Sturmflut 1962

Am 15.2.1962 wurde die Entstehung eines neuen Wintersturmes in Neufundland ausgemacht. Die Benennung der Stürme erfolgte mit Frauennamen und so gab Dr. Gerd Hoffmann vom Institut für Meteorologie in Berlin diesem Sturm den Namen Vincinette (= die Siegreiche).

Bis zum 16.2. kam es in Moorburg nur zu den "normalen" Beschädigungen. Bäume wurden entwurzelt, Dächer wurden beschädigt. Am Moorburger Elbdeich 369 wehte eine große Pappel um und zerstörte ein Nebengebäude.

Doch bereits am späten Nachmittag wurde deutlich, dass auch mit einer Sturmflut zu rechnen sei. Der Wasserstand in der Alten Süderelbe war bereits bedrohlich angestiegen. Der Deich war schon bedrohlich aufgeweicht und stellenweise beschädigt, durch den Südwestorkan "Rasmus", der am 12.2.1962 zu einer Sturmflut führte.

Foto vom 16.2.1962 aus dem Obergeschoss des Hauses Moorburger Elbdeich 371 aufgenommen. Man sieht, dass sowohl die Weiden im Außendeich, als auch die Werder bereits überflutet

Die Ereignisse der Nacht werden in der Literatur mit teilweise abweichenden Zeitangaben beschrieben. Im Zweifelsfall habe ich mich an die Zeiten im offiziellen Untersuchungsbericht gehalten.

Die Roten Punkte geben den Standort von Sirenen an, mit dem Zeitpunkt des Alarms, die gestrichelte rote Linie gibt den Bereich an, in dem die Sirene gehört werden konnte. Der schraffierte Bereich am Elbdeich und im Kirchdorf gibt die Strecke an, die der Polizeiwagen (Peter 74) abgefahren ist, um die Bevölkerung zu warnen. Man kann auf der Karte schon sehen, dass die Einwohner am Kirchdeich gar nicht gewarnt wurden, und dass die Warnung in Moorburg eine Stunde später erfolgte als in Altenwerder und Francop. Die Freiwillige Feuerwehr wurde 23:30 Uhr alarmiert, weil um diese Zeit bereits ein Deichbruch in Neuenfelde drohte.

Das Seewetteramt warnte am 16.2.1962 zuletzt um 17:25 Uhr über Radio mit folgender Meldung: "Gefahr schwerer Orkanböen, Stärke 10 - 12 aus Nordwest, auch nachts noch anhaltend." Das DHI ( Deutsche Hydrographische Institut) warnte über die Sender des NDR um 12:00 Uhr mit folgender Meldung: "Heute Nacht sehr schwere Sturmflut, Wasserstand bis 2,5 m über MThw." Diese Meldung wurde um 13:00 Uhr und um 19:00 Uhr wiederholt. Um 20:33 Uhr sendete der NDR folgende Warnung: "Für die gesamte deutsche Nordseeküste besteht die Gefahr einer sehr schweren Sturmflut. Das Nachthochwasser wird etwa 3 m höher als das mittlere Hochwasser eintreten. Das folgende Mittagshochwasser wird nicht mehr so hoch eintreten." Diese Meldung wurde um 21:45 Uhr wiederholt und um 22:15 Uhr mit einer Hochwasserhöhe von 3,5 m über MThw. Um 23:15 Uhr wurde diese Meldung über die Mittelwellensender wiederholt. Da in allen Meldungen nur von der Nordseeküste, aber nicht von Hamburg geschweige denn Moorburg die Rede war, wurde die Hamburger Bevölkerung durch die Warnungen in Rundfunk und Fernsehen nicht wirksam alarmiert.

Der Moorburger Deichverband erhielt am 16.2.1962 eine Warnmeldung der Stufe II (2,5 - 3,0 Meter über mittlerem Hochwasser), um 21:00 Uhr erfolgte eine Warnung der Stufe III (mehr als 3,0 Meter über mittlerem Hochwasser). Um 23:00 Uhr erfolgte eine weitere Warnung, dass die Deiche akut gefährdet seien. Zu diesem Zeitpunkt wurde dann auch die Deichverteidigung eingeleitet, d.h. die Deichpflichtigen hatten ihre Deichabschnitte zu bewachen und kleine Deichschäden direkt in Handarbeit zu beheben. Von diesem Zeitpunkt an fing auch die Alarmierung der Bevölkerung durch die Deichpflichtigen an. Spätestens um 1:00 Uhr am 17.2.1962 war die Deichverteidigung überall unmöglich und zwecklos.

Die Sollhöhe der Hamburger Deiche wurde am 3.3.1889 auf 5,65 Meter über NN festgelegt. Bei der Hollandflut im Jahre 1953 wurden die Deichhöhen überprüft und es wurde festgestellt, dass die Moorburger Deiche stellenweise nur eine Höhe von 5,40 Meter über NN hatten. Die daraufhin geplante Erhöhung der Deiche auf 6,20 Meter über NN war 1962 noch nicht erfolgt. Um ca. 0:00 Uhr liefen die Deiche in Moorburg über. Die Deiche in den Gemeinden, die erst 1937 zu Hamburg gekommen waren, liefen erst später über, weil hier durch die Lüneburger Deich und Sielordnung vom 15.4.1862 eine mit 5,8 Meter über NN höhere Sollhöhe der Deiche vorgeschrieben war.

