(Um 995.)
Damals, zur Zeit des Erzbischofs Libentius II., als die Normannen wiederum die Küsten der Nordsee mit Feuer und Schwert heimsuchten, landeten auch große Schaaren dieser kühnen Räuber, die unser Volk die Askomannen nannte, in der Weser, von wo aus sie die ganze Gegend bis an die Elbe, von Leesum bis zum Lande Hadeln, ausplünderten und Männer, Weiber und Kinder, so viel sie deren nicht erschlagen hatten, als Sklaven mit sich fort führten.
Und da sie nun ihren ferneren Raubzug auf die Stadt Hamburg richteten, unterwegs aber in ein Irrsal von weiten Sümpfen, Mooren, Wäldern und wüsten Haiden geriethen, so zwangen sie einen Edlen dieser Gegend, den Herward, daß er ihnen als Wegweiser diene. Der aber haßte die Feinde und sann auf ihre Vernichtung. Darum gab er insgeheim den erzbischöflichen Kriegern in Bremen wie in Hamburg Kunde von seinem Vorhaben, und führte dann die Askomannen bis auf die Berge, welche sich bei dem jetzigen Marburg längs der Elbe hinziehen. Und als die Normannen sich Hamburg gegenüber sahen, waren sie froh, und gedachten bald hinüber zu kommen, um die Stadt Hamburg dem Erdboden gleich zu machen, wie vormals ihre Stammesgenossen gethan. Da aber führte sie Herward hinunter in das tiefe Moor- und Sumpfland an der Elbe, welches damals Glindes-Moor hieß und sobald die ersten Schaaren diesen verderblichen Boden betreten hatten und darin versanken, stürmten seit- wie hinterwärts aus den waldigen Bergthälern die Bremischen und Hamburgischen Kriegsleute herbei und begannen zugleich mit den sich befreienden Gefangenen einen furchtbaren Kampf. Und die Feinde, obschon an Zahl den Unsrigen weit überlegen, fanden keinen Ausweg, keine Rettung, - wollten sie dem schmählichen Tode in Moor und Sumpf entrinnen, so fielen sie unter den Schwertern und Streitäxten der Sächsischen. Und solchergestalt kamen sie Alle um bis auf den letzten Mann, man will sagen, bei 20 000.
Herward aber wurde hochgepriesen und viel geehrt, und man nannte seinen Namen neben dem des glorreichen Cheruskerfürsten Hermann, der vor alter Zeit in ähnlicher Weise im Teutoburger Walde das deutsche Land von den Römern befreit hatte.
So geht die Sage. Andere freilich meinen, der Ort dieser Schlacht sei jenes Glindes-Moor gewesen, welches in der Cremper Marsch, diesseits der Elbe, liegt; aber das ist irrig, denn dahin kamen die Askomannen nicht. Mit mehr Recht vermuthen Andere, daß die That im bremischen Lande, zwischen den Flüssen Oste und Hamme, geschehen sei, woselbst es auch große Moore und Waldungen giebt, und die heutigen Ortsnamen Glinstermoor und Glinstedt darauf hinzudeuten