiefen Seitennischen standen gemauerte Steinbänke, von denen man durch die fensterartigen Öffnungen einen weiten Blick über Elbe und Moor hatte. Im obersten Stockwerk, wo allerlei Waffen und Geräte verwahrt wurden, hatte der Wächter seinen Stand, der das Herannahen der Lüneburger und Harburger Salz= und Getreideschiffe melden mußte.
Außerdem enthielt der Turm über dem Raum des Burghauptmanns ein Prunkgemach für durchreisende, hohe Kräfte, für Ratsherren und Bürgermeister, das zugleich als Schlaf= und Wohnraum dienen mußte. Die Wände waren sämtlich unverkleidet, höchstens mit einem weißen Kaltanstrich versehen. An Möbeln gab es einige rohgefugte Bänke, einige Truhen, Schränke und Tische, im Prunkgemach wahrscheinlich ein paar mit Leder überzogen Herrenstühle. An den Wänden hingen Waffen und Jagdtrophäen von den im Moor erbeuteten Hirschen und Wildschweinen. Später als angesehene und begüterte Ratsherren in Kriegszeiten auf der Moorburg residierten, mögen einige Bastmatten und Teppiche den Raum etwas behaglicher gestaltet haben.
Als Sommeraufenthalt mag das Leben auf der Burg auch nach heutigen Begriffen ganz erträglich gewesen sein; aber wehe, wenn die Winterstürme um das Mauerwerk heulten und die Sturmfluten gegen den Turm brandeten; wenn das Holzfeuer im offenen Kamin rauchte und stechender Qualm alle Räume füllte; wenn die Fensterscharten durch Strohwische, Bretter oder Felle ganz verschlossen werden mußten und immerwährende Dunkelheit den Raum füllte, die nur mühsam durch einen qualmenden Kienspan oder den rußigen Krüsel verdrängt werden konnte! Man tröstete sich wenigstens damit, daß der Rauch das Balkenwerk konserviere, die Möbel gegen Wurmfraß schütze und die Menschen vor Husten und Schnupfen bewahre.20)
Das Gesinde schlief zu zweien und dreien in Butzen; nur der Hauptmann besaß in einer Art Alkoven ein Bett. Da lag er "auf einem Strohkissen, bedeckt mit einer Decke, gefüllet mit ausgekochtem Hopfen oder mit Schaffellen und mit einem runden Klotze unter dem Kopfe".
Nur hohe Gäste erhielten "eine Matratze und Flockbette, dazu einen Sack voll Spreu, auf dem sie mit dem Kopfe lagen."
Die Wachtmannschaft auf der Burg war von vornherein recht beträchtlich; in Kriegszeiten erhielt sie Zuzug aus Ritzebüttel und Hamburg. Im Jahre 1410 wird die stattliche Summe von 298 Taler 3 Schilling 5 Pfennige für sie ausgezahlt. Die Exposita ad Glindesmor geben die Belegstärke 1464 mit 21, 1467 mit 15 Mann an.
Die Stärke der Wachen und die Höhe der aufgewandten Kosten für den Ausbau der Burg bilden das

Barometer für die politische Lage

der Stadt. Schon in den Jahren kurz vor Ausbruch einer Fehde häufen sich die Reisen der Ratmänner und Baumeister, denen der Ausbau der Befestigung oblag. Immer größer schwellen die Summen an, die aus der Stadtkämmerei gezahlt werden.
1429 wurde der Befestigungswall nach der Grabenseite mit 200 Pfählen abgesteift, um ein Erklimmen durch eindringende Feinde zu erschweren. Im folgenden Jahre wurde eine Summe bewilligt, den " berch tho sperende". Ob das Dach des Berchfrieds 21) oder des Kornberchs mit neuen Sparren versehen wurde, ist leider nicht ersichtlich. Als Material zum Dachdecken diente das Ret, das im Winter, wenn der Schlick im Vorland gefroren war, gemäht und eingebracht werden konnte.
Das Jahr 1441 bringt die ersten Anzeichen neuer

Streitigkeiten mit den Harburger Herzögen.

Die Burgbesatzung wurde um 8 Söldner aus Ritzebüttel versärkt, und die Feste erhielt reiche Verproviantierung. Neun Seiten der Ausgabenbücher sind mit Lebensmittellisten angefüllt. - Außerdem ging man daran, die Landwehr 22) zu reinigen und zu vertiefen und die Ballisten - Es ist von zweien die Rede - zu verbessern.




Burg und Kirche nach der Karte des Melchior Lorichs. Anno 1568.



Die Burg nach der Elbkarte von Daniel Freese 1577.



Die Burg nach der Karte des J. R. Schildknecht. 1670.



Armbrustscharte mit Kammer



Aus der Elbkarte des Christian Möller. 1628.



1) 1. September.
2) Des Deutschen Reichs=Archiv. 1714. Leipzig.
3) Geschichte der Stadt und des Schlosses Harburg v. W. C. Ludewig, 1845
4) Kämmerei=Rechnungen. Hbg. Staatsarchiv. Die Summe ist auf volle Talente abgerundet.
5) Kämmerei=Rechnungen.
6) "Radeland" noch heute als Flurname gebräuchlich.
7) Noch heute werden Weiden, die häufig unter Wasser stehen, lieber zur Pferde= als zur Rindviehzucht benutzt.
8) Linder, Die deutsche Hanse, Leipzig 1901, und Kämmereirechnungen; 1x Nicola Zwertuten, quod consumpsit super terram, quando duxerunt reginam Norwegie versus Stadis.
9) 1387: 14 Schilling domino Marquardo Woldemari, quando attulerant fures de Glindesmoor. Noch 1645 wird berichtet: … weil die Schnaphanen undt anderes loses Gesindel sich auff der Elbe fiden lassen, undt nicht allein die Frembden, besonderen auch die Unseren beraupten, daß man das große Bot bey der Herren Schiff, benebenst noch drey anderen Evern, bemannen undt die Elbe (von dem bunten Hause ab bis an die Este) ließ auff- undt niederfahren.
10) Ludewig, Geschichte der Stadt und des Schlosses Harburg, 1845, Bd. I. St.29
11) Nach H. Mittag, Struktur des Haushaltes der Stadt Hamburg, Leipzig 1914, galten vom 14. bis 15. Jahrhundert 1 x = 20 ß (solidi), 1 Mark Kur. = 16 ß, 1 ß = 12 x (denarii), 1 x = 2 Heller (oboli), Die oben genannten Zahlen sind auf ganze Talente abgerundet.
12) Umrechnungen in heutige Währungen sind äußerst schwierig, nahezu unmöglich, und daher nur annähernd richtig.
13) Im Museum f. hamb. Geschichte; stammt etwa aus der Zeit um 1550; beschrieben von Prof. Dr. E. Kelter.
14) Sudendorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge Braunschweig und Lüneburg, 1876.
15) Neben dem Kämmerei=rechnungsbuch der Stadt geben die Ausgabenbücher der Burd - Exposita ad usum castri Glindesmor, 1464-1500 und 1414-1463 - und die beiden "Slotböker" 1503-38 und 1540-62 im Hbg. Staatsarh. guten Aufschluß.
16) Alte Leute erinnern sich, dass der Flurname "Up de Worth" für dieses Stück Land noch in ihrer Jugend gebräuchlich war.
17) Piper, Burgenkunde, München und Leipzig 1905
18) Berichte der Landherren von Bill= und Ochsenwärder. Hamb. Staatsarchiv.
19) Mauerstärken von 4 bis 6 Metern sind bei Burgtürmen nicht selten.
20) Schmidt, Ritterburgen, Halle a. S.
21) bercvrit = bergende Einfriedigung, den Frieden bergend; hier also der Wohnturm der Burg.
22) Breiter Schutzgraben zur Verteidigung











Grenzstreitigkeiten






Moorburg in der Zeit der napoleonischen Kriegswirren







Die Landscheide bei der Wiesenschänke



Der Querweg



Die Mairie (Nr. 35)
Sitz der Verwaltung während der Franzosenzeit



Denkmal für die Gefallenen 1914-18.






Moorburg in den Jahren 1815, 1866, 1870-71

1815

Während Fürsten und Diplomaten unter dem Vorwand, den Frieden Europas wieder herzustellen, sich auf dem Wiener Kongreß köstlich amüsierten, war plötzlich und unerwartet Napoleon zurückgekehrt und hatte am 20. März seinen Einzug in Paris gehalten.
Die Verbündeten hatten ihre Heere entlassen; die Kriegsbegeisterung war merklich abgeflaut. Man freute sich auf die Arbeit, die nach den wilden Kriegszeiten in Haus und Feld reichlich vorhanden war; seine Ruhe haben. Es ist eine hervorstechende Eigenschaft unserer Marschbevölkerung, daß sie schwer aus diesem Zustand aufgerüttelt werden kann. Nur wenn die Not an den auf den Fingernägeln brennt, besinnt sie sich auf ihre Kraft und findet sich zu einmütigem Handeln zusammen. Sie aber für eine Sache zu begeistern, die jenseits der Grenze - und diesmal war es sogar die deutsche, nicht etwa die Hamburger - sich abspielte, war wohl ein Ding der Unmöglichkeit.
So sind auch die Ausrufe, erneut zu den Waffen zu greifen, ohne Erfolg. Selbst die schärfsten Worte finden keinen Widerhall. Am 3. Mai 1815 heißt es z.B.:

"Ein hochedler Rat fordert daher alle diejenigen auf, die sich den Reihen der Freiwilligen anschließen wollen, die Waffen zur Verteidigung des Vaterlandes zu ergreifen. Es ist entehrend und eine Schande, wenn einer, der zum Militärstand tüchtig ist und dessen bürgerliche Lage es erlaubt, die Waffen zur Hand zu nehmen, untätig zurückbleibt. Er verkennt seine Pflichten und macht sich des deutschen Namens unwert. So eine Schande müsse unsere Landbürger nie treffen!"

Trotzdem aus dem ganzen Landgebiet nur 50 Mann angefordert waren und man ihnen die Einstellung in den Train zusicherte, mußte der Ausruf am 5. Mai wiederholt werden. Man versprach den Freiwilligen sogar ein Handgeld von 5 bis 10 Talern.
Am 26. Mai war die notwendige Mannschaft noch nicht beisammen, trotzdem die Stadt sich erboten hatte, die ganzen Ausrüstungskosten zu erstatten. Und wenn dieser Ausruf in besonders großen Lettern die rhetorische Frage stellte: "Sind wir nicht noch dieselben von 1813?" so kann man getrost behaupten, sie waren es nicht mehr; denn welche Mühe machte es, ganze 16 Mann aus der Landherrenschaft Bill- und Ochsenwärder für das Hamburger Reserve-Kontingent zu stellen!


1866

Dank Bürgermeister Karl Petersens Beredsamkeit in Senat und Bürgerschaft war Hamburg im Kriege gegen Österreich entschlossen auf die Seite Preußens getreten und rettete damit seine Freiheit. Man sammelte auch in Moorburg für die Verwundeten und mußte zu den Kriegslasten Hamburgs beitragen. 15 Moorburger wurden sogar mit dem Hamburger Kontingent in Marsch gesetzt um zur Mainarmee zu stoßen; doch wurde am 2. August der Waffenstillstand geschlossen, so daß sie nicht einmal die Feuertaufe erhielten. Sie kehrten Ende August zurück und wurden in einer kirchlichen Feier als "Helden" würdig gefeiert.


1870/71

Größeren Anteil nahm die Moorburger Bevölkerung an den Kämpfen von 1870/71. Auch diesmal waren 18 Moorburger mit ins Feld gerückt. Eine Haussammlung für die Verwundeten brachte 826 Mark Kur. 2 Schillinge. Bei jeder Siegesnachricht schlug die Begeisterung hohe Wogen. Das Dorf prangte im Flaggenschmuck, und aus einem Mörser, der bei Blankau stand aufgestellt war, wurden Freudenschüsse über die Süderelbe gefeuert. -
Als Anfang März die Friedensbotschaft eintraf, währte der Jubel bis in die Nacht. Der 22. März, der Geburtstag des greisen Kaisers, brachte die große Siegesfeier.
Nachdem am 10. Mai der Frieden zu Frankfurt a. M. unterzeichnet worden war, kamen auch die Moorburger wieder zurück. Nur einer, der Bruder des Moorburger Arztes Koch, war in Frankreich gefallen; einer der Heimgekehrten war mit dem "Eisernen Kreuz" ausgezeichnet worden. Der 2. Juli war als Festtag für die Kriegsteilnehmer gedacht. Man hatte ihre Plätze in der Moorburger Kirche mit Eichenlaub geziert. Am Abend bei der Feier im Lokal P. Flügge wurde ihnen ein künstlerisch ausgeführtes Diplom überreicht.
Zur Erinnerung an jene große Zeit, die die Einheit des Deutschen Reiches begründete, steht im Schulgarten unter einer Eiche ein einfacher Denkstein mit den Namen derjenigen, die damals am Kriege teilgenommen haben. Es waren: J. H. Lüders, J. N. Pinkenburg, B. Rose, P. Rubbert, H. Senden, J. Schröder, W. Versemann, J. Wittleben, W. Aldag, J. Bödecker, L. Bödecker, H. Boye, H. A. Brandt, A. Bremer, W. Greve, N. Horstmann, H. Heuer, G. N. E. Koch.







Moorburg während des Weltkrieges

1914-18.

Krieg! Wie zündendes Feuer fliegt die Nachricht auch durch unser Dorf. Die Glocken vom Kirchturm rufen die wehrfähigen Männer der Gemeinde zum Heeresdienst. - Die Nachricht ist wie eine Befreiung aus quälender Ungewißheit. Drückend wie ein Fiebertraum waren die letzten Julitage. Nun ist es Wahrheit geworden: Krieg! -
Am Abend steht man vor den Türen. "Wann mußt Du weg?" - "Wann Du?" - "Wohen?" - Das sind die Fragen, die immer wiederkehren.
Krieg heißt Scheiden und Meiden, heißt zerstörte Arbeit, Tränen und Blut, Trauer und Tod. Aber all das kommt nur für Augenblicke ins Bewußtsein; der Gedanke, schuldlos zu sein andiesem Kampfe, schwellt die Brust und eint die Herzen. Was sind die kleinlichen, gehässigen Anfeindungen von Nachbarn und Kollegen, der Alltagsklatsch des Dorfes gegen dieses Weltgeschehen! Bisher unversöhnliche Gegner reichen sich die Hände. In den Wirtsstuben sitzt man noch einmal beieinander und brausend klingt das Lied durch die weitgeöffneten Fenster in die Nacht hinaus: "Lieb Vaterland, magst ruhig sein; fest steht und treu die Wacht am Rhein!"
Und dann kommt für die ersten der Abschied. "Wihnachten sind wi wedder bi Hus! Länger kann dat nich duern!" -
Ein Jahr vergeht nach dem anderen. Der Krieg will nicht enden. Fast 600 Männer der Gemeinde sind eingezogen; sämtliche Lehrer der Schule bis auf den Schulleiter O. Winckler stehen vor dem Feind, vier davon als Offiziere. Hier wie in der Landwirtschaft, im Handel und Gewerbe sind die Frauen und Mädchen eingesprungen. Knaben verrichten schwere Männerarbeit. Kriegsgefangene Russen sind auf die Höfe verteilt, um in der Landwirtschaft tätig zu sein. Bei H. Lohmann (Blankaus Salon) sind ihre Unterkünfte.
Die freudig jubelnde Begeisterung ist einem tiefen Ernst gewichen. Eine Todesbotschaft jagt die andere. Es vergehrt fast keine Woche, wo der greise Pastor der Gemeinde, H. Stüven, nicht einem Elternpaar oder einer jungen Frau eine Trauerpost ins Haus trägt. -
Bald macht sich der Mangel an Nahrungsmitteln, Viehfutter und Kohlen geltend. In welch verschwenderischer Fülle hatte man in den ersten zwei Jahren noch den Lieben im Felde Pakete gepackt, vor allem zum Weihnachtsfest, wenn die jungen Mädchen bis in die Nacht hinein Liebesgaben auf die vielen, vielen Pappkästen verteilten, damit auch keiner aus der Gemeinde vergessen würde! -
Im dritten Jahre kommt das Kriegsnährungsamt und mit ihm die Brot-, Fleisch-, Fett-, Zucker-, Seifen-, Milch- und Kohlenkarten: 1750 Gramm Brot, 250 Gramm Zucker, 50 Gramm Fett usw. für eine ganze Woche, für jede erwachsene Person! Nur kranke und Säuglinge erhalten noch Milch; Schwerarbeitern wird eine größere Brot- und Fettportion zugebilligt.
Nur einmal in der Woche wird bei Schlachter Maack Fleisch verteilt. Da drängen sich Frauen und Kinder mit ihren Körben, um ein Stück zu ergattern. Mit welcher Freunde werden ein paar Knochen als Extragabe in Empfang genommen! -
Kartoffeln in Steckrübenkaffee gebacken, Steckrüben und Dörrgemüse - die Soldaten nannten dies Essen Drahtverhau - sind die einzigen Nahrungsmittel, mit denen man den nagenden Hunger, wenn auch nur teilweise, beschwichtigen kann. Das Brot ist längst aus Kartoffeln gebacken; statt der Seife gibt es Sand, statt Leder Holz, statt Leinen Papier, statt Zucker Sacherin; der hartgetrocknete, gesalzene Klippfisch ist zur Delikatesse geworden. -
So geht es ins letzte Kriegsjahr. Das Vieh steht hungrig in den Ställen; die meisten Stände sind leer. Mit müden Gesichtern gehen die Frauen umher; die Kinder sind blaß und unterernährt. Die Grippe hat in fast allen Häusern Einkehr gehalten und ihre Opfer gefordert. Zu dem großen Sterben an der Front kommt das Sterben in der Heimat. Man erträgt, was für Menschen nie zu ertragen möglich schien. Zweiundsiebenzig Männer sind auf dem Felde der Ehre geblieben. Es ist fast keine Familie, die nicht zumindest einen Toten zu beklagen hätte. -
Wie oft höt man es von den Verzagten, Mutlosen: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Die letzten Kupferkessel sind an den beiden Polizeistationen (Aust und Labhard) abgegeben; die beiden Kirchenglocken sind schon 1916 abgeliefert worden. Was soll noch werden? -
Am 9. November bricht in Hamburg die Revolution aus. Das Kaiserreich wird zu Grabe getragen. Am 11. November verkündet Scheidemann die deutsche Republik. In Moorburg bildet sich ein Arbeiter- und Volksrat. Der Gemeinde-Vorsteher Westphalen (Nr. 151) legt sein Amt nieder. -
Noch lange Zeit gingen die Wogen der politischen Erregung recht hoch. Zum Schutz der Gemeinde wurde unter Führung des Lehrers H. Meyer ein Heimschutz geschaffen, der jahrelang Nacht für Nacht Wache hielt und Patrouille ging, bis endlich nach Überwindung der Inflation einigermaßen geordnete Verhältnisse eintraten.

*

Eine Treppe am Deich, der Kirchenstegel gegenüber, von der Hand des Hamburger Künstlers Kuöl ausgeführt, soll der Nachwelt Zeugnis ablegen von dem Heldentode der Söhne unserer Heimat auf französischen, russischen, serbischen, rumänischen und türkischen Schlachtfeldern. Die große der Straße zugewandte Fläche, zeigt einen Krieger, der fast widerwillig die Handgranate schleudert, ein Symbol dessen, daß wirDeutsche diesen Krieg nicht gewollt haben, daß er uns von unsern Gegnern aufgezwungen wurde, daß wir ihn notgedrungen führen mußten in heiliger Notwehr1)

1) Namen der Gefallenen im Anhang. Der Kriegerverein in Moorburg hat außerdem ein Kriegerehrenbuch, das die Namen aller Gefallenen der Gemeinde enthält, anfertigen lassen.







Seuchen, Feuersbrünste, Fluten







Die letzte Mühle während des Brandes (Photo Clauder)



Überschwemmung am Alten Deich 1928.



Sturmflut auf Ellerholz (Photo Carlson)



Die Warft auf Ellerholz (Photo Carlson)



Moorburger Wasserturm



Das Brack am Alten Deich



Schule mit Kriegerdenkmal 1870/71



Cl. Fr. Grothkopp






Von Schulen und Schulmeistern








Die Kirche der heiligen Maria=Magdalena





Kirche und Friedhof



Moorburger Kirche 1687.



Das herausgenommene Altargemälde







Von allerhand Gebeten, die in unserer Kirche einst gesprochen wurden









Unsere Bauern- und Kätnerhäuser









Bauernhaus im Deichschutz (Nr. 23)



Ziegelmuster und Mühlen am Höfnerhause Nr. 23



Haus des Gemeindevorstehers P. N. Harms.



Alkoven (rechts) und Finsterschapp (links) im Hause Nr. 176.






Von Namen und Hausmarken

Namen im heutigen Sinne, also Vornamen und Familienname, hat es zur Zeit des Ankaufs unserer Heimat durch den Rat der Stadt (1375) noch nicht gegeben. In dem Vertrag von 13731) werden u. a. folgende Personen genannt: Maneke, der bei uns wohnet; Hein, sein Bruder; Hinrich, Ludofs Sohn; Bertold, Herrn Hinrichs Sohn, usw. Das Kämmereirechnungsbuch nennt an Personen, die mit dem Glindesmoor irgendwie zu tun hatten: Heinrich, den Sohn des Arnold; Mako, den Sohn des Woldemar; Ludolf (von) Hollenstede; Friedrich (von) Geldersen; Johannes Itzho, Heyno vom Moor; Thiederich Sassen (Sachsen) usw.
Daraus ist klar ersichtlich, daß jeder nur einen Namen führte, der unserem Vornamen entsprach. Man hatte aber auch bereits Schwierigkeit der klaren Unterscheidung der Menschen erkannt und suchte sich dadurch zu helfen, daß man entweder des Vaters Namen hinzufügte oder den Ort der HErkunft mitnannte. Damit war der erste Schritt zur Zweinamigkeit getan.
Der Haupmann der Kriegsknechte im Glindesmoor nach 1375 hieß Nikolaus; seines gefürchteten Schwertes wegen, das ihm stets locker in der Scheide saß, nannte man ihn außerdem Swerduthe, also Swerd uthe.
Auch in anderer Weise gaben Stand und Gewerbe reiche Möglichkeiten zur Unterscheidung, meistens indem man sie einfach mitnannte: Smedeke (Schmied), Rademakere (Radmacher), Tegeler (Ziegler), Nirbur (neuer Bauer) usw.
Ebenso hatt man auffallende charakteristische Eigen schaften herangezogen um Personen näher zu bestimmen, so Langben, Kruse (der KRaushaarige), Schele (der Schielende), Stamer (der Stotternde) usw.
Daß tatsächlich noch jahrhundertelang der "Vorname" der eigentliche Name war, beweist auch das älteste Moorburger Kirchenrechnungsbuch, das die Namen der Höfner in alphabetischer Reihenfolge bring, aber - nach den "Vornamen" geordnet.

Hans Giese:

Giso, Gisbert = der Speerglänzende (1).2)
Lutke Düvel:
Düwel, wahrscheinlich die Bezeichnung für einen Teufelskerl (4).
Heinrich Robbeke:
brod = Ruhm; also der Ruhmvolle (5).
Johann Nibbe, Johan Niebe:
Im ostfriesischen bedeutet nibbe = auffallende Form dieser Gesichtpartie - Im Althochdeutschen nid = feindseliger Eifer und Zorn des Kriegers (3)
Hein Stilkens:
Stilke als weiblicher Vorname in Moorburg 1577 noch gebräuchlich. Stilli (althochd.) = beruhigen, stillen s und n dind Genitivendungen, die heute noch gebraucht werden, wenn man auf die Kinder zeigt: "Dat sünd Stubbes!" (1).
Jochim Reimers:
von Raginmar = durch klugen Rat berühmt (3).
Benedictus Schelen:
der Schielende (1).
Kort Schwartow:
Ortsbezeichnung
Herme Meyer:
weist auf den Beruf. Bei Reuter heißt es Kapitel 1 "Ut mine Stromtid": ... den nu was bei afmeiert. Meier = landwirtschaftlicher Pächter oder Aufseher (2).
Laverenz Hermens:
als Vornamen Harmen 1577 noch üblich; althochdeutsch: hariman - der Heergenosse. Wandlung von Hariman, Harmen, Harm in der Genitivform Harms (1).
Heine Wenten:
Wente = Wende, der aus dem Wendenland Eingewanderte. Das n ist Genetivbezeichnung (1).
Hans Bekelen:
Beke im Friesischen die Kodeform für Elisabeth und Rebekka; war 1713 in der Kürzung Beke in Moorburg gebräuchlich. Ob diese Deutung zutreffend ist bleibt. Da noch zwei Höfner Hans Bokelen auftreten, möchte ich annehmen, daß hier das o durch einen Schreibfehler in e vertauscht worden ist. Bokelen waren die halbrunden Erhöhungen in der Mitte des Schildes, die aus Erz hergestellt wurden; vielleicht also Berufsbezeichnung.
Karsten Brant:
prant, brant (ahd3) = flammendes blitzendes Schwert (3).
Klawes Richers:
richi (ahd.) = mächtig; altdeutscher Personenname Ricohard (3).
Bartelt Gerken:
altdeutscher Personenname Gero (gêr = Wurfspeer), wahrscheinlich Koseform zu Gerhard = der Speerkühne. Genitivform Gerkens (3).
Stilke Bohms:
entweder vom Ortsnamen Boom in Fandern oder Bezeichnung von einem, der bei einem Baum (Schlagbaum) wohnte; s = Genitivbezeichnung (1).
Annke Boden:
a) Boden ist ein Ort bei Oldesloe; wahrscheinlich also Ortsbezeichnung. Bode = von kleinen Leuten bewohntes Haus (1).
Hanns Ruter:
riute (ahd.) = durch Reuten urbar gemachtes Land (2).
Hein Matfeld:
Matte = Matte = Wiese; mat (mnd.) = das Gemähte. Wahrscheinlich also aus einer Ortsbezeichnung entstanden.
Lutke Schriever:
der Schreiber; wahrscheinlich ein Nachkomme des Burgschreibers (2).
Metke Focken:
über Focko von Folkhar = Volkskämpfer. n = Genitivbezeichnung (1).
Steffen Behrs:
bere = Bär; er war den Germanen das Sinnbild der Kraft und Stärke; hier Genitivform.

Eine zweite Liste stammt aus dem Jahre 1713 als Hamburg an den russischen Fürsten General Menzikoff während des Nordischen Krieges 200000 Mark Kur. zahlen mußte und auch Moorburg verpflichtet wurde, von seinem Vermögen, das auf 250480 Mark Kur. eingeschätzt worden war, 3 Prozent zuzusteuern.4)
Es befanden sich danach im Besitz der Familien Harms 8 Höfe, Rüter 1 Hof, Stölken 2 Höfe, Brandt 1 Hof, Schwartau 3 Höfe, Nibben 1 Hof. Die übrigen Namen sind in der Liste der Grundbesitzer verschwunden. Es ist immerhin möglich, daß einige ihren Namen, mit dem sie noch nicht fest verwachsen waren, zugunsten eines anderen aufgaben. Wahrscheinlicher aber scheint es, daß diese Geschlechter in Kriegszeiten oder nach Sturmfluten, die das Land verheerten, ihren Besitz verließen, um an anderer Stelle ihr Heil zu versuchen; denn daß sie als Heuerlinge (Besitzlose) im Lande blieben, ist kaum anzunehmen. Vielleicht sind sie aber auch ausgestorben und ihre Höfe kamen in fremde Hände.
Das Verzeichnis von 1713 bringt sechzehn neue Namen von Höfnern:

Peter Kranz:
wahrscheinlich Ortsbezeichnung; also Peter aus Kranz (1).
Klaus Boye(n):
wahrscheinlich aus dem Rufnamen Boje entstanden. Das n ist das Zeichen des Genitivs, wie er heute noch in der Form "dat is Boyen sien!" auftritt (3).
Hans Külper:
Deutung zweifelhaft. Vielleicht steckt in dem Namen das Altnordische kollir = Helm (1).
Jochim Wriede:
mit "writ" bezeichnet man ein Terrain, in dem sich verschlungene Zweige, Wurzeln und Schößlinge befinden. (Jellinghaus, Holsteinische Ortsnamen). Nahe liegt auch die Ableitung aus dem Altsächsischen wrêth (nhd. wred) = wild, zornmütig (1).
Hans Flügge(n):
der Bewegliche, der Lebhafte (3).
Cordt Detgens:
entstanden aus dem altdeutschen Personennamen Dieto (diot = Volk), ge oder je ist die Verkleinerungssilbe; s = Genitivbezeichnung (1).
Heinrich Sadtler:
Berufsname, Sattler (1).
Johannes Feltmann:
Besitzer eines freien, flachen, unbewaldeten Landes (1).
Schmit:
Berufsname, Schmied (1).
Hans Eggers:
vom Rufnamen Agihard = der Schwertführer; ekka (althochdeutsch) Schwertschärfe (1).
Hans Borieß:
Kürzung aus dem kirchlichen Personennamen Liberius.
Heinrich Dierks:
Sohn des Dietrich; aus dem Personennamen Theudoricus = Volksherrscher (1).
Claus Nehus:
der im neuen Hause wohnte (1).
Jochim Renck:
ragin (got.) = Rat (1).
Jochim Jaar:
entstanden aus dem Rufnamen Garimar; gar (angels.) = Wurfspeer; also der Speerberühmte (1).
Simon Volmers:
Personenname Volcmarus; folcmar (altd.) = der im Volk berühmte.

Die beiden letzten Jahrhunderte haben dann eine langsame und stetige Einwanderung gebracht, gleichzeitig aber auch einen starken Wechsel im Besitz von Grundeigentum. Die Einwohnerzahl stieg von etwa 100 auf 2000; aus Kleinkätnern wurden Höfner, aus Höfnern: Kätner. Die Liste der Besitzer von 1814 bringt an alten Namen: Nieber (1), Meyer (4), Gerkens (2), Harms (6), Feldmann (1), Brandt (6), Schwartau (3), Rübke (1), Behrs (2), Eggers (1), Flügge (2) und Reimers (2). Neu sind die Namen der Grundbesitzer:

Peters:
Sohn des Peter.
Werdier:
?
Benitt:
Wahrscheinlich entstanden aus dem gekürzten Rufnamen Beditt; Benedictus (lat.) = der Gesegnete
Bauer:
mhd. bur = der den Acker baut, im Gegensatz zu herre (Ritter) und burgaere (Bürger).
von Düring:
nach "Borstelmann"5) setzt sich der Name aus dur = stark und der Nachsilbe ingen = Wohnsitz, Hof, Heim zusammen. Im Dezember 1778 kaufte ein Edelmann aus dem Stift Bremen sich den Hof der "Madame Ferßen" in Moorburg.6) Es war der Leutnant Karl Ulrich von Düring, der mit seiner Ehefrau Maria Hedwig, geb. Vogt, die Ländereien bewirtschaftete. Er hatte 2 Söhne und sechs Töchter. Sein Sohn Adolf Ulrich übernahm den Hof; Karl Ulrich Hartwig von Düring war Kapitän der 8. Kompagnie des VIII. Batl. der Hamburger Bürgergarde. Die sechs Töchter gingen bürgerliche Ehen ein. Marianne Christine verheiratete sich mit Heinrich Jacob Koch; Maria Elisabeth mit Diederich Mohrmann, Lucie mit Karl Hinrichs, Karoline Ulrike mit Moritz Gießelmann, Anna Sophie mit Jacob Hinrich Krohn, Margarete Marie mit dem Moorburger Höfner Peter Harms. -
Die von Düring sind ein altes niedersächsisches Adelsgeschlecht. Ihr Stammsitz liegt im Kirchspiel Loxstedt bei Wesermünde. Ihr Wappen zeigt drei rote Widderköpfe in Silber, getrennt durch einen blauen Querbalken. 1475 erwarb Otto von Düring durch Heirat die Burgmannschaft und die Güter in Horneburg, Rottensdorf und Francop. Sein Sohn Johann ist der gemeinsame Stammvater aller noch lebenden Düring. (Borstelmann, Familienkunde des Alten Landes.)
Fink:
ahd. fincko, mhd. vinke =Fink (Vogelname); man bezeichnete damit einen lustigen Menschen, vielleicht auch einen Vogelfänger.
Goldschmidt:
Berufsbezeichnung.
Quast:
mhd. quasen = schlemmen, den Schmaus liebend.
Westphal:
Ort der Herkunft.
Krohn:
altsächs. groni = grün, lebensfrisch; vielleicht auch von krone (mnd.) = Platte des Kopfes, Krone.
Mohr:
wahrscheinlich ein Mann, der in oder an einem Moore wohnte; vielleicht auch nach einem Hauszeichen, das einen Mohren darstellte.
Eckelmann:
wird schon 1669 unter den Pächtern des Kirchenmoores erwähnt. Eckel von Agil, einer Weiterbildung von ag, mhd. ecke = Schwertschneide; als Rufname Agilo, Egilo. Hier also der Mann, der das Schwert trägt. -


Zum Schluß sei hier versucht, dem Ursprung einiger Familiennamen nahe zu kommen, die heute in Moorburg häufiger vertreten und noch nicht genannt sind:

Aldag:
wahrscheinlich aus dem altd. Personennamen Athaldac (adal = edles Geschlecht) entstanden.
Beckedorf:
Ort der Herkunft.
Behnke:
niederd. Verkleinerungsform von Bene; entstanden aus Rufnamen Benno oder Benedikt.
Böttcher:
Beruf.
Burmester:
mnd. bure = Bauernschaft; also gleichbedeutend mit Gemeindevorsteher.
Eckhof:
Eichenhof.
Gabler:
Gäbler, der Gabelmacher.
Heyken:
Heicke, entstanden aus bag (ahd.), bac (mhd.) = umhegter Ort; Genitiv Heyken
Homann:
entweder aus "hoch" oder "Hof" abgeschliffen, fiel entweder durch seine Größe auf oder war Dienstmann an einem Hof.
Horstmann:
hurst oder horst = Gebüsch, waldiger Ort, abgeholzte Stelle; der Horstmann war an solch einem Orte ansässig.
Kröger:
Inhaber eines Kruges, einer Schenkwirtschaft auf dem Lande.
Lohmann:
von loh (ahd.) = Gebüsch, Gehölz; der Mann, der seinen Wohnsitz im Loh hatte.
Lüders:
Sohn des Luder, entstanden aus Liuthari = Volkskämpfer; gleichbedeutend mit Lothar.
Maak:
als Rufname ehemals in Magafred, Mago, Macco; magan (ahd.) = vermögen; es ist also einer, der die Kraft hat, etwas zu leisten.
Mecklenburg:
Ort der Herkunft.
Mojen:
moje (mnd.) = schön, schmuck, hübsch.
Otte:
entstanden aus dem altdeutschen Personennamen Audo, Odo, Otto; ot (ahd.) = reicher Erbbesitz, Erbgut.
Pinkenburg:
Ort der Herkunft.
Reimers:
Genitiv von Reimer; Ragimar = der durch klugen Rat Berühmte.
Ritscher:
wahrscheinlich nach dem Ortsnamen Ritsch in Kehdingen benannt; vielleicht auch aus dem altdeutschen Personennamen Ricohard entstanden (richi = mächtig).
Schierhorn:
Ort der Herkunft; liegt im Kreise Winsen a. d. Luhe.
von Sieden:
Ort der Herkunft.
Stöver:
oder Stüber war der Inhaber einer Badestube.
Stubbe:
stubbe (mnd.) = Baumstumpf; wahrscheinlich nach dem Ort der Herkunft benannt (Stubben in den Kreisen Wesermünde, Segeberg und Herzogtum Lauenburg); vielleicht gab auch der kurze, gedrungene Körperbau eines Vorfahren Veranlassung, ihn einen "Stubben" zu nennen.
Tiemann, Tiedemann:
entstand aus dem altdeutschen Personennamen, Teutmann = Volksheld (ahd. diot = Volk).
Thode:
aus dem Rufnamen Tiuto (got. thiuda =Volk) entstanden.
Winckler:
der kleine Händler, der im Winkel wohnt; meistens Besitzer eines Kram- und Schenkladens.
Wiegers:
aus dem altdeutschen Rufnamen Wiggar (wig ahd. = Kampf, gar Wurfspeer); Genitivform.
Wille:
entstanden aus dem Personennamen Willo (wille mhd. = Wille); also derjenige der willenstark ist.
Wohlers:
entstand aus dem altdeutschen Rufnamen Waldhar (ahd. waldan = walten, ahd. hari = Heer), also der über das Heer Waltende.
Wortmann:
der Mann, der auf einer Wort oder Warft wohnte.