Eine, meiner Meinung nach, sehr zutreffende Darstellung enthält das Buch: "Sturmflut 17. Februar 1962 - Morphologie der Deich- und Flurbeschädigungen zwischen Moorburg und Cranz" von Prof. Dr. Albert Kolb Hrsg., Institut für Geographie und Wirtschaftsgeographie der Universität Hamburg 1962:

Anstieg des Wasserspiegels der Nordsee

Durch die Sturmflut in Holland am 1. Februar 1953 wurde man veran-lasst, die Deichhöhen an der deutschen Küste ebenfalls zu überprüfen, zumal eine 1938 erfolgte Untersuchung der Pegelstände von Cuxhaven gezeigt hatte, dass der Wasserspiegel der Nordsee seit langer Zeit ansteigt. Der Anstieg macht 29 cm im Jahrhundert aus. Verglichen mit 1825 läuft heute das mittlere Hochwasser 40 cm höher auf. Da man außerdem feststellte, dass durch Sackungen des Untergrundes und Setzen des Deiches die ursprüngliche Sollhöhe nicht mehr gewährleistet war, wurde für die Elbdeiche bei Hamburg nunmehr eine neue Sollhöhe von + 6.20 m NN festgesetzt. Aber was sollte dem Land schon passieren, das dank der nach 1825 erhöhten bzw. neuerrichteten Deiche seit über 100 Jahren von Überflutun-gen verschont geblieben war!

Inzwischen hatte man die letzten Landstreifen des alten Urstromtales zum Geestrand hin in die intensive Landnutzung einbezogen. Elbewärts drang der Obstbau über die Winterdeiche in Ländereien vor, die z. T. durch niedrige Sommerdeiche, z. T. überhaupt nicht gegen Hochfluten gesichert waren.

Die Deiche vor der Sturmflutkatastrophe

Der Wert eines Deiches richtet sich nach seiner schwächsten Stelle. Deichhöhe, Deichprofil, Deichführung und Deichzustand bestimmen die Sturmflutsicherheit des in seinem Schutze liegenden Landes. Die ge-ringste Deichhöhe gibt den maximalen Hochwasserschutz an. Die Stand-festigkeit des Deiches ist abhängig vom Untergrund, vom Baumaterial und der inneren Struktur, vom Querschnitt und der Linienführung, von den Bauten und Bäumen am Deich, von den Wühlgängen und vom jahreszeitlichen Zustand. Ein niedriger Deichabschnitt ist als Gefahren-quelle offensichtlich; Schwächestellen im Deichaufbau werden jedoch zumeist erst dann sichtbar, wenn der Deich beschädigt oder teilweise zerstört ist.

Die Deiche im Untersuchungsgebiet bestehen aus Klei. Klei ist Mar-schenton, der aus dem Unterboden nach Entfernung der Ackerkrume ausgehoben (gekleit) wird. Das Material lässt sich nur in einem mäßig feuchten Zustand zum Deichbau verwenden und nur in flachen Schich-ten einstampfen. Die Setzung des Materials ist nicht groß. Die ur-sprüngliche Deichhöhe vermindert sich aber durch das Setzen und Sacken des Untergrundes als Folge der Belastung, durch anthropogene Einflüsse und in geringem Maße auch noch durch die abspülende Wirkung von Starkregen.

Besonders große Sackungen werden dort erreicht, wo im Untergrund mächtigere Moorschichten vorhanden sind. Das ist stellenweise auf der Strecke zwischen Moorburg und Cranz der Fall. Daher weisen die Deiche in diesem Abschnitt nicht mehr überall die alte Sollhöhe von + 5.80 m NN auf. In Moorburg erreichten sie streckenweise nur noch eine Höhe von + 5.40 m NN; man hat hier außerdem die Abwehrkraft des Deiches dadurch geschwächt, dass man ihn in die Obst- und Gemüsegärten einbezog, ja sogar Häuser und Schuppen auf ihm errichtete. […]

Das Deichprofil ist im Untersuchungsgebiet sehr unterschiedlich.[…] Nur auf der kleinen Strecke unterhalb der Estemündung, wo der Deich am Elbstrom liegt, hat er eine breite Sohle und zum Fluss hin einen Böschungswinkel von 17 bis 24° (Neigung 1 : 3 bis 1 : 2.5); die Innen-seite ist wesentlich steiler. Auf der übrigen Strecke zwischen der Este-mündung und Moorburg, wo die vielen Beschädigungen und Brüche erfolgten, wurden Böschungswinkel bis zu 45 ° (Neigung 1 : 1) sowohl auf der Außen- als auch auf der Innenseite gemessen. Diese Elbdeiche haben zwar nur die Aufgabe der Hochwassersicherung. Sie brauchen nicht wie die Seedeiche den anbrandenden meterhohen Wellen standzuhalten. Aber bei Böschungswinkeln bis zu 45° und einer Kronenbreite von nur 1 bis 2 m wird der bei Sturmflut auftretende Wasserdruck für derartige Kleideiche gefährlich. Außerdem ist bei diesen übersteilen Böschungen die Standfestigkeit des Kleis nicht mehr gewährleistet; es kommt leicht zum Abrutschen des durchfeuchteten Materials.

Die Deiche befanden sich zu Beginn des Jahres 1962 in keinem guten Zustand. Früher wurde das Gras durch weidende Schafe ständig kurz gehalten. Seitdem keine Schafe mehr gehalten werden, wird das Gras nur noch zweimal im Jahr geschnitten. Zur Zeit der Flutkatastrophe waren die Deichböschungen von einem Filz langen, dürren Grases überdeckt. Unter diesem Teppich war der Klei weich und locker; er bildete ein willkommenes Biotop (Lebensraum) für Regenwürmer, Maulwürfe und Wühlmäuse. Durch den Wetterablauf vor der Sturmflut hatte die Oberfläche weiterhin eine gute Frostgare erhalten. Die Ursache dafür lag in dem strengen Frostwetter (bis minus 14°) während des Dezembers. In den darauffolgenden Wochen wurde dann bei wechsel-haftem, regnerischem Westwindwetter der aufgefrorene Boden gut durchfeuchtet. Als die Sturmflut die Deiche angriff, war als Folge dieses Witterungsablaufes und der verfilzten Grasdecke der Boden nicht widerstandsfähig, und der Deich daher verhältnismäßig leicht angreifbar. Eine Herbstflut hätte die Deiche in einem weit besseren Zustand angetroffen, denn in dieser Jahreszeit ist der Kleiboden troc-ken, dicht und wasserabweisend.

Die Widerstandsfähigkeit war auf einigen Strecken auch dadurch geschwächt, dass die Deichkrone als Gehweg benutzt wurde. In diesen Abschnitten hatte man die Deichkrone mit Schlacken befestigt oder Steine verlegt. Das bei der Sturmflut darüber hinweg spülende Wasser hat dieses Material sogleich weggeschwemmt und die Kleidecke dar-unter erosiv angegriffen. Auch tiefe Wagenspuren auf der Deichkrone und der Berme (Fahrwege auf der Innen- und Außenseite des Deiches) dienten als Ansatzlinien für die zerstörende Arbeit des Wassers.

Auf der […] Strecke zwischen Cranz und Moorburg erreicht der Winterdeich an keiner Stelle die Elbe. Vor ihm liegen das von Sommer-deichen geschützte Außendeichsland oder ein mehr oder minder breites ungeschütztes Vorland. Diese Ländereien grenzen an die Alte Süder-elbe, die sich im Zustand langsamer Verlandung befand. Sie fiel bei Niedrigwasser stellenweise ganz trocken. Reet bedeckte die Schlickflächen, und selbst bei Flut war es schwierig, mit einem flachgehenden, kleinen Segelboot die Alte Süderelbe zu durchfahren. Bei der Sturmflut presste sich aber eine gewaltige Wassermasse in diesen Stauraum, der nach der Sturmflut durch den Bau eines Deiches zwischen Finkenwer-der und dem Rosengarten abgedämmt wurde.

Schon am Nachmittag des 16.2. reichte das Wasser bis an den Win-terdeich, alles Vor- und Außendeichsland war überflutet, und nur die Obstbäume markierten die Fluraufteilung. Bis zu diesem Zeitpunkt un-terschied sich die Sturmflut nicht von all den voraufgegangenen der letzten Jahrzehnte. Schützend lagen noch vor den Siedlungen der Win-terdeich […]. Der gewundene Verlauf der Deiche und die umdeichten Bracks gemahnten jedoch an die schweren Deichbrüche vergangener Jahrhunderte, in denen man die zerstörten Deiche immer wieder zusammengestückelt hatte.

Die Sturmflutwetterlage vom 17. Februar 1962

Der Sturmflut vom 17. Februar war eine Woche mit stürmischen Winden aus westlichen Richtungen vorausgegangen. Das Azorenhoch war in dieser Zeit äußerst kräftig ausgebildet. Es hatte sich in der Richtung auf den Kontinent verlagert. An der Nordflanke des Hochs wurde ein Tief entlang gesteuert, das sich bei Neufundland gebildet hatte und über Island rasch nach Südskandinavien zog. Die Kaltfront überquerte Norddeutschland am 12.2. um die Mittagszeit, wobei der Wind in Hamburg volle Orkanstärke erreichte und schwere Schäden an Häusern und Bäumen anrichtete. Auf der Rückseite des Tiefs bildete sich anschließend eine zyklonale Nordwestlage mit lebhaften Winden aus Nordwest (13.2. bis 15.2.). Inzwischen war ein weiteres Sturmtief von Neufundland her am Nordrand des Azorenhochs entlang gesteuert wor-den. Es erreichte am 16.2. Südskandinavien. Die Kaltfront überquerte am Mittag Norddeutschland mit Orkanböen. Weitere Orkanböen folgten; mit ihnen war über Hamburg um 15.30 Uhr ein schweres Gewitter verbunden. "Die mittlere Windstärke (Stundenmittelwert) blieb mit 7 Beaufort trotz der schweren Böen niedriger als bei dem vorausge-gangenen Sturmtief. Aber dafür hielten die starken Winde länger an. Am 12. / 13. Februar lag die mittlere Windstärke 24 Stunden bei 6 Beaufort und mehr, am 16./ 17. 45 Stunden. Das Tief vom 12. / 13. Fe-bruar brachte größere Windgeschwindigkeiten, aber der Sturm hielt nur etwa halb so lange an, wie bei dem nachfolgenden am 16. / 17. Februar.