Es ist selbstverständlich, daß nicht jeder Name so gedeutet werden muß, wie es hier geschehen ist. Namen sind wie abgeschliffene Kiesel im Bach, denen man nur schwerlich ihre alte Form ansehen kann. -
Immerhin ist es doch ein tiefer Blick in die Seele unseres Volkes, das sich vor Jahrhunderten in unserer Heimat ansiedelte. Ihm waren die Namen noch mehr als bloßer Schall. Gelingt es, unsere Familiennamen wieder mit mit Inhalt zu füllen, haben wir ein Stück Familiengeschichte lebendig gemacht, das uns unsere Vorfahren im neuem Lichte sehen läßt. -
In einer Zeit, da der Bauer des Lesens und Schreibens noch nicht kundig war, wählte er außer seinem Namenfür seine Person ein bestimmtes Zeichen, das Merkzeichen oder die Marke. Schon das Auslosen der Allmende, der Gemeindeweiden, machte die besondere Kennzeichnung eines jeden Mitgliedes notwendig. Man schnitt die Marke in ein Buchenstäbchen und warf es in die Losurne.
Bald trug lebendiges und totes Inventar die Marke des Hofes, zu dem es gehörte. Man findet das Hauszeichen in jener Zeit nicht nur im Höftbalken, am Ackergerät, an Milcheimern und Körben, sondern auch an den Grabsteinen, den Kirchenstühlen und - auf dem Brot, das die Bäuerin zum Backen trug. Noch heute tragen einige Fenster unserer Maria-Magdalenen-Kirche die Haus- und Hofmarken ihrer Stifter. Leider sind viele dieser Fenster bei den Umbauten an dem Gotteshaus und zum Teil auch durch Wind und Wetter zerstört. Im Jahre 1858 wußten von 49 Höfnern schon 15 ihre Marke überhaupt nicht mehr anzugeben.
Auch unter Urkunden und Verträge setzte man in Moorburg neben den Namen die Hofmarke, das "Handtgemal", ein Zeichen dafür, daß man beiden gleiche Bedeutung und gleichen Wert beilegte. In einem Kaufkontrakt aus dem Jahre 1707 über einen "Buthendeich, welcher sich erstrecket von den Bennenfreden bis an die Elbe" lauten die Unterschriften folgendermaßen: Johann Harmenß, Vogt, zu der gesuchniß; Peter Harmß, Meyn Handt und Marck ; Jost Meyer, seyn Marck selber gezogen. - Das Hauszeichen des Jost Meyer, der des Schreibens unkundig war, genügte also, um dem Kaufkontrakt seine rechtliche Gültigkeit zu geben.
In anderen Urkunden heißt es neben den Namen beispielsweise myn hueß.
Erst ganz allmählich verlor sich das individuelle Gepräge der Haus- und Hofmarken. Sie lösten sich von der Person des Besitzers. Es wurde schon im 17. Jahrhundert auch bei uns in Moorburg üblich, bei einem Kauf eines Grundstücks auch die Hofmarke mit zu übernehmen.
Einen Beweis für das hohe Alter der Hofmarken gibt die Änlichkeit vieler Hauszeichen mit der altgermanischen Runenschrift, so die Rune madr , die an die Mistgabel des Bauern erinnert, die Rune yr , die einem Hühnerbein ähnelt, die Rune ih oder eoh, , die dem Kesselhaken gleicht, der über dem offenen Herde hing, die Rune man , die das Bild der Sanduhr wiedergibt.
Sämtliche Zeichen finden wir in den Moorburger Hofmarken, wenn auch oft mit kleinen Abänderungen und Zusätzen, wieder.
Auch die Kirche fand mit Kreuz und Krummstab ihren Niederschlag in den Hofmarken; ebenso wurde später die Lateinschrift herangezogen, um immer wieder neue Formen zu finden.
Aus der Ähnlichkeit der Marken wird man mit Recht auf eine Verwandtschaft der Besitzer schließen können, die ursprüngliche das Zeichen führten. Söhne oder Brüder übernahmen bei einem Neuerwerb die Marke des Stammhofes, änderten sie ein wenig und ließen sie nun als ihre Marke in ihren Höftbalken einmeißeln.
Das Recht eine Hofmarke zu führen, konnten natürlich allein freie Grundeigentümer für sich in Anspruch nehmen. Nur die Marken der ältesten Höfe reichen in die erste Zeit der Moorburger Geschichte zurück.
Wieviel gerade in den letzten siebenzig Jahren durch Lässigkeit oder Schreibung ungeübter Hände verloren gegangen ist, erkennt man daran, daß es heute nicht mehr angängig ist, die durch Herrn Dr. W Hübbe 1858 gesammelten Hofmarken ihren ehemaligen Besitzern wieder zuzuweisen. Entweder sind die Marken in Vergessenheit geraten, oder sie sind so willkürlich verändert worden, daß ein Wiedererkennen nicht mehr möglich ist.
Die meisten der zur Zeit im Gebrauch befindlichen Marken, die heute zur Bezeichnung der Gemüsekörbe verwandt werden, stammen aus der Zeit nach 1858 und sind zum überwiegenden Teil frei erfunden.


1) Siehe Anhang

2) Ist die Anzahl der Vertreter dieses Namens 1577.

3) ahd. = althochdeutsch; mnd. = mittelniederdeutsch.

4) Liste im Anhang.

5) Borstelmann, Familienkunde des Alten Landes.

6) Heute Claus Harms, Nr. 162.



Die Marken mit der Jahreszahl 1858 wurden in diesem Jahr von Dr. W. Hübbe zum erstenmal gesammelt; Die Namen der Besitzer wurden, soweit es möglich war, vom Verfasser festgestellt. Die älteren Hausmarken sind Moorburger Verträgen entnommen.








Von hohen und niedrigen Ämtern und Berufen

Im allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, daß die soziale Struktur unserer Marschgemeinden mit der Einteilung unserer Landbevölkerung in Höfner, Kätner und Heuerlinge abgetan sei, wenigstens soweit vergangene Jahrhunderte in Frage kommen. Man hält es für selbstverständlich, daß sämtliche Einwohner in der Landwirtschaft tätig waren und in ihr den Unterhalt fanden.
Um so mehr ist man erstaunt, wenn man eine Einwohnerliste aus älterer Zeit in die Hand nimmt, eine stattliche Reihe von Ämtern und Berufen zu finden, die gar nicht, oder doch nur sehr lose mit der Landwirtschaft in Berührung stehen.
Eine Statistik aus dem Jahre 18141) gibt uns heute ein genaues Bild aller Ämter und Berufe jener Zeit. Danach besaß die Gemeinde Moorburg 43 Höfner, 1 Pastor, 2 Schulmeister, 44 Milchhöker, 30 Bindfadenmacher, 8 Schiffer, 1 Schiffsbauer, 1 Fischer, 10 Schneider, 2 Schmiede, 3 Zimmerleute (dabie ein Hauszimmerer), 4 Tischler, 13 Schuster, 4 Kuhhirten, 4 Krüger, 4 Küper, 1 Schlosser, 3 Bäcker, 2 Maurer, 1 Müller, 1 Schiffkapitän, 1 Drechsler, 4 Hühnerkäufer und 1 Amtsvogt. -
Im ganzen also eine recht bunte Gesellschaft, die man in einer Landgemeinde - Moorburg zählte damals 1600 Köpfe - nicht vermutet. Rechnet man dazu noch den landherrlichen Jäger, den Polizeiwächter, den Posthalter der Bremer Post, die ihren Weg durch Moorburg nahm, den Nachtwächter und Kuhlengräber, den Chirurgen, die Hebamme und - die Branntweinbrenner, so ist der Reigen ungefähr vollzählig.
Das höchste Amt in der Gemeinde war das des Landvogts. Seit 1796 trug er den silbernen Degen mit dem Hamburger Wappen, den er beim Amtseintritt vom Landherrn als Geschenk erhielt. Die Kosten deckte die Landpräturkasse. Der Degen sollte die Würde und das Ansehen erhöhen und ihn in seiner Amtstracht den hannoverschen Kollegen angleichen. - Der Vogt war der Vertreter des Landherrn; da diese sehr of wechselten, mußten sie sich mehr oder weniger auf den Rat der Vögte verlassen. Es ist daher erklährlich, daß ihre Macht eine recht bedeutende war. Selten hatte einer den Mut, ihre Autorität in Frage zu stellen.
Der Vogt als Vertreter der weltlichen und der Pastor als Vertreter der geistlichen Gewalt regierten die Gemeinde fast unumschränkt. Nur ein einziger Fall ist mir bekannt geworden, wo man es wagte, den Vogt anzugreifen.
Im Jahre 1771 war Hein Meyer, ein Höfner unter der Burg, zum Vogt erwählt worden. 1778 beschuldigten ihn die Deichgeschworenen Joh. P. Wardier, Hans J. Krohn, Peter H. Schwartau und Kl. Schwartau der Unterschlagung von Schoßgeldern (Steuern, die durch den Vogt an den Landherrn abgeliefert werden mußten). In der Nacht hatte man Pasquillen (Schmähschriften) und Kartenblätter an Bäumen und Häusern befestigt, auf denen zu lesen stand: "Der Vogt ist ein Dieb; er muß hängen!" - Erst durch das Eingreifen des Landherrn Martin Dorner wurde dieser Sturm im Wasserglas gestillt, und die Beleidiger mußten dem Vogt öffentlich in der Kirche vor dem Altar Genugtuung geben.
Der Vogt hatte dafür zu sorgen, daß die Verfügungen des Landherrn, die der Pastor allsonntäglich nach der Predigt abkanzelte zur Durchführung kamen. Er war Schlichter in allen Streitigkeiten; er sorgte für das Einsammeln und Einkommen aller Steuern und Abgaben des Lucien-Schosses, des Kopfgeldes, des Quart pro Cents, der Vieh-Accise, der Schulabgaben und Kirchensteuern. Bei widerspenstigen Zahlern hatte er die Exekution durchzuführen. Über wichtige Vorkommnisse im Lande, auch über Straffälle mußte er umgehend berichten, um die Entscheidung des Landherrn einzuholen. Ursprünglich war dieses Amt mit dem des Moorburger Burghauptmanns verbunden gewesen. Als aber 1610 die Bedeutung der Burg als strategischer Stützpunkt so weit gesunken war, daß man den Besitz Pächtern zur landwirtschaftlichen Nutzung übergab, schritt der Landherr nach dem Tode Diederich Peter Wohlers 1692 dazu den Landvogt aus den Reihen der Höfner zu ernennen. Ein Recht der Wahl stand den Gemeinden erst in der Zeit der freiheitlichen Bestrebungen um 1848 zu.2)
Es scheint üblich gewesen zu sein, daß die Vögte der Marschgemeinden beim Amtseintritt eines neuen Landherrn sich bei diesem zur Gratulationskur auf der "Diele"3) versammelten. 1878 waren es 15 Personen, die mit einer Erfrischung von 3 Stübgen Sekt, etwas Butter, Käse, Zuckerzwieback und Zuckerkringeln von dem neuen Landherrn Caspor Vogt bewirtet wurden.
Jeder neuernannte Landvogt hatte auf der landherrliche Diele den Eid abzulegen, der 1771 folgendermaßen latete:

Ick lawe und schwere tho Gott dem Allmächtigen, dat ick Einem Hochwysen Rade der Stadt Hamburg und den verordneten Landherrn will gtruw und hold syn, Ehr Bestes wohren und Schaden affwenden. Ick will de mir vorgelesenen und owergebene Instruktion in allen Stücken getruwlick befolgen und na deren Vorschrift up der Hochheit des Rhades dersülven Grenzen, Water und Lanscheidungen, dat densulvigen kenen Nahdeel wedderfahren möge, getruwlick Acht und Upsicht hebben: ock sülcke nach mynen besten Verstande und Vernunfft verbidden und vertreeden. - Ick will ok mit den Schwaren schauwen Diecke und Damme, so woll den Fründen als Frömbden ohne Ansehen der Personen. - Ick will ock, watt ick von strafbahren Verbrechen erfahre, dem öldesten Land-Herren ylig und ungesäumt bey Dage und Nachte, so balde ick wegen Water und Windes in der Stadt kan kamen, anmelden oder schrifftlich anmelden laten: und darin um Geschenke, Gift oder Gaben, Gunst, Mißgunst oder wo sülckes Nahmen hebben mag, nichts verschwiegen oder verbergen. Ok von alle demjenigen, so ick wegen des Landes innehme und entsage, Ehrengemelten Landherrn beständige Rechenschop jährlich äwergeven und daby ken en Underschleif för my sülvst oder durch der mynige gebrucken. Ick will ock up der Dootschlägeree, welche uth anderen Ordern ohne erholdenen Geleide in dut Mohrburger Land sick neddersetten, flietig achtgeben, densülven vor my ken Geleide gewen, sondern sülcke unverwielt dem verordneten Landherren nahmkündig maacken und my nach derem Befehl wegen sülcker Dootschlägeree hierin verholden, und sünsten in allem als newen uprichtigen Land-Vogt th doonde upligt und geborhet, my uprichtig und redlick betögen. So wahr my Godt helve und syn billiges Worth."4) -

War der Landvogt trotz seiner Entschädigung von 60 Mark Kur. (1647) jährlich in erster Linie Landwirt, so griffen Pastor und Lehrer im Nebenamt zu diesem Erwerbszweig, um das recht schmale Einkommen aus ihrem Hauptberuf ein wenig zu erhöhen.
Im Jahre 1814 gehörten zum Pastorat noch 11 Morgen Lant. Bedenkt man, daß zu dieser Zeit der größte Hof Moorburgs 28 Morgen hatte - die Burgpachtung 54 Morgen - so ist daraus klar zu erkennen, daß die Landwirtschaft im Leben unserer Geistlichen nicht die kleinste Rolle gespielt hat.
Aus dem Jahre 1585 besitzen wir eine Übersicht über die Amtseinkünfte des Moorburger Predigers5) die klar erkennen läßt, daß seine Besoldung derzeit ähnlich der des Schulmeisters der Gemeinde vorwiegend in Naturalien bestand. Nur war er insofern im Vorteil, als ihm durch Scheune, Kühe, Weide und Ackerland Gelegenheit gegeben war, seine Einnahmen zu erhöhen.
Von 4 Stücken Land (= 8 Morgen) erhielt er durchschnittlich eine Ernte von 7 Wispel6) Roggen. Als Weide verpachtet, brachten sie 120 Mark Kur. Außerdem besaß er aber noch so viel Land für sich, daß er acht Kühe halten konnte. Jeder der dreißig Höfner Moorburgs war verpflichtet dem Geistlichen zu Weihnachten ein Stück Fleisch und zu Ostern 10 Eier zu liefern; jeder der sieben Kätner gab 5 Eier. Dazu kamen 8 Scheffel Roggen: up Paschen (Ostern) 3 vatte, up Pfingsten 3 vatte, up Michaelis 3 vatte, up Winachten 3 vatte und up Martini 4 vatte. Diese letzte Abgabe erhielt die Kirche, weil der Prediger Dietrich Albers (1528-1565) auf das Weiderecht für zwei "eiserne Kühe" Verzicht geleistet hatte. Dazu kamen noch geringere Getreidemengen aus Harburg, Wilstorf, Hittfeld und Meckelfeld. Letztgenannte Abgabe in Höhe eines Fasses Roggen (1 vatt Roggen) von Herrn Johann Hugen ist sogar erst 1870 abgelöst worden. An barem Geld zahlte jeder Hof vierteljährlich 2 Schilling, jede Kate 1 Schilling. Das ergab also im Jahre 268 Schillinge = 17 Mark Kur. 6 Schilling; auch der Beichtpfennig wird als Einnahme des Predigers genannt.
Daß die Pastoren der Gemeinde, die ihr Haupteinkommen aus der Landwirtschaft hatten, auch ihre Rechte in dieser Beziehung wahrten, kann nicht wunder nehmen. Als die Harburger dem Prediger Georg Leopold Barsenius 1645 das Weiderecht auf den Inseln streitig machten, setzte er es durch, daß er auf Grund eines "vor wenigen Jahren" mit dem Fürstlich Harburger Kanzler geschlossenen Vergleichs sechs Pferde und fünf Kühe - Schweine und anderes Kleinvieh sollte nicht gerechnet werden - auf der großen Weide und der Hohen Schaar ohne alles Entgelt weiden durfte. Auch die beiden eisernen Kühe, auf die einst Dietrich Albers verichtet hatte, wurden von der Gemeinde wieder gestellt. 1650 meldet das Kirchenrechnungsbuch: "Nachdemmal an etlichen andern Orten gebräuchlich, daß die Gemeinde ihrem Seelsorger oder Hirten frei Kühe bei der Pfarre hält, so habe ich M. Georgius Leopoldus Barsenius bei meiner Gemeinde zu tun und 1650 zu begehren angefangen, welches sie mir dann auch nicht abgeschlagen haben, sondern zwei Kühe bei der Pfarre zu halten sich erklärt."7)


Hol öwer!




Polizei-Oberwachtmeister 1914. (Photo Graf)



Reepschlägerbahn



Dr. med. Schreier




Milchmann 1806



Milchmann 1840




Alte Anlegestelle der Milchewer "up dem Horne"



Katschbinderin


1) Hamburger Staatsarchiv.

2) Eine besondere Stellung nahm der Vogt von Billwärder-Ausschlag ein, der schon immer von den Höfnern erwählt worden war. Dr. J. H. Voigt in "Aufzeichnungen des Lict. W. Amsinck 1800-1801." S. 123. - Durch den Rats- und Bürgerschaftsbeschluß vom 16. IX. 1835 über die öffentlichen Verhältnisse der Landherrenschaften wird auch die Wahl der Vögte geregelt. Danach werden 4 Höfner auf einen Wahlaufsatz gebracht.

3) Für die Verwaltungsgeschäfte benutzte der erste Landherr gewöhnlich ein Zimmer in seinem Wohnhause, auf dessen Diele zu warten hatte, wer vorgeladen war oder beim Landherrn ein Anliegen vorzutragen hatte. Später hat sich der Ausdruck "landherrliche Diele", auch kurzerhand "Diele" auf den Ort der Landherrlichen Verwaltung übertragen.

4)Protokolle der Landherren. Hamburger Staatsarchiv.

5) Penshorns Aufzeichnungen der Amtseinkünfte sämtlicher Pastoren des Hamburger Landgebiets 1579-1585. Mitgeteilt von Dr. O. Beneke.

6) 1 Wispel = 10 Scheffel = 20 Faß = etwa 10 hl; 1 Faß = 2 Himpten = etwa 52 l.

7) 1862 wurden die beiden "eisernen Kühe" gegen eine jährliche Geldvergütung von 66 Mark Kur. abgelöst.

8) Pastor Perthes' Aufzeichnungen für seine Amtsnachfolger. 1858. Moorb. Kirchenarchiv.

9) karsten = zum Christen machen.

10) Verwalter des Vermögens von Waisenkindern der Gemeinde.

11) Hamburger Staatsarchiv.

12) Vergl. das Kapitel "Von Schulen und Schulmeistern in Moorburg."

13)




Die Landwirtschaft

Der wichtigste und hervorstechendste Erwerbszweig Moorburgs ist die Landwirtschaft. Die "Peterzilljenderns", Frauen und Töchter der Moorburger Kätner, die mit selbstgezogenem Gemüse einst durch die Hamburger Straßen, Gassen und Twieten zogen, um es dort zu verhandeln, waren wie die Vierländerinnen überall gern gesehen, nicht nur wegen ihrer frischen Grünwaren, sondern auch wegen ihrer frischer Grünwaren, sondern auch wegen ihrer hohen, schlanken Gestalten mit den blonden Haaren und ihrer kleidsamen Trachten.

"Wy jy ok Spinasch, jungen Sürken (Sauerampfer),
ok Karß (Kresse, die als Salat gegessen wurde) und
Schlath, oder Petersilg und Koppschlath?"
erklang ihr Ruf.1) -

Je näher die hohen Schornsteine mit ihren schwarzen Rauchfahnen sich den Grenzgräben unserer Landschaft nähern, je dichter sich die neuen Hafenbecken Harburgs herandrängten, um so klarer tritt der Charakter unserer Marsch zutage: Weite Obstanlagen im Vorland, grünende und blühende Gemüseanpflanzungen rings um die retgedeckten, langgestreckten Bauernhäuser, weite ebene Wiesen mit schwerem Marschvieh und dahinter die Haakeberge mit ihren hohen Buchen- und Tannenwäldern, die das Land im Süden wie eine Mauer abschließen.
Dieses Stück Kulturland hat der Moorburger Bauer aus einem wertlosen Sumpf geschaffen. Mit Stolz kann er betonen: "Meine Vorfahren waren es, die in harter, zäher Arbeit Neuland schufen." Dieses Stück Erde ist heute ein wichtiger Faktor in der Versorgung Hamburgs mit Milch, frischem Gemüse und Obst.
Die Viehhaltung und Milchwirtschaft machen es notwendig, dass weite Strecken Moorburgs als Weideland dienen oder zur Heugewinnung herangezogen werden müssen. Ist doch die Weidefütterung die naturgemäße Ernährungsweise des Rindes. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war die zur Weide ausgenutzte Fläche bedeutend größer. Hirten trieben das Vieh in das Wildmoor, wo es eingestreute Wiesenflächen in recht großer Menge gab. Der "Drew"2) auf Ellerholz erinnert noch an jene Art der Viehhaltung. Vor allem waren es Schafe, die mit dem dürftigen Moorgras vorlieb nahmen. Heute, wo die fortschreitende Industrialisierung Harburgs jenseits der Süderelbe auf Kattwyk die Weideflächen immer mehr einengt, wird auch die Ernährung des Moorburger Milchviehs um vieles schwieriger gestaltet.


Weidendes Milchvieh.



Blüte im Vorland



Bei der Obsternte



Die Landungsbrücke


Ende April bezw. in den ersten Tagen des Mais kommen die Tiere aus den Ställen. "Schipper Mertz", der seit vielen Jahren das Übersetzen nach den am jenseitigen Ufer der Elbe liegenden Weideplätzen besorgt, bekommt alle Hände voll zu tun. Den ganzen Sommer über bis in den Oktober hinein bleibt das Vieh draußen. In den ersten Nächten hört man das Brüllen der Tiere dumpf über das Wasser herübertönen.
Welch ein farbenbuntes, prächtiges Bild ist es immer wieder, vom Köhlbrand aus die schwarzweißen und rotbunten Rinder durch das frischgrüne Gras, in dem Tausende von gelben Blüten leuchten, langsam grasend dahinschreiten zu sehen. In den letzten Jahren verschwindet der rotbunte Elbmarschschlag immer mehr und macht den schwarzbunten Niederungsrassen (Westfriesen, Ostfriesen, Wesermarsch) Platz. Sie sollen durchweg mehr Milch liefern und auch größeren Fleischansatz haben.
Besondere Kämpfe hat es von jeher um die Preisfestsetzung der Milch gegeben; stießen hierbei doch zwei Gruppen von ganz entgegengesetzten Interessen zusammen: der Erzeuger, der Kuhhalter, und der Zwischenhändler, der Milchmann; der eine wollte den Preis so hoch, der andere so niedrig wie möglich halten. Bis 1896 war der 1. Mai der Tag, der die Gemüter erregte. Es war zur Gewohnheit geworden, an ihm den neuen Milchpreis für das kommende Jahr festzusetzen. Die Verhandlungen fanden zwischen einigen großen Kuhhaltern und ihren Milchabnehmern statt, gewöhnlich bei einem starken Zechgelage in Grog. Das Resultat wurde mit großer Spannung im ganzen Dorf erwartet. "De Pries is rut" rief dann wohl einer dem andern zu und gab seiner Zustimmung oder Enttäuschung nachhaltigen Ausdruck. Diese Art der Preisfestsetzung wurde das "Kreditzen" genannt.
Bedenkt man, daß das Milchgeld die Haupteinnahme des Kuhhalters war, kann man sich vorstellen, welche Bedeutung diese Abmachungen hatten. Aus wenigen Pfennigen Preisunterschied, die sich bei einem Liter recht harmlos machten, wurde im Jahr ein kleines Vermögen. Fiel es doch keinem Milchmann ein, wenn Trockenheit oder Viehsterben das Angebot in Milch verringerten und die Unkosten des Landwirts erhöhten, auch nur einen Pfennig über den abgemachten Preis zu zahlen.
Am 1. Mai 1896 erhielt der Erzeuger für 1 Eimer Milch (32 Liter) im Sommerhalbjahr 2,90 Mark, im Winterhalbjahr 3,10 Mark.
Dieser Preis erschien den Moorburger Landwirten untragbar. Sie griffen daher 1896 zur Selbsthilfe und schlossen sich im "Landwirtschaftlichen Verein" zusammen. Als Ziel stellte man sich die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und eine angemessene Preisfestsetzung.
Später wurde dem landwirtschaftlichen der Rinderzucht-Verein angegliedert, der sich die Verbesserung der Rindviehzucht und die Steigerung der Milchproduktion zur Aufgabe machte. Er kauft zu diesem Zweck Zuchtiere3), deren Anschaffung den einzelnen Kuhhaltern der hohen Kosten wegenkaum möglich wäre, und verkauft sie meistbietend an seine Mitglieder. Zuchtbullen, die vom Verein erworben werden, bleiben sein Eigentum. Die treibenden Kräfte in beiden Zusammenschlüssen sind die Landwirte N. Gerkens und Cl. Harms. Vor allem hat sich der erstere um die Moorburger Landwirtschaft große Verdienste erworben.
Der Viehstand ist seitdem wesentlich besser geworden. Die tägliche Milchmenge stieg im Sommer 1914 auf etwa 7000 l. Auch die Anlieferung von Schlachtvieh, von Ochsen und Schweinen, für den Hamburger Markt wurde von Jahr zu Jahr größer.
Da brach im August 1914 der Weltkrieg aus. Die Pferde wurden zum größten Teil für den Heeresdienst requiriert, das Vieh für die Fleischversorgung der Bevölkerung, die sich, je länger der Krieg dauerte, immer schwieriger gestaltete. Da außerdem die Futtermittel immer knapper und unerschwinglicher wurden, sank die Milcherzeugung von Woche zu Woche.
Moorburg gehörte zum Kommunalverband II4) und hatte diesen fast ausschließlich mit Fett und Fleisch zu versorgen. Ein großer Teil davon ging aber im Schleichhandel verloren.
Um diese lebenswichtigen Produkte besser zu erfassen, entschloß sich der Staat, in Moorburg eine Meierei5) zu gründen. Er stellte für diesen Zweck 50000 Mark, der Landwirt Claus Harms 10000 Mark zur Verfügung. Die Kuhhalter waren verpflichtet, ihre Milch fortan dorthin zu liefern, wo sie in überwiegender Menge zu Butter verarbeitet wurde. Nur ein kleiner Teil ging als Frischmilch für Kranke und Säuglinge nach Hamburg.
Bald nach Beendigung des Krieges hörte die Zwangslieferung der Milch aus; der Staat zog seine Gelder aus der Meierei heraus und überließ seinen Anteil Moorburger Interessenten, die das Unternehmen nun auf genossenschaftlicher Grundlage neu fundierten. Mit der Verwaltung blieb der bisherige Leiter Cl. Harms betraut. 1921 erwarb man das Haus, in welchem der Betrieb untergebracht war, eigentümlich. -
Während der Zeit des "Arbeiter- und Soldatenrats" war die Meierei als "kulinarischer Mittelpunkt" der Gemeinde oft der Gegenstand heftiger Kritik, die ihren Höhepunkt in einem geplanten "Sturm" fand, da man in den Lagerräumen eine Anzahl aufgestapelter Butterpakete vermutete. Auch bei der Volksversammlung in Blankaus Salon, die sich durchweg im Rahmen des Rahnstädter Reformvereins6) bewegten, mußte sie neben Obst- und Gemüsepreisen häufig den Gesprächsstoff liefern. -
Heute werden bei der Meierei täglich 3500 bis 4000 Liter Milch angeliefert, die an 20 Milchleute verteilt werden. Die gesamte Milchproduktion Moorburgs mag sich auf etwa 5400 Liter am Tag belaufen, die zum größten Teil nach Hamburg gebracht werden. -
Moorburg hat außerdem den größten Anteil an der Belieferung Hamburgs mit Spinat. In den Hauptmonaten April, Mai und Juni rollen an jedem Markttag ungeheure Mengen dieses ersten Gemüses auf großen Wagen nach der Stadt. Fast vor jedem Haus wird Halt gemacht. In langen Reihen stehen die Spinatkörbe zu zweien und dreien auf den Stegeln und auf den Fußsteigen übereinander. Immer höher werden die Körbe beim Aufladen getürmt; 400 Stück faßt ein einziger Wagen; in ihnen sind etwa 4000 Pfund Grünware.
Der Hauptmarkt ist der Freitag; drei bis vier Fuhrleute können dann den Spinat kaum fortschaffen. Am Montag und Mittwoch sind Angebot und Nachfrage nicht so groß.
In jedem Frühjahr setzt ein wahrer Wettstreit ein, den ersten Spinat zum Verkauf zu bringen. Der Sieger erhält die höchsten Preise.7) Wird das Angebot größer, sinken sie mit riesiger Schnelligkeit. 1929 zahlte der Aufkäufer Ende Juni noch drei Pfennig für das Pfund, der "Inkaker", die Konservenfabrik, sogar nur zwei. Da der Fuhrlohn nach Hamburg für das Pfund Grünwaren 1½ Pfennig betrug, blieben also für den Erzeuger zur Deckung seiner Unkosten und für seine Arbeit noch 1½ bezw. ½ Pfennig. Damit konnten bei geringen Mengen die Fahrt- und Zehrungskosten der Marktfrauen nicht mehr gedeckt werden. - Erst der Herbstspinat erzielte durchweg bessere Preise. In guten Spinatjahren werden 200000 bis 250000 Pfund nach Hamburg - und in ganz geringen Mengen nach Harburg - gebracht.
Ende Juni setzt der Verkauf von Erbsen und großen Bohnen ein, der den Juli und August über anhält. Im Juli wird der Markt überdies mit Frühkartoffeln beschickt; im August folgen türkische Erbsen, Brechbohnen und Schneidebohnen.
Die Ernte in Stachel- und Johannisbeeren ist unbedeutend. Erst das Kernobst, dessen Reife in die Monate August, September und Oktober fällt, bringt wieder größere Erträge.
Ursprünglich war unsere Marsch kein Obstland. Außer zahlreichen Nußbäumen standen am Deich einige schlecht gepflegte Birnbäume, deren Erträge für den Hausgebrauch bestimmt waren. Das Vorland, das heute einem riesigen Obstgarten gleicht, wurde für den Getreidebau ausgenutzt. Jeder Höfner baute seinen Roggen, den er zum Brotbacken benötigte, noch selber. Der Buchweizen für die Klöße und Pfannkuchen, die man schon oft am Morgen früh "ut de Pann" aß, wurde gegen Heu von den Geestbauern eingetauscht.
Erst der Höfner Lorenz Eggers legte in den Jahren 1880-85 die ersten großen Obstplantagen an, und sein Beispiel fand bald Nachahmung.
Die frühreife St. Margarethen- sowie Grau- und Bürgermeisterbirne sind häufig. An Apfelsorten waren früher der "gelbe Richard", der Gravensteiner, der Paradiesapfel und der "Isenappel" reichlich vertreten.
Eigenartigerweise gehen die edlen Sorten immer mehr zurück. Gerade im letzten Jahr sind eine große Zahl dieser Bäume eingegangen, ohne daß es gelungen ist, die Ursache mit Bestimmtheit festzustellen. Gute Erträge liefern heute noch "Krautsander Beuken", ein Kochapfel, sowie die Glocken- und Prinzäpfel.
Die Anpflanzung von "Kneiden", der kurzgeköpften Weiden, im sumpfigen Vorland, bringt so geringe Erträge, daß sie nicht mehr vorgenommen wird. Wird doch Bandholz für die Fässer so gut wie gar nicht mehr verlangt, Korbflechterei wird kaum noch ausgeübt und der Dachdecker nimmt seit langem statt der Weiden den viel haltbareren Draht. -
Auf den Bauernhöfen war von jeher eine größere Zahl von Dienstboten nötig, um die tägliche Arbeit zu verrichten. Die Knechte waren meistens landeingesessene, junge Burschen, die einige Jahre beim Bauern dienten, sich nach der Heirat aber als Milchhöker oder Kleinkätner selbstständig machten. Außer dem Großknecht gab es noch den "Lüttknecht" und den "Jungen". Sie hatten auf der Hinterdiele ihr Butzenbett; auf der Kuhseite waren Schlafgelegenheiten für "Grot- und Lüttmagd".
1847 erhielt ein Großknecht 30-32, ein Kleinknecht 20-24 und ein Junge 12-15 Taler jährlichen Lohn; eine Magd verdiente etwa 20-24 Taler, wenn sie die Milchwirtschaft verstand, sonst 12-16 Taler. Nebengeschenke wurden selten gemacht. 1858 klagt Pastor Perthes, daß die stark gestiegen seien. Er zahlte seinem Knecht 57 Taler, seiner Magd 70 Mark Kur. Das Verhältnis zwischen dem Herrn und dem Gesinde war ein patriarchalisches; die "Densten" gehörten zur Familie und aßen mit am Tische. Zur Mahlzeit wurde die Pfanne auf den Tisch gesetzt; jeder langte sich seinen Holzlöffel aus der Lederöse an der Wand und griff tüchtig zu, so lange noch etwas da war. -
Vor dem Krieg war diese Sitte des gemeinsamen Essens aus der Pfanne noch häufig; erst nach 1918, als die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte oft wechselten, verschwand sie immer mehr und ist nun wohl ganz abgekommen; nur das Essen an einem gemeinsamen Tisch ist meistens geblieben.
Den Bauern redete das Gesinde mit "Uns' Weert!", die Bäuerin mit "Uns Fru!" an. Gearbeitet wurde von 4 Uhr morgens bis zum Dunkelwerden. Aber selbst beim Krüsel konnten weder Frau noch Magd die Hände in den Schoß legen. Von Michaelis (29. September), spätestens, wenn die Kühe wieder im Stall waren, wurde fleißig gesponnen. Sechs bis zehn Mädchen der Nachbarschaft fanden sich zu diesem Zweck auf einem Hof zusammen. Die gesponnen Stücke Garn hing man wohl an die Stubenfenster und zog sie recht weit auseinander, damit die Ehelustigen, falls eine Tochter im Hause war, glauben sollten, daß sie "mehr spann als sann". Mit Fastnacht hörten die Spinnzusammenkünfte auf. -
Die Zucht war verhältnismäßig streng. Ausgang gab es nur mit Erlaubnis des Bauern, selbst an Sonn- und Festtagen. Wehe, wer nicht zur festgesetzten Stunde heimkehrte! Widersetzlichkeit wurde oft mit Gefängnisstrafe, der "Roggenkiste" geahndet; ebnso verfuhr man bei häufiger Trunkenheit.
Heute bringt die Leutenot viel Ärger und Verdruß. Die Löhne (60bis 100 Mark monatlich) für gute Arbeitskräfte sind bei der schwierigen Lage der Landwirtschaft zu hoch; dazu kommen die Abgaben für Kranken- und Invalidenkasse. Oft ist dies "frömd Volk" auch nicht einaml fähig, landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten, da es aus ganz anderen Erwerbszweigen kommt und in der Landwirtschaft nur vorübergehend Unterschlupf sucht. Mancher Höfner, der gern einen tüchtigen Knecht beschäftigen möchte, aber wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht hat, scheut sich, erneut einen arbeitsscheuen und widersetzlichen Menschen einzustellen und verrichtet notgedrungen seine Arbeit mit Hilfe seiner Familie allein. Da heißt es denn, doppelt schnell zufassen und den Arbeitstag um einige Stunden verlängern, um nur das Notwendigste zu schaffen. -
Eine besonders anstrengende Arbeit, die hier noch kurz erwähnt werden soll, war von jeher das Reinigen der im Sommer zugewachsenen Gräben, der Grübben (Grübbeken, Grübchen), Scheidegräben, Wetterungen und Schleusengräben. Mit "Wallsnieder, Kruthaken und Hau" wird der Grund von Schlamm und Pflanzenwuchs gereinigt, um dem Wasserabfluß wieder genügend Raum zu schaffen. Beim "Herbstschauen" müssen die Gräben sauber sein. Wer diese Arbeit nicht ordentlich ausführt, läuft Gefahr, daß seine Weiden versumpfen.8) -
Wer die seelische Eigenart der Moorburger Eingesessenen kennen gelernt hat, weiß mit welcher Liebe sie an der ererbten Scholle hängen und welchen Stolz sie darein setzen, Herr auf eigenem Grund und Boden zu sein. Nur wer Grundbesitz hatte war berechtigt, in der Gemeinde Ehrenämter zu bekleiden; der Besitzlose hatte allein Pflichten zu tragen; er hatte keine Stimme im Rat der Gemeinde. Erst die neue Gemeindeordnung von 1871 bahnte auch hier eine neue Zeit an. Eine Selbstverständlichkeit aber blieb die Wahl der Landvögte aus den Reihen der Höfner.9) Um 1693 wird Hein Rübke, 1722 der Vollhöfner (unter der Burg) Hein Harms als Vogt erwähnt (Nr. 207), 1754 und 1765 ein Höfner Johann Eggers, 1771 Hein Meyer (unter der Burg). Von 1800 ab ist die Liste der Landvögte vollständig zusammenzustellen:

1800-1810 Jacob Harms (Gehöft Nr. 207)
1810-1831 Matth. Herm. Bauer
1831-1848 Lorenz Herm. Bauer (tritt freiwillig zurück).
1848-1867 Johann Harms (Gehöft 207).
1867-1884 Johann Herm. Harms (Gehöft 207; tritt freiwillig zurück).
1884-1894 Claus Hermann Meyer
1894-1912 Peter Nik. Harms (Nr. 161).
1912-1919 Hermann Westphalen (Nr. 151)
Ab 1919 Fritz Pinkenburg, Kirchdeich

Wer sich von seiner Scholle trennte, tat es aus bitterer Not, weil seine Wirtschaftliche Lage ihm keinen anderen Ausweg erlaubte, konnte er doch nach dem Verkauf an den Staat wenigstens als Pächter auf seinem Hofe bleiben. Es ist wohl kaum einer, der aus reiner Geldgier und ohne innere Kämpfe diesen Schritt getan hat.
Nachdem 1908 zwischen Hamburg und Preußen der Köhlbrandvertrag unterzeichnet worden war, nach welchem Hamburg 105 ha (davon 27 ha Wasserfläche) gegen 139 ha preußische Gebiete austauschte,10) war Moorburg durch den geplanten Bahnbau11) von Hausbruch über Moorburg, Altenwerder nach Waltershof und Finkenwärder in den Interessenkreis der Spekulation gerückt. Im Jahre 1913 wurden die ersten größeren Höfe aufgekauft. Für 18,3 ha zahlte der Staat 1,09 Mark pro Quadratmeter, für 104,3 ha im selben Jahre 1,11 Mark pro Quadratmeter.
1914 wurden 1,4 ha zerstreut liegendes Gelände für 0,80 Mark, 17,3 ha für 1,11 Mark, 14,1 ha Kirchenländereien für 1,05 Mark und 2,5 ha in Erbpacht gegebene Kirchenländereien für 0,50 Mark pro Quadratmeter erworben. Für die Ablösung der Erbpacht wurden außerdem noch 0,56 Mark pro Quadratmeter gezahlt, so daß auch hier sich der Preis auf 1,06 Mark stellte.12)
Nach dem Kriege setzte der Staat die Landaufkäufe fort. Er zahlte für ein Quadratmeter etwa 1,70 Mark. Die Groß-Hamburg-Frage spukte in den Köpfen. Man glaubte vor allem in den Jahren 1926-1927 fest daran, daß Moorburg an Preußen ausgetauscht werden würde und damit die letzte Stunde für die Landwirtschaft geschlagen hätte. Das Schicksal der Nachbargemeinde Lauenbruch stand zu deutlich vor aller Augen,13) ganz besonders aber in den Tagen, als das Gutachten der Staatsminister a. D. Dr. Drews und v. Roedern im Wortlaut bekannt wurde. Entschlußfreudigkeit, Unternehmungsgeist und Arbeitslust wurden dadurch um ein Erhebliches vermindert. Diese Unsicherheit in der Lage wirkte sich nicht nur in der komunalen Verwaltung,14) sondern auch in allen privaten Betrieben, in erster Linie in der Landwirtschaft aus.
Nachdem die Groß-Hamburg-Frage in der "Hafengemeinschaft" Hamburgs mit Harburg-Wilhelmsburg einen vorrläufigen Abschluß gefunden hat, ist auch in der Gemeinde Moorburg eine gewisse Beruhigung eingetreten. Zwar ist man sich nach wie vor darüber klar, daß unsere Marsch einst den Hafenerweiterungsbauten und der Industrie zum Opfer fallen wird; doch glaubt man diese Zeit noch um einige hinausgerückt.




1) Suhr, Der Ausruf in Hamburg. 1808.

2) hendrewen = hintreiben (niederdeutsch).

3) Das ist notwendig, weil man nach dem Kriege auf den meisten Höfen, um sie einigermaßen rentabel zu gestalten, zur Gebrauchszuchtwirtschaft übergegangen ist. Man zieht heute aus den Kälbern seiner besten Kühe den eigenen Nachwuchs heran. Die Praxis hat gezeigt, daß selbstgezogene, bodenständige Starken in der Regel höhere Milcherträge geben als importierte Starken. (Landwirtschaftsrat Stoll, Farmsen; Formen der Rinderhaltung.)

4) Dazu gehörten außer Moorburg noch Bergedorf und die Hamburger Landgebiete.

5) 1902 war bereits eine solche gegründet worden; sie war aber im nächsten Jahr wieder eingegangen.

6) Vergl. "Ut mine Stromtid III", Kp. 35.

7) 50 bis 80 Pfg. für das Pfund.

8) Die Gemeinde beabsichtigt zur Zeit, eine Grabenreinigungsmaschine von der Moorburger Firma Karl Ritscher zu erwerben.

9) Sie mußten zumindest 4 Marschmorgen Land besitzen (annähernd 4 ha).

10) Hamburg erhielt: von Neuhof 88 ha, von Wilhelmsburg 9 ha, von Altenwärder 15 ha, an Wasserfläche von Finkenwärder 27 ha. Preußen erhielt: Spadenländer Busch 41 ha, Moorburger Weiden 38 ha, Grenzberichtung gegen Wilhelmsburg 9 ha, von der Gemeinde Moorburg auf Ellerholz 8 ha, westlich von Finkenwärder 9 ha.

11) 1929 vollendet.

12) W. Melhop, Historische Topographie. 1925.

13) Lauenbruch wurde vom Spülsand verschüttet und zu Hafenbecken ausgebaut.

14) Es sei hier an den Wohnungsbau, den geplanten Schulneubau, den Sportplatz und die Badeanstalt erinnert.






Wie man sich kleidete

Vor mir liegt die "Ordnung, de im Bill- und Ochsenwerder ook den thobehörigen Landen enes Ehrbaren Rades Underdanen und landlüden und ook de geestlüde belangend" vom 21 Februar 15851) die von "Kösten", von Hochzeitsfeiern, wie sie abgehalten werden dürfen, von "Kindelbehren", Kindtaufen, und "Bygrafften", Begräbnissen, berichtet. Am ausgedehntesten aber sind die Bestimmungen über Männer- und Frauenkleidung.
Es war die Zeit nach der Refomation. Der Einfluß der Niederländer machte sich im Wirtschaftsleben Hamburgs geltend. Nicht nur die Stadt, auch das Landgebiet trieb einen Aufwand und eine Verschwendung, die über den normalen Rahmen weit hinausging.
Es gab in jenen Zeiten noch keine ausgebildeten Bauerntrachten. Man kleidete sich wie die Städter in den mittleren und unteren Schichten und suchte es ihnen auch im Luxus der Kleidung gleichzutun. Selbst von den Vierlanden wird erst um 1750 von einer besonderen Tracht der Landleute berichtet.2)
Im allgemeinen bevorzugte der Bauer an der Niederelbe die rote und blaue Farbe. Rot war sein Futterhemd (Jacke) und blau das bis auf den Knöchel gehende Beinkleid. Die Füße staken in Schuhen, und der Kopf wurde durch den Hut mit schmaler Krempe vor dem Sonnenbrand geschützt. Zum Überspringen der vielen Gräben trug er in der Hand den langen Klüwenstock.
Die Frauen waren mit einer enganliegenden, jackenartigen Bluse, die über die Hüften ging, und einen langen Rock, der selbst die Füße bedeckte, bekleidet. Um die Schultern lag ein schlichter oder krauser Kragen und über dem Haar die niedrige, die Augen etwas überschattende Frauenhaube.
Diese an sich einfache Kleidung war aber nun mit Samt und seidenem Stickwerk, mit Borten und Fransen derartig überladen worden, daß der Landherr mit seiner Verordnung eingriff. Hinfort sollte der Höfner nur englisches Tuch, nicht höher als 3 Mark Lübsch, der Kätner nicht höher als 2 Mark Lübsch im Preise tragen. Ebenso wurde die teure Cochenillefarbe, ein leuchtendes Scharlachrot, zu tragen verboten. Der Schmuck der Fransen an der Kleidung sollte allein den Landvögten vorbehalten bleiben.
Auch die Frauen der Vögte wurde ein Vorrecht in der Kleidung eingeräumt. Sie allein durften ihre Kragen aus Dammast und Seide anfertigen lassen und mit Sammet besetzen. Allen anderen wurde der Kragen aus Kamelott, einem Gewebe aus Kamelhaaaren, vorgeschrieben, jedoch ohne allen Besatz.
Den Dienstmädchen wurde überdies der "kruse kragen mit wulken" verboten. Auch sollten sie hinfort keinen Sammetbesatz tragen.
Daß dies Hineinmischen der Obrigkeit in Kleiderfragen von großem Erfolg gewesen ist, wird man kaum behaupten können. Männer und Frauen wetteiferten in Putz- und Prunksucht. Man suchte die Sädter nachzuahmen; und hier, in der Enge des Dorfes, mußten Mißgunst und törichter Neid in Bekleidungsfragen zu lächerlichem Protzentum führen. Die Wämser, Hüllen, Leibstücke und Mäntel waren aus Atlas, Sammet und Seide gefertigt und mit Stickereien und goldenem und silbernem Tand beladen.
Das Mandat vom 7. Mai 1648 für das hamburgische Landgebiet "wider die Entheiligung des Sonntags, wider Fluchen und Spielen, Begräbnismahlzeiten und Kleiderluxus"3) versuchte daher, in diesen Dingen Wandel zu schaffen:

"Die Kleidung betreffent wirdt hiermit allen Mans- und Weibspersonen gentzlich untersagt und verbotten, daß sie an ihren Kleidungen ... und sonsten insgeheim keinerley gwirkt, gediegen oder mit Seiden vermischt Gold und Silber, auch kein seiden Knüppels4) oder Posament5)auf Knüppels Art gemacht, tragen oder gebrauchen, sondern als goldt und silbern gezeug, gülden Ringe an den Schleyern, silbern Beschlag an Riemen und Gürteln, silberne Knöpffe, Schnürketten, Malljen,6) Kluncker oder wie es sonsten Nahmen haben mag, gentzlich abzulegen, auch beide, Mans- oder Weibspersonen zu ihren Kleidern, Schürzen, Pillsen, Platen, Futterhembden, Leibstücken, Aufschlägen undt sonsten insgemein keinerley seiden Gezeug, auch nicht Seiden auf Saye,7) die Männers auch durchaus kein Knüppels an ihren Kragen, Schnuptüchern und Hembderen tragen oder gebrauchen sollen.
Doch ist den Weibspersonen zu ihren Hüllen schwartz Caffar8) und seiden Grobgrün, und darzue wie auch zu ihren Mäntelen einige meßige schwarze Seidenschnur, aber nicht mit Atlasch9) unterlegt, den Männern aber zu ihren Kleidern und Futterhembden nur eine eintzige Seidenschnur und mäßige Seidenbänder erlaubt."

Es war nichts ungewöhnliches, daß ein Knecht für sein Futterhemd und seine Handschuhe mehr ausgab, als er im ganzen Jahr Jahr verdienen konnte.10) -
Die Frauen hüllten sich während des 16. und 17. Jahrhunderts bei schlechten Wetter in die "Hoike", ein mantelartiges Kleidungsstück, das den Körper vollständig einschloß, oft so sehr, daß der Prediger beim Abendmahl die Person nicht erkennen konnte. Die "Hoike" wurde in unserer Gegend durch das aus Oberdeutschland stammende Regentuch abgelöst, bis um 1850 der aus Fischbein oder spanischem Rohr und blauem Stoff hergestellte Regenschirm - er war mehr ein riesiges Regendach - sich einbürgerte.
Von einer speziellen Moorburger Tracht, die nur den Bewohnern unserer Landschaft eigentümlich gewesen wäre, kann wohl nicht die Rede sein. Man unterschied sich in nichts von den anderen ländlichen Gemeinden, den Altenwärdern, Lauenbruchern, Wilhelmsburgern usw.
Ein Bild von Mariken Timmermann,11) der letzten Moorburgerin, die in "Tracht" ging, zeigt ein auf Taille anliegendes Wams aud Taft mit Sammetbesatz, die sogenannte Knepjack. Die Ärmel, unten mit Perlstickereien besetzt, sind am Oberarm mit Puffen aus Sammet, den "Öwerfallers", geziert. Um den Hals liegt eine Spitzenrüsche. Der lange aus dickem Wollstoff gefertigte Rock bedeckt fast noch die Fußspitzen. Man nannte ihn "de kruse Schört". Die Falten, von denen er eine stattliche Anzahl besitzt, wurden mit Zwirn eingeheftet und dann ausgeplättet.
Nicht ganz so lang ist die Schürze, der "Schortenplaten", der zum Schutz des Rockes getragen wurde. Eine Unzahl von Platen gehörten zur Aussteuer einer jeden Bauern- oder Kätnertochter.12)
Auf dem Kopf sitzt die kleidsame Haube, die von den Bändern, die unter dem linken Ohr zur Schleife gebunden sind, gehalten wird. Solche Hauben in Gold, Silber oder schwarzem Seidenrips werden noch heute in einigen Moorburger Familien aufbewahrt. Der Name Haube war nie gebräuchlich; man nannte sie Mützen. Bei festlichen Gelegenheiten, Hochzeiten, Taufen usw. trug man die goldenen oder silbernen, zum Abendmahl die schwarzen Hauben, die "Akkermanden".13) Zur Konfirmation bekamen die Mädchen "de Wittsidene", die sie bis zur Verlobung trugen. Dann erst hatten sie das Recht, sich mit der goldenen oder silbernen "Mütz" zu schmücken. Ursprünglich trugen Höfnerfrauen die goldene, Kätnerfrauen die silberne Haube. Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts hörte die Unterscheidung auf. - Die schwarzen Alltagshauben, die auf der Fahrt nach Hamburg getragen wurden, besaßen eingenähte, bunte Kopfstücke. Alle Mützen waren am äußeren Rande mit einer weißen Spitzenrüsche versehen, dem "witten Strich", der das Gesicht vorteilhaft einrahmte.
Um die Mütze richtig tragen zu können, mußte erst der "Pudel" frisiert werden. Es war eine Scheitelfrisur, bei der die Haare über die Ohren gekämmt wurden. Diese "Ohrenklappen" gaben die schöne Linie für die Mütze. Der "Dutt" oder "Pudel", das Geflecht des Zopfes lag sichtbar unter der Haube. Im 18. Jahrhundert waren diese Mützen noch mit der Hand mühsam ausgestickt und genäht. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Gold- und Silberstreifen vom Hamburger Juden - der letzte war Markussen, der die Kinder durch reichliche Gaben an Puppenkleiderflicken zu Freunden hatte - gekauft und von eingesessenen Frauen hergestellt. Nachdem die Form der Kappe aus dünner Pappe angefertigt war, wurde sie mit Köper oder Barchent ausgefüttert und dann an der Außenseite die Borte aufgenäht. Für 12 bis 15 Mark Kur. erstand man eine goldene, für 9 Mark eine silberne, für 5 Mark eine schwarze Festhaube (1860).
Bis 1850 war die "Tracht" für die Frauen noch ganz allgemein. Vom 17. November des genannten Jahres berichtet der Pastor Perthes der Gemeinde, daß die Tochter des Bäckers Bauer zum erstenmal ohne Mütze am Altar erschien. Sie war einige Monate in Hamburg gewesen, um das Kochen zu lernen, und ging seitdem in städtischer Kleidung. Auch auf der Hochzeit des Peter Flügge am 23. April 1856 erschien sie ohne die Haube und erregte natürlich großes Aufsehen.
Unter der "Schört" trug man einen dicken, blaufarbenen Unterrock aus "Berg op Zoom". Die Strümpfe waren schwarz oder lavendelblau. Zur Festkleidung gehörten Schuhe mit einem "Topp" einer Art Rosette.
Gegen die Unbilden der Witterung hüllten die Frauen sich in den "Schörtenmantel", der ärmellos war und oben noch wieder einem weiten Kragen besaß, der die Arme bedeckte. Der Alltagsmantel war aus Beiderwand; der Festmantel, aus schwarzem "Lakensdok", mit "Frangschen" verziert und Sammet besetzt, war gewöhnlich ein Prunkstück und würde häufig der jungen Braut vom Verlobten verehrt.
An Schmuck hatten die Frauen mit Vorliebe Granatketten und -armspangen. Außer dem Seidentüchlein diente eine goldene Brosche als Zier der "Knepjack".





Moorburger Deern mit Mütz



Mariken Timmermann



N. Nehus als "Liekenbidder"



Die Fregen (Photo Ebentheuer)


Im Sommer trugen die Frauen und Mädchen über der Haube den Breitrandigen, aus Stroh geflochtenen Hut, der wegen seiner Form, die an einen Pilz gemahnte, kurz "Schamperjong" (Champignon) genant wurde.
Von den Männern wird aus der Zeit des letzten Jahrhunderts nur von den Moorburger Milchleuten14) berichtet, daß sie sich anders kleideten als die Städter; doch unterschieden sie sich nicht von den Wilhelmsburgern und Altenwerdern, so daß auch hier von keiner speziell Moorburger Tracht geredet werden kann. Die Milchhöker trugen eine kurze Jacke, die die bunte Weste sehen ließ, kurze Hosen, graue oder braune derbe Strümpfen und Schuhe mit silbernen Schnallen. Überhaupt waren alle Kleidungsstücke mit silbernen Knöpfen reich verziert. Die Milchhökerei, so beschwerlich sie war, nährte ihren Mann und führte bei Fleiß und Sparsamkeit, wie auch heute noch zu Wohlstand.15) Um die Beinkleider zu schützen, zog man noch eine weißleinerne Hose darüber, die "Sleu- oder Sludderbüchs", noch heute seine Bezeichnung "Melkmannsbüchs" trägt. Vereinzelt sieht man sie noch jetzt bei älteren Leuten, wenn sie zum Melken gehen. Eine Abbildung von 1847 zeigt den Milchmann bereits in langen Hosen und dem hohen, steifen Hut, wie er noch in der Erinnerung in unserer Gemeinde fortlebt.14) Dieser Zylinder ist bis in die sechziger Jahre getragen worden.
Mit den Trachten ist ein Stück der Eigenart unserer Heimat entschwunden. Hygienische Forderungen und Modenarrheiten haben, den Sieg davongetragen. Sorgen wir dafür, daß die alte Zeit in unseren Herzen ein wenig lebendig bleibt, daß der Mensch unserer Heimat nicht zur Schablone wird.




Die Kopfleiste zeigt die silbernen Knöpfe der Milchmannskleidung.

1) Zeitschrift d. V. f. H. G. Bd. III. St. 521

2) Prof. Dr. E. Finder, Die Vierlande. Hamburg 1922.

3) Mitteilungen d. V. f. H. G. 1890; 13. Jahrgang S. 62.

4) Knüppels = filetartige Netzstickereien.

5) Borte.

6) kleine Ringe, Haken oder Spangen.

7) Art Satin.

8) Sammtgewebe.

9) Atlas.

10) Prof. Dr. E. Finder, Die Vierlande II. Mandat von 1603.

11) Wird im Moorburger Fährhaus aufbewahrt.

12) Vergl. auch Prof. Dr. Finder, Die Vierlande, II. Teil, St. 158.

13) Sie sind äußerst selten geworden, da man sie den Toten mit ins Grab gab.

14) Vergl. Abbildungen St. 132 und 134. Entnommen Suhr, Der Ausruf in Hamburg und Hamburger Trachten. 1808.

15) Vergl. das Kapitel "Ämter und Berufe".








Verlöbnis und Hochzeit

Magst mi lieden?
Kannst mi kriegen!
Wullt mi hebben?
Kannst man seggen!


Es ist etwas Natürliches, Selbstverständliches um das Lieben und Heiraten in unserer Marsch. Jungen und Mädel wachsen gemeinschaftlich auf und finden sich beim Spiel, in der Schule und auch später bei der Landwirtschaftlichen Arbeit zusammen. Im Winter huldigt die Jugend an den Sonn- und Festtagen dem Tanz und zieht gemeinsam nach Haus.
Sie kennen sich daher mit ihren Fehlern und Vorzügen von klein auf, und jeder weiß genau, was er von dem anderen halten hat.
Der Kastengeist ist nie so eng gewesen, dass ein Höfner nicht auch eine Kätnerstochter, ein Milchmann nicht auch mal eine Höfnerstochter geheiratet hätte. Nur eins war ungeschriebenes Gesetz, das selten durchbrochen wurde: man heiratete im Lande, oft sogar wieder in der Verwandtschaft. Vielleicht ist dadurch das verhältnismäßig häufige Vorkommen von Psychpaten in unseren alteingesessenen Familien zu erklären. Die Verpflichtung den Abzugszehnten1) von der Mitgift zu zahlen, mag das Heiraten nach Auswärts stark unterbunden haben.
Hatten sich zwei verlobt, galten sie so gut wie vermählt, wenn das Eheversprechen mit Wissen und Einwilligung der Eltern gegeben war. Dass schon das Verlöbnis wirklich rechtlichen Charakter hatte, zeigen die häufigen Klagen vor dem "Stratenricht thor Mohrborch", wenn der Bräutigam sich weigerte, seine ihm anverlobte Braut zu heiraten. Selbst im 18. Jahrhundert war die Lösung eines Verlöbnisses nur gegen Zahlung eines Reugeldes möglich.
So ist es erklärlich, dass es noch im vergangenen Jahrhundert als fast selbstverständlich galt, wenn der Verlobte gegen seine Braut eheliche Ansprüche geltend machte. "wi keupt keen Katt im Sack!" hieß es wohl entschuldigend.
Der Landherr Amsinck urteilt über diese Zustände 1801: Es geht im Lande sehr frei zu, und wenn die Folgen kommen, so wird die Heirat beschleunigt. Durch letzteres zeichnet sich diese Lebensart vor der Stadt aus. Bei dem Mangel an Tagelöhnern und bei der Ausbreitung des Gewerbes mit Grünwaren kommen die Leute auch noch ziemlich leicht unter Haube und Dach.2) -
Die Kirche hat von jeher gegen diesen Standpunkt geeifert. War eine Braut vor der Hochzeit schwanger, belegte sie der Landherr als Kirchenpatron mit einer Unzuchtstrafe von 5 Talern. Dieselbe Summe musste der Bräutigam zahlen. Auch wenn es durch die zu frühe Geburt eines Kindes sich zeigte, dass die Brautleute sich vor der Geburt "to nah kamen wören", und die Braut sich beim Pastor noch als Jungfer ausgegeben hatte, war die Strafe zu entrichten. Einem Mädchen, das nicht mehr als solche aufgeboten worden war, wurde von der Kirche der Kranz verweigert. Der Pastor nahm auch nicht an ihrem Hochzeitsmahl teil.
Als Brautgeschenk erhält der Bräutigam heute gewöhnlich eine goldene Uhr mit Kette, die Braut einen Schmuck, eine Halskette oder ein goldenes Armband, zur Hochzeit außerdem das Brautkleid. In früheren Jahren schenkte der Bräutigam wohl auch die goldene oder silberne "Mütz".
Bis zum Jahre 1868 war der zukünftige Ehemann verpflichtet, vor der Hochzeit das Landbürgerrecht3) zu erwerben. Die Gebühr, die dafür erlegt werden musste, betrug für Höfner 9, für Kätner 5 und für Einwohner 4 Mark Kur. - Nun konnten sich die Brautleute beim Pastor zum Aufgebot melden. Es erfolgte acht Tage vor der Hochzeitsfeier und am Hochzeitstag selber. Die den Hochzeitern zustehenden Ehrentitel bei Aufgeboten waren nach Rang und Stand verschieden. Für den Vogt, die Juraten und Deichgeschworenen lauteten sie etwa: "ehrbarer und ehrenwohlgeachteter", für deren Frauen und Töchter: "viel ehr- und tugendsame", für Höfner und Höfnersöhne: "ehrbarer und wohlgeachteter", für deren Frauen und Töchter: "ehr- und tugendsame", für Kätner: "ehr- und achtbarer", für Heuerlinge4) nebst deren Söhnen: "ehrbarer", für deren Frauen und Töchter: "ehrsame".5)
Das Aufgebot von der Kanzel hatte beispielsweise folgenden Wortlaut: "Folgende Personen sind gesonnen, in den Stand der heiligen Ehe zu treten, empfehlen sich Eurer Fürbitte und werden hierdurch verordnungsmäßig auf- und abgeboten: nämlich der wohlehr- und achtbare Bräutigam, der Jungeselle und Höfner Claus Harms, Sohn des hiesigen Höfners Johannes Harms und dessen Ehefrau … mit seiner vielehr- und tugendsamen Braut, der Jungfrau Magdalena Meyer, Tochter des Höfners usw. Wer bei dieser Ehe etwas einzuwenden hat, der melde sich beizeiten und schweige hernach."
Der "Kössenbitter", wie einst, umdrängt von den Kindern, von Hof zu Hof zog, um die Gäste zur Hochzeit zu laden, ist nur noch in der Erinnerung alter Leute lebendig. Er brachte mit wenigen Worten seine Einladung vor und wies mit einigen scherzhaften Worten auf die Genüsse hin, die zu erwarten waren. Auch dass dies in gereimter Form geschehen sein soll wird noch erzählt; ihr Wortlaut ist leider verlorengegangen. Prof. Dr. Finder bringt in seinem Buch über Vierlanden solche "Kößbittersprüche". Einer davon lautet:

"Hier komm ich her, bin ausgesandt,
Mein Name ist euch wohlbekannt,
Ich soll euch freundlichst grüßen Von dem Bräutigam N.N.
Und der Jungfrau X.Y.
Als Bote bin ich ausgesandt,
Bitt' zu der Hochzeit wie bekannt
Und bitt' in Gastgebers Namen
Zur Hochzeit hinzukommen.
Wenn Ihr ihnen nun die Ehr' erzeigt,
So werden sie stets sein geneigt
Auf's beste zu spendieren
Suppe, Braten und auch Reis,
Butterbrot mit Käs' und Fleisch,
Das soll die Tafel zieren.
Dazu kommt noch der edle Wein,
Man trinket frisch, schenket wieder ein,
Der Wein soll stromweis' fließen.
So lebt man recht in Lust und Pracht
Den Tag hindurch und auch die Nacht,
Die Hochzeit zu bekrönen.
Ich schließe nun die Rede mein
Und denke, sie ist vernommen
Und hoff', Ihr werdet so gütig sein,
Zur Hochzeit hinzukommen.
Am Sonntag ist das große Fest,
Vergeßt es nicht, ich bitte,
Daß ihr als sehr willkomm'ne Gäst
Erscheint in uns'rer Mitte."
"Gooden Dag ok!"

In ähnlicher Form werden sie auch in Moorburg gewesen sein. - Nachdem der "Kössenbitter" sein Sprüchlein aufgesagt hatte, wurde er zum Sitzen genötigt und erhielt seinen "Köm" oder sein Glas Grog. Es ist erklärlich, daß er bei den letzten einzuladenden Gästen nicht mehr ganz sicher auf den Beinen stand.
Heute werden die Einladungen bereits durch die Post versandt; selten, daß der Gemeindebote Nehus sie auf gedruckten Karten austrägt.
Am Polterabend wurde bereits am Nachmittag die "Infuhr" gehalten, d. h. die Aussteuer der jungen Frau in ihr neues Heim gebracht. Hoch oben auf dem ersten, hochbepackten Leiterwagen saß die Musik; dahinter folgten bekränzt das Brautpferd und die Brautkuh. Bei reichen Mitgiften waren es auch zwei Pferde und Kühe, die von den Knechten geführt wurden. Ein gutes Trinkgeld war ihnen sicher. -
Mit Wäsche und selbstgesponnenen Leinen war jede Frau reichlich ausgestattet; oft reichte der Vorrat für die ganze Ehe, und Töchter, die heirateten, bekamen noch ungebrauchte Stücke aus der mütterlichen Aussteuer. Der Hausrat dagegen beschränkte sich auf das Notwendigste: zwei Betten (Bettstellen kannte man ja noch nicht; man schlief in den Butzen), eine Lade, ein Schrank von riesigen Ausmaßen, eine Schatulle, einige Stühle und etwas Küchengerät. Das Spinnrad der jungen Frau durfte natürlich nicht vergessen werden. War es doch noch die Zeit der Spinnabende, wo die Magd "Unsen Weert", den Bauern, bat, in der Dämmerung zum Spinnen gehen zu dürfen. Man brauchte auch nicht so viel Möbel wie heute. Die junge Frau kam in das Elternhaus ihres Mannes, wo sie gewöhnlich ohne eigene Hausfrauenrechte unter Leitung der Schwiegermutter mitwirtschaften sollte, bis die Eltern aufs Altenteil gingen. Heiratete der Bräutigam ein, bekam die Braut ohne weiteres den Hausstand ihrer Eltern. Die Schränke, Truhen und Laden, die "Schapps" und Schatullen, die Uhren, Tassen und Krüge blieben; die Menschen wechselten. Nur so konnten die Schätze mittelalterlicher Handwerkskunst bis auf unsere Tage erhalten bleiben.6) -
Lieber sah man schon, wenn die Braut einen recht gefüllten Beutel mit Dukaten und harten Talern in die Ehe brachten.
Der Polterabend wird heute meistens zwei Tage vor der Hochzeit gefeiert; dann bleibt ein Tag zum Ausruhen. Es kommen außer den Verwandten vor allem "de jungen Gäst", die jungen Leute aus der Freundschaft. Die Kinder stellen sich in großen Scharen ein, um das schon lange vorher gesammelte schadhafte Geschirr hier vollends zu zertrümmern. Sie singen dabei das alte Kinderlied:

"Abends wenn der Mond scheint
Zum Städtelein hinaus,
Erscheint jeden Abend vor N. seinem Haus.
Sie hat sich ja verliebet in X. seine Hand.
Und X. steht am Fenster und N. schaut heraus.
Da oben auf dem Berge steht ein Holunderbusch;
Da gaben sich die beiden den ersten Liebeskuß."