Schon durch das erste Sturmtief waren erhebliche zusätzliche Was-sermassen in die Nordsee geführt, und eine leichte Sturmflut verursacht worden. Im Gebiet der Elbe kam es zur Überflutung der Sommerdeiche. Während der folgenden zyklonalen Nordwestlage wurden die Wasser-massen in der Nordsee gehalten, während im Elbegebiet in dieser Zeit bei abflauenden Winden die Fluthöhen in den normalen Schwankungs-bereich absanken. Das am 16. Februar heranziehende zweite Sturmtief fand im Nordseeraum bereits angestaute Wassermassen vor, vergrößerte sie und erzeugte einen übernormalen Stau in der Deutschen Bucht.

Durch die rasche Aufeinanderfolge der beiden Tiefs, die Erhaltung des Staus und durch das lange Anhalten des Sturmes am 16. / 17. 2. kam es zur größten bisher bekannten Sturmflut mit 4.10 m über MThw (= 5.70 m NN) in der Elbe (MThw = Mittleres Tidehochwasser). Andauer und Intensität des Sturmes können aber durchaus noch größer sein. Dies lässt den Schluss zu, dass vom Windstau her gesehen noch größere Sturmfluten auftreten können.

Nach dem Durchzug des Sturmtiefs stellte sich die zyklonale Nordwestlage wieder ein, aber glücklicherweise folgte kein weiteres Tief. Es entwickelte sich vielmehr am 21. 2. über Fennoskandien ein Hoch; dadurch drang bei ruhigem Wetter kontinentale Kaltluft nach Nordwestdeutschland ein. Bei Frösten um - 20 bildete sich auf den weiten Wasserflächen im Überschwemmungs-bereich schnell eine Eisdecke, die erst Ende März abtaute. Chroniken kann man entnehmen, dass auch in früheren Jahrhunderten häufig auf eine Sturmflut Frostwetter folgte, wodurch weitere Schäden entstanden.

Die Zerstörungen vom 17. Februar 1962

Das Nachthochwasser am 16. 2. lag um 2.30 Uhr mit + 2.10 m nur einen halben Meter über mittlerem Hochwasser. 11 Stunden später strömte bereits das Wasser über die Sommerdeiche bei Moorburg, Ho-henwisch, Francop und Vierzigstücken. Diese Sommerdeiche von etwa 2 m Höhe schützen das Land bis zu einem Hochwasser von + 3.00 bis + 3.50 m NN. Das Nachmittagshochwasser am 16. 2. erreichte um 16.00 Uhr aber schon + 4.00 m NN. Am Rosengartendeich (Karte 2), der nur eine Höhe von + 4.30 bis + 4.60 m NN aufweist, stand das Wasser zu diesem Zeitpunkt einen halben Meter unter der Deichkrone.

Das Niedrigwasser trat kurz vor 21.00 Uhr mit einem Wasserstand von + 2.75 m NN (MTnw: - 0.70 m NN) ein. 2 1/2 Stunden später wurden + 4.00 m NN erneut überschritten […] Um 1.15 Uhr erfolgte der erste Deichbruch in Neuenfelde. Inzwischen lief auf der ganzen Strecke zwischen Neuenfelde und Moorburg das Wasser in einer Mächtigkeit von 1 bis 3 dm über die Deiche. Nur kleine Deichabschnitte in Francop und Moorburg wurden vom Wasser nicht überspült. Bis 3 Uhr war dann zwischen der Estemündung und Moorburg der Winterdeich an 53 Stellen gebrochen (insgesamt mit Sommerdeichen 86 Total- und Teilbrüche zwischen Moorburg und der Landesgrenze). Das Wasser ergoss sich durch die entstandenen Lücken in die 3. Meile des Alten Landes, die nunmehr als zusätzlicher Auffangraum diente. Selbst das brachte aber nur wenig Entlastung. Erst ab 3.30 Uhr sank das Wasser als Folge der kurz vor 3 Uhr einsetzenden Ebbe langsam unter die Höhe der Deichkronen ab. Über 3 Stunden lang war das Wasser über die Deichkronen geströmt. Danach schoss das Wasser noch 16 Stunden lang durch die zahlreichen Bruchstellen; denn nur wenige Teilbrüche fielen bei Niedrigwasser trocken (bei Niedrigwasser am 17. 2., 11 Uhr, ging das Wasser nur auf + 2.80 m NN zurück; das Nachmittagshochwasser stieg erneut auf + 4.10 m NN).

[…] Westlich des Estesperrwerkes hatten die Wellen an niedrigen Stellen über den Deich hinweg geleckt und auf der Innenseite das Gras gekämmt. Dieses gekämmte Gras war bei der Kartierung ein Indiz für die Überflutung. Vor allem aber konnte die Überflutungshöhe der Deiche aus dem Gras- und Schilfbehang in den Bäumen des Außen-deichslandes ermittelt werden.[…]

Höhere Wasserstände traten bei der Sturmflut lokal durch Stau auf. So bildete der Damm der Industriebahn nach Finkenwerder einen Riegel im Hochwasserbett der Alten Süderelbe. Bei der Sturmflut musste sich das Wasser durch den viel zu engen, überbrückten Durchlass pressen. Flutmarken zeigten in dieser Stauzone einen maximalen Wasserstand von + 7.00 m NN. Ein geringer Stau konnte auch noch etwas weiter östlich in der Alten Süderelbe entstehen, wo die durch die Alte Sü-derelbe und den Köhlbrand einlaufenden Flutwellen zusammentrafen.

Die Sturmflut vom 17. 2. 1962 hat gezeigt, dass die Deiche um mehr als 1 m zu niedrig waren. Man hatte sie nach den Erfahrungen der Sturmflut vom 4. Februar 1825 gebaut und ihnen eine zusätzliche Sicherheitshöhe von 50 cm gegeben. Wieder einmal hat sich bewahrheitet, dass ein Deich niemals überflutet werden darf, wenn er das Land schützen soll. Ein überfluteter Kleideich wird zerstört.

Diese Darstellung zeigt, dass die Moorburger Bürger nicht wirklich gut geschützt waren. Die Sicherheitsreserve von 50 cm zusätzlicher Deichhöhe gemessen an der Sturmflut von 1825, war bereits durch den Anstieg des Meeresspiegels aufgezehrt und dies war seit 1938 bekannt. Die Deiche waren zusätzlich um bis zu 40 cm abgesackt, dieses war seit 1953 bekannt. Durch den Bahndamm, der quer zum Flussbett der Alten Süderelbe verläuft und die viel zu schmale Brücke, wirkt dieses Konstrukt wie ein Staudamm und belastet zusätzlich den ohnehin unzureichenden Elbdeich. Die Deichbrüche westlich vom Bahndamm gehen sicherlich auf das Konto dieser Fehlplanung, selbst ein Deich mit der neuen Sollhöhe von 6,20 Meter wäre überflutet worden. Mindestens zwei weitere Deichbrüche gehen auf das Konto von unsachgemäßen Reparaturen nach Bombentreffern im Jahre 1945. Insgesamt hätten die anderen Deichbrüche östlich vom Bahndamm wahrscheinlich vermieden werden können, wenn man den Deich nach den Untersuchungen von 1953 auf die neue Deichhöhe von 6,20 Metern gebracht hätte.

Erste Deichbrüche in Moorburg sind für 1:30 Uhr dokumentiert. Weitere Deich-brüche erfolgten 1:45 Uhr und 2:00 Uhr. Der Schwerpunkt der Deichbrüche fand um 2:00 Uhr statt. Da die Alarmierung der Bevölkerung durch die Polizei bis 1:30 Uhr andauerte, wurden die letzten Einwohner praktisch erst gewarnt, als der erste Deichbruch sich schon ereignete und die Bürger wurden vielfach vom Wasser im Schlaf überrascht.

Eine Darstellung mit teilweise anderen Uhrzeitangaben ergibt sich durch die Schilderung in "Sturmflutkatastrophe Februar 1962, Verlag A. Pockwitz, Stade 1963":

[…] Um 0.15 Uhr gibt es den ersten Vollalarm durch ein 20 Minuten langes Sirenengeheul. Seit 23.30 Uhr hat die 19 Mann starke Freiwillige Feuerwehr den Deich besetzt. Um 0.40 Uhr der zweite Großalarm! Schaurig heult die Sirene. Die Nachbarn trommeln sich gegenseitig aus dem Schlaf. Allmählich wird es zur traurigen Gewissheit, dass sich in diesem Raum eine große Naturkatastrophe anbahnt. In Neuenfelde ist der Deich schon gebrochen, daher kann Moorburg in einigen Stunden mit einer größeren Wassermenge auf den Straßen rechnen. Die hohen Wellen schlagen bereits nach der Deichkrone. Wie lange wird der Deich hier noch halten? Um 1.00 Uhr dritter Alarm! Jetzt wird es ernst! Gewaltig tobt der Orkan. Als wollte sich das Meer in einer Nacht zurückholen, was die Menschen in sieben Jahrhunderten dem Wasser abgerungen haben. Um 1.27 Uhr vierter Alarm! Verzweifelte Hilferufe im Polizeifunk aus dem Fürstenmoor. Viele Bewohner versuchen noch mit eigenem Fahrzeug, das rettende Harburg zu erreichen. Um 1.30 Uhr fünfter Alarm! Die Telefonverbindungen sind bereits alle ausgefallen. Der Deich bei der Schule gibt nach, und in einer Breite von 70 m ergießen sich die gewaltigen Wassermassen ins Binnenland. Das alte Denkmal von 1870/71 vor dem jetzt zur Hälfte weggerissenen Schulgebäude verschwindet in den Fluten, ebenfalls die Schiller-Eiche von 1905, die ebenfalls unter Denkmalsschutz stand. Um 2.07 Uhr der sechste Alarm! Die Sirenen sind ein letztes Mal in Tätigkeit. Das Wasser strömt bereits über den Hinterdeich. Jeder rettet noch, was zu retten ist. Durch den Deichbruch Elbdeich 206 werden vier Kameraden von der Feuerwehr vom Wasser eingeschlossen. Um 2.10 Uhr schlagen die Wellen auf den Deich, die Einbruchstellen mehren sich.[…]1

Der blaue Bereich der Karte markiert das Überschwemmungsgebiet, grün schraffiert sind Flächen, die nicht überschwemmt waren, aber eine Höhe von höchstens 5,80 Meter über NN haben. Die blauen Pfeile markieren Deichbrüche, die kleinen roten Punkte stehen für jeweils 50 Einwohner.