Als Belohnung bekommen sie dann von der Braut ein großes Stück Butterkuchen, der eigens für sie gebacken worden ist. In früherer Zeit besorgten Knechte und Mägde das Poltern. Auf der Diele wurden sie dann von Braut und Bräutigam mit Kuchen, süßem Wein und Grog traktiert. Man sah sie solange sie sich nur halbwegs anständig benahmen, nicht ungern, denn "Schörn bringt Glück". -
Der Hochzeitstag war für das Elternhaus der BRaut ein Tag der Arbeit und Freude. Schon die Tage vorher war gebraten, gekocht und gebacken worden. Ein Ochse oder mehrere Kälber und ein Teil des Hühnervolkes hatten das Leben lassen müssen. Von Hamburg waren einige Tonnen Bier mit den Milchewern herübergekommen. Das Weintrinken kam erst in der Mitte des vorherigen Jahrhunderts auf. - Auf der Diele standen lange aus aufgelegten Brettern gebildete Tische, die mit weißen Linnen gedeckt waren.
Gegen Mittag ging es unter lautem Jubel in die Kirche, die Musik voran. Wagen reihte sich an Wagen; zuerst das Brautpaar mit dem Schemelführer und den Brautjungfern, dann die Eltern und zuletzt der lange Zug der Gäste. 150 bis 200 Personen waren keine Seltenheit. Wo man vorbeikam, schossen die jungen Burschen aus Pistolen. Wohnte man nahe bei der Kirche, ging es wohl auch zu Fuß. Der Küster war von der Braut gebeten worden, das Brauthaus aufzuschließen. Sonst konnte es wohl geschehen, daß der Hochzeitstag vor verschlossene Türen kam.7) Ein wenig Regen in den Kranz bedeutet noch heute Glück und Reichtum in der Ehe.
Um das Jahr 1800 fanden die Trauungen nach dem Bericht des Pastors Cropp im Pfarrhause statt; Perthes schreibt 1858, daß er in zwanzig Jahren nur eine Trauung in der Kirche vorgenommen hätte. Gewöhnlich waren sie zu seiner Zeit im Elternhaus der Braut. Heute sind Trauungen im Pastorat ganz abgekommen; sie finden fast ohne Ausnahme in der Kirche statt.
Schon mit Ausgang des 19. Jahrhunderts war es üblich, die geladenen Gäste erst zur kirchlichen Trauung mit Droschken und Kutschen abzuholen. Die Knechte erhielten ein gutes Trinkgeld. Jeder wollte natürlich so viel wie möglich Fahrten machen, und so jagten sie, was die Pferde nur hergeben konnten, auf den Deichen entlang, daß es nicht immer ganz ungefährlich war, sich ihnen anzuvertrauen. Das Brautpaar kam zuletzt und verließ als erstes die Kirche.
Die Braut trug den von der "Pastorschen" ausgeliehenen Kranz. Der teuerste, also der, für den die höchste Gebühr zu zahlen war, war aus lebenden Myrten geflochten, die die Frau Pastor in mehreren Blumentöpfen selber zog, und mit künstlichen Rosen verziert. Der zweite und dritte bestand aus künstlichen Blumen, nur daß der letztere "ordinärer" aussah.
Ähnlich war es mit den dazu gehörigen Brautsträußen. Im Winter gab es statt der Blumen Myrtenzweige.
Selbst die Ringe wurden im Pastorat geliehen. Einen Verlobungsring trug man nicht. Den Ehering benötigte man nur für die heilige Handlung. Selten, daß reiche Höfner sich eigene Ringe anschaffte; getragen wurden sie trotzdem nur bei besonderen, festlichen Gelegenheiten. - Die gegen Gebühr zu entleihenden Ringe werden noch heute im Pastorat aufbewahrt. Sie sind in allen Größen vorhanden, vollkommen schmucklos und scheinbar aus Messing verfertigt.
Wurde die Braut erst im Brauthaus geschmückt, erhielt sie auch auf Wunsch Kämme und Locken.
Die Gebühr für den gesamten aus dem Pastorat bezogenen Hochzeitsschmuck betrug je nach den Ansprüchen 12, 8 oder 6 Mark Kur.8)
Nachdem alles im Pastorat vollzählig versammelt war, trat der Prediger herein und beglückwünschte das Brautpaar. Der Küster stimmte den Gesang an. Beim zweiten Vers erhob sich der Bräutigam nach ihm alle männlichen Teilnehmer, um zu "opfern"; danach kam die Braut mit allen weiblichen Hochzeitsgästen. Sie schritten zu diesem Zweck vor dem Pastor an dem kleinen Opfertisch entlang, der für diesen Teil der Handlung besonders hingestellt worden war. Jeder war verpflichtet, eine Geldsumme, die sich zwischen einer und fünf Mark Kur. bewegte, hier niederzulegen. Während der Trauung blieb das Geld auf dem Tisch liegen.9)
Nachdem die Kopulation vollendet war, wurde das Hochzeitspaar von dem Schemelführer an den Brautschemel geführt, auf dem es während des Vaterunsers niederkniete und unter Handauflegen des Geistlichen den Segen erhielt. Eine besondere Ehre war es vom Landvogt oder gar von dem Landherrn "vor den Schemel geführt" zu werden.10)
Ein weißes Brautkleid hat sich erst seit den Siebenziger Jahren eingebürgert; bis dahin ging die Braut in schwarzer Seide. Den Ring trug sie wohl in einer eingenähter Tasche unter dem Rock, so daß es äußerst komisch wirkte, wenn sie ihn beim Ringewechsel hervorholte; der Bräutigam kramte ihn zwischen allen möglichen Utensilien aus seiner Hosentasche hervor. Man hütete sich, ihn bei dieser Gelegenheit fallen zu lassen. Das bedeutete baldigen Tod.
Beim Ineinanderlegen der Hände versuchte jeder, den Handrücken nach oben zu bekommen, um später in der Ehe "dat Seggen" zu haben. Die Volksmeinung behauptet zwar auch in Moorburg, daß "Mannshand baben!" sein müsse; aber nicht jede Frau erklärt sich damit einverstanden. Bei Trauungen in der Kirche war es ein übles Vorzeichen für die zukünftige Ehe, wenn ein Altarlicht stark flackerte oder gar erlosch. -
War die Trauung im Hause, gingen Pastor und Küster, der Chorrock und Kragen tragen mußte, bis zum Nachbarhaus, wo der Geistliche seinen Ornat anlegte. Die Tür zum Deich war mit Tannengrün umkränzt; desgleichen zogen sich durch die Diele Eichen- und Tannengirlanden, ein Brauch der heute noch geübt wird. An der Tür stand das Brautpaar, um Pastor und Küster zu empfangen und hineinzugeleiten. Der Pastor erhielt seinen Platz auf einem Stuhl hinter dem Opfertisch mit dem Blick gegen die Tür; das Brautpaar mußte ihr während der Trauung den Rücken zudrehen; so verlangte es das "Dekorum".11) Im anderen Falle, behauptete man, würde das junge Paar bald wieder voneinanderlaufen.
Auch bei der Haustrauung wurde in derselben Weise geopfert. Erst zu Perthes' Amtszeit wurde es dahin geändert, daß man am Schluß der Trauung das Opfergeld für den Pastor auf den Tisch legte, wenn sich dieser in ein Nebenzimmer begeben hatte. Der Brautvater händigte ihm die ganze Summe aus.
Zur Tafel hatte sichjeder Gast Messer, Gabel und Löffel mitzubringen; die Frauen erschienen außerdem mit einem Mundtuch, das sie sich über ihre Mieder steckten. Bis 1750 waren auch Messer und Gabel noch unbekannt; man griff getrost mit den Fingern in die Schüsseln und fischte sich die besten Stücke heraus. Das einzige Gerät zum Essen war der Löffel aus Holz, der in jedem Hause gut abgeleckt über dem Küchentisch hing. Wenn junge Leute um 1870 zur Hochzeit gingen erhielten sie wohl die Mahnung mit ja auf ihren silbernen Löffel zu achten und ihn gleich gleich nach dem Essen wegzustecken, damit er nicht gegen einen schlechteren aus Zinn vertauscht würde.
Bis 1850 speiste man noch von hölzernen oder zinnernen Tellern. Heute wird das ganze Geschirr zur Hochzeitstafel von einem der Wirte ausgeliehen, wenn man es nicht vorzieht, die Hochzeit überhaupt in einem Lokal zu feiern, wie es jetzt meistens geschieht.
Das Brautpaar saß am oberen Ende der Tafel an einem besonderen Brauttisch, an dem links und rechts Schemelführer und "Brutsitters" (Brautjungfern) Platz genommen hatten.
Der Bräutigam hatte seinen Platz an der Seite, wo die Pferde standen, die Braut an der anderen, wo die Kühe aufgestellt waren. Links und rechts von den BRautjungfern und Schemelführern saßen die Eltern; daran schlossen sich die übrigen Gäste.
Einst ging es bei diesen Hochzeitsessen hoch her, so daß die Obrigkeit widerholt einschreiten mußte. So schrieb sie in ihrer Verordnung für Bill- und Ochsenwärder12) und den dazugehörenden Landen vom 21. Februar 1585 wie die "kösten schölen geholden" werden, genau die Zahl der Personen und Schüsseln vor.

Eines erbaren rades underdanen und höfner, so buten Hamborg im Bill- und Ochsenwerder, ok den thogehörigen landen, welke hernamals up dem lande brudtlacht oder bilager holden werden, schölen macht hebben, 24 schottelen (Schüsseln) tho spisen, up ener jeden schotteln 2 Personen geordnet, ok nicht mehr alse 3 gerichte. - Und scholen hernamals nicht mehr alse enen dag kost holden, ok den avend (Abend) nene (keine) anrichtung dohn und schölen so vele Hamborger beer, alse se tho der behoff (für diesen Fall) nödig schenken, und averst dabeneven kenesweges jennig ander frembd beer tho gebrukende macht hebben. Wo den ok hiermede (hiermit) alle gifft und gave groot und kleen up den kosten gantz und gar schölen upgehaven und verbaden syn. --
De kötener oder de sunst van dem gesinde kost holden, scholen nicht mehr alse 8 schottelen, je schottel up 2 personen geordnet, upthosetten, ok nicht ander alse Hamborger beer tho schenken und averst darnevenst keneswegs jennig ander frembd beer tho gebrukende macht hebben. --13)

Nach einer Polizeiverordnung von 1621 wird die Zahl der einzuladenden Personen auf 60 beschränkt. Ebenso wird bestimmt, daß nur drei bis vier Tonnen Bier getrunken werden dürfen.
Um 1850 sprach der Pastor oder Küster zu Beginn der Tafel das Gebet; dann füllte der Geistliche die Suppe mit den "Balken" oder "Klüten" ein. Auch den Braten hatte er vorzulegen.14) Nach der Anzahl und Güte der Fleischklöße wurde oft das ganze Mahl beurteilt.
Die Speisenfolge ist noch heute genau festgelegt. Selten wird davon abgewichen. Nach der Suppe kommt der Braten aus Ochsen- oder Kalbfleisch. Bei größeren Hochzeiten wird ein Gang mit Hühnerragout eingeschoben. Es folgen Pudding, Torte, Butterbrot und Käse. Der Pudding ist erst im 19. Jahrhundert an Stelle der Reisspeise getreten. Der dick in Milch gekochte und mit viel Zucker und Zimt bestreute Reis war stets ein erwünschter Gaumenkitzel und besonders von der Jugend hoch geschätzt. -
Während des Mahles machen noch heute wie in alter Zeit Braut und Bräutigam ihren Umgang um die Tafel, um mit jedem Gast anzustoßen und ein paar freundliche Worte zu wechseln.
Früher ging nach dem Braten ein Teller herum, um für Musikanten, Köchin, Bierschenker und Aufwartefrauen zu sammeln. Von all dem hat sich nur die Gabe "de Armen to gedenken", erhalten. Das Geld - der Bräutigam gab gewöhnlich als erster einen Taler, die übrigen Gäste 1 bis 2 Mark Kur. - wurde entweder von den Brautleuten selber ausgeteilt oder der kirchlichen Armenkasse überwiesen. Für die übrigen Sammlungen gab man 2 oder 3 Groschen.
Geredet wurde während des Essens wenig; man hatte vollauf mit dem Essen und Trinken zu tun. Heute reiht sich eine Festrede an die andere, und mancher kommt dabei mit dem Essen zu kurz.
War das Mahl vorüber, wurden den Männern Kalkpfeifen gereicht; der Tabak stand in Kästen zum freien Gebrauch auf den Tischen. In gewissen Abständen brannten Lichter und lagen Fidebusse zur allgemeinen Benutzung. Bald lag die ganze Diele unter einem blaugrauen Schleiher. Die Braut zog in der Zeit ein neues Kleid an; sie wechselte ihren Anzug an diesem Tage wohl drei- oder viermal; auch die meisten der übrigen Frauen kleideten sich um. -
Jetzt kam der Tanz zu seinem Recht. Die Lehmdiele war zu diesem Zwecke frisch geteert; der Teerstaub schwärzte zwar gesicht und Hände; aber das tat der allgemeinen Fröhlichkeit keinen Abbruch. Wurde es dunkel, gaben Krüsel, Laternen und in Flaschen gesteckte Talglichter genügend Helligkeit. Man tanzte Polka, Redowa, Schottisch, Hopskontra, Sünnros' und wenn längst die Jacken ausgezogen waren und die Lustigkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, den "Melkmannsdannz" und den "Piependanz", eine Art Walzer zwischen kreuzweise gelegten Kalkpfeifen, der eine gewisse Gewandtheit und Behendigkeit voraussetzte.
Der erste Tanz war ein Ehrentanz für das junge Paar; dann kamen Braut- und Bräutigamsvater, dann die Brüder usw.; mit ihnen allen mußte die Braut tanzen. Ähnlich erging es dem Bräutigam. Um 12 Uhr wurde der Schleier der Braut zerissen, und jedes der jungen Mädchen sah zu, das größte Stück zu erwischen.
Wenn morgens gegen fünf Uhr die Musik voran, Verwandte und Freunde das junge Paar vom Lokal, in dem die Hochzeit gefeiert war, zur Brautkammer geleiteten, war es meistens froh, den Tag hinter sich zu haben. Oft konnte es aber noch manche Überraschung erleben, wenn es das Brautbett nicht einer eingehenden Untersuchung unterzog. Die Scherze, die man sich mit dem jungen Paar erlaubte, waren von einer erfrischenden Derbheit.
Das Brautbett war natürlich mit besonderer Sorgfalt hergerichtet. Vor allem mit der Auszier der Kissenbühren wurde ein großer Aufwand getrieben. In schwarzer Seidenstickerei zeigten sie Blattgewinde, Menschen und Tiere.
Die meisten unserer Hochzeiten sind auch heute noch "Gabenhochzeiten". Sie ermöglichen es selbst "kleinen" Leuten, eine größere Hochzeit zu feiern, da die Unkosten aus den "Gaben" gedeckt werden, häufig sogar noch ein kleiner Überschuß bleibt. Kurz vor Schluß, wenn die Gäste sich entfernen, empfängt der Brautvater oder der Bräutigam die in ein Papier gewickelte oder in einem Briefumschlag verschlossene "Gaw". Sie betrug in Vorkriegszeiten für "de lütte Hochtied" 11 Mark, für "de grote" 18 Mark. Heute wird gewöhnlich für das Paar 30 Mark gezahlt.
Hat die junge Frau rechtlich auch den Namen ihres Mannes erhalten, so fällt es doch keinem Menschen ein, wenn er von ihr spricht, sie mit diesem zu nennen. Der gilt nur "för de Butenlanner"; jeder Einheimnische nennt sie nach wie vor mit dem Mädchennamen.





1) Als Hans Gerkens, Höfner und Branntweinbrenner, seine zweite Tochter Anna Maria an Johann Fr. Warchow in Altona verheiratet, zahlt er "den zehnten Pfennig der Aussteuer" auf Bürgereid. Amtsprotokolle 1771. Hamburger Staatsarchiv.

2) Aufzeichnungen. Herausgegeben von Dr. J. F. Voigt, Hambg. 1911.

3) Der Landbürgereid lautete ab 1835: Ich lobe und schwöre zu Gott, dem Allmächtigen, dass ich E. H. Rath und der Stadt Hamburg getreu, hold, gewärtig und gehorsam seyn, ihr Bestes suchen und Schaden abwenden will, so viel ich dazu im Stande seyn werde; dass ich auch keine Unruhe noch Aufstand wider selbige, weder in Worten noch in Werken, anrichten, und wenn ich irgend etwas erfahre, was wider den Rath und die Stadt wäre, ich solches getreulich anzeigen will; auch will ich die mir als Landbürger obliegenden Abgaben getreu und unweigerlich entrichten, und mich in allen Stücken solchergestalt verhalten, wie es einem getreuen und gehorsamen Landbürger geziemet. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort. (dieser Eid des Kätners H. B. Lasch ist unterzeichnet am 18. Mai 1840 vom Landherrn Goßler.) Wer kein Eigentum besaß, leistete den Schutzbürgereid.

4) verhuren, verheuren = verpachten, hier also diejenigen ohne Grundbesitz, die höchstens Pachtland besaßen.

5) Entnommen Prof. Dr. Finder, Die Vierlande II. St. 60.

6) Testementarische Bestimmung über die Aussteuer der Höfnertochter Anna Elisabeth Harmens 1693:
Man aber die Tochter Anna Elisabeth sich im heiligen Ehestandt will begeben, als dan bekömpt sie nicht die Hundertmark zum Ehrenkleidt, - wie ihre Brüder als oben gedacht - sondern anstadt deßen ihrer Sehl. Mutter nachgelassene Kleider und Leinwandt, imgleichen 1 Pferd vor 60 Mark Kur. (sage Sechzig Mark), 1 Kuhe vor 50 MArk Kur.( sage fünfzigmark), wie auch ein Brautbette mit Bunten Bühren, Nebenst Sechs Paar Hauptküßen mit zugehörigen Bühren, Sechs Paar Laken, ein Wullen Decke vor Sechsmark, auch eine vor Dreymark, noch ein Landrellen Tafel Laken, und ein Aufhengel Dweel (Handtuch mit Handrolle) von Sechsmark, auch zwey stühle, und Bier Paar stuhlfüßen, ein Haspel und Spinrath, auch eine Braut Kanne, noch einen Grapen vor fünfmark, eine seide Speck, imgleichen ein freye halbe Hochzeit.
Was aber daß Linnen mitgifft anbelanget, so soll sie daßebenmäßig haben, als an Hembder, Dischlaken, Hand Rullen, wie auch Hauben und Kragen; solches alles sol von ein Jedertheil sein Sechs Paar. Wann nun Wollgedachte Vormünder ihrer Sehl. Mutter nachgelassenes Guht besichtiget, und wen alsdan etwa nicht soviel sein würde, als wie die obgedachte mitgifft, so sol der Vater oder dessen Erbe daß übrige dazu verschaffen.

7) Bruns. Merkwürdige Begebenheiten, so sich während meiner Amtszeit zugetragen haben. St. 86. Hamburger Staatsarchiv.

8) Pastor Perthes, Aufzeichnungen für seine Amtsnachfolger. 1858. Moorburger Pfarrarchiv.

9) Perthes war über diesen Brauch entrüstet und schaffte ihn ab. Er urteilt wörtlich: "Die Sitte war mir aber doch zu arg."

10) Bruns. Merkwürdige Begebenheiten, so sich während meiner Amtszeit zugetragen haben. Hamburger Staatsarchiv.

11) Perthes in seinen Amtsanweisungen 1858. Moorburger Pfarrarchiv. Damit deute das Brautpaar an, "daß es nicht wieder aus dem Hause hinauswolle".

12) Moorburg gehörte zur Landherrenschaft von Bill- und Ochsenwärder.

13) Klefeker X.

14) Perthes' Anweisungen für seinen Amtsnachfolger. 1858. - Wahrscheinlich zur Erinnerung an das Passahmahl Jesu mit seinen Jüngern.








Tod und Begräbnis

Morgen mitkamen to Beerdigung bi Jan Meyer! Halw dree ward anseggt; üm dree is de Paster dor!" Unser alter Nehus steht an der Tür, der Hochzeits- und Leichenbitter der Gemeinde. Unter seinem hohen Zylinderhut schaut ein tiefernstes Gesicht hervor. Sein zugeknöpfter langer Gehrock und die ein wenig vorgebeugte Gestalt, die immer nach Eile und Geschäftigkeit aussieht, sind die äußeren Zeichen seiner Mission, die er heute zu erfüllen hat. Bei schlechten Wetter trägt er außerdem einen großen Regenschirm; bei gutem einen schwarzen Handstock.
Der Vater des alten Nehus formte seine Einladung noch ein wenig anders. Da hieß z.B. "Fritz Heims lät beden, de selige Fro tum Gräffnis to begleiten morgen namedagg Klock twee." Das "Anseggen" geschah und geschieht noch heute bei allen Verwandten und Nachbarn, wobei die Nachbarschaft recht weit gefaßt wird, und es ist jedem eine Selbstverständlichkeit dem Verstorbenen auf seinem letzten Gange das Geleite zu geben. Stirbt ein Vollhöfner, werden alle Höfner zum Folgen gebeten; auch die Milchleuteversäumen es nie, miteinander sämtlich hinterr dem Sarge eines verstorbenen Berufsgenossen herzugehen.
Es ist das Gefühl des Verbundensein in Freud und Leid, das sich heute noch in unserer Gemeinde stark ausprägt; jeder Schicksalsschlag, jedes frohe Ereignis findet seinen Widerhall bei allen.
Die Leiche wurde von jeher auf der "Vördeel", der Wohndiele, aufgebahrt, das Fußende nach der Tür, das Gesicht möglichst nach Osten gewendet. Die Fenster wurden geschlossen und nach der Straße alle Vorhänge zugezogen. Noch heute entfernt man Spiegel und Bilder sowie glänzende Gegenstände oder verdeckt sie zumindest durch Tücher. Früher wurde die Leiche mit einem weißen Leinentuch, dem Totenlaken, das man über einen Stock hängte, verhüllt, daß der Tote wie unter einem Zelte lag. Bis zum Tage der Beerdigung war es Ehrenpflicht der nächsten Nachbarn, bei dem Toten die Nachtwache zu halten.
Nach der Sarglegung, die gewöhnlich einen Tag vor der Beerdigung durch Tischler und Leichenfrau vorgenommen wird, erscheinen heute Verwandte und Freunde des Verstorbenen, um ihn "noch mal to sehn" und ihre Kranzspenden abzugeben. Bei "großen" Leichen wird selbst von entfernteren Nachbarn von diesem Recht des Abschiednehmens reichlich Gebrauch gemacht, vor allem von den Frauen.
Ein Leichenmahl wurde, soweit die ältesten Moorburger zurückerinnern können, nicht gehalten. Es ging - und geht noch heute - bei den Leichenbegräbnissen recht würdig und feierlich zu. Eine Tasse Kaffe und ein Stück Kuchen ist das einzige, was der Verwandtschaft angeboten wird. Bis 1870 reichte man den erschienenen Nachbarn wohl auch Kümmel und Zigarren.
Einst mag das anders gewesen sein, wenn auch für unsere Gemeinde nichts mehr mit Bestimmtheit festzustellen ist. Die Verordnung für Bill- und Ochsenwärder von 1585,1) die gegen allen Überfluß und Luxus in den Landgemeinden eifert, bestimmt auch: "De bygrafftentering (Begräbniszehrung) scholen hernamals so wol by den höveners als den köteners hiemit abgeschaffet und verbaden syn," und 1648 heißt es erneut: "Auch werden die Beygrafft-Mahlzeiten wegen darunter erfindtlichen Mißbrauchs, und daß solche denjenigen, welche ihre Todten begraben laßen, zu unnötiger Beschwerung gereichen, gäntzlich hiermit abgeschafft und verbotten."2)
Um unnötige Kosten zu sparen, mag man im 18. Jahrhundert die Begräbnisse in die Abendstunden gelegt haben. Im 19. Jahrhundert ist dieser Brauch aber vollkommen verschwunden. -
Ein letzter Nachklang alter Zeit war die oft reichhaltige Bewirtung der "Likendräger" mit Getränken, von der heute noch erzählt wird. Bis zum Jahre 1870 war es üblich, die Leichen auf der Schulter nach dem Kirchhof zu tragen. Sämtliche Mitglieder der Sterbekasse waren zu diesem letzten Liebesdienst verpflichtet. Je nach der Entfernung trug man in ein bis drei Abteilungen zu je acht Mann. Die Träger gingen wie die Leidtragenden in schwarzem Anzug und Zylinder.
Eine Leichenpredigt wurde im Hause nur gehalten, wenn die Angehörigen es wünschten. Gewöhnlich war sie des Nachmittags um 2 Uhr. Der Küster holte den Pastor ab, der dann in vollem Ornat ins Sterbehaus ging wo die Angehörigen des Toten im Halbkreis um den Sarg herumsaßen. Während der Küster mit den Kindern den Sterbegesang anstimmte, saß der Prediger unmittelbar vor der Leiche, wo ein Stuhl für ihn hingestellt worden war.
Auf dem Sarge stand eine Schüssel mit Zitronen, von denen sich jeder Träger und auch der Tischler eine nahmen. Vor dem Aufbruch nach dem Friedhof wurde auch dem Geistlichen und dem Küster davon angeboten.3) In der Zitrone sah man das Sinnbild der Auferstehung und Unsterblichkeit. -
Sollte die Leichenpredigt erst in der Kirche gehalten werden, holte der Pastor nur die Toten "von oben" vom Sterbehause ab; alle anderen "von unten" mußten erst "vor den Kirchhof" gebracht werden.4) Hier gesellten sich der Prediger und der Küster mit den Kindern dazu. Nachdem diese ein Lied gesungen hatten, ging der Trauerzug unter Gesang um die Kirche herum. Als besondere Ehre wurde es angesehen, wenn der Pastor statt vor der Leiche neben den nächsten Verwandten einherschritt. Nach den Angehörigen kamen die Männer im schwarzen Anzug mit hohen Hüten; den Schluß machten die Frauen. Bis zur "Karkenstegel" bewegte sich der Leichenzug oben auf der Deichkrone, denn "Brut und Liek geheurt op'n Diek", wie überall in den Elbmarschen.
Sowie der Leichenzug in Sicht kam, begannen die Glocken zu läuten; erst wenn die Träger die Bahre vor dem Kirchhof absetzten und der Gesang der Kinder anhub, verstummten sie. Schon am Tage vorher zwischen 11 und 12 Uhr war in kurzen Abständen dreimal die Totenglocke gezogen worden. - Beim Amen des Pastors am Grabe nach dem Vaterunser schlug die Betglocke dreimal. Erst wenn die drei Hände voll Erde von Verwandten und Freunden dem Toten in das offene Grab nachgworfen waren, setzte erneut Glockengeläut ein. Der Pastor war der erste, der sich von dem Trauergefolge entfernte, um in die Kirche zu gehen.
Beliebt war bei minderbemittelten Mitgliedern der Gemeinde "dat Todrägen" (Zutragen), die Beerdigang am Sonntag, kurz vor dem Gottesdienst, der im Sommer um 9 Uhr, im Winter um 9½ Uhr begann. Der Küster begleitete auch hier die Leiche mit gesang vom Sterbehaus an; der Pastor aber schloß sich erst bei seinem Hause oder vorm Kirchhof dem Trauergefolge an und ging mit um die Kirche. Dann wurde im Gottesdienst vor der eigentlichen Predigt in einer kurzen Leichenrede des Verstorbenen gedacht. Unter Friedr. Math. Perthes (1858) waren die Leichenpredigten fast ganz abgekommen.
Das Vorrecht, noch einmal in der Kirche vor dem Altar aufgebahrt zu werden, hatten nur die Prediger der Gemeinde und die Kirchgeschworenen oder Juraten. Diese Sitte hat sich bis heute noch erhalten. Dann war der Altar mit schwarzen Tüchern verhängt und auf hohen silbernen Leuchtern flackerten die Lichter der Kerzen, die die Angehörigen zur Totenfeier stifteten. Die Feier hatte die Form eines regelrechten Gottesdienstes. Im Mittelpunkt der Predigt stand die Persönlichkeit des Verstorbenen.
Nach der Bestattung begab sich noch vor dem Kriege ein großer ein großer Teil des Trauergefolges in eine Wirtschaft um "dat Fell to versupen". Es handelt sich dabei sicher um den Rest alter germanischer Sitte, deren eigentlicher Kern in einem Gedächtnistrunk für die Toten besteht. In gleicher Weise sind wohl auch die Leichenschmäuse vergangener Jahrhunderte im Trauerhause zu werten. Wurde doch oft sogar für den Toten selbst ein Platz freigelassen.5) In Moorburg haben die ehemaligen Nachfeiern bei dem "Todenkröger" Hans Reimers an der Kirchenstegel (heute das Eckhof'sche Haus) sich in der Erinnerung lebendig erhalten. Das Getränk war "Köm", der in einer Flasche auf dem Tisch stand. Da Reimers keine Konzession hatte, durfte er ihn auch nicht verkaufen. Es war nun stillschweigendes Übereinkommen, daß sich jeder selbst einschänkte und das Geld für seine Zeche unaufgefordert bei der Flasche liegen ließ. -
Am Schluß der Leichenpredigt oder am folgenden Sonntag verlas der Prediger noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Kanzel herab den vom Küster verfaßten Lebenslauf des Verstorbenen, der je nach Wunsch und Bezahlung - ähnlich der Leichenpredigt des Geistlichen - mehr oder weniger lang und zu Herzen gehend verfaßt war.
Neben dieser feierlichen Beerdigung mit "Sang und Klang" gab es "dat stille Gräffnis" ohne Kindergesang und Glockengeläut. Totgeborene und kleinere Kinder beerdigte man kurzerhand in einem Pappkasten, den man dem Totengräber übergab.6) Da der Totenschein bis weit ins 18. Jahrhundert hinein noch unbekannt war und auch später wegen des Mangels an Ärzten kaum verlangt wurde, ist es erklärlich, daß manch unehelich geborenes Kind als totgeboren gegen ein gutes Trinkgeld verschwand; der Landherr versuchte wiederholt, diesen Unfug der Pappkastenleichen zu steuern.
Im übrigen nahm man es aber doch auch recht genau mit dem Sterben. Als im April 1778 eine Kätnertochter Rebekka von Have, die ihr uneheliches Kind im Graben beim Hause ertränkt hatte, in der Nacht begraben wurde, wollten die Moorburger nicht einmal zugeben, daß der Kuhlengräber dieselben Schaufeln und Taue benutzte wie bei "ehrlichen" Leichen. Es war für jene Zeiten selbstverständlich, daß Mörder und Selbstmörder abgesondert für sich allein beerdigt wurdeen, ohne Sang und Klang, ohne Beteiligung der Kirche, zumeist ohne großes Aufsehen in den Abendstunden. Selbst 1843 ging die Engherzigkeit der Kirche noch so weit, daß sie einem Höfner Meyer, der sich ertränkt und einem Halbhöfner Werdier, der sich erhenkt hatte, das Kirchengeläut verweigerte, trotzdem beide als ehrenhafte Männer in der Gemeinde bekannt waren. -
Das Sterben war auch in früheren Jahrhunderten keine ganz billige Angelegenheit, und die Kirche wußte aus Erdgeld, Glockengeld, Kreuzgeld und Leichenlakengeld eine recht ansehnliche Einnahme zu machen.7) Das Leichenlaken wurde ursprünglich von der Kirche ausgeliehen, um den rohgezimmerten Sarg zu verdecken.8) Als bei Beginn des 18. Jahrhunderts die abendlichen Beerdigungen immer zahlreicher wurden, fürchtete die Kirche eine Einbuße zu erleiden, so daß am 16. August 1712 befunden wurde, "daß diejenigen, so ihre Todten des abends laßen beisetzen, der Kirchen wegen Glockengeld abbruch tun, Und solches hinfüro nicht zu tolerieren. Als ist ... von solcher Leiche, die des Abends werde beigesetzt, ebenfalls der Kirchen das gewöhnliche Glockengeld zu entrichten."9) -
Eine besonders gute Einnahme gab der Kirche der Verkauf der Grabstellen im Kirchenschiff. Ein Kaufkontrakt aus dem Jahre 1672 ist uns im Rechnungsbuch der Kirche erhalten geblieben:


Für allen und jedermänniglichen thun kund und bekennen wir Claus Reimers, der Eltere und Claus Reimers, der Jüngere, jetziger Zeit regierende Geschworene und Befehlighabene der Kirchen zur Mohrburg, für uns und unsere Nachkommen: daß, nachdem der ehrbare und fürnehme Hinrich Sadtler ein Begräbnis in unserer Kirchen, schier in der Mitten nahe bey der Krone10) negst seinem Stuel hinbegehret, als haben wir mit conßens und fulbort11) unseres Herrn Pastoren M. Johannen Beckern sothane Begräbniß von acht Fuß lang und vier Fuß breit, gemehlten Hinrich Sadtler auff 4 Persohnen Vorkaufft und eingethan, wofür Er uns also fohrt Bahr erlegt und bezahlet hat

150 Mark Courant.

so wir auch zur genüge empfangen und in Unseren Kirchen nutz, frommen und Besten gebohret und angewendet haben mit dem Bedinge und vorbescheide, wann vier Persohnen hierinnen beerdigt worden und in Gott dem Herrn entschlafen seyn (Gott verleihe zur seeligen stunde!), alsdann die Begräbnisse frey wiederumb an die Kirche soll vorfallen seyn. Jedoch sollen die Erben und negsten blutsverwandten Freunde die Negsten zum Wiederverkauf seyn, wofern Sie einen anderen gleich dafür wollen bezahlen, und ist ferner hierbey verabschiedet, daß nach der letzten ableibung innerhalb zehn Jahren diese Begräbniß nicht wiederumb geöffnet oder verkauft werden soll. Alles ohne list oder gefehrde.
In Urkund und steter Festerhaltung haben wir geschworen nebenst unseren Herrn Pastoren für uns und unsren Nachkomen diesen Brief mit unseren eigenen händen wißentlich unterschrieben und denselben damit Bekräfftiget.
Mohrburg, den 26. November, Anno Eintausend Sechshundert Zwey und Siebentzig.

M. Johann Becker Clauß Reimers d. E.
Pastor zur Mohrburg Claus Reimers d. J.

Es ist erklärlich, daß gerade Tod und Begräbnis dem Aberglauben ein weites Feld eingeräumt haben. "De Vörlad" oder "Vörlut", eine Art "Vorspäuk", kündigt den Tod an. Ein starkes, ungewöhnliches Knacken im Gebälk, das andauernde Heulen des Hundes, das plötzliche Stehenbleiben der Uhr, sowie das Herunterlassen eines Spiegels oder einer Photographie von der Wand sind für viele Leute noch heute untrügliche Zeichen, daß der Tod auf dem Gehöft Einkehr halten will.
Eine Leiche darf niemals den Sonntag über im Hause stehen, sonst holt sie in kurzer Zeit sieben Verwandte oder Nachbarn nach. Ebenso wäre es gefährlich, einem Verstorbenen ein Kleidungsstück eines Lebenden mit in den Sarg zu geben oder gar aus Totenkränzen Blumen zu brechen. -



1) Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 1890.
2) Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Band III.
3) P. L. Cropp in seinen Aufzeichnungen für seinen Amtsnachfolger 1830. Derselbe Brauch in Vierlanden bezeugt. Prof. Dr. Finder, Die Vierlande, II. St. 107.
4) Die Grenze war "Up dem Horne", heute "Blankaus Salon".
5) Niederdeutsche Volkskunde. Prof. Dr. Lauffer 1917.
6) Nach Prof. Dr. Finder in Vierlanden Brusttuchschachtel genannt.
7) Kirchenrechnungsbuch 1775.
8) 1655 Vor die laken über die todtenbahre 18 Schilling (Rechnungsbuch der Kirche)
9) Kirchenrechnungsbuch
10) Gemeint ist der 1648 der Kirche gestiftete große Leuchter.
11) Einverständnis und Ermächtigung





Vom Rechtswesen in alter Zeit

Mehr als auf jedem anderen Gebiet haben sich im Laufe der Jahrhunderte die Anschauungen in der Strafjustiz gewandelt. Das Bedürfnis erhöhten Schutzes des Staates gegen die Schuldigen hatte die Obrigkeit zum Inquisitionsprozeß geführt; das Bedürfnis erhöhten Schutzes des Schuldigen gegen den Staat führte dann vom Inquisitionsprozeß zum heutigen Strafverfahren, das den Augenblicksverbrecher abschrecken, den besserungsfähigen Zustandsverbrecher bessern und auf den rechten Weg leiten, den unverbesserlichen Zustandsverbrecher aber für alle Zeiten unschädlich machen will.
Die mittelalterliche Strafjustiz kannte nur die Strafe als solche, als Mittel zur Abschreckung und Wiedervergeltung.
Wer einmal das Museum für Hamburger Geschichte besucht, steht dort mit Staunen und leisen Grauen still vor den Zeugen vergangener Rechtsanschauungen und Strafen: dem Schandpfahl mit dem Halseisen, dem Richtstuhl, den Richtschwertern, den Fangstöcken mit ihren Stacheln, den Fußblöcken und mannigfachen Folterwerkzeugen.
Und wer in alten Chroniken über Gerichtsurteile und Strafvollstreckungen liest, dem verstärkt sich dieses Grauen zum Abscheu vor den harten, furchtbaren Rechtsanschauungen jener Zeit.
Aus dem Jahre 1385 berichtet das Kämmerei-Rechnungsbuch der Stadt Hamburg, daß ein Knecht 8 Schilling gezahlt wurden, weil er ein Weib aus dem Glindesmoor lebendig begrub, die ihren Knaben umgebracht hatte.
1381 büßt ein Scherpinges seinen Totschlag im Glindesmoor mit 24 Talenten.1)
Anno 1537, den 3. Februar - berichtet Bernd Gysekes Chronik - "wort ein man von der Morborch utgetrecket ut dem Stendor (Steintor) und was vorordelt (verurteilt), dat man em mit dem swerde scolde richten, umme undat (Untat) willen, de he mit enenr ko (Kuh) gedan hadde.
Darto hadde he walt (Gewalt) gedan sinen vader und moder, darto sinen Amptmann to der Morborch gedrowet (gedroht). Darto hadde he enen to Hilgelande gedodet.
Do nu de Frone (Scharfrichter) mit em utkam und en richten wolde, do vorsach he dat und Houw en in de Sculderen (schlug ihm in die Schultern), dat he sick umme sach (sah) und wolde up. Awerst de Fron stunt und stottede (stieß) ene mit dem vote (Fuße) wedder to der erden und vilde en af." -
"1651, am 26. August, ist Lutke Aldag gehenkt."
"1695, den 17. Juni, ist Johann Meyer wegen begangener Mordtat, die er zu Moorburg verübet, mit dem Schwert hingerichtet."
"1736 sind zwei Diebe, clas Boye, ein Jäger, und Conrad Koop, ein Ewerführer, beide in Moorburg wohnhaft, wegen verübten mördlichen Diebereien und Einbrüchen mit dem Strange vom Leben zum Tode gebracht; sind aber beide wieder abgenommen." -
Außer dieser Lebensstrafen unterschied man nach Leibes- und Ehrenstrafen. Als Leibesstrafen galten Staupbesen, Brandmal und langjähriges Gefängnis bei schwerer Arbeit; unter die Ehrenstrafen rechnete man das Ausstellen am Pranger, leibliches Gefängnis, Halseisen, Landesverweisung und Einziehung der Güter.
Die Strafe des Enthauptens scheint ehrenvoller gewesen zu sein; denn Johann von Hadeln bittet 1541 den Hamburger Rat für seinen Bruder um Begnadigung vom Galgen zum Schwert. Enthauptete durften nämlich von den Anverwandten an der Kirchhofsmauer bestattet werden, während die Gehängten, nachdem sie eine Zeitlang mit "Seilers Tochter vermählt" waren, vom Henker in ungeweihter Erde in der Nähe des Galgens verscharrt wurden.
Einen Pranger oder Kack gab es fast in jeder Gemeinde. auch Moorburg besaß einen solchen auf dem freien Platz vor der Kirche. Es war ein in die Erde gerammter Pfahl, an dem mit einer eiserner Kette in Kopfhöhe das "Halsyseren" befestigt war. Dieses Halseisen wurde dem Delinquenten während seiner Schaustellung um den Hals gelegt; die Hände waren gebunden. Auf einem Schild stand, für jeden Vorübergehenden sichtbar - das begangene Verbrechen: Falsches Gewicht,! Zänkerey! Hurerey! Gebrochene Urphede! Deichfrevel! usw.
Ursprünglich lag also die Entscheidung über Leben und Tod in der Hand des Burghauptmanns; selbst die Exekution wurde von seinen Knechten ausgeführt. Der Totschlag von 1537 fand seine Sühne dagegen bereits vor dem Steintor in Hamburg.
Nachdem die höchste Gerichtsbarkeit auf den Landherrn übertragen worden war, wurde jeder Rechtsfall vor dem Landgericht verhandelt, dessen erstes Protokoll am 14. September 1591 niedergeschrieben ist.
Die ordentlichen Landgerichte wurden zweimal im Jahre, zu Ostern und Michaelis abgehalten. Der Landherr führte den Vorsitz; das Urteil fällten der Landvogt und die aus den Höfnern der Gemeinde gewählten Beisitzer. - wie die Deichversammlungen - in der Kirche statt. Der Landvogt hatten das Gehege, den Ring, abzuschreiten, in dem Landherr, Schöffen, Kläger und Ankläger ihren Platz hatten.
Die Vögte eröffneten das Gericht mit folgenden Worten:2)
Vogt: Ick frage ju, offt et wol so ferne Dages iß, dat ick miener Herren Hege-Recht holden mag, so ick Macht hebb von miener Herren wegen?
Höftmann: Herr Voigt, hebb ji mie des gefraget?
Vogt: Ja, ick.
Höftmann: Ja, et is wol ferne Dages, dat ji juer Herren Hege-Recht holden möget, so ji Macht hebt von juer Herren wegen.
Vogt: So hege ick miener Herren Hege-Recht tom ersten mal, tom andern mal hege ick miener Herren Hege-Recht tom drüdden mal ick miener Herren Hege-Recht. Wat gebede ick miener Herren Hege-Recht?
Höftmann: Recht gebedet in juer Herren Hege-Recht, Unrecht verbedet in juer Herren Hege-Recht, Scheldworde verbedet by juer Herrn Straffe, un dat nemand hervör trede, he do denn dat mit Verlof.
Vogt: So do ick, als mie gefunden iß, Recht gebede ick in miener Herren Hege-Recht, Unrecht verbede, ick by ick in miener Herren Hege-Recht, Scheldworde verbede, ick by miener HErren Straffe. Ist er nu woll, de watt antobringen het, de trede hervör un late daröver gahn Ordel un Recht; em schal wedderfahren wat Recht iß. -
Auf diese Aufforderung hin trat der Ankläger vor und brachte seine Klage an. -
In den ersten Jahren scheint das Landgericht nacheinander in den Gemeinden Bill- und Ochsenwärder abgehalten worden zu sein; heißt es doch auf der ersten Seite der gerichtlichen Niederschriften: "Protokollen In Saken, so up den Landgerichten Im Billenwerder, Ochsenwerder, Morborger und Finkenwerder tractiert."3) Sie sind nicht immerleicht zu entziffern aber eine Fundgrube schöner alten Schriftformen.
Neben dieser ordentlichen überwiegt bei weitem die Zahl der außerordentlichen Landgerichte, die bei dringenden Fällen nach Bedarf vom Landherrn angesetzt wurden.
Vom 17. Jahrhundert ab werden sie nur noch auf dem Schützenwall in Hamburg, in Billwärder auf der Schleuse und in Bullenhausen auf der Schleuse abgehalten. Das "Morburger Stratenrecht" wurde auf dem Platz vor der Burg gehegt.
Der Form nach sind alle Protokolle gleich. Das erste beginnt: "Anno 1591, 14. Septembris Ist ein Notlandrecht in Billwarder thom Spiker geholden worden. In Gegenwardichkeitt der Ehrenfesten, Hochgelahrtten und Wohlwysen Herren Dietrichen van Holte und Albert Lehmeyers (?), Rhatsverwanten und jetzigertidt verordneten Landherrn usw. Daß tatsächlich die Landgerichte nicht nur im Bullenhausener Schleusenhause4) abgehalten wurden, beweisen auch eine Reihe Protokolle, so vom 11. November 1596, 21 April 1618, 9. Februar 1618.
Der Kläger ist der Pastor Moorburgs, Christopher Hane, der Beklagte Hein Ribbecke, der gegen das 5. Gebot verstoßen und damit das "peinliche Halsgericht" verwirkt hat.
Morde waren im Glindesmoor nicht gerade selten. Das Messer wurde beim Trunk, wenn sich die Gemüter erhitzten, nur zu leicht gezogen. Hans Brandt wurde 1618 "vor eynen Mörder utgeschriegen", weil er Hans Reymers rücklings fünf Wunden mit einem Messer beibrachte; desgleichen Hans Wentken, ein Hausknecht, der Hans Reuter erstochen hatte usw.
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts ab diente das Landgericht nicht mehr zur Entscheidung streitiger Fälle oder zur Bestrafung von Verbrechen, sondern nur noch zur Herbeiführung des Zwangsverkaufs von Grundstücken und zum Aufruf von Grundstücken und Pfandposten. Das letzte Urteil über den Verkauf eines Besitzes wurde am 18. September 1810 gesprochen. "Durch die im Jahre 1815 erlassenen Hamburgischen Justizverordnungen wurde den Landgerichten jegliche Rechtsprechung entzogen; sie bestanden aber bis 1869 zum Anmelden von Grundstücks- und Pfandpostenübertragungen."5)
Wenn die Landherren später in ihren Verfügungen bei Schmuggel, Holzdiebstahl, Deichvergehen, Lärm und Spiel mit der Roggenkiste"6) drohen und mit so und so vielen Tagen "Roggenkiste" bestrafen, ist damit das Gefängnis im Winserturm am Meßberg gemeint, der erst im Juni 1832 abgebrochen wurde. Er besaß vier Stockwerke; in jedem waren einige völlig dunkle Gelasse. Gewöhnliche Gefangene waren im ersten oder zweiten Stockwerk untergebracht; im dritten hatten gefährliche Verbrecher ihre Zellen, Mauernischen, die gerade einem einzelnen Menschen notdürftig Raum gaben. Um sie an der Flucht zu hindern, wurden sie in Fußblöcke gespannt. Den vierten Stock nannte der Volksmund die "Tollkiste".
Den Namen Roggenkiste trug der Turm, weil man früher für Zeiten der Not in ihm Roggen gelagert hatte. Sein kistenartiges Aussehen mag den zweiten Teil des Namens erklären. Jedenfalls hatte das Wort für unsere Vorfahren einen unangenehmen Klang, und die Erfahrungen die im Laufe der Zeit dieser und jener unserer Gemeinde mit der Roggenkiste machte, mögen genügt haben, sie als der große Schreckmittel zu gebrauchen, mit dem die Landherren immer wieder drohten.


1) 1 Talent = 20 Schillinge.

2) Klefeker Bd. X und Protokolle der Landherren.

3) Hamburger Staatsarchiv.

4) Dr. J. F. Voigt: Aufzeichnungen, Anmerkungen St. 140: "daß die im Bullenhusener Schleusenhause gehaltenen Landgerichte ein Überrest des alten Land-Dings waren ...

5) Dr. J. F. Voigt "Aufzeichnungen" St. 140.

6) 6. Oktober 1790 wird Joh. Peter Märtz in Moorburg die Überfahrt von Deserteurs, fremden Juden und sonstigen herumlaufenden Gesindel bey Strafe der "Rogkenkiste" verboten.
In der Gesindeordnung von 1818 heißt es im vierten Artikel: Ohne der Herrschaft Erlaubnis können die Dienstboten nicht ausgehen, weder an Sonn- und Festtagen noch an Werkestagen. Wer ohne erhaltene Erlaubnis ausgeht oder zur bestimmten Zeit nicht zurück oder gar betrunken nach Hause kommt, wird nach Befinden mit der Rogkenkiste bestraft. - Eltern, deren Kinder das Schulgeld aud der Kirchenkasse bezahlt wird, müssen diese zum Schulbesuch anhalten bei Strafe anhalten bei Strafe der Roggenkiste. Oktober 1789. - Am 29. April 1779 wird Hans Harm Benecke von den Moorkaten, "der einen Schleichweg bei der Wetterung gemacht und dem Diebsgesindel übergeholfen, vom Landherrn Hanker mit 8 Tagen Roggenkiste bestraft.

In der Randleiste das Hamburger Wappen, wie es die Tür der Staatdomäne zeigt.








Allerlei Aberglaube

Fast jedes Jahrhundert hat seine eigene Weltanschauung, seine eigene Kultur und seine ihm eigene Einstellung zur Religion. Was vor vielen hundert Jahren allgemein als Wahrheit galt, ist von der Wissenschaft zum großen Teil längst abgetan und als Irrtum erwiesen.
Und doch haben vieler dieser Dinge aus Religion, Medizin und Rechtsanschauung, die selbst Jahrtausende alt sind, noch heute eine erstaunliche Lebenskraft und erhalten, mit dem Schleiher des Geheimnisses umwoben, immer wieder neue Vertreter und neue Anhänger.
Das Schicksal aus Handlinien und Kaffeesatz zu deuten, findet seinen Ursprung in altgermanischen Kulturgebräuchen, wo man sich des Blutes und der Eingeweide der Opfertiere bediente; der Glaube an den Teufel und die Dämonen ist der jüdischen Anschauung entnommen.
Der Hakemann, Hakenkerl oder Wassermann, mit dem man bei uns die kleinen Kinder bange macht, damit sie nicht in die Nähe der Gräben gehen, hat sich schon vor zweitausend Jahren den Müttern für denselben Zweck dienen müssen, nur mit dem Unterschied, - daß sie damals selber daran glaubten.
Der Gespensterglaube ist auch heute noch nicht ausgestorben und wer bei unseren Groß- Urgroßmüttern nur an die richtige Quelle kommt, kann sich einen ganzen Winterabend lang eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagen lassen. Am Schluß einer jeden Geschichte heißt es dann: "Und dat is ganz gewiß wohr! So wohr, as ick hier sitt!"
Der Hexenglauben ist selbst in Familien verbreitet, die als modern und aufgeklärt gelten, ja, man geht soweit bestimmte alte Frauen der Gemeinde als Hexen zu bezeichnen. Will ein Kind nicht so recht gedeihen, so heißt es geheimnisvoll, "Se hett dat ünner!"1) Wollen die Schweine nicht fressen, die Kühe keine Milch geben, so stammt dies und manches andere Unheil, daß einen Landwirt treffen kann, von der Hexe.
Man will sie an Muttermalen, an der Stellung der Augenbrauen, am bösen Blick, an der fahlen Hautfarbe oder gar am humpelnden Gang erkennen. Die Kinder machen mit Kreide Kreuze vor ihre Haustüren, um sie zu bannen.
Im Alten Lande soll noch heute ein alter Mann leben, der von einzelnen Moorburgern aufgesucht wird, um durch seine Zaubersprüche und Medizinen den Schaden, den die Hexen angerichtet haben, wieder gut zu machen. -
Das Besprechen oder "Utseggen" wird in Moorburg vor allem bei der Rose angewandt; doch geschieht es auch bei anderen Krankheiten, wenn die Behandlung des Arztes erfolglos scheint.
Das "Utseggen" ist stets an eine bestimmte Tag- oder Nachtzeit gebunden; ebenfalls spielen Sonne, Mond und fließendes Wasser eine bedeutende Rolle. Die geheimnisvollen Formeln, die dabei fast unhörbar gesprochen werden, sollen sich in bestimmten Familien forterben; ein Mann muß dies Geheimnis einer Frau, eine Frau einem Manne anvertrauen.
Die Rose muß z.B. drei Tage nacheinander am Abend besprochen werden. Während dieser Zeit muß völlige Stille im Hause sein. Mit großen Messern schlägt die Besprechende Kreuze vor dem Gesicht des Kranken. Die Formel, die die Rose heilen soll, lautet: "Ick still di de Ros' vör de Isub, vör de graue, vör de wilde, vör de blaue, vör de Wehdat. Unse HErr Christ hätt nümmer Wehdat hatt; so sall di dütt ook nich wehdon. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes." Ein "Amen" darf am Ende nicht gesprochen werden.2)
Zahnschmerzen werden bei abnehmenden Mond besprochen. Man nimmt einen Schluck Elbwasser in den Mund, spuckt es wieder aus und spricht leise:" Min Tähn wüllt mi verfulen. Dat Water in mien Mund spieg ick op den Grund; so treckt mien Wehdag aff. Im Namen des Vaters usw.."
Des Gesichtsausschlages (Bartflechte usw.) entledigt man sich bei zunehmenden Mond. Man schöpft Wasser in ein Gefäß, wäscht damit die kranken Hautstellen und spricht, indem man zum Mond aufblickt; "Wat ick seh, nähm to, wat ick lied, nähm aff! Im Namen des Vaters usw." Das benutzte Wasser muß gegen den Strom ausgegossen werden.
Die Warzen entfernt man am sichersten, wenn man sie mit einer Totenhand bestreicht und dabei spricht: "Liek, Liek witt, nimm all mien Wörten mit!" Unter Umständen soll aber auch schon das Bestreichen mit einer Erbsen- oder Bohnenschale genügen, die nachher unbemerkt unter der Kuhkrippe vergraben werden muß. Ist die Fruchtschale verfault, sind auch die Warzen verschwunden.
Das "Afraden" von Krankheiten auf Bäume, Sträucher oder Tiere und Menschen ist heute kaum mehr üblich. Man nahm Geldstücke, Bleistifte, Tücher oder andere Gegenstände des Kranken und beschmierte sie mit dessen Blut oder Eiter. Dann legte man sie auf die Straße für einen "glücklichen" Finder. Wer den Gegenstand aufhob, erhielt die Krankheit. -
Heute wirft man diese "Krankheitserreger" bei Sonnenaufgang gegen den Strom in die Elbe, um sich von der Krankheit zu lösen.
Eine ganze Reihe von Hausrezepten zur Behandlung von Krankheiten scheint im ganzen Marschgebiet der Niederelbe mehr oder weniger einheitlich verbreitet gewesen zu sein.3)
Um das Bettnässen zu heilen, sollte man einem Toten eine Flasche Urin in den Sarg legen. Auch das Wasserlassen durch ein Loch im Kirchhofsteg während der Gespensterstunde sollte Heilung bringen.
Die Dreckapotheke verwandte man bei Diphtheritis, Gelbsicht, Windpocken usw. Um erstere zu heilen, bereitete man einen Sud von Schafsdünger und eigenem Urin; die Gelbsucht vertrieb man durch ein Butterbrot mit Kopfläusen; man empfahl auch das Hineinstarren in eine Teertonne; eine entsteinte Pflaume mit Teer gefüllt und gegessen, sollte ebenfalls Wunder wirken. Schafsdünger mit Stutenmilch überbrüht ergab eine Medizin gegen Windpocken.
Gegen Frost in Händen und Füßen gibt es in der Gemeinde eine stattliche Reihe von Hausmitteln: Das Baden im eigenem Urin oder in mit heißem Wasser übergossenem frischen Pferdedung. Das Wasser, in dem ein Schwein abgebrüht ist - die Borsten müssen noch darin sein - heilt den Frost in den Händen; wer den Frost aus den Füßen bannen will, reibt sich die Zehen mit Petroleum, Öl oder Tran ein, stäubt feine Kreide darauf und stellt die Füße eine Zeitlang auf der Feuerkieke. Das Waschen im Märzschnee wird auch empfohlen.
Gegen Flechten und Sommersprossen soll der Fensterschweiß gute Dienste tun; doch ist auch das Einreiben mit Urin gebräuchlich. Junge Mädchen bringen es übers HErz, sich mit Froschlaich oder mit dem Regenwasser, das sich auf Leichensteinen angesammelt hat, zu waschen, um sich der Sommersprossen zu entledigen.
Gegen Schlaflosigkeit gebrauchten alte Leute wohl ein Gemisch von Tabak und getrockneten Kamillen, das sie aus der Kalkpfeife rauchten; bei Frauen soll ein Tee von Stockrosenblättern dieselben Dienste tun.
Immerhin eigenartig ist das Mittel, das gegen Nesselfieber als wirksam genannt wird. Man nimmt eine Handvoll Haferkörner und schüttet sie dem Kranken zwischen Hemd und Körper hinein; sie müssen aber in einen Reisigbesen fallen, aus dem die Hühner herauspicken sollen. Das Mittel gegen Trunksucht ist wohl allgemein bekannt. Man ließ in einer Schnapsflasche einen Aal totlaufen, entfernte ihn und gab den Branntwein demjenigen zu trinken, den man kurieren wollte. Auch der Brauch Lungenkranke mit Hundefett, das warm getrunken werden muß, zu heilen, wird nicht nur in unserer Moorburger Marsch geübt.


1) Die Hexe hat das Kind unter ihrer Gewalt.
2) Vergl. Prof. Dr. Lauffer, Niederdeutsche Volkskunde.
3) Vergl. Prof. Dr. Finder, Die Vierlande.








Von Steuern und Abgaben


Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
es fehlt an Geld; nun gut, so schaff' es denn!
(Faust II,1.)

Was Goethe hier seinen Kaiser klagen läßt, war wohl der Stoßseufzer aller Monarchen und Regierungen des lieben, deutschen Vaterlandes und was mich bewundern muß, ist gar oft die Findigkeit, neue Steuern und Abgaben auszuklügeln, um die Ausgaben zu decken.
Vielleicht ist es unserer Zeit, die über besonders hohe Steuerlasten zu klagen hat, ein - wenn auch schwacher - Trost, zu wissen, daß auch vergangene Geschlechter es nicht viel besser hatten, daß der finazielle Druck oft noch stärker auf ihnen lastete, vor allem in Kriegszeiten, wenn Kontributionen und Zwangseinquartierungen sich häuften, nach Sturmfluten und Überschwemmungen.
Man unterschied auch damals schon zwischen Staats- und Kommunalsteuern, zwischen direkten und indirekten Abgaben. Dazu kam eine stattliche Reihe von Naturallieferungen an den Landherrn, den Pastor, die Lehrer und Gemeindebeamte.1)
Hamburgs Wahlspruch "Vide, ne sumptus superet censum" (Hüte dich, mehr auszugeben, als Du im Vermögen hast!), der in seinem alten Rathaus angebracht war, schloß natürlich nicht aus, den Steuerbogen gelegentlich auch einmal recht straff zu spannen. Man rechnete nach Mark Kurant, die Mark zu 16 Schillingen, den Schilling zu 12 Pfennigen, so daß eine Mark also im Gegensatz zu unserer heutigen Rechnung 192 Pfennige zählte.
Die Kaufkraft und damit der Wert des Geldes hat allzeit geschwankt. Wenn berichtet wird, daß man im Mittelalter für einen Pfennig zehn Eier kaufen konnte, so würde der Wert eines Pfennigs nach heutigem Gelde 1,10 Mark bis 1,30 Mark betragen müssen. Um 1600 betrug der Stundenlohn eines Maurers etwa 8 Pfennig, 1760 etwa 24 Pfennig, 1870 etwa 44 Pfennig, 1913 etwa 85 Pfennig. In Wirklichkeit hat nicht der Stundenlohn zugenommen, sondern der Wert des Geldes hat sich im Laufe der Jahrhunderte Verringert.
Aus dieser Überlegung heraus müssen selbstverständlich auch alle Summen betrachtet werden, die im folgenden genannt werden.
Schon der Bürgereid präsentierte dem Moorburger einen recht stattlichen Strauß von Steuern und Abgaben: "Ick wyll ok myn jährliches Schott, inglicken Törkenstüer, Tholage, Tollen, Accise, Matten und wat sünsten twischen Einem Ehrb. Rahde und der Erbgesetenen Börgerschop belevet und bewilliget werd, getruw- und unwiegerlick by myner Wetenschop, entrichten und bethalen."
Der Schoß war jedes Jahr einmal am 13. Dezember, dem St. Lucientage, fällig und wurde daher Lucienschoß genannt. Nur Geistliche und Lehrer brauchten ihn nicht zu entrichten. Jeder hatte sich selber einzuschätzen. Man appellierte an sein christliches Gewissen und seinen Bürgereid.
Um aber auch diejenigen zu den Lasten heranzuziehen, die kein besteuerbares Vermögen besaßen, in Moorburg also Handwerker und Heuerlinge, wurde gleichzeitig ein Vorschoß erhoben, der 1410 noch 8 Schilling, später aber 12 Schilling betrug.
Das Schoßreglement von 1766 bezeichnet alle diejenigen als verpflichtet, diese Steuer zu zahlen, "welche keine Kapitalien besitzen, wovon sie ein heimlich Schoß einschütten können, sondern sich von täglicher Arbeit und Verdienst ernähren."
1720 wird der gewöhnliche Schoß in Moorburg getrennt nach Barvermögen und Grundbesitz entrichtet, nämlich "von jeder 100 Mark Kurant Rentegeldern, welche nicht im Stadt- und Landrentebuch versichert und eingeschrieben, 4 Schilling, und von jedem Morgen Landes eine Mark 8 Schilling in grobem Hamburger Kurant".
Die Aufforderung zur Entrichtung des Schosses erging durch den Prediger von der Kanzel; die Einzahlung geschah beim Landvogt. Er brachte das Geld am Fälligkeitstage zum Landherrn, der es an die Landpräturkasse abführte.
Die Türkensteuer war zum erstenmal unter Kaiser Karl V. beim Einfall der Türken in das heilige römische Reich deutscher Nation (1526) erhoben worden, um die Söldnerheere des Reiches bezahlen zu können. Auf 1000 Mark Vermögen (Grundstücke, Gebäude, Kapatalien) mußte eine Mark Kopfgeld gezahlt werden. Für ihren eigentlichen Zweck wurde sie zuletzt in den Jahren 1601, 1604, 1606 und 1609 entrichtet; trotzdem blieb sie in den meisten Gemeinden bestehen, um die Einnahmen des Staates zu erhöhen. 1791 wurde sogar mit dem Lucienschoß zusammen in Moorburg ein "gedoppeltes Kopfgeld" erhoben. Selbst in einem mir vorliegenden Bürgereid von 1827 wird die Türkensteuer noch in der Reihe der übrigen Lasten genannt. -
Eine der am wenigsten beliebten Steuern war die Viehakzise. Sie wurde von jedem Stück Vieh, das verkauft oder für den Eigenverbrauch geschlachtet wurde, erhoben. Sie muß ursprünglich recht hoch gewesen sein, den 1616 wird in der Rats- und Bürgerversammlung der Stadt der Antrag gestellt, eine "geringere Accise auf Fleisch, als Ochsen, Kälber, Schweine und Schafe" festzusetzen.
Um ein Heer von Beamten zu sparen, wurde diese Steuer in Bausch und Bogen verpachtet. 1778 war der Pächter ein Jochim Hinrich Götz. Er erhob für Ochsen 3 Schillinge, Kühe 2 Schillinge, gemästete Kälber 8 Schillinge, nüchterne Kälber 4 Schillinge, Schweine 8 Schillinge, Ferkel 4 Schillinge, Hammel 3 Schillinge, Lämmer 2 Schillinge.2)
Besonders bei Schlachtungen für den Eigenverbrauch empfand man diese Steuer als Härte und suchte sie, wenn irgend möglich zu umgehen. Das führte natürlich wieder zu Beschwerden des Pächters, der fürchtete nicht auf seine Kosten zu kommen. Aus diesem Grunde ermahnte der Landherr am 7. Dezember 1720 die Landvögte: "Und weile von Jahren sich befindet, daß die Vieh-Accise gar unrichtig angegeben wird, als tun auch die Wohlw. Landherren hiermit nochmahlen allen und jeden, insbesonderheit denen Voigten und Hauptleuten dieses Landes ernstlich gebieten, daß ein jeder in seinem Lande und quartier, wenn ihnen die Vieh-Akzise gebracht wird, einen jeden ernstlich vermahnen sollen, daß sie selbiges, sowohl was in den Küchen als auch zu Hochzeiten und sonsten geschlachtet werde, richtig angeben, und bei Einlieferung des Geldes eine richtige Designation davon übergeben sollen."
Vom Jahre 1841 ab wurde die Vieh-Akzise nach dem Fleischgewicht erhoben und zwar erst bei der Einfuhr nach Hamburg an den Toren der Stadt.
Da ursprünglich fast jeder Hof das Recht des Bierbrauens besaß, den Brau-Orloff, um das zur Erntezeit nötige Braunbier selbst herstellen zu können, war auch die Biersteuer recht allgemein. Der Bierverbrauch von den Deichgeschworenen taxiert. Sie hatten auch die Steuern zu erheben. Eine Tonne faßte 48 Stübgen oder 173,8 Liter. Man verbrauchte auf kleineren Höfen 1 Tonne, auf Höfen, die auch die Schankgerechtigkeit besaßen und dafür außerdem jährlich den Krugtaler zahlten, bis zu 30 Tonnen. Die Bierakzise bewegte sich zwischen 4 und 8 Schilling für die Tonne, war also weit geringer als in der Stadt Hamburg, wo man für 1 Tonne Hamburger Bier im Werte von 8 Mark Kur. im Jahre 1640 nicht weniger als 2 Mark Steuern erhob.
Außer diesen regelmäßig zu entrichtenden Gefällen kamen noch die Gebühren für die Aufnahme als Landbürger und Schutzverwandte, für erteilte Heiratserlaubnis und die Abzugssteuern dazu. Nur Landbürger besaßen Grundbesitz oder durften solchen erwerben; Schutzverwandte hatten zumindest einen eigenen Haushalt. Die Gebühr für Aufnahme der ersteren betrug 1831 15 Mark, für die letzteren 8 Mark.
Wer aus der Gemeinde fortzog, um ins Ausland - also eine nicht hamburgische Gemeinde - zu gehen, zahlte 1/10 seines Vermögens als Abzugssteuer. Das kam vor allem bei Söhnen und Töchtern in Frage, die nach Altenwerder, Harburg, Hausbruch oder Lauenbruch heiraten und ihre Aussteuer oder Erbschaft mitnehmen wollten. Noch 1816 mußte Johann Behrs, der sich mit Anna Margarete Gerkens in Lauenbruch verheiraten wollte, von seinem väterlichem Erbe in Höhe von 1000 Mark kur. die Abzugsteuer von 100 Mark erlegen.
Im Jahre 1601 brachte Moorburg eine Steuerlast von 729 Mark Kur. auf. Für das Jahr 1777 betrugen die Lasten beispielsweise:

  an Pacht für das Kämmereiland 2640 Mk. Kur.
  für Ellerholz und Pagensand 1200 Mk. Kur.
  für die kleine Kattwyk 100 Mk. Kur.
  an Bierakzise 110 Mk. Kur.
  an Viehakzise etwa 300 Mk. Kur.
  an jährlichem Schoß 1100 Mk. Kur.
Insgesamt   5270 Mk. Kur.

Die Einwohnerzahl betrug im genannten Jahre für Moorburg annähernd 1450; das ergäbe für jeden Kopf eine Durchschnittsbelastung von 32/3 Mark oder 30 bis 35 Mark nach heutigem Wert.
Erwähnt sei an dieser Stelle die Pacht für das Domland, die den Namen "Geil und Gare"3) führte und 1790 hundert Mark Kur. betrug.
Als persönliche Abgaben an den Landherrn von Bill- und Ochsenwärder galten das Rechtegeld auf Weihnachten in Höhe von 66 Mark und das Jagdgeld auf Petri in Höhe von 50 Mark, außerdem noch die Uebersendung einer stattlichen Zahl von Rauchhühnern, in deren Lieferung sich die Höfe teilen mußten. Einen Teil überließ der Landherr nach altem Herkommen seinen Kollegen im Senat. Der Üeberschuß wurde auf 120 Mark Kur. geschätzt.4) 1822 erhielt der LandherrVon Bill- und Ochsenwärder insgesamt aus seinem Bezirk 99 Stück. Erst 1827 wurde diese Abgabe in eine Geldsteuer umgewandelt; für jedes Rauchhuhn mußten fortab 8 Schilling gegeben werden. Das Rechtegeld wurde seit Ende des 16. Jahrhundert gezahlt, seit die Rechtsprechung vom Burghauptmann des festen Hauses auf den Landherrn übertragen worden war.
Das Jagdgeld mußte seit 1787 abgeführt werden, da der Landherr Joachim Caspar Voigt sich damals entschlossen hatte, das ihm zustehende Jagdrecht gegen diese Abgabe an die Gemeinde abzutreten.
Eine Stempelabgabe auf Spielkarten kannte man im Landgebiet seit dem 15. Oktober 1807. Kein Spiel durfte in Gebrauch genommen werden, daß nicht mit 4 Schilling versteuert war und auf Herz-As das uns noch heute bekannte Steuerzeichen trug.
Sehr findig in der Aufdeckung neuer Steuerquellen waren die Franzosen während der Okkupationszeit von 1810-13. Da gab es eine Tür- und Fenstersteuer, eine Personal- und eine Mobilarsteuer.
Als Entschädigung für die von den französischen Zivil- und Militärbehörden vorgenommenen Requisitionen in der kurzen Zeit der Besetzung wurde von den Moorburgern am 24. Februar die Summe von 5521 Mark und 12 Schilling vergütet. Die Landesausgaben hatten allein vom 14. Mai 1813 bis 11. Juni 1814 nicht weniger als 16209 Mark betragen.
Was hatte die Gemeinde auch nicht alles liefern müssen! Da finden sich 1400 fr. Tafelgelder für französische Offiziere; Hasen, Rebhühner, Butter, Weißbrot, 26 Bouteillen Rotwein, Kaffee und Lichter für die Tafel des Generals Fetensac usw. Auch die alliierten Truppen waren nicht blöde. Die Russen erhielten täglich 20 Bouteillen Branntwein, der Graf von Kielmansegge 40 Eier, 3 Hühner und 2 Hasen für seine Tafel. Ja, dem russischen General Galizin mußten im März 1814 von der Gemeinde Moorburg 4 Pfund Karpfen geliefert werden. Am 1. April 1814 wurde die Gemeinde aufgefordert, außer der Tagesportion von 8 Flachen Branntwein bei der "Bataille der Truppen" weitere 43 Bouteillen zu beschaffen.
Und als man endlich das Schlimmste überstanden glaubte, kam die "durch Not und Bürgerschluß geliebte Kriegs- und Vermögenssteuer für Bill- und Ochsenwärder" vom 26. April 1815.
Es waren Zeiten, wo auch dem Opferwilligsten der Mut sinken konnte, wo er mit Recht die Klage hätte anstimmen können:
"Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
Der Jude wird mich nicht verschonen,
Der schafft Antizipationen,
Die speisen Jahr um Jahr im voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette, Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot."
(Faust 2. Teil, 1. Akt).

1) Vergl. die Kapitel "Von Schulen und Schulmeistern" und "Ämter und Berufe".
2) Protokolle der Landherren. Hamburger Staatsarchiv.
3) Unter Geil und Gare verstand man die das Wachstum fördernde Kraft; hier auf die Steuer übertragen.
4) Aufzeichnungen des Senators und Landherren Lict. W. Amsinck 1800/01. Dr. J. F. Voigt. Hamburg 1911.









Moorburger Verkehrsverhältnisse

Moorburg lag von jeher abseits der großen Verkehrswege. Hamburg war nach zwei bis fünfstündiger Fahrt, je nach Wasser- und Windverhältnissen, mit dem Fracht- oder Milchewern zu erreichen, die aber nur einmal am tage fuhren; von der großen Handelsstraße nach Stade war die Gemeinde durch das unkolonisierte Moorland im Süden der Landscheide getrennt. Der einzige Weg dahin war der Maria-Magdalenensteig, der heutige Kirchdeich, der aber zur Frühjahrs- und Herbstzeit fast unpassierbar wurde.1) Der Weg nach Harburg durch Lauenbruch war zwar für Fußgänger am Tage stets gangbar; am Abend, schon mit Einbruch der Dunkelheit, wurde er aber durch Schlagbäume gesperrt. Den Wagenverkehr auf ihrem Deich unterbanden die Lauenbrucher zuweilen gänzlich, um ihre Deiche von den Moorburgern nicht zerfahren zu lassen. Selbst der Bremer Post weigerte man 1775 die Durchfahrt, und der letzte Gemeindevorsteher dieser nun verschwundenen Ortschaft, Wilkensn weiß von den Kämpfen mit dem Harburger Landrat zu erzählen, weil dieser darauf bestand, daß lange nach der Reichsgründung endlich der Schlagbaum entfernt werden sollte. -
Kann es da wundernehmen, wenn ein Teil der Moorburger ihr Leben lang überhaupt nicht nach nach Hamburg kam, sondern es nur vom Deiche aus liegen sah? Erst die Eröffnung der Dampfschifffahrt durch den Oberstleutnant Kleudgen und den Engländer Tatlock brachte einen Umschwung. Am 1. Juni 1818 standen die Moorburger auf dem Deich, um das Wunderwerk, das schwerfällig den Köhlbrand herraufschnaubte, zu bestaunen. "De Smöker kummt!" ging es von Mund zu Mund, als die schwarze Rauchwolke am Himmel sichtbar wurde, und den Namen "Smöker" hat es behalten, solange es auf der Elbe fuhr.2) Das Schiff besaß nur ein Rad zum Antrieb. Da die Hamburger Schiffergilde ihre Privilegien bedroht sah, durfte der Dampfer nur bis Moorburg fahren, um hier aus- und einzuladen. Am 15. November 1829 wurde von der Firma ein neues Dampfboot, der "Neptun", eingestellt, der schon mit zwei Schaufelrädern an den Seiten ausgerüstet war. Das Unternehmen nannte sich "Privilegierte Damopffähre". 1839 ließen sich auch die Harburger in Altona einen Dampfer, den "Kronprinz von Hannover" bauen. Die Maschine hatte bereits 50 Pferdekräfte. Die Schaufelräder waren nach dem System Galloway konstruiert. Die Länge des Schiffes betrug 120, seine Größte Breite 20 und sein Tiefgang 3 Fuß. Ein drittes Schiff wurde 1841 von Kleudgens Erben in die Harburg-Hamburg-Fahrt eingestellt, das kleine eiserne Dampfboot "Primus". --
Während das erste Schiff auf der Elbe zur Fahrt von Harburg nach Hamburg noch 2-4 stunden gebraucht hatte, legte diese Fahrzeuge den Weg bereits in 1-2 Stunden zurück. Der "Primus" soll sogar nur 30 bis 40 Minuten gebraucht haben.3) 1846 wurde von der Schiffergilde Harburg das Stader Schiff "Guttenberg II" in den Dienst gestellt, so daß nun "Primus", "Guttenberg II" und "Phönix" die Verbindung Moorburgs mit Harburg und Hamburg aufrecht erhielten. Der "Kronprinz" war 1844 ausgebrannt.
Um sich einen Begriff über den Verkehr jener Zeit auf diesen drei Dampfern zu machen, mögen nachstehende Zahlen genannt sein: es wurden von Hamburg befördert 129372 Personen, 154 Wagen, 1915 Pferde, 1755 Stück Schlachtvieh, 1090 Kollis Waren; es wurden von Harburg befördert 130270 Personen, 185 Wagen, 401 Pferde, 2227 Stück Schlachtvieh, 1589 Kollis Waren.
Da Moorburg nur eine Anlegestelle für die Milchewer besaß, war es schwierig, das Harburger Dampfschiff zu benutzen. Erst der Schiffszimmermann P. Eggers richtete 1860 eine Fähre ein, um Passagiere an Bord der Dampfer zu bringen. Nachdem aber auch die Moorburger Milchleute sich einen eigenen Milchdampfer gekauft hatten, entschloß man sich 1862 zum Bau eines Landungsdammes.4) Der Staat trug die Kosten in Höhe von 7000 Mark Kur. Für den Harburger Dampfer lag der Landungsdamm von vorherein zu weit im Bett der alten Süderelbe; auch bildete sich sich vor ihm Ende der siebziger Jahre eine Sandbank, daß das Landen bei Ebbe fast unmöglich wurde. 1880-81 wurde auf Kosten der Staatskasse neben dem neuen Schleusengraben ein Landungsdamm hergestellt, der heute "Alter Landungsdamm" heißt und zur Ritscherschen Werft führt. Die Unterhaltungskosten hatte die Gemeinde zu tragen.
In den Jahren 1882-83 erhielt Moorburg endlich eine gepflasterte Straße, die zunächst oben auf dem Deich, von der Kirche ab hinter dem Deich entlangführt. Es erforderte langwierige, hartnäckige Kämpfe, bis Landvogt Joh. Herm. Harms es durchgesetzt hatte, daß sie durch die Hofplätze vieler Landwirte im unteren Moorburg gelegt werden konnte, da der Deich zu schmal war, um das Ausweichen zweier Wagen möglich zu machen. Die Kosten betrugen rund 185000 Mk.
Die neue Landungsbrücke mit ihrem Verbindungsdamm nach dem Deich wurde von 1889-1890 erbaut. Am 19 Januar konnte der Dampfer zum erstenmal anlegen. Schon 1860 waren die Schiffe "primus", "Phönix", "Delphin" und "Courier" erneuert worden; 1890 hatte man für die Winterfahrt den "Köhlbrand" in Dienst gestellt. Der Fremdenverkehr nach Moorburg nahm von Jahr zu Jahr zu. In den Pfingsttagen 1893 wurden nicht weniger als 9000 Menschen hierherbefördert, die in die Haake wanderten. 1893 wurden zum vierten Mal der "Delphin", zum dritten Mal der "Phönix" von der Hamburg-Harburger Dampfschifffahrtsgesellschaft erneuert. - Sie war mittlerweile in den Besitz der Firma Wachsmuth & Krogmann, HAmburg, übergegangen.
Der trockene und schöne Sommer 1898 brachte eine Hochflut des Fremdenverkehrs. Der Pächter der Landungsbrücken, der ein Brückengeld von 10 Pfg. erhob, hatte Einnahme von 16000 Mark.
Jetzt besitzt Moorburg (seit 1928) Reichsautopostverbindung nach Harburg und damit den Anschluß an den Hamburger Vorortsverkehr.5) Auf diese Weise ist es möglich geworden, in annähernd 1 Stunde sowohl zu Schiff als auch per Eisenbahn nach Hamburg zu kommen. Die ideale Lösung wird aber erst gefunden sein, wenn die 8 Kilometer-Luftlinie Moorburg (Kirche) - Hamburg (Rathaus) durch einen eigenen Vorortsverkehr Hausbruch- Moorburg-Altenwerder-Neuhof-Hamburg bezwungen werden kann. Vielleicht ist die Zeit nicht mehr allzufern, nachdem der Bahnbau nach den Walterhöfer Höfen endlich fertiggestellt ist.
Eine Postexpedition der Reichspost besteht seit dem 1. April 1870. Zum 1. Januar 1872 wurde sie in eine Postagentur umgewandelt. Die Briefbestellung geschieht zweimal täglich, die Paketbestellung nur am Nachmittag. Der jetzige Posthalter ist H. Wiegel.


Die Randleiste zeigt heimkehrende Moorburger Milchewer auf der Süderelbe.
1) Noch vor 1912 ein einfacher Feldweg der bei Regenzeiten sich in einen Sumpf verwandelte.
2) Der erste Dampfer auf der Elbe war die "Lady of the Lake" am 17. Juni 1816.
3) Ludewig, Geschichte Harburgs Bd. 2. St. 157.
4) Es ist der heutige Weg zu den Eiswerken.
5) Die Eisenbahnverbindung Harburg-Hamburg besteht seit dem 1. Dezember 1872.





Die Bank

"Hilf Dir selber, so hilft Dir Gott!"

Es liegt im Wesen unserer Marschbevölkerung, in Zeiten der Not nicht lange zu klagen und müßig abseits zu stehen. Ist die Masse auch querköpfig und schwer für eine Sache, die etwas fern liegt, zu gewinnen, so gibt es kaum größere Einmütigkeit und Geschlossenheit, wenn es gilt, hilfsbereit in die Bresche zu springen.
Dieser Gedanke der gegenseitigen Unterstützung führte zur Gründung des "Vorschuß-Vereins zu Moorburg e.G.m.u.N." am 31. März 1898 im Lokal der Witwe Blankau. Er bestand zunächst aus 20 Mitgliedern. In den Vorstand wurden Reepschlägermeister Heinrich von Sieden, Malermeister Blohm als Kassierer und Uhrmacher H. L. Eggers als Kontrolleur gewählt.
Der Gesamtumsatz des ersten Jahres Geschäftsjahres betrug 109 867,59 Mark; die Mitgliederzahl war um siebenzehn gestiegen. Im Jahre 1911 war der Gesamtumsatz bereits auf 5,5 Millionen, 1913 auf 7 Millionen Mark angewachsen. An Mitgliedern zählte man 187.
Die bankmäßige Entwicklung der Genossenschaft und der Wunsch auch die Nachbargemeinden Neugraben, Fischbeck und Hausbruch in gemeinschaftlichem Interesse für den bargeldlosen Verkehr zu gewinnen, veranlaßten den Verein 1918, die Firma "Vorschuß-Verein zu Moorburg" in "Niederelbische Bank" abzuändern.
Sie besitzt heute ein eigenes Bankgebäude, das 1923 neben dem Wasserturm auf einer 1150 Quadratmeter großen, vom Staat auf 90 Jahre Erbpacht gegebenen Fläche errichtet wurde.
Leiter des Instituts ist Herr Bernhard Blohm, der sich durch Umsicht, Tatkraft und kaufmännisches Geschick das Vertrauen aller Moorburger in reichem Maße erworben hat.






Flur-, Orts-, Fluß- und Wegenamen




Alter Deich:
gehörte zum ältesten Außendeich Moorburgs; nach 1600 wurde er Binnendeich und Straße.
Achdern Höwen:
hinter den Höfen liegendes Weideland
Borgsand:
Burgsand; ein Sand, der sich im Süderelbestrom vor der Burg bildete.
Bostelbeek:
ein Bach, der seinen Ursprung in der Haake hatte und in der Landscheide mündete. Borstel = Borstall, als Stall einer bur- oder Bauernschaft, um dem weidenden Vieh Schutz zu geben. Beek = Bach. Der Prediger P. L. Cropp berichtet noch 1831, daß anläßlich der Besuche und Mahlzeiten der Landherren im Pastorat zu den Kirchenvisitationen die Höfner verpflichtet waren, das Trinkwasser aus der Bostelbeek heranzufahren. Heute nur noch die Ortschaft, die zu Harburg eingemeindet ist, vorhanden.
Blumensand:
ein Sand, der sich vor dem "oberen" Moorburg im Elbstrom gebildet hat und durch seinen Blumenschmuck, insbesonders der Schachblumen (Fritillaria melagris) berühmt ist. Er wird durch die "Rönne" vom Außendeichsland getrennt.
Brackland:
zum Besitz Nr. 35 gehörig; hier befand sich früher ein Brack, das zugewachsen war und später ganz zugeschüttet worden ist.
Brook:
ein Stück Land hinter der Burgschmiede. Brook oder Bruch ist ein sumpfiges Stück Land.
Burgweg:
nach Aufteilung der "Kohlhöfe" (im Jahre 1870) angelegte Sttraße in der Nähe des Burggrundstücks. Gebaut 1894-1895.
Domland:
nach 1789 im Hause des Landvogts Harms meistbietend nur an Moorburger verpachtet, es war im Besitz des Hamburger Domkapitels. Die Pacht die "geil und Gare", betrug 1790 etwa 100 Mark Kur. jährlich.
Dubben:
Moorländereien auf preußischen Gebiet, die von Moorburger Pächtern als Gemüseland ausgenutzt werden. Dobbe = niedriges, sumpfiges Land.
Duppelte Reeg:
Doppelte Reihe von Häusern von der Kirchenstegel bis zur Schleuse bei R. Müller.
Düwelkuhlen:
Teufelskuhlen; unheimlicher Ort im Moor; lag etwa beio der BHrücke über die Landscheide, Bauers Weg.
Ellerholt:
der östliche Teil Altenwärders, der zu Hamburg gehört; er war früher mit dichtem Ellergestrüpp (Erle= alnus glutinosa) bewachsen; heute noch einige Exemplare auf dem östlichen Zipfel, dem "Block".
Ewergraben:
im "unteren" Moorburg bei H. Maack. Graben in dem die Torfewer festmachten; auch bei anderen Gehöften noch gebräuchlich.
Fregen:
mndsch. fredinge=Einfriedung; seit 1927 zugeschütteter, breiter Graben im unteren Moorburg, parallel dem Deich. Grenzte ursprünglich Gemeindeland ab, von dem die Höfner kostenlos Erde zur Befestigung und Ausbesserung der Deiche holten.
Geestkamp:
Kamp = Feldstück. Wurde regelmäßig an Geestbauern zur Heugewinnung verpachtet.
Glindesmoor:
lag zwischen Oste und Hamme. Glind = Umzäunung; vielleicht also das von den Geesthöhen eingeschlossene Moor. (Förstemann, Altdeutsches Namensbuch, Bonn 1913). Wahrscheinlicher ist die Deutung aus Glint = herausschimmern; für kurze Augenblicke sichtbar werden. Danach wäre der Name in der ältesten Zeit entstanden, als das Moor nur bei Ebbe sichtbar wurde, bei Fluten aber höchstens mit einigen Schilf und Gestrüpp sichtbar war.
Glindessteert:
noch heute gebräuchlich für das letzte Ende des Dorfes im Westen. Der Deich bildete hier einen Steert, eine Spitze.
Grusort:
der Name hat sich für das untere Ende Moorburgs gebildet, als man hier noch einen lebhaften Torfhandel trieb. Grus = zerbröckelter Torf, der beim Ausladen der Ewer in ihnen liegen blieb und zur Aufhöhung des Vorlandes benutzt wurde. Die "Grusorter" nannte man im Scherz "de Mullhäuhner", einmal, weil sie im Torfmull wühlten, andermal aber, weil ihre Abgabe an den Burghauptmann für das Privileg des Torfstechens in Rauchhühnern bestand. Sie rächten sich dafür, indem sie die Mädchen der "oberen" Moorburger "Peterzilljenderns", die Altenwärder aber "de Buckrieder" nannten.
Hoge Schor: (Hohe Schaar)
shore = Strand, Ufer; im Englischen noch gebräuchlich. Es war also eine Insel, deren Ufer höher aus dem Fluß herausschauten als die Sande der Nachbarschaft.
De Hoken:
Grabenstück im "unteren" Moorburg im Außendeich, das hakenförmige Krümmungen hat.
Karkenland:
die Warft am Kirchdeich, auf der einst die alte Kirche stand.
Karkenmur:
Kirchenmoor. War bis 1631 Gemeindeland gewesen; da es für die Torfgewinnung untauglich war, wurde es urbar gemacht und unter dem Prediger Werner Meyer 1632 der Kirche geschenkt; es war bis 1875 an 10 Höfner und Kätner verpachtet gewesen,1) die auch die Deich- und Schleusenlasten getragen hatten. 1875 weigerten sich die Pächter, die Pachtsumme zu erhöhen; sie wiesen durch ein Dokument von 1641 nach, daß sie das Land in Erbpacht besaßen. Der Kirchenvorstand einigte sich schließlich mit 6 Pächtern auf Ablösung der Erbpacht durch Zahlung des dreißigfachen Betrages.
Karröp, Karkdörp
= Kirchdorf; die Häuser in nächster Nähe der Kirche.
Karkdiek:
früherer Außendeich, in dessen Nähe auf einer Warft die alte Kirche lag. (Freesische Karte von 1577). Heute Straße nach dem Dubben.
Kattwyk:
liegt jenseits der Süderelbe und des Köhlbrands; die Moorburger besaßen dort die Hamburger Weiden. Kade = Sumpfland (mndtsch.), wik = Bucht; also sumpfige Bucht.
Kneiden, Kneien:
mit stark geköpften Weiden bestandenes Vorland; ihre Zweige wurden zum Korbflechten gebraucht.
Kortenkamp
= kurzes Feldstück, liegt am Kirchdeich.
De Klei:
Feldstück hinter der Kirche am Querweg mit kleiigem, d.h. lehmigen Boden.
Langenkamp:
langes Feldstück am Kirchdeich.
Möhlenweg:
Mühlenweg, bei der zweiten oberen Schleuse; hier stand ursprünglich eine Wassermühle mit eingebauten Korngang.
Moorburg:
ursprünglich nur Bezeichnung für die im Jahre 1390 im Glindesmoor gebaute Burg, später wurde - nach den "Slotbökern" seit 1642 - das ganze Hamburger Gebiet um die Burg so benannt.
Moorkaten:
Einige Katen im Moor, in der Nähe der Grenzscheide, die vo jeher eine Art Eigenleben in der Gemeinde geführt haben. Wahrscheinlich ist diese Siedlung älter als die im Jahre 1309 am Kirchdeich erbaute Kirche Moorburgs. In den Zeiten der Kontinentalsperre und vor Einbeziehung Moorburgs in das Zollgebiet spielten sie im Schmuggel eine bedeutende Rolle. Im Ritscher'schen Haus ist noch heute ein in die Diele des Heubodens eingebautes Versteck vorhanden.
Neuer Deich:
Nee Diek, ist der zuletzt gebaute, also neueste Deich Moorburgs, der "Westerhäusen" mit Francop verband; angelegt wurde er um 1600.
Pagensand:
Page ist ein mittelniederdeutsches Wort dunklen Ursprungs für Pferd. Diese Insel wurde also wahrscheinlich als Pferdeweide benutzt.
Plöner See:
das im "oberen" Moorburg liegende, mit einem Sommerdeich umschlossene Außendeichsland beim Eisschuppen, das im Winter unter Wasser gesetzt wird, um Eis zu Sägen. Der erste Besitzer war ein Plön. Im Sommer wird das Land als Weide verpachtet.
Powern Ort:
vom Französischen pauvre = arm. Eine Stelle, wo das Land wegen ungenügender Entwässerung schlechte Erträge brachte.
Ralann:
Rade- oder Rodeland; ursprünglich der Name für das ganze Land südlich der Burg, das von den Burgleuten gerodet worden war., um es als Ackerland und Viehweide zu gebrauchen.
Reetwisch:
alte Bezeichnung des Stückes zwischen dem "hogen Stück" (bei Stehr) und dem Kirchdeich; war vor 1300 Außendeichsland und mit Ret bestanden, das die Siedler zum Dachdecken verwandten, hochdtsch. also Retwiesen.
Rönn:
Rinne oder Prielmulde zwischen dem Vorland und den angeschwemmten Sanden und Wärdern.
Schwabestraße:
Verlängerung des Burgwegs; die Straße erhieltn ihren Namen nach Inspektor Schwabe. Sie wurde 1894-95 angelegt.
Swedscher Bom:
Schwedischer Baum. Bezeichnung für das westlichste Ende Moorburg. Mit dem Friedensschluß von Münster und Osnabrück (1648) fiel der nördliche Teil Hannovers (also auch Francop usw.) als Erzbistum Bremen an Schweden. Ein Schlagbaum auf dem Deich, der Swedsche Bom zeigte die Grenze des Hamburger Gebiets an.
Scheidegraben:
Graben, der die Höfe voneinander scheidet; der Landscheidegraben scheidet Hamburg vom Hannoverschen Gebiet; auf alten Karten "Snede" genannt; also ein Graben, der das Hamburger Besitztum abschneidet.
Schapsweiden:
Feldstücke am Kirchdeich; erinnert an die Zeiten als die Moorburger noch Schafsherden hatten, die auf die "Drift" ins Moor getrieben wurden.
Up dem Horn:
vorspringende Landzunge; heute Blankaus Salon.
Up der Luchten:
Deichstück zwischen "Blankau" und "Stehr", das wahrscheinlich noch "lucht" oder licht, also frei von Häusern und Bäumen war.
Up dem Spieker:
Landstück, auf dem heute die Staatsdomäne steht. Bevor die Hamburger die Burg bauten, hatten sie bereits einen Speicher angelegt, um Korn usw. zu lagern.
Unnen oder nedden und baben:
"Unten" und "oben" in Moorburg sind Ortsbezeichnungen, die auch heute noch gebräuchlich sind. Die Burg war der Mittelpunkt des Dorfes, westlich davon lag das Land tiefer, östlich höher. Danach unterschied man auch einen Oben- und einen Untenburger Deichverband. Wer zu dem ersteren gehörte, wohnte oben, wer zum letzteren gehörte, unten.
Wettern, früher Wäterungen;
also Gräben, die das Land entwässern sollten. Mit "Wetterputen" bezeichnet man die in ihnen in großer Zahl lebenden Schlammpeitzger, aalartige Fische mit ledergelber bis brauner Färbung. Sie kommen in sauerstoffarmen Gewässern oft nach oben, um mit dem Maule Luft aufzunehmen und nicht etwa "um das Wetter zu machen". Wetterputen = Wasserputen.
Wiesenschenke:
an der Landscheide im oberen Moorburg; heute durch einige Birken angezeigt. Früher, als der "Moorburger Hof" noch Tanzlokal war, führte hier der Hauptverkehrsweg nach der Haake vorbei. Kurz vor der Brücke über die Landscheide stand eine hölzerne Bude, in der Erfrischungen an die Ausflügler verkauft wurden. Die "Moorburger Treckerwerke" sperrten den Weg, und die Schenke ging ein.
Worth, up de Worth:
Name für das Gelände, auf dem heute Bank und Wasserturm stehen. Es ist die Warft gemeint, auf der einst die Moorburg stand. Sie wurde 1819 abgetragen.


1) Namen im Anhang




Statistisches



Nach der Berufs- und Gewerbezählung vom 15. Juni 1895 besaß Moorburg:
268 landwirtschaftliche Betriebe; in 42 wurde nur eigenes Land, in 99 nur gepachtetes bewirtschaftet.
An Landwirten ohne Nebenberuf gab es 85, an Landwirten mit Nebenberuf gab es 85, an Landwirten mit Nebenberuf gab es 14. Landwirtschaft nur als Nebenberuf; Hauptberuf im Gewerbe und Handel 97.
Die landwirtschaftlich genutzte Fläche betrug 842,25 ha; es bewirtschafteten:
2 Einwohner weniger als 1 a (=100 qm)
41 Einwohner 1 bis 5 a
70 Einwohner 5 bis 20 a
69 Einwohner 20 a bis 1 ha
32 Einwohner 1 bis 5 ha
47 Einwohner 5 bis 20 ha
7 Einwohner 20 ha und mehr.

Im Jahre 1927 besaß Moorburg:
300,00 ha Ackerland
58,00 ha Obstanlage
35,63 ha Gärten
261,18 ha Wiesen
143,82 ha Viehweiden
1,95 ha Korbweidenanlagen
36,15 ha Haus- und Hofräume
14,86 ha Friedhof und Wegeland
86,30 ha Gewässer

1811 hatte Moorburg eine Ausdehnung von 745 Morgen (1 Hamburger Marschmorgen zu 600 Quadrat-Ruten, 1 Quadrat-Rute zu 196 Quadrat-Fuß).
1875 von 873,1 ha (40 ha Ackerland, 245 ha Wiesen und 507 ha. Viehweiden).




Einwohner
Jahr Haushaltungen Einwohner
männlich
Einwohner
weiblich
Insgesamt Wohnhäuser Höfner Kätner Einwohner
(Heuerlinge)
1585 - - - 400 - 30 16 -
1612 - - - 600 - 30 62 -
1784 - Männ. 329
Knechte 52

Kinder:

Frauen 382
Mägde 76

 618

1457 - - - -
1796 - Männ. 314
Knechte 99

Kinder:

Frauen
Mägde 58

 562

1383 - - - -
1811 - - - 1616 - - - -
1821 - - - - - 48 146 152
1834 - - - 1773 - - - -
1838 - - - - - Vollh. 34
Halbh. 16
144 123
1871 390 873 926 1799 281 - - -
1900 404 875 907 1782
1913 476 991 986 1977
1919 478 914 965 1879
1925 513 1998
1926 528 1962
1927 532 1018 984 2002
10.10.1928 540 1036 1004 2040





Viehzählungen
Jahr Pferde Rindvieh Schweine Schafe Ziegen Hühner Gänse Enten Bienenstöcke
1811 120 592 74 - - - - - -
1871 144 810 210 54 161 - - - -
1925 - 1396 1213 37 109 2121 80 227 -
1927 290 1074 3426 16 90 Federvieh: 4615 32
1928 247 1069 2413 7 78 Federvieh: 4602 15





Anhang



Verzeichnis der evangelischen Prediger Moorburgs1
Dirich Albers oder Alberdink
1528-1565
Philippus Schetlichius
1565-1567
Jürgen Georgius Wichgrewe
1568-1585
Christopherus Gallus (Hane)
1585-1596
Werner Meier
1597-1639
Magister Heinrich Hülsemann
1639-1640
Georg Leopold Barsönius
1641-1664
Magister Johannes Becker
1665-1693
Thomas Schmidt, starb während seiner Abschiedspredigt in Groden
1693
Magister Johann Musick
1693-1719
Franciscus Wolff
1720-1721
Johann Nicolaus Rüter
1721-1731
Johann Albert Wilde
1732-1758
Christian Gottlob Baumgarten
1758-1788
Paul Lorenz Cropp, als Adjunkt ab 1786
1788-1830
Friedrich Matthias Perthes
1830-1859
Magister Carl Peter Hüpeden
1859-1866
Dr. phil. Johannes Cropp (Enkel)
1866-1881
Friedrich Hermann Stüven
1881-1923 gest. 1929
Adolf Pasewaldt
1929-1926
Geo A. Gerdts
erw. 14.10.1926
1) Nach einem Verzeichnis des derzeitigen Predigers an der Moorburger Kirche, Herrn Pastor Gerdts




Moorburger Grundbesitzer 1577

I. Nedden der Borg (von der Burg beginnend)
1. Clawes Richerdes
2. Hans Bokelen
3. Karsten Brant
4. Bartelt Gerken
5. Ties Gerken
6. Clawes Richers
7. Cort Schwartow
8. Carsten Brant
9. Cort Schwartow
10. Hans Bekelen
11. Heine Wenken
12. Laverenz Hermens
13. Herme Meyer
14. Hans Schwartow
15. Benedictus Schelen
16. Jochim Reimers
17. Johann Nibbe
18. Lutke Düvel
19. Heinrich Robbeke
20. Jochim Reimers
21 Johan Niebe
22. Hein Stilken
23. Johann Nibbe
24. Hein Robbeke
25. Jochim Reimers
26. Hein Stilkens
27. Heinrich Robbeke
28. Lutke Düvel
29. Hans Eise

II Baben der Borg
1. Pastor Dirichs Albers
2. Henre Ruter
3. Steffen Behrs
4. Hans Behrs
5. Stilke Bohms
6. Clawes Düvel
7. Lutkehans Düvel
8. Carsten Brant
9. Annke Boden
10. Hans Ruter
11. Lutke Schriever
12. Hein Meyer
13. Hermann Robbeke
14. Hinrich Matselt
15. Metke Focken
16. Hein Matselt
17. Metke Focken
18. Hans Bokelen
19. Harmen Robbeke

Pächter des Kirchenmoors 1669

1. Clawes Eggers
2. Jochim Warneken
3. Clawes Stülcken
4. Clawes Reimers
5. Johann Nibbe
6. Johann von Riegen
7. Heinrich Düvel
8. Peter Nehus
9. Jost Meyer
10. Moritz Eckelmann

Verzeichnis der Moorburger Grundbesitzer mit Wertangabe ihrer Höfe 1713

   1. Jochim Wriede    2760 Mark Kur.
   2. Peter Kranz (2 Höfe)    5880 Mark Kur.
   3. Claus Boyen    2760 Mark Kur.
   4. Jochim Boyen    3000 Mark Kur.
   5. Hans Harms    2340 Mark Kur.
   6. Claus Boje    3180 Mark Kur.
   7. Hans Rüter    4200 Mark Kur.
   8. Claus Stölcken    3360 Mark Kur.
   9. Harburger Hof 7,5 Morgen, ist verheuret1    4500 Mark Kur.
   10. Hans Külper    1920 Mark Kur.
   11. Hans Flüggen    3840 Mark Kur.
   12. Joh. Brandt    3600 Mark Kur.
   13. Hein. Schwartau    1680 Mark Kur.
   14. Paul Reimers    4800 Mark Kur.
   15. Cordt Detgens    1680 Mark Kur.
   16. Pastoren Land, 10 Morgen    4800 Mark Kur.
   17. Cämmerey, verheuret an Stoltz, 50 Morgen    51000 Mark Kur.
   18. Johann Harms, Landvogt, 10,5 Morgen    5100 Mark Kur.
   19. Jochim Harms    2880 Mark Kur.
   20. Heinr. Stadtler    10080 Mark Kur.
   21. Joh. Reimers    7920 Mark Kur.
   22. Joh. Harms    2700 Mark Kur.
   23. Joh. Feltmann    1980 Mark Kur.
   24. Wilh. Harms    3060 Mark Kur.
   25. Heinr. Reimers    5400 Mark Kur.
   26. Schmits Hof, verheuret 19 Morgen    17000 Mark Kur.
   27. Hans Eggers    5040 Mark Kur.
   28. Claus Schwartau    4200 Mark Kur.
   29. Henning Flügge    4800 Mark Kur.
   30. Hans Vorieß, 23 Morgen    10320 Mark Kur.
   31. Heinrich Dierks    1440 Mark Kur.
   32. Lorenz Harms    3180 Mark Kur.
   33. Hans Schwartau    2100 Mark Kur.
   34. Claus Nehus    1500 Mark Kur.
   35. Joh. Dierk Flügge    1500 Mark Kur.
   36. Jochim Renck    1500 Mark Kur.
   37. Jochim Jaar    5040 Mark Kur.
   38. Becke Nibben    3600 Mark Kur.
   39. Stölcken Hoff, 21 Morgen, ist verheuret    15120 Mark Kur.
   40. Joch. Diercks, 17 Morgen    8040 Mark Kur.
   41. Claus Stölcken    1680 Mark Kur.
   42. Peter Harms    4320 Mark Kur.
   43. Siemon Volmers    4320 Mark Kur.
   44. Lorenz Harms    2040 Mark Kur.
   In Glinstert 7 Morgen    2520 Mark Kur.
   45. Domherren Land, 16 Morgem, ist verheuret    8000 Mark Kur.
1) verheuret, verhuret = verpachtet. Der Marschmorgen hatte etwa die vierfache Größe des Kahlenberger gewöhnlichen Morgen und betrug 96,58 a (1 ha = 100 a = 10000 qm).

Diese Liste wurde aufgestellt, um eine Umlage von 7763 Mark Kur. zu erheben, die Moorburg zu der an den russischen General Fürst Menzikoff zu zahlende Satisfaktionssumme von 200 000 Mark Kur. zu entrichten gezwungen war. Moorburgs Kapital in Grundbesitz wurde danach auf insgesamt 250 480 Mark Kur. eingeschätzt.





Namen der Milchleute im Jahre 1814


1. Heinrich Lüdders
2. Peter Barthels
3. Peter Garbels
4. Hinrich Bornhorst
5. Wilhelm Ahlers
6. Hans H. C. Meyer
7. Hinrich Heins
8. Hans Peter Kämpfer
9. Jacob Meyer
10. Johann Faye
11. Ludwig Behncke
12. Friedrich Prigge
13. Jacob Wortmann
14. Joachim Hinr. Harms
15. Joh. Lütgens
16. Carl Werdier
17. Christopher Rübcke
18. Hans Christ. Treder
19. Joach. Hinr. Behncke
20. Ww. Böhrs
21. Hinrich Lütgens
22. Claus Math. Stölcken
23. Hans Christ. Behrens
24. Peter Bartels
25. Christopher Marquardt
26. Nikol. Voß
27. Hinr. Wulff
28. Joh. Hinr. Roggenbuck
29. Joh. Harms
30. Lorenz Schwartau
31. Jacob Schierhorn
32. Peter Blankau
33. Peter H. Wortmann
34. Johann Rübcke
35. Joh. Joach. Meyer
36. Joh. Rübcke
37. Peter Rübcke
38. Joachim Meyer
39. Joh. Peter Meyer
40. Jacob Schuldt
41. Ww. Eckelmann
42. Peter Brunkhorst
43. Henning Gerkens
44. Friedrich Grünewald




Ehrentafel


Es starben im Weltkrieg 1914-18 den Heldentod:

1. Rudolf Baldi, 30. Juni 1915
2. Claus Boye, 9. November 1918
3. Johannes Böttcher, 26. September 1914
4. Heinrich Bremer, 27. Mai 1918
5. Rud. Burmester, 18. Juni 1918
6. Nikol. Bollmann
7. Johannes Bollmann
8. Hermann Eggers, 11. April 1915
9. Julius Eggers, 11. September 1915
10. Paul Franz, 23. Juni 1916
11. Friedr. Gabler, 11. Februar 1916
12. Adolf Gamlien, 24. September 1915
13. Hinrich Gerkens, 6. März 1916
14. Wilhelms Gerkens, 31. August 1916
15. Benno Gräseke, 14. September 1916
16. Heinrich Harms, 19. August 1920
17. Wilhelm Harms, 11. Oktober 1918
18. Rudolf Heims, 6. Mai 1915
19. Georg Heyken, 1. Juli 1915
20. Otto Heyken, 6. Januar 1915
21. Georg Hoffmann, 19. Oktober 1916
22. Hermann Hubert, 6. Januar 1917
23. Konrad Hubert, 8. Oktober 1918
24. Heinrich Jenzen, 15. Februar 1916
25. Hans Kämpfer, 24. September 1915
26. Friedrich Koch, 22. April 1915
27. Georg Kögler, 9. August 1916
28. Adolf Körbelin, 10. Oktober 1914
29. Friedrich Kröger, 6. Oktober 1914
30. Heinrich Kröger, 25. Oktober 1914
31. Otto Mahnke, 31. Mai 1918
32. Wilhelm Marquardt, 9. April 1918
33. H. O. Matthees
34. Fritz Meyer, 8. April 1918
35. Adolf Meyer, 29. Juni 1918
36. Heinrich Meyer, 9 Oktober 1917
37. Rudolf Meyer, 24. Oktober 1918
38. Nikol. Mecklenburg, 21. Dezember 1915
39. Hermann Mischan, 9. Juni 1918
40. Otto Mojen, 1. Juli 1915
41. August Müller, 16. Juli 1918
42. Heinrich Otte, 28. September 1915
43. Heinrich Pengel
44. Adolf Pein, 2. Mai 1915
45. Emil Pein, 27. September 1918
46. Hans Prahl, 30. März 1918
47. Adolf Rademacher
48. August Rehder, 4. Juni 1917
49. Walter Renck, 25. August 1918
50. Otto Ritscher, 26. April 1917
51. Karl Rubbert, August 1916
52. Rudolf Rübke
53. Fritz Schulze, 18. Juni 1915
54. Nikolaus Schwartau, 16. Mai 1915
55. Heinrich Stöver, 14. Oktober 1916
56. Gerhard Stüven, 4. November 1914
57. Heinrich Stüven, 1. Juni 1916
58. Heinrich Thiedemann
59. Wilhelm Bauteck, 5. Januar 1917
60. Wilhelm Versemann, 25. November 1915
61. Heinrich Wenst, 28. Mai 1918
62. Karl Wente, 11. Dezember 1918
63. Karl Werdier, 29. März 1918
64. Albert Werneburg
65. Adolf Westhusen, 24. Mai 1915
66. Heinrich Westhusen, 28. Dezember 1917
67. Heinrich Westphalen, 3. Dezember 1918
68. Heinrich Wolter, Frühjahr 1918
69. Rudolf Zeyn, 6. August 1918
70. Johannes Zogbaum, 27. April 1915
71. Otto Flügge, 21. Juni 1916






Ein Überlassungskontrakt der Familie Harms, Nr. 207,
vom 16. Nov. 1826


Zu wissen, daß unter heutigem dato zwischen Johhann Harms in Moorburg, und deßen Sohn, Johann Harms, in Mitunterschrift deßen einziger Tochter Sophia geboreren Harms und deren Ehemanner Johann Eberhard Corleis, folgender Ueberlassungs-Contract ist errichtet und vollzogen worden.

1.

Es überläßt der erwähnte Vater Johann Harms sein ganzes Gehöfte, als nemlich sein Wohnhaus mit den dazu gehörigen Gebäuden, als Kathen und Scheunen, und alle die zum Gehöfte gehörigen, binnen und außen Deichs Ländereyen und Moore, benebst allen Mobilien und allem Hausgeräth, Vieh und Fahrns, Kirchenständen und Begräbnis, Nichts ausgenommen, es mag benannt oder nicht benannt seyn, außer dem, was im Folgenden als Ausnahme erwähnt ist, mit aller Gerechtigkeit und allen Pertinentien und Nutzungen, so wie er es jeder Zeit im ruhigen Besitz und Gebrauch gehabt hat, an seinem einzigen Sohn, Johann Harms und deßen Erben und Erbnehmer, um und für die Summe von 11500 Mark, schreibe Elftausend fünfhundert Mark, nach der Münzsorte, so wie im Landbuche geschrieben steht: und übernimmt der Sohn diese Summe theils in den Pösten, womit das Grundstück beschwert ist, theils in väterlichen Handschriften.

2.

Diese Annehmungssumme muß der Annehmer jährlich mit vier Prozent verzinsen, und nach einer halbjährlichen Loskündigung bezahlen.

3.

Johann Harms, der Sohn, als Annehmer, muß seinem Vater an seinem Tische speisen und tränken, auch in reiner Wäsche, im Nähen und Flicken auch Strümpfestopfen unterhalten.

4.

Der Sohn verpflichtet sich, dem Vater wöchentlich zwey Mark Taschengeld, welches am Schluße jeder Woche erlegt werden muß, geben.

5.

Ueberdem muß der Sohn dem Vater noch achtzehn Mark jährlich zur Leinewand, so auch vier Himten Aepfel und zwey Himten Birnen, beyder von der besten Sorte die auf dem Gehöfte wachsen, geben.

6.

Auch will der Vater, so lange er nicht den Altentheil bekömmt, seinen Stuhl beim Ofen behalten, auch den Platz zur Bettstelle nach Gefallen wählen, weil er in die kleine Stube die Witwe Cantorin bey der hohen Wasserfluth aufgenommen; und ihr, so lange wie sie lebt, darin Wohnung versprochen hat.

7.

Sollte, wider Verhoffen, der Vater sich mit seinem Sohne wegen Eßen und Trinken, oder in einer Stube nicht vertragen können, so muß der jetzige Annehmer des Gehöftes alsdann dem Vater die Stube und Küche an der Ost-Seite des Hauses einräumen, und die Stube und Küche mit dem Nothwendigen, als Tisch, Bett, Stühlen und Spiegel versehen, und den Vater daselbst mit Feuerung, Licht und reiner Wäsche unterhalten, auch demselben sein gutes Eßen und Trinken zubereiten, wie er es verlangt, ihm aufwarten, ihm täglich das Bett machen, und die Stube rein und in Ordnung halten, auch im Winter den Ofen heitzen so wie der Vater es verlangt. Er muß ihm ferner jede Woche zwey Mark Taschengeld und jährlich dreyhundert Mark zum Altentheil geben, und zwar muß diese letzte Summe halbjährlich, nämlich Ostern und Michaelis bezahlt werden. Auch will der Vater, wenn er unter vorbeschriebener Bedingung die kleine Stube des Hauses bezieht, das Hausgeräth mitbrauchen. Wenn aber der jetzige Annehmer, Johann Harms, wider Vermuthen eher sterben sollte als der Vater, so behält dieser sich bevor, seinen Altentheil außer dem Hause, wo es ihm am besten gefällt, zu verzehren. Wenn demnach der Vater seinen Altentheil außer dem Hause verzehren will, so soll ihm deshalb von dem künftigen Besitzer nicht das Mindeste in den Weg gelegt werden. Auch muß der Besitzer, wenn der Vater seinen Altentheil außer dem Hause verzehrt, demselben für Feuerung und Licht jährlich funfzig Mark geben. Sollten beide Eheleute der Annehmer und seine Frau, vor dem Vater versterben, so behält dieser lebenslang den Garten an der Ostseite des Hauses mit zum Altentheil.

8.

Außerdem muß auch der Annehmer, wenn der Vater die Kirche oder einen Freund besuchen will, denselben auf sein Verlangen dahin fahren laßen.

9.

Wenn also der Vater den Altentheil bekömmt, so muß der Sohn ihm wöchentlich zwey Mark Taschengeld und jährlich achtzehn Mark für Leinewand, ferner dreyhundert Mark, auch für Feuerung und Licht fünfzig Mark geben, und die erwähnten Aepfel und Birnen in natura liefern.

10.

Sollte der Vater krank und bettlägerig werden, so muß der Sohn ihn sorgfältig hegen und pflegen und mit dazugehörigen Medicamenten auf des Sohnes Kosten versorgen; sollte der Vater versterben, so muß der Sohn ihn standesmäßig beerdigen zu laßen: jedoch sollen die Beerdigungskosten von dem väterlichen Capital genommen werden.

11.

Da des Abnehmers Johann Harms Schwester, Sophia Harms, deren Ehemann Johann eberhard Corleis, ein Erbe gekauft, wozu des väterlichen Capitals mit verwandt ist, so muß dieselbe dem Annehmer des Gehöfts oder deßen Erben, nach des Vaters Tode, die Hälfte des Capitals zurückbezahlen, und falls sodann das Gehöfte dem Uebernehmer oder deßen Erben noch nicht zugeschrieben worden, in solche Zuschreibung, gleich nach der ersten Verlastung, consentiren.

12.

Da die Tochter Sophia die mütterlichen Kleidungsstücke erhalten, und als sie sich verheiratet hat, der Vater das Silberzeug unter die beyden Kinder (jedem die Hälfte) getheilt, so fallen nach des Vaters Tod dem Sohn Johann die väterlichen Kleider Landüblich zu.

13.

Wenn nun Vorstehendes von dem Annehmer treulich zu befolgen und zu halten gewißenhaft ist angelobt worden, so wird er über gedachtes Gehöftes mit Zubehör in die völlige Poßeßion und Beherrschung gesetzt, also, daß er es als sein Eigenthum ansehen und damit schalten und walten möge, wie es ihm am besten und nützlichsten seyn kann. Jedoch bleibt das Gehöfte für die pünktliche Folgung aller jeder Stücke zum Unterpfand

14.

Deßen allen zur Urkunde und zur Verpflichtung ist dieser Contract von beiden Contrahenten, in Mitunterschrift der Schwester des Annehmers und deren Ehemanner, unter Begebung aller ersinnlichen Einreden, besonders der Beredung, der Verletzung, der Wiederherstellung in den vorigen Stand, und daß ein allgemeiner Verzicht nicht gelte, wenn kein besondrer vorhergegangen, nach deutlicher Vorlesung zur unverbrüchlicher Festhaltung unterschrieben worden beym Verband ihrer Haabe und Güter und Unterwerfung der promptesten Extra juridicial Execution.







Verträge aus dem Hamburger Staatsarchiv sowie dem Hamburger und Lüneburger Urkundenbuch, Moorburg betreffend.





Bischof Friedrich I. und das Domkapitel zu Verden
urkunden über die Vereinbarung, die der Ritter Willekin von Stade und sein Sohn Arnold in Anlaß der Erbauung der Kirche zu Moorburg und Rethwisch wegen der Abtrennung dieser Marschländereien von der Kirche zu Wilstorf mit dem hamburgischen Domkapitel getroffen haben.

19. August 1309.

Fredericus Dei gratia episcopus ecclesie Verdensis, Gheltmarus cadem gratia decanus et totum capitulum eiusdem ecclesie omnibus in perpetuum presencia visuris notum facimus, quod dominus Willikinus dictus de Staden miles et Arnoldus eius filius cum honorabilibus viris dominis decano et capitulo ecclesie Hamburgensis, prout in eorum publicis vidimus instrumentis, pro ecclesia, quam in Glindesmor et Redwisch in eorum iudicio civili de novo edificaverumt, abstracta ab ecclesia Willestorpe tamquam filia con cordaverunt in hunc modum.
Dominus Wilikinus et Arnoldus eius filius iam dicti decem marcarum redditus perpetuos plebano in Willestorpe assignaverunt pro defectu, quem habet de abstractione paludensium predictorum. De quibus decem marcis iidem paludenses arbitrati sunt dare sub perpetuo odinggo quinque marcas Harnburgensium denariorum in quolibet crastino Martini, quas schabini et schultetus ipsius paludis dicto plebano ipso die in suo domicilio presentabunt. Quod si non fecerint, ex tune infra quindenam moniti duplum solvere tenebuntur. Quod duplum si infra eandem quindenam non solverint, plebano in Willesdorpe querimoniam deferente, quicunque ex nobis archidiaconus eiusdem loei Willestorpe fuerit, immediate divina suspendet et omnia sacramenta, que potent, cum ecclesiastica prohibebit sepultura. Pro reliquis quinque marcis sepedicti Willikinus et Arnoldus ipsius filius pro se et eorum successoribus assignaverunt tria frusta paludensia et dimidium campanario pro suo dampno, quorum duo sita sunt in Lowenbroke, tercium cum dimidio campanarii in Lowenwerdere in locis distinctis in privilegio principali. Quos redditus et bona ad usus piebani in Willesdorpe et campanarii ibidem ad ius spirituale in nostram protectionem acceptavimus et recipimus in hiis scriptis. Clericos eciam, cuiuscunque condicionis vel ordinis fuerint, qui divina in eadem ecclesia tempore, suspensionis predicte, nisi aliquod mandatum superius pretendant, celebrare presumpserint, denunciari mandabimus, quando a plebano in Willesdorpe fuerimus requisiti, communiter vel privatim. Datum anno Domini MCCC nono, in die Magni martiris.



Übersetzung des lateinischen Textes.

Wir, Friedrich von Gottes Gnaden Erzbischof der Kirchen zu Verden -, Cheltmar, durch dieselbe Gnade Dekan,- sowie das ganze Kapitel jener Kirche geben hiermit für ewige Zeiten allen, die dieses (diese Urkunde) einsehen werden, kund daß Herr Willekin, genannt von Stade, ein ritterlicher Herr, und Arnold, sein Sohn, samt den edlen Männern und Herren, dem Dekan und dem Kapitel der Kirche zu Hamburg, wie wir in ihrer öffentlicher Beurkundung gesehen haben, (gemeit ist eine von von dem Hamburger Kapitel ausgestellte öffentliche Urkunde, auf die auch weiter unten Bezug genommen wird), zu Gunsten der Kirche, die sie im Glindesmoor und Redwisch in ihrem Niedergerichtsbezirk neu errichtet haben, als eine von der Kirche zu Wilstorf abgeteilte Filialkirche, folgende Vereinbarung getroffen haben:
Die schon benannten Herren Willekin und sein Sohn Arnold haben dem Pfarrherrn zu Wilstorf als Entschädigung für den Ausfall den jener durch die Abtrennung des oben erwähnten Marschgebietes hat, 10 Mark ständiger Einkünfte zugewiesen. Von diesen 10 Mark sind dieselben Marschleute übereingekommen, als immerwährenden Zins 5 Mark Hamburgischen Pfennige zu geben zu einem gewissen Martinitag, die die Schöffen und der Schultheiß jenes Marschgebietes dem besagten Pfarrherrn an jenem Tage in seinem Hause zu überreichen haben.
Wenn sie dies unterlassen, sollen sie von da an gerechnet binnen 14 Tagen das Doppelte zu zahlen aufgefordert und angehalten werden. Wenn sie binnen jener 14tägigen Frist das Doppelte nicht bezahlt haben soll, wer auch immer von uns Archidiakon jenes Ortes Wilstorf sein mag, noch anhängig gemachter Klage seitens des Pfarrherrn von Wilstorf unverzüglich die Gottesdienste suspendieren und alle Sakramente, wie es ihm rechtlich zusteht, samt dem kirchlichen Begräbnis zu verbieten. Betreffs der restlichen 5 Mark haben die oft genannten Willekin und Arnold, sein Sohn, für sich und ihre Erben dem Küster (zu Wilstorf) zu seiner Entschädigung drei und ein halbes Stück MArschland zugewiesen, von den 2 in Lauenbruch, das dritte sowie sowie das halbe Küsterstück in Lauenwerder an verschiedenen Plätzen innerhalb des fürstlichen Privilegiums gelegen sind. Jene Einkünfte und Grundstücke haaben wir zur Nutznießung des Pfarrherrn in Wilstorf und des Küsters ebendort in unsere Oberhoheit genommen und bestätigen solches in dieser Urkunde. Wir gebieten auch, allen Geistlichen, einerlei, welchem Stand und Orden sie auch angehören mögen, die es unternehmen, in jener Kirche zur Zeit der oben erwähnten Suspendierung Gottesdienste abzuhalten, falls sie nicht einen höheren Auftrag aufweisen können, auf Ersuchen des Pfarrherrn von Wilstorf öffentlich oder privatim zu denunzieren.

Gegeben im Jahre des Herrn 1309 am Tage des großen Märtyrers.



Vertrag, in dem die Söhne des Manegold und des Georg von Hidzaker
und Ganz von Hidzaker ihren Vettern, dem Diedrich, Gerhard und Georg
von Hidzaker das Glindesmoor überlassen. 17. Februar 1353.


Wy Ghus manegold, Clawes brodere, hern manegoldes kindere, unde wy, hannes dyderik, Albrecht brodere, hern Jurgeses kindere, unde ik, Ghanz Gherdes sone, alle gheheten van hydsaker unde alle sakeweldighen, wy bekennen unde bethugen in dessem openen brewe alle de en Seen edder horen lesen, dat wy myt willen unde mit vulbort alle user rechten erwen hebben ghelaten unde vor laten use erwe, de Glyndesmoer myt alle syner to behoringhe alse us use elderen erwet hebben, hern Dyderike unde Gherde unde Jurgese, alle gheheten van hyddzackere, usen lewen vedderen unde eren rechten erwen, dat se don unde laten moghen myt dessem ghude, wat se willen, unde icht en des wes leddich edder los worde, so beholde wy edder use erwen nicht an dessem vorbenometen ghude unde scholen en desses ghudes warende wesen, alse eyn recht is unbeworen, wor unde wanne en des behoeff worde. Alle desse vorscrewenen stucke lowe wy entruwen myt ener sampden hant hern Dyderike, Gherde unde Jurgese vorbenomet unde eren rechten erwen unde to erer truwen hant; Bertolde vamme Heymbroke, hern hinrikes sone unde wasmense van dem knesbeke, Ludelwes sone, Stede unde vaste to holdende; to ener bekantnisse desses lowedes hebbe wy unse Ingheseghele witliken henget heten an dessen breef. De is gheghewen na godes bort Dritteinhundert iar in deme dre unde voftigesten iare des anderen Sondaghes in der vasten.

Dem Lüneburger Urkundenbuch entnommen



Der Knappe Jürgen v. Hitzacker, wohnhaft unterhalb Harburg auf dem Moore, schenkt der Moorburger Kirche St. Marien Magdalenen eine Mark Schoß aus einem Landgut bei der unteren Siedewendung und zwar zur Hälfte zu Seelenmessen für sich und seine Familie, zur Hälfte zum Bau der Kirche. 22. Nov. 1354.

Ik, Jurges van Hidzakere knape, de wonet byneden Horborch uppe deme More, bekenne openbare an dessem breve, den ik beseghelt hebbe myd mynem inghesegele, dat ik myd willen unde vulbord al myner erven, de dat to rechte vulborden scolden, hebbe dorch God unde gnade willen myner sele gheven unde upghelaten van staden an to hulpe u s e r kerken sunte Marien Magdalenen, de uppe deme sulven More lecht, de myne elderen stichted unde buwet hebben unde ik se darmede betere, ene mark gheldis in deme scatte, de gheyt van deme lande, daruppe wonet hadde Bertold Wyse, dat dar beleghen is by der nederen sidwendinghe, van deme lande upword to nemende, also verne also dat boren mach, ewich runder hinder myn unde myner erven an desser wis, dat de Kerchere scal hebben de h a 1 v en mark to an-dacht unde to beghande myner unde myner elderen, wanne ik vorkorne, unde myner husvrowen vor Greten, wanne de ok vorekumpt.
De andere halven mark scullen hebben de svorne to der kerken to hulpe to deme buwe. De beschedenen mark gheldis scal men upnemen van deme sulven scatte, de hirvore screven steyt, to allen sunte Mertens daghen, wen me den scad to samebude plecht. Desse ghave wil (unleserlich) hebben ik unde myne erven. Unde hebbe dessen bref darup gheghewen na Godes bord dritteynhundert jar an deme veer unde veftighesten jare an sunte Cecilien daghe der hilghen juncvrowen.





Vertrag zwischen Jürgen van Hidzaker und zwei Hamburger Bürgern
über die Süderelbe. 1373.


Wy, Jurgen van Hidzaker, de dar wonet oppe dem glindesmure, Bertold unde Ludolf sine kindere, bekennen unde bethugen vor allen ghuden luden, de dessen breef seen unde horen lesen, dat we souldich sint van rechter schult Maneken, de dar by uns wonet, unde Heynen, sinem brodere, enem borghere tho Hamborch und eren rechten erwen twe und drutlich mark hamborger pennyghe, de se uns rede dan hebben na willen. Dar hebbe we jum vorghesettet unsse Elwe, de dar nedder gheit by deme olden more, to seb Taren, alse dat se der scholet bruken mit aldem rechte und to behoringhe, dat dar gy tobehort heft und also we se beseten hebbet van unssen elderen. Wan de sob iar umekomen sint, so schole we jum edder ere erwen de vorsprokenen twe und druttich mark wedderghewen tho Sunte Peters daghe, alse he quam up den stol, binnen der Stad Hamborch, mit reden pennighen, alse se uns ghedan hebben. Were dat we des nichten deden, so scholet se de sulwen ehne vort beholen mit absulker rechtegheit, alse hir vor screwen steit, alse langhe warme we jum ere vorscrew gheld wedder ghewen to allen Sunte Peters Daghen vorescrewen unbeworen. Vortmer were dar se edder ere erwen jemch man dar ane hinderde edder bewore, dar schole wy edder unse erwen se van untwere und scadelos ane holen. Alle desse vor screwenen stucke lowe we juges Berrold unde Ludolf sakewolden myt unsen medeloweren de hir na screwen stad, se myd uns unde wy myd jum myd ener samenden hant. Unde wy, hinrik, ludolfes sone, unde Bertold, herren Hinrickes sone, beyde gheheten van dem heymbruke, lowet alle desse vorscrewenen stucke myd Jürgese Bertolde unde Ludolf e den vor sprokenen Maneken unde Heynen, sinem brodere, und ehren rechten erwen stede unde fast to holdende ane jederleye arghe list unde helpe rede entrowen myd ener samenden hant. An dessen brewe de wirliken beregheler myd unsen jngezeghelen, de ghewen unde screwen is na ghodes bort dritteynhundert iar an deme dre unde sowedeghisten iare an dem hilghen daghe Sunte Agneten, der hilghen juncfrawen.


Die Urkunde ist ohne Siegel. Größe 25 : 15 cm.




Vertrag zwischen Jürgen van Hidzaker und dem "Ridder Mynricke
van Schulte". 1373.


Wy, Jürgen van Hidzackere, Bertold unde Ludelof sine kindere unde vor Berta, des sulwen Jürgen suster, bekennet unde betuget openbare an desseme brewe unde doet kundich al de jennen, de ene zeit edder haret lesen, dat wy mit beradenem mode unde mit endrachtyghem willen und unworde al unser unde erwen, de id van rechte unworden schulden, hebbet vorkoft und vorkopet enes rechten steden erwekopes in desser scrift deme ehrbaren vromen Riddere herrn Mynricke dem Schulte unde sinen rechten erwen al unsse ghud, alse dat beleghen is in deme olden more unde in der Retwischk mit allem rechte unde eghendome und to behorunghe mit holte, volde, ackere, buwet und unbebuwet, mit watere unde waterlosinghe, mit dike unde mid daure, mit wischen, mit weyde, mit vischerie in ewighe, mit gherichte, mit ghude unde mit bughude und menliken, mit aller vriheit unde to behoringhen, wo men de be nomen mach, alse wit beseten hebbet bet in dissen dach und uns van unssen vore vaderen an erwet is vrig unde unbeworen eghenliken unde erfliken to besittende sunder allen hinder und weddersprake unser erwen edder jemendes, van unser wegen, vor vifhundert mark Hamborger pennighe, de uns degher unde al na willen sin beret, de erste pennyk mit deme lesten und schullet und willet hern Mynriken und sinen erwen des ghudes und siner to be horinghe rechte waren, de wesen wor warme und wo dicke en des behof is und vor tiget und vor latet dar med aller hulpe unde anclaghe ghestlikch rechtes unde weltlikch, dar disse kop mochte med hindert und storet werden, und weret se in dat ghud mit allem rechte unde eghendome sunder arghelist und helpereden und hewen des to ener betughinghe wy vorbenomden van hidzackere alle unsse jnghesyghele und rechtlike mit willen und witschoppeghe hangen Taten an dissen breff; un ick vor born vorbenomet bekenne under mines broderes ingescrift vorstohn, dat disse kop is geschehn mit mynem willen, und wil al disse vorstohn stucke stedi unde fast holden sunder bose list mit mynem brodere und sinen kinderen.
Gheghewen und screwen is disse breff na gades bord dritteinhundert jar in deme dre und sowentighesten iare des hilghen dages Sunte katherinen.

Das Dokument ist annähernd 30 cm breit und 17 cm lang auf Pergament geschrieben. Das Siegel zeigt ein schreitendes, teuflisches Untier mit erhobenen Klauen als Wappen derer von Hiddesacker.




Vertrag zwischen Meinck Schulte und Johan Schulte und dem Rat der
Stadt Hamburg über den Verkauf des Olden Moores
und der Reethwisch 1375.


Wy, meinck Schulte, Ridder, und Johan Schulte, sene des sulwen hern meincke, bekennen unde bethugen openbare in dessem brewe unde doet kundich al de en seen edder horen lesen, dat wy mit beradenem mude unde mit gantzem eendrachtighen willen unde vulbord hern Gerknes Schulten, des abtes tho henfelde, hern Jurnes des Schulten, prowestes to Rameslo, friederikes schulten, knape van Wapen, unser meinckes vornomet brodere unde unser Johans vornomet veddere unde al unser wunde und al erwen, de id van rechter vulborden scholen, hebbet vorkoft unde vorkopet to eneme rechten steden ewighen erwekope in desser scrif t den eerbaren Mannen, den Radmannen unde der Stad to Hamborch al unse guet, alse id beleghen is in dem olden more unde in der reeddwisch mit alleme rechte, dem hoghesten, middesten unde sydesten, eghendome unde to behoringhe, mit holte und velde, mit ackere, buwet unde unbebuwet, wateren, waterlosinghe, mid dike unde mid daure, mid wischen unde weyde, mid vischerye, mit torve, mid elbighe, mit gherichte, mid ghude unde unghude unde menliken, mit aller vriheyt unde tobehorunghe, wannen de benomen mach, alse wy dat ghekopet hebben unde uns geworden is van Jurge van Hidzackere, Bertolde unde Ludelwe synen sones unde van Berten, des sulwen Jurges suster, unde wy dat beseten hebben van dessen dach, vrig unde unbeworen, eghenliken unde erfliken to besittende sunder allen hinder unde besprake unser erwen, edder iemandes von unser weghene, vor vyffhundert mark pennighe, de uns deghen unde al na willen in reden telden pennighen sint beret de erste pennigh mit dem lesten, unde scholet unde willet de vorbenemden Radmanen unde de Stad to Hamborch des ghudes unde al syner to behorunghe unde belegheheyt rechte warent wesen, wor wanne unde wo dicke des behoef is, unde scholen unde willen jum dat vryg unde unbeworen maken up unse kost, wor wanne unde wo dicke en des noed is, unde vortiget unde vorlatet dar mede al der hulpe unde anclaghe ghestlikes unde weltlik rechtes, dar desse kop mochte mid hindert unde vorstöret werden, und werd se mid dat ghud unde allemen rechte unde eghendome sunder arghelist und hulperede unde hebben des wy vorbenomede meinck unde Johan syn sene to ener bethughinge unde vastegheyt al desser vorschrewen stucke unser inghezeghele mit willen unde mid wetenheyt ghehenget an dessen brewo Unde dat alle desse vorschrewen stucke mit unserm willen unde wetenheyt unde vulbord ghescheen syn, so hebbe wy, Gherleff Abbet, James Pro west unde frederik knape Schulten gheheten, vorbenomet unser ingheseghele des vorbenomeden her meinckes unde Johans Schulten mid willen unde wetenheyt ghehenget laten an dessen breef, de ghehewen is na Godes bord drittenhundert iar in deme vyff unde sewtighesten iare in Sunte Egidies daghe des hilghen Abtes.

Das Original ist 29 cm breit und 20 cm hoch; auf Pergament geschrieben, nahezu unleserlich. Es trägt 5 Siegel, zwei davon mit dem Wappen derer von Hidzacker. Die Siegel sind von grauem Wachs.





Klageschrift der Herzöge Bernhard und Heinrich von Braunschweig und
Lüneburg wider den Rat und die Bürger der Stadt Hamburg über den
Bau der Burg im Glindesmoor usw. 27. Okt. 1396.


Dit sind de schulde, de we, Bernd und Hinrik van godes (gnaden). hertogen to Bruns und to luneborg, ghewen dem Rade und den ghemenen Borgheren der Stadt Harnborg, dat se hebben ghebuwet und buwet laten eyn slot, und ghevestet mit graven und mit plancken In unse land, ghebede und gherichte Alse up den glindesmor mit ghewalt und wedder unsen willen, alse men doch in dem rechten neyn slot eynem anderen also na buwen schal, it en sehe mit willen der herschop, de dat gherichte dar ower hebbe, und se hebben dit ghedan, alse we to der tyd vruntliken mit en dar ane Beten, wes se nu dar umme an uns vorbroken hebben in dem rechten und wer se dat slot ich by don und breken schullen und wederdon uns den hon und schaden, den we des hebben, den we nicht wolden leden hebben umme Teyndusent lodighe mark zind dem male, dat se dat ghebuwet hebbet In unse land ghebede und richte, und uppe dat unse, wedder unsen willen, und unsem slote negher, wen sik dat doch in dem rechten boret.
Außerdem machen die Herzöge der Stadt Vorwürfe wegen des Überfalls auf das Schloß Harburg ohne rechtzeitige Ankündigung der Fehde, sowie wegen der Einziehung von Gütern, die von den Leuten des Herzogtums in freie Häuser der Stadt Hamburg auf Treu und Glauben niedergelegt wären.
Ghewen in sunte Simonis et Jude awende under unsern hertogen Berndes secrete Anno domini MCCCXCVI to.




Verteidigungsschrift des Hamburger Rates der Stadt wider diese
Anschuldigungen.