Beim Landwirt Paul Böttcher lässt die sich durch den Deich ergießende Flut zwei Häuser spurlos verschwinden und fordert hier vier Menschenleben! Um 2.20 Uhr steht in vielen Häusern das Wasser, es riecht nach Schlick und Mud. Die Straße hat sich in einen reißenden Fluss verwandelt und trennt den Nach-barn vom Nachbarn. Um 2.45 Uhr fällt die Straßenbeleuchtung aus, dadurch wird jegliche Hilfe ausgeschaltet. Ängstlich hocken die Bewohner in ihren Häusern. Um 2.57 Uhr verlischt auch das Licht in den Häusern. Das Wasser steigt unaufhörlich. Bei Dr. Wesselhoefft lässt sich der Deich nicht mehr halten. Beim Kaufmann Gerhard Meyer fallen gleich drei Häuser der Flut zum Opfer. Um 3.30 Uhr sind die Menschen machtlos und haben jeglichen Widerstand aufgegeben. Vereinzelt sieht man in den Häusern Kerzenschein.1

Das Pionier-Bataillon in Harburg wurde am 16.2.1962 um 22:45 Uhr von der Auslösung der Alarmstufe III informiert. Um 23:55 Uhr erfolgte die Information über den erwarteten Wasserstand von 5,0 - 5,5 m. Daraufhin gab der diensthabende Offizier selbstständig um 0:00 Uhr Alarm. Um 0:30 Uhr war das Bataillon abmarschbereit und rückte bereits um 0:35 Uhr aus der Kaserne aus. Da die Bundeswehr weitere Hilfeersuchen erreichte, wurde die Brigade in Fischbek um 1:20 Uhr und die Brigade in Rahlstedt um 1:55 Uhr alarmiert. Darüber hinaus waren folgende Einheiten noch vor dem Morgen des 17.2.1962 im Einsatz: Panzer-Grenadier- Bataillon 72, Versorgungsbataillon 76, Sanitätsbataillon 3, Panzer-Grenadier-Brigade 17 und das Flugabwehrraketen- und Ausbildungsregiment. Auf Initiative von Senator Schmidt wurden weitere Kräfte von Bundeswehr und Nato angefordert und um 9:00 Uhr am 17.2.1962 starteten trotz des schweren Sturmes die ersten Hubschrauber und weitere Pioniereinheiten aus Deutschland, England, Belgien wurden in das Krisengebiet verlegt. Neben Polizei, Militär und THW schickten auch zahlreiche Hilfsorganisationen (z.B. Rotes Kreuz) Einsatzkräfte und ehrenamtliche Helfer in den Süderelberaum.

Um 7.00 Uhr fahren die ersten Bundeswehrsoldaten mit Schlauchbooten auf der Straße und holen Bewohner, die im Wasser stehen, aus den Häusern. Um 8.00 Uhr erkennt man deutlich den Stillstand des Wassers. Rotes Kreuz und Bundeswehr übernehmen die Versorgung der Menschen, die in höher gelegenen Räumen noch trocken sitzen und ihr Heim nicht verlassen wollen. Nach dem unteren Moorburg ist nur eine Verbindung durch Hubschrauber möglich. Um 14.00 Uhr ist wieder ein deutliches Ansteigen des Wassers erkennbar! Ein neues Grauen packt die Bewohner, die noch immer im Wasser sitzen. Keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Licht, kein Gas, kein Brennmaterial! Da bleibt vielen keine Wahl; sie müssen ihr Haus verlassen und die bereitgestellten Unterkünfte in Harburger Schulen in Anspruch nehmen. Um 18.00 Uhr hat das Wasser wieder den alten Höchststand erreicht und führt erneut viele Werte mit sich davon. Oft stellen sich das viele Holz, alte Tonnen und defekter Hausrat den Schlauchbooten hemmend in den Weg. Wo noch eine Möglichkeit bestand, hatte man das Vieh in höher gelegene Räume geschafft. Beim Bauer Gerkens stiegen die Kühe die Treppe hoch, ebenso hatte Bauer Günther Flügge ein Pferd, eine Sau, Ferkel und Kälber auf dem Boden. Erst am darauffolgenden Sonntag, am 18. Februar, gewann man einigermaßen eine Übersicht. Verwaltungsmäßig musste Moorburg in drei Teile aufgeteilt werden, in die Zentrale im Lokal "Zum Wasserturm" (Martin Meyer), außerdem in zwei Nebenstellen, das Jugendheim (Heinz Pinkenburg) und im unteren Moorburg bei Gastwirt Kröger (Rudolf Tipke).1

Die Bilanz dieser Sturmflut ist erschreckend: 11 Tote hatte Moorburg zu beklagen (davon 2 Helfer). 16 Häuser waren komplett zerstört und fast alle anderen beschädigt. 419 Rinder, 18 Pferde, 500 Schweine und 2000 Hühner ertranken in der Flut. Betrachtet man heute die Bilder der Zerstörung, kann man sich nur wundern, dass nicht noch mehr Opfer zu beklagen waren.

1 Die Sturmflutkatastrophe im Februar 1962; Verlag A. Pockwitz, Stade-Buxtehude 1963





Sie alle halfen in den Stunden der Not1

Oft Stand das eigene Leben auf dem Spiel

Dies ist ein Versuch, der unvollständig sein muss. Der Versuch eines Dankes an Tausende von Menschen nämlich, die über sich hinauswuchsen, als die Katastrophe sich auf Hamburg und die Hamburger stürzte. Dies ist die nüchterne Aufzählung von Menschen, von Hilfsmitteln und von geleisteten Einsätzen. Statistik eben. Hinter dieser Statistik aber steht ein hohes Lied der Menschlichkeit und der Verachtung des eigenen Risikos, wenn die Situation es erforderte. Des Mutes, der vor dem Opfer des eigenen Lebens nicht zurückschreckt.

Unbekannte Helfer

Sie waren einfach da. Sie kamen, griffen ohne Federlesens zu, arbeiteten bis zur Erschöpfung - und verschwanden wieder. Niemand weiß ihre Namen. Und niemand weiß, wie viele es waren. Zu ihnen gehören auch die, die auf ihren Posten ausharrten oder von sich aus bei den ersten Katastrophen-Nachrichten zu ihren Arbeitsplätzen eilten in dem Bewusstsein, gebraucht zu werden. Das sind zum Beispiel viele Beamte und Angestellte der Orts- und Bezirksämter, die dreißig und vierzig Stunden nicht aus den Kleidern kamen bei dem übermenschlichen Versuch, die Verhältnisse in den Griff zu bekommen. Das sind die Fachleute der Versorgungsbetriebe, die weder Sonntag noch Feier-abend kannten, um die zusammengebrochene Versorgung der Millionenstadt wieder in Gang zu bringen. Sie alle haben bewiesen, dass die menschlichen Tugenden, wie Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft, nicht ausgestorben sind.

Bundeswehr

Von den 25 000 Mann Bundeswehr, die seit dem 17. Februar an der deutschen Nordseeküste eingesetzt waren, arbeiteten 8000 Mann in Hamburg. Es waren überwiegend Angehörige der 3. Panzerdivision in Buxtehude, verstärkt durch Pioniereinheiten aus den Räumen Kiel, Bremen, Hannover und Köln. Sie trugen die Hauptlast des Kampfes gegen die anstürmenden Fluten.

Im Bereich des Wehrbereichskommandos I führte Konteradmiral Rogge, selbst Sohn eines Oberdeichgrafen in Tondern, das Kommando, während Generalleutnant Müller, früher Hamburg, von Hannover aus den Einsatz im Wehrbereichskommando II leitete. Beider Urteil: Unsere Soldaten haben hervorragend ihren Mann gestanden, zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Ein Lob, dem die Hamburger ohne Einschränkung zustimmen.

NATO-Verbände

Tatkräftig unterstützten die Hubschrauber der Amerikaner die Heeresflieger der Bundeswehr. Mit 135 Piloten, Funkern und Technikern landeten 19 Helicopter der US-Army von Hanau und Wertheim nach einem Sturmflug in Hamburg und reihten sich sofort in die Luftbrücke über der Elbe ein. Vollmotorisierte Pioniertruppen, etwa 1000 Mann, ausgerüstet mit allem Gerät, setzten die Engländer, Holländer und Belgier in Hamburg ein.

Bundesgrenzschutz

Insgesamt standen rund 4000 Mann mit 600 Fahrzeugen und acht Hubschraubern im Überschwemmungsgebiet ihren Kameraden von der Bundeswehr zur Seite. Drei Pionierzüge des Bundesgrenzschutzes aus Lübeck waren vornehmlich zu Beginn der Katastrophe am Moorburger Deich eingesetzt.

Bundesluftschutzverband

Das Ausmaß der Katastrophe war kaum erkennbar, da meldeten sich 5000 freiwillige Helfer zusätzlich beim Bundesluftschutz-Verband. Es waren Hamburger aller Altersgruppen und eine beträchtliche Zahl von Ausländern, die sofort bereit waren, ihrer Gast-Stadt in den Stunden der Not beizustehen.

Mit Gummistiefeln. Schutzkleidung und Arbeitsgerät aus den Beständen des BLSV versehen, traten diese Männer und Frauen in die Reihen der Organisation, die außer 15 Mannschaftswagen und zehn Großraumfahrzeugen über 100 zur Verfügung gestellte Privatwagen einsetzte. Wertvolle Hilfe bedeuteten weiter die fahrbaren Luftschutz-Schulen, die die anderen deutschen Landesverbände sofort nach Hamburg in Marsch gesetzt hatten.

Feuerwehren

Rund 1000 Männer der Hamburger Berufsfeuerwehr und 700 der freiwilligen Wehren haben in den Katastrophentagen wertvolle Hilfe geleistet. Wie viele Einsätze sie gefahren sind, kann noch nicht gesagt werden. Noch war keine Zeit, Bilanz zu machen. Fest steht nur, dass die Hamburger Feuerwehr allein zusammen mit den Hubschrauberbesatzungen 400 Menschen aus dem Wasser holte.