Dit zind de antwerde, de wy Radmanne der Stadt Hamborg antwerden teghen de schulde, de uns de hochghebornen fursten her Bernd und her hinrik, hertogen to Brunsw. und to Luneborg ghewen,
Und int yrste alse se uns schuldigen und scriwen, dat wy ghebuwet unde ghebuwet laten hebben Eyn Slot up den Glyndesmor etc.
dar antwerde wy tho und seggen, dat wy van X XI XII XIII XIIII XV XVI XVII XVIII XIX XX Jaren und buwen und van also langer tyd und tho so langhen tyden, de nuschaftich zin tho redeliker und tho rechter besittinghe, hebben beseten van rechverdigher zake, sunder rechte weddersprake, den Glyndesmor mit dem gude dar tho beleghen, mit dem hogisten und sydesten rechte, dat de dorchluchtigen fursten, hertoghen tho luneborg tho der tyd wesende und nu de dorchluchtigen fursten, hertoge Bernd und hertoge hinr. vorben., hebben weten leden und mit nenerley rechte byspraket, und hopen, wes wy up und an unse grund und land buwet hebben, dat wy dat mit rechte ghedan hebben, und zin den vorben. fursten dar nichtes umme plichtig, und wy hebben en nenen schaden dar af ghedan denne bynnen rechter veyde.
Votmer alse de vorben. fursten uns schult ghewen, dat wy ene untruwelike vorwaringhe an ze ghedan hebben etc, dar antwerde wy tho und secghen,
dat we uns thegen ze tho den eren wol vorwaret hebben und hebben en enseght to eren sloten by schinender sonnen in unsen openen brewen, dat wy bewisen willet mit dem, den entsecgebref screw und mit truwerdighen bedderwen luden, de dar an und over weren, do wy den entsecghebref utsanden, und mit dem boden, de den enwech brachte, etc.




Aus dem Interims-Rezeß zwischen dem Herzog v. Br.-Lünb.-Harburg und
dem Rat der Stadt Hamburg zur Entscheidung gewisser Grenzstreitigkeiten.
27. Juni 1548.


Sy witlick allen unde iedermennigklich
nachdem sick Irrungen und twydracht twüschen dem Durchluchtigen Hochgeborenen Fursten unde Herrn Otten to Brunswigk unde Luneborg etc Hertogen unde syner F. G. Underdanen Im Ampte Harborg eyns unde dem Erbarn unde Wolwisen hern Bogermesteren unde Radt der Stadt Hamborgh, anderen dells,
von wegen etlicker Holtinge und e W e y d h e, dem Huse Mohr-borg tostendich unde dem Amptmann darsulwest vorkortunghe, ia ock beangstinge unde anders vorn gedachten Fürsten bewelhebbren unde Underdanen begegnet unde wedderfahren etc begewen.

Unterhändler des Herzogs sind:
1. Baltzer Clamer, der Rechte Licentiate, Kanzler zu Tzelle,
2. Wulffgang von Ißenberg, Kanzler to Harborg,
3. Johann Haßelhorst, Howtmann to Wynssen,
4. Jost Seggeren, Howtmann to Harborg,
5. Thomas Grote, 6 Parum Plate.
Unterhändler Hamburgs:
Beide Bürgermeisteren:
1. Peter Spreckelsen,
2. Mathias Rheder.

.... nach früntlicker ehr bedinge und begrotnisse de twist unde unwilligkeyt dorch de van Hamborg ellenthalwen is upgedecket worden, alße insunderheyt van der Weyde unde Höltunge, In enes Ehrbaren Rades Gebede liggende, dat de van Hamborg nemande anders den sick unde dem huße Moerborgh gerechticheyt an der Weyde edder Moere,
alße van dem Louwenbrocke beth vor den Nigengraben, unde vorth van der hoitunge up der Gheest bawen dem Buxtehuder weghe beth an die Elwe sick strecke, stendich.
Jedoch dat Thomas G r o t e syn andell, wo de schedunge uthwißet darinne hefft.
. . . . undt idt ock by dem olden gebruke bliwen laten scholden, wo ock im geliken des Fürsten Underdanen tho Harborgh,
unde dat des Fürsten Lüde mit erern krupe de Voderunge nicht wedder in dem More beth an de Wedderunge na der Morborgh hebben scholen, aber der Howtman tor Morborgh schall unde mach synen krup unde Vhe beneumst des Fürsten van Harborgh Lüden, dat gantze Mor awer dorch unde dorch, beth an de Gheest unde schedunge, wo van oldinges her is wontlick geweßen, weyden unde drywen laten, ock fremdt kruep dar Innehmen, dat doch des Fürsten underßaten nicht dhon scholen,
De ock myt eren krupe awer de Wetterunge na der Morborgh nicht driwen unde höden scholen, wo ock desulwen imgeliken sick der holtunge im More unde ock der Hegewische allenthalben dem Ehrb. Rade unde den erhen tostendich myt erhen Seghen, perden unde Kojenn to bedrivende entholden scholen, alles by der pandinge, de sick de van Hamborg vorbeholden;
Ock schall sust when f r e m d t krup in de Weyde edder dat Moer bawen de oldene hergebrachten Wonheyde gedrewen unde to nadele der anderen aldar gefodert werden, wo sulkent bet herto bruklik, by geliker pandunge.
Und so ock dem Howtman tor. Morborch vorkortunge an dem torf f grawende im Moer gebohret, dat sick des Fürsten Lüde ock nicht understan scholen, in dem More an (ohne) Vorloff des Howtmanns torff to grawende, ße en hebben den vorerst dem Howetmanne eyn ieder twe thorff honer, wo beth an her brucklik, gegewen.
Jedoch enes Ideren parthes Hocheyt unde gerechticheyt hirinne u n v o r g e b e n, unde ßo den to disser tydt de rechte erfflandt schedunghe nicht to vernemende (festzustellen), dat man allenthalben darna verkundschappen unde de rechten schedunge erkunden schall, unde alßeden to bequemer tidt ene tohopekumpt bescheden unde de parte (Parteien) wedder darumme to verdragende, wo sulkent alle van beyden parten bewillet unde angenomen.






Vertrag zwischen dem Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg-Harburg
und dem Rate der Stadt Hamburg über die Grenze usw.
25. November 1591.


Zuwissen, kundt undt offenbar sey mennigklichen, so diesen Receß sehen oder lesen hören, nachdem eine gutte zeit her zwischen dem durchlauch tigen und Hochgebornen Fürsten undt Herren Otten, Hertzogen zu Braunschweigk und Lüneburgk etc an Einem, undt einem Erbaren Hochweisen Rhadt auch gemeiner Stadt zu Hamburgk etc am andern allerhandt nachtbarliche Irrungen undt mißverstende vorgekommen, deren guetliche Handelung undt Hinlegung beyde theyle zu dem Ehrwürdigen, Ehrenvesten und Hochgelarten.
Herren Veiten Winßheimen, der Rechten Doctoris,
Königlichen Dennemargkischen etc undt Fürstlichen
Megklenburgischen etc Rhadt, auch Thumb-Dechant
daselbst gestellet,
So sich mit möglichem treuem Vleiße deren Unterfangen Als seindt darauß mit Verleihung des Almechtigen, solche itzerwendte Irrungen uff vorgehende vielfeltige undt vleißige Unterhandelung, mit ghutem willen undt wißen der Parteyen, vorglichen undt vortragen worden, wie volgett:
So viell erstlichen die unrichtigkeit belanget zwischen dem Fürstlichen Lüneburgischen etc Hause undt dem Stadtlein Harburgk, auch andern Seiner F. G. diesesfalls Interessierten Dorfschafften undt Untertanen einßtheils undt den der Hamburger Unterthanen undt einwohnern zur Mohrburgk andertheills, von wegen
des Mohrs aldar, undt deßen Schnede, nutzung undt g e b r auch, ist es dahin behandelt, das der gantze dieses orthes streitige Platz durch Zweene geschworne Meßer, den Einen von des Hertzogen, den anderen von der Stadt wegen, in Beysein Zweyer von jedem Theill darzu verordneten Perßonen
in vier gleiche theill außgemeßen undt getheilet werden, undt der eine langst der Landesweßerung oder angegebenen alten Schneden hergehende vierthe theill der Stadt und den Mohrburgern, die anderen drey theyll aber hochgedachtem Hertzogen zukommen undt bleiben sollen.
Undt dieser gantze streitige orth der soll dergestaldt genießen werden, das man
Erstlichen die breite des Mohrs anfange, von der Teuffe1skuh1en undt von Hochgedachtem Hertzog Otten etc F. G. angegebenen Schnede daselbst,
undt von dannen auf die Grotische Crentzbeume (Inmaßen dießelbe nach einander stehen) zuziehe undt das Kirchen undt Fogken des orths liegende landt mith einmeße,
undt dann So sollen von diesen Creutzbeumen die Meßer forthgan auf Kersten Brohmers sehligen, Itzo Heynen Brandes Immenhoff, von dem Immenhofe auff hochgedachtes Hertzogen Immenzaun, das Hausbroch genandt,
vom Haußbroche auf den ersten Wiedenthaler Agker, vom ersten Wiedenthaler Agker auff die Spitze des angehenden Ersten Newengraben Agkers (beydes Seiner F. G. undt deren Untherthanen zustendigk) zu lenken,
undt unter den Höfen undt dein Agker, wie der itzo leidt (doch das der itzgemelte Immenhoff undt der Agker nicht mit eingemeßen werden) wegmeßen, von dar her aber, undt von dem angehenden Ne w e graber A g k e r, sollen die Meßer weiter diametraliter auff die vor dein Dorf f e Niengraben gelegene undt beredete, auch mit einem auf f - g ew or f f enen gr äb I ein gezeichnete P rugk en Undt letzlichen von dieser P r u g k en auff die itzo herausgehende s p i t z e des Neuen von den Mohrburgern gemachten Die g k es, Immaßen derselbe dieße S tun d e Beleget undt erhoben, die meßung richten,
Alßo undt dergestaldt, das sie solchen gantzen in den itzerwenten Terminus, und der lenge nach zwischen Herzogk Otten etc F. G. und der Teuffelskuhlen an bis an denselben itzerwendten Mohrburger Newendiegk gehenden Schneden einbegriffenen orth (welcher 425 Morgen in sich begreiff et) außmeßen undt wie oben gemeldet, in vier gleiche theill v o n e i n a n d e r setzen und scheiden, Inmaßen dann solche gelegenheit und mahlörter in beysein Hochermeltes Fürsten und des Rhadts zu Hamburgks abgeordneten in augenschein genommen, abgegangen, beredet und gezeichnet worden,
Wobey aber auch behandelt, das die von Hamburgk zu erhaltung mehrers nachbarlichen willens eingewilliget, das an dießem gantzen außgestecktem orthe Seiner F. G. nach Harburgk zu, bleiben solle ein Stugk Platzes in der Egken welcher platz von der Teuffells kuhlen anzurechnen, die Landesweßerung längst hin 122,5 Ruhten, und auff der anderen seyten, von dem Ersten Grotischen Creutzbaume aber anzufangen gleicher gestaldt auch 122,5 Ruthen langk sey.
Also das von den itzgemelten beyden enden quer überzugezogen, undt derselbe eingeschloßene raumb, welcher 26 Morgen in sich heldt, Herzogk Otten etc F. G. gelaßen werde, mit dem außdrügklichen bescheide, das hernacher denen von Hamburgk wieder umb zu gute gehe, was der vierdte in dem itzberuhrten Platze begriffene theyll außtraget, nemlichen Siebend-halber Morgen uff dieße maße,
das solche siebenthalbe Morgen denen von Hamburgk längst der Landesweßerung hin von Seiner F. G. zukommenden dreyen Theylen wieder erstattet werden, welches, do es geschehen, der noch übrige raumb des abgestegkten mohrs dergestaldt, wie oben gemeldet, außgheteilet werden soll,
daß die Hamburger Ihren Vierdten Theill zunegst undt in die lenge an der Landesweßerung hin, beyeinander volgents erlangen, die übrigen drey theill aber hienauffwarths, nach der Geiste zu, Herzogk Otten etc F. G. zukommen
Was nun nach beschehener solcher außmeßung und abtheilung in den abgemelten ersten, an der alten angegebenen Schneden hergehenden vierthen theill fallen würdt, das sollen, wie vorgedacht, die von Hamburgk undt ihre unthertanen zur Moorburgk behalten; Bey welches vierdten theills außmeßung aber auch in acht genommen werden soll, damit solche, nach gelegenheith des streitigen platzes, deßen Schmale undt Breyte angestellet, und die außtheilungk, so viell sich leiden will, proportionaliter geschehe.
Vor diesen dem Rhadt zu Hamburgk zukommenden orth nun, soll ein Newer Scheyde undt grentz graben, viertzehn Fuß weith, halb auff des Hertzogen undt halb auff der Stadt zukommenden theill getzogen und dardurch des Hertzogen Mohr von der Stadt Mohr undt ihrer leute zur Mohrburgk feldt, abgesondert undt gescheyden werden.
Welchen graben die von Hamburgk zu dießem mahll alleine machen zu laßen auff sich genommen, doch dergestaldt, das Herzogk Otten etc F. G. zu befurderung dießes grabens Funfzigk Personen auf Sechstage langk daran zu helffen, der Stadt leuthen zuordnen wollen, So dan in gesambdt, der abgesatzten maß nach, dießen Newen graben verfertigen, undt die daraus gegrabene undt aufgeworffene Erde auff beyde, des Hertzogen und der Stadt seythen, gleichmeßigk vortheilen undt aufschlagen sollen,
Welchen auffgeworffenen graben dan hinfurs zu allen Zeiten dergestaldt zu gleichen theylen außreumen zulaßen undt zu erhalten beyderseitts eingewilliget.
Aldiweill aber bey diesem Puncte die Vorfertigung des Neuengrabens belangende, auch von anderen mitteln und wegen, vorschlages weise geredet worden, Vermittelst deren, vorhoffentlichen erleichterung der Uncosten beforderliche Kuelffe, zu aufwerfung dieseß grabens geschaffet undt erlanget, undt etwa mit Landtleuthen den Torff an dem orthe, do der grabe hergehen soll, anzunehmen, undt die arbeith dagegen zu vorrichten, zu handeln sein möchte.
Als ist derselbe mittelwegk hierbey beyden theylen demselben ferner nachzudenken, zu wergke zurichten, sich auch darneber weiter zu vergleichen, vorbehalten wordenn.
An diesem ihrem vierdten theill nun sollen die Hamburger alle Obrigkeit, Hoheith undt Gerichte, hohest undt siedest, nichts darvon außgeschloßen, Cum omni mero et mixto Imperio, Imgleichen alle Jagdten, Ihre Untherthanen auch desselben mit allem Rechten undt Gerechtigkeiten, von aller der Harburger oder anderer Intereßenten frömbden Behutungen, trifften undt anderen beschwerungen frey, Ihrer besten gelegenheyth nach, von mennigklichen daran ungehindert (deßen Seine F. G. undt derselben Erben undt Nachkommen, sie dergestaldt jederzeit gewehren sollen undt wollen) zugenießen undt zugebrauchen haben.
Außerhalb welches Ihnen zugeordneten vierdten theills über die newe gemachte Schnede, sie sich aller hueth, trifft, Torfstechens undt dergleichen zuenthalten undt imgleichen die Harburger undt andere Ihre mitinteressenten auff der Mohrburger vierdten theill auch zuthun verpflichtet seyn sollen.
Nachdem sichs aber auch vieleicht begeben möchte, das das obgedachte der Kirche zu St. Marien Magdalenen binnen der Mohrburgk, undt den Fogken zugehörige Landt undt Feldtstügken oder in etwas darvon, in Herzogk Otten etc F. G. zukommende drey theill in der meßung fallen möchte,
So ist hierbey außdrugklich beredet, wan deßelbe geschehn, das solch Kirchen undt Fogken Landt hinfurs seiner F. G. eygenthümlich seyn undt bleiben, die Kirchen vorsteher, auch die Fogken undt ihre Nachkommen. zu ewigen Zeiten keine gerechtigkeit noch Zuspruche darzu haben, Ein Rhadt zu Hamburgk sie derowegene befriedigen undt ihrer gelegenheyth nach erstattung thun, Herzogk Otten etc F. G. auch derhalben vertrethen sollen undt wollen.
Domit aber auch die Mohrburger von ihrem vierdten theyll uff die Geiste kommen mögen, So soll ihnen der alte Marien-Magda1enen wegk, wie der itzo ist, von der Mohrburger Kirchen ab, uf die Geiste bleiben, auch Ihnen zugelaßen sein, oben hinauswarths über den Newen gemachten graben, Flagken zu legen, undt im Fall der notturfft, zur Heu undt erndten Zeitt, denselben zu fahren, welche Flagken aber sonsten von ihnen wieder aufgehoben werden, die Mohrburger auch dahindurch, ohne Seiner F. G. vorwißen, undt sonderliches erlangtes erlaubnus kein Holtz fuhren sollen.
Es soll auch der obberurdte von den Mohrburgern gernachte Newediegk1) des orthes undt wie er itzo erbauet undt vor augen ist, als nemblich auf Einhundert und funfzehen Ruthen lang, von der Alten Schnede, do sich dieselbe bey diesem Diegke endet, anzurechnen, beliegen bleiben,
und die van der Mohrburgk macht haben, buthen des Digkes nach dem Dorfe Niengraben zu, denselben desto fuglicher zuerhalten auf funff (5) Ruthen weith; auf Seiner F. G. grundt und boden die Erde darzu zu stechen und zunehmen.
Worüber Seine F. G. genedigklich nachgegeben, Wo sie es bey dem Herren Ertzbischoffe zu Brehmen etc undt den anderen Intereßenten erhalten werden können, das sie darmith zufrieden, das die Mohrburger berurten orthes, buthen Diegkes, wie oben gedacht, Sieben Ruhten breith, auf dem Luneburgischen, der Erden zum Diegke sich zu erholen haben mögen, Welches aber, do es Seine F. G. bey hochst ermelten Ertzbischoff etc undt den Intereßenten nicht wurden erlangen können, es bey den Funf Ruthen, wie obstehet, bleiben undt wenden soll,
Sonsten aber soll es jenseits des eingerißenen Pragks undt des itzgedachten Newen Mohrburger Digkes bey der Rechten alten Schneden, zwischen hochgedachten Herzogen undt den Moorburgern Inmaßen dieselbe dieses orthes auch aufs Neue vormahlet, ferner forthan bleiben undt dieselbe nach wie vor gehen über den Diegk nach dem Graben zu, So daselbst gegen dem itzerwendten Bragk über ist, undt sich nach dem Newengraben warths, der in die Elbe leufft, Recht ins Westen, quer übertregken thut, also undt dergestaldt, das das iennige, So ienseith solches grabens, nach der Mohrburgk zu ist, Hamburgisch,
Was aber über dem graben, nach dem Dorfe Nyengraben zu, liegdt, Lüneburgisch seyn undt bleyben soll,
doch, das den Mohrburgern gleichwohl Ihr vor alter s dahinaus -warths gehabdter Landwegk, wie der itzo ist, gelaßen; Dieselben sich aber sonsten ienseith des grabens aller hutung, trifft, Torfstechens undt dergleichen, uf Luneburgischem grundt und bodem cuseren undt enthalten sollen, undt soll auch solcher vorgemeldter G r ab en undt Schnede von dem Mohrburger Diegk an, Nach dem Newen graben zu, Welcher von dem Dorffe Nyengraben herflenst, undt in die Elbe leufft, von beyden theilen, so weith sie miteinander grenzen, wiederumb aufgemacht und hinfüro, wan es nötigk ist, aufgereumt undt erhalten werden.
Nachdem auch bey dieser Handelung gedacht worden, das sich in mehrerwendtem Newen graben, das Stau und ander waßer kunfftigk samlen und man sich daher allerhandt schadens zubesorgen haben wurde,
Als ist es hieruber dergestaldt beredet, Wan nun dießer Newe graben gefertiget, das man alßdan von beyden theylen Rhadt darüber haben, undt sich vergleichen solle, Welcher gestaldt undt an welchen orthen das Ueberwaßer am besten undt gelegensten abzuleythen seyn möchte,
Wobey, do etwa die notdüfft seyn wurde, über des einen oder des anderen theills grundt undt eigenthumb Schleußen oder waß er f o r t h zuf u h r e n, dieselben beyderseyths solches zustatten undt sich darinnen nicht wiederigk erzeigen wollen, doch dergestaldt, Welchem theyll alßdan schleusen zu legen vonnöthen sein wurdt, das der Schleusenbau uf deßelben theills, der deren bedarff, Unkosten und darlage, vorrichtet werde;
Ueber welchen hierob erzehlten irrigen Puncten Alldieweyll die hoch undt wohlgedachten parteyen uf die obangedeutete maß, durch vorleihung des Almechtigen vorglichen, die sich von beyden theylen gegeneinander vorpflichtet, das sie innerhalb zweyer Monathsfrist, nach dato dieses Vortrages, die am Cammergerichte undt vor den Kayserlichen Commißarien hierneber vorgeweßene und hierunten spezifizirte Rechts P r o c e ß e (mit Ankündigung, das dieselbe Puncten vorglichen undt vortragen) abeschaffen undt caßiren sollen undt wollen, als nemblich Fractae pacis primam, Fractae pacis secundam, Fractae pacis tertiam, Mandati de restituendo aggeres ruptos, Item den bißhieher vor Kayserlichen Commißarien über dem Mohr undt dessen Irrungen gefurten Compromiß proceß, undt was demselben anhengigk undt dan letzlichen auch Citationis et Mandati sine clausula den abgepfandeten Ef er belangende,
Es folgen Mitteilungen und Abmachungen über Rückgabe von gekaperten Schiffen, von 57 Stücken Geschütz (Barschen, Haken, und 3 gegossene Rohre, die Herzog Otto wieder ausliefert, von Jagdbüchsen usw.
Wie dan auch Seine F. G. undt die Stadt in einen gnedigen undt wilfuhrigen nachbarlichen vorstandt hiermith wiederumb gesetzet, undt allen genedigen undt nachbarlichen guten Willen einander kunfftig betzeigen wollen, In welche guetliche Vor gleichung dan auch mit eingezogene alle auf beyden seyten Vor want e, Diener e, undt U n t h e r t h a n e n, welche auch außgesöhnet, undt deßen allenthalben, So in den beruhrten Sachen vorgeloffen, undt von ihnen geschehen, sich eines ungenedigen oder ungunstigen wiederwillens oder geferligkeit nicht sollen zu besorgen oder zu befahren haben, Alles trewlich undt ohne gefehrde
Uhrkundlich haben hochgedachten Herzogk Otto F. G. etc vor sich, Ihre Erben undt Nachkommen, undt von wegen eines Ehrbaren Rhadts zu Hamburgk, deßelben Secretari, Licentiat Eberhardt Twestreng uf besondern hierzu empfangenen befehligt, diesen hierneber ufgerichten Receß unterschrieben, Worneber auch Seine F. G. undt wohlgedachter Rhadt, Ihr angebornes, und der Stadt gewöhnliches Insiegell, ob-gesatzten Vortragk dardurch allenthalben zu befestigen undt steth vhest zuhalten, anhangen laßen, Welcher dan datieret ist, zu Hamburgk am Tage Catharinae, der da wahr funf undt zwanzigste Nouembris, Im Jahr nach der geburth Christi, Tausend, fünfhundert undt im Ein undt Neunzigsten.

Otto, Herzog zu B. u. L. mpp.

Ex speciali commissione
spectabilis Senatus Civitatis
Hamburgensis.
Eberhart Twestreng,
Iurium Licentiatus Pronotarius
et Sercretarius manu propria
subscribebat.
1) Damals neu! Heute der "Alte Deich" im Gegensatz zum "Neuen Deich", der um 1600 erbaut wurde.

Das Original im Staatsarchiv Hamburg ist eine Akte von 12 Seiten, 32 cm hoch und 21 cm breit, mit je einem Siegel Hamburgs (9,5 cm Durchmesser, die Türme zeigend) und des Herzogs von Lüneburg (9 cm im Durchmesser, oben das springende Roß, darunter das Wappenschild mit den 4 Feldern, das ganze mit Blattornamenten umgeben, zeigend; umschrieben: Otto, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg).





Faßlamfliegen *
Wat weurn dat doch för scheune Tieden,
As noch in Moorborg Faßlamfliegen;
Dat weur de Kinner jümmer Best,
Fast beeter noch as Wiehnachtsfest.

Wat weur dat ümmer för en Leben! -
Wat Scheun'res kunn't so bald nich geben;
De Kinner frein sick nich alleen, -
Dat ganze Dörp weur ob de Been.

De Kringel wörden holt vun'n Bäcker,
De sägen ut so geel, so lecker, -
Poor Körv müssen dat woll sien,
Süns kunn nich jeedes Kind een'n krieg'n.

Un denn de Faßlamfliegenbänner, -
Jo, sowat, dat weur wat för Kenner!
De müss'n von'n Reepschläger sien, -
De harrn de Dag genog to snie'n.

De hölten Plück, de müßten wesen;
Dor hölp keen Schimpen und keen Queesen!
Dor harrn de Dischers denn dat Glück, -
De maak'n tüm Faßlamsband de Plück.

Un keum denn ran der letzte Abend, -
Wör dat en Rüsten und en Fragen!
De Kinner sleepn de Nacht nich mehr, -
Och, weur de Klock doch blooß erst veer!

Un ob dat sneen däh oder regen,
Ob ok de Störm dörch Dörp däh fegen, -
Dat fecht de Kinner hüt niks an,
Denn eenmol geew dat Faßlam man.

Un Lütt un Grot keum'n denn tosomen,
Klock söß weurn's all no boben komen, -
Un güng bi't erste Huus de Dör,
Denn Stün'n de Kinner all dorvör.

Wie ut een'n Mund güngt: "Faßlamfliegen!
Könnt wi woll noch een'n Kringel kriegen?"
Denn ersten Kringel op de Band, -
Un wieder güng't, - dat Dörp weur lang.

Von Hus to Hus wör wieder sprungen,
Un ümmer "Faßlamfliegen" sungen,
Un wo nich open weurn de Dörn, -
De harn niks öber för de Görn.

Dat Band wör vull un ümmer vuller;
Dat Singen, dat wör ümmer duller, -
Un wenn dat een Band vull denn wär,
So kreegen se gau'n tweetes her.

Dat weur en Lopen un en Rennen,
Denn jeder wull't am besten kennen!
Wenn Faßlamfliegen hüt noch wor, -
Weur'n Faßlamfliegenkeunig dor!

Un de dor wüssen op to lopen,
De kreg'n ok Heetweck un Brun'nkoken, -
Mitünner geew dat ok mol Striet;
Een Schubbs denn Annern anne Siet.

Keum'n ut en Nachbordörp de Kinner,
Denn wör de Saak ok manchmol slimmer, -
Bi de Lammbreuker Wotermöhl,
Dor lurn de Heemfeller denn veel.

De wörden inne Flucht erst slagen,
Doch naher dähn se't wedder wagen;
Denn weurn de Moorburger erst weg,
Noch mancher sienen Kringel kreeg.

Un Faßlamfliegen weur ok bleben,
Harr dat nich so'n poor Quarkers geben;
Sun'n Lüüd dat ümmer geben deiht;
De günnt de Kinner nich sun'n Freid.

En End mütt jedes Ding jo kriegen, -
So güng't nu ok mit Faßlamfliegen.
Poor Börgerslüd weur dat nich recht,
Un würklich kreegen se dat trecht!

Weurn ok de Kinner nich tofreden,
De meisten Moorborger dorgegen, -
Martinje-Markt wör jümmer Fest, - - -
Un Faßlamfliegen - - - weur mol west.





Dies und das folgende Gedicht sind von dem Moorburger Heimatdichter Heinrich Wiegers als Beitrag zum Heimatbuch zur Verfügung gestellt worden. Er hat uns mit seinen Heimatdichtungen auf den Heimatabenden des "Deutschen Kriegervereins" so manche frohe Stunde bereitet, wofür ihm auch an dieser Stelle gedankt sein soll.


*) Fastnachtsabendfliegen war ein altes Recht der Kinder, das durch den Hauptlehrer Grothkopp abgeschafft worden ist.




De Mullhäuhner.


Mien Grusort in Moorburg, so herrlich, so greun,
Mien Grusort, mien Grusort, wie büst Du so scheun!
So hebbt se't sit urolen Tieden all nennt
In unserm Moorborg, dat ünerste Enn.
Wo Ool'ndiek und Ned'ndiek sik geben den Han'n, -
Dor heet dat op'n Klappslagg; de Grusort fängt an.
Un snackt man von'n Grusort, so is dat bestimmt, -
De Lüd dor op'n Grusort ward Mullhäuhner schimpt.
Und dörch unsern Grusort, bi Sün'nschien un Regen,
Dor löppt so'n lütt Water, wi nennt dat de Fregen;
De Fregen is fast mit denn Grusort verbun'n;
Keen Mullhähn hett dat jemols anners empfun'n.
Mullhäuhner und Grusort de heurt stets tosam'n, -
Nu will ik Jo segen, woher düsse Nam'n:
Uns Vorföhrn hebbt freuer denn Törfhannel dreeben,
Dat weur jümmer Arbeit, dor kun'n se von leben;
Se güng'n denn in'n Freuhjohr na't Fischbeker Land;
In'n Knüllnmoor dor füng denn dat Törfsteeken an.
Dag op un Dag dahl güng't na't Törfsteeken hin,
för annerswatt harrn se denn gar keenen Sinn.
Un harrn se endlich mit Moot un mit Kraft
Dat lebensbedürftige Quantum rutschafft, -
Denn güng't an't Bearbeid'n, bett dat he weur dreuch, -
Denn wör he na Huus holt, ehr't Wedder umfleuch.
Fast jeder op'n Grusort harr dormols en Kahn,
Dor feuhrns' mit na'n Knüllnmoor, bett dicht an'n Törf ran;
Dorbi keum de Fregen denn ok to ehr Recht,
De Törflüd feuhrn jümmers diekt an dat Steg.
Denn leeg inne Fregen woll Kahn dor an Kahn,
Un alle mit knakdreugen Törf vullbelad'n;
An'n Ned'ndiek müss'n se'm de Trepp hoch roppdregen
An'n Ool'ndiek, dor weur dat wat beter gelegen,
De Törfschuurn, de packt se bett babenhin vull;
Un bi ditt Hanteren dor keum denn dat Mull. -
So lang Elw und Köhlbrand isfree noch weurn,
Denn Törf se met Ewers na Hamburg hinfeurn;
Un heul denn dat Is, wörd'n de Issporn herkregen, -
De Törf weur na Hamborg Bröcht op grote Sleden.
Wo hubelt ward, seggt man, dort fallt jo ok Speun;
Bi'n Törf is dat woll nich anners geschehn;
Bi't Inlad'n un Utlad'n brickt jümmers watt aff, -
Dat giwt denn dat Grus, wie bi'n Habern dat Kaff;
De Mull, de vermehr sik von Johren to Johr'n,
Se smeten em enfach in jümmern Goorn.
So sünd nu denn Grusort und Mullhähn entstahn,
Doch hebbt uns de Namens bitt hüt noch niks dahn;
Denn freuer hebbt se von Spinatseihn niks seggt;
Doch jetzt waßt dat op düssen Mull gornich slecht.
Wi feuhlt uns hier mollig, drüm hew ik dütt schreeben. -
De Mullhäuhner op jümmern Grusort süllt leben!





1. Hans Eise 2 Stück, Lutke Düvel 4, Heinrich Robbeke 1, Hein Stilken 4, Jochim Reimers 5, Hein Robbeke 4,5, Johan Nibbe 4, Hein Stilkens 5, Johan Nibbe 3, Jochim Reimers 2, Heinrich Robbeke 5,5, Lutke Duvel 3,5, Johann Nibbe 3, Jochim Reimers 4,5, Benedictus Schelen 5, Hans Swartow 3, Herme Meier 1, Lawerenz Hermens 4, Heine Wenten 5, Hans Bekelen 4, Cort Swartow 8, Karsten Brant 3, Cort Swartow 2, Clawes Richers 5, Ties GErken 10, Bartelt Gerken 5, Karsten Brant 4, Hans Bokelen 2, Clawes Richardes 2, Harme Jobmann, Hans Ruter, Karsten Schriver, Pastor 4, Heine Ruter 2, Steffen Bers 4, Hans Bers 2, Stilke Boms 4, Clawes Duvel 5, Lutke Hans Duvel 4, Carsten Brant 4, Annke Boden 4, Hans Ruter 5,5, Lutke Schriver 4, Hein Meier 3, Hermann Robbeke 1, Hinrich Matselt 1, Ties Gerke 4, Hein Matselt 3, Metke Focken 5, Hans Bokelen 2, Harmen Robbek 2, Lutke Hostmann, Henke Schriver, Jürgen Rode, Carsten Wolf, Peter Kilper, Hans Webben, Jürgen Heidmann. Jacop Stedinges, Tomas Harmans, Hans Wolf, Peter Kilper, Hans Webben, Jürgen Heidman.

2. Dies Mor ist vor alters allein bedicket gewesen und zun Westerheusen genant.

3. Dis Landt von dem dick bis an den alten Kirchdick ist alles innerhalb 20 jahren bedicket und zuvor unlant, wiltenus, busch und holtz gewesen und haben nur 6 kerl aldar als der alte Hans Richers, der alte Hans Reimers, Karsten Brant, Henke Wenten, Hein Wenten und Herman Meier gewonet und die andern erst newlicher jar dahin gebawet,

4. Hier ist Pawl Han Lutke Hilmers bis an die snede nachgeilet.

5. Der Morburger Kirch.

6. Der newgemachte dick den die Morburger über des hauses Harburg schnede gemacht und hertzog Otto wider inreissen lassen.

7. Hir ist Hans Lemecke zu todt geschlagen.

8. Das Hausbruch darin hertzog Otto ein immen zaun hat.

9. Maria Magdalenen Steich. Der faule sieg.

10. Der graben, den hertzog Otto machen und die hamburger wider zuwerfen lassen als Martin Sinsow erschossen wurde.

11. Auff dissem berg ist Martin Sinsow von dem hamburgischen erschossen worden.

12. Bei disser specken oder brucken ist Heinrich Bode, der auff der Graft gewonet hat, zu todt geschlagen.

13. Die Teufelkuhle.

14. Das Brack.