Polizei

Die Leistung der Polizei während der Katastrophentage in Zahlen auszudrücken, ist schier unmöglich. "Es war Aufgabe des einzelnen, aus eigener Initiative überall tätig zu sein", erklärte Oberrat Leddin vom Katastrophen-Abwehrstab. In der ersten Nacht sind allein 1400 Einsätze gefahren worden: Sturmschäden, Absperrung, Versorgung, Lebensrettung lauten die Stichworte.

Mehr als 60 Polizeibeamte mussten während des Katastrophen-Einsatzes ins Krankenhaus gebracht werden: Unterkühlungen in der eisigen Flut.

DLRG-Hamburg

Zusammen mit Feuerwehr und Polizei bargen Hamburger Mitglieder der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft in den Katastrophentagen rund 1000 Menschen mit sieben Booten. Die tapferen Rettungsschwimmer hatten am Sonnabend früh ihre Boote erst mühsam aus dem überfluteten Keller ihres Klubhauses an der Elbchaussee bergen müssen.

Technisches Hilfswerk

Mit umgestürzten Bäumen fing es für sie an in jener Nacht. Freitag Nacht war das Technische Hilfswerk eine Truppe von 1000 Mann in khakifarbenen Uniformen an vielen Stellen die erste Hilfe, als die Flut die Deiche brach. Sie bargen Menschen, brachten Verpflegung und halfen, wo es nur irgend nötig war.

Die Männer vom Zoll

Als bei aufkommendem Tageslicht am Sonnabendmorgen das Ausmaß der Ka-tastrophe deutlich wurde, reihten sich auch mehr als 200 Zollbedienstete freiwillig unter die Helfer ein. Schon in der Nacht zum Sonnabend hatten Angehörige des Land- und Wasser-Grenz-Aufsichtsdienstes (Waltershof, Köhibrand, Veddel, Süderelbe und Cuxhaven) Menschen aus Lebensgefahr gerettet und deren persönlichen Besitz geborgen. Zollfunkwagen und Zollkreuzer aus Cuxhaven, Brunsbüttelkoog und Schulau waren wie auch die Hamburger Wagen und Boote immer an den Brennpunkten des Geschehens.

Froschmänner / Sporttaucher

Schon nach den ersten Alarmmeldungen traf Falck's Rettungsgesellschaft, eine Organisation aus Dänemark, mit zwölf Froschmännern aus Odense in Hamburg ein. Sie kamen zum Teil im eigenen Flugzeug. Unter Leitung von William Falck jun., dem Sohn des Direktors, arbeiteten die Froschmänner, die Pumpwagen und Plastikboot mitgebracht hatten, auf Waltershof, um Ertrunkene zu bergen. "Alle Uhren in den versunkenen Häusern standen auf 5 Minuten vor 2", berichteten die Froschmänner. Gerettete Verletzte und Kranke danken ihnen und den 33 Sporttauchern aus Köln, dem Siegerland, Essen und vom Hamburger Unterwasser-Klub.

Heilsarmee Hamburg

Rund 30 Mitglieder der Heilsarmee waren als erste Retter in der Not Freitag nacht mit Bekleidung, belegten Broten, heißem Tee in der Notunterkunft Papenstraße zur Stelle. Mit der Hamburger Heilsarmee standen die englischen Kameraden des "Salvation Army Redshield Service" aus Soltau Schulter an Schulter.

Johanniter-Orden

Die Johanniter - Hilfsgemeinschaft wurde in der Freitagnacht gegen 2 Uhr zusammengetrommelt. Seitdem kamen die rund 100 Mitglieder tage- und nächtelang nicht aus den Kleidern. Sie arbeiteten in Notaufnahmelagern und leisteten Erste Hilfe.

Malteser-Hilfsdienst

Bis unters Dach mit Spenden vollgestopft waren die Wagen des Malteser-Hilfsdienstes, die vom Caritas-Haus, An der Alster, in die Notaufnahmelager fuhren. Den Hamburger Orden mit rund 25 Mitgliedern unterstützten Helfer aus Köln, Aachen, Gelsenkirchen, Münster, Osnabrück. In den frühen Morgen-stunden des 17. Februar hatten sie sich bereits auf die Reise nach Hamburg gemacht.

Arbeiter-Samariter-Bund

Rund 2400 Obdachlose betreuten die, 200 Helfer vom Arbeiter-Samariter-Bund allein in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag in der Harburger Friedrich-Ebert-Halle. Bis zum vergangenen Wochenende gaben sie noch immer 600 Essenportionen täglich aus, unterstützt von vielen Jungen und Mädchen aus Hamburger Schulen.

Deutsches Rotes Kreuz

Ohne jede Verbindung zu ihrer Zentrale, ganz auf sich gestellt, so haben die DRK-Helfer in der Sturmnacht inmitten des Chaos gestanden und geholfen. "Abrücken zu erkennbaren Gefahrenpunkten", so lautete um 2.50 Uhr jener Nacht ihr erster Einsatzbefehl. Gefahr war überall. Und dann packten sie eben zu!

4000 von ihnen sind noch immer im Einsatz. Ein Heer Namenloser, nur erkennbar durch das kleine rote Kreuz auf weißem Grund.

1 Hamburger Abendblatt 2.3.1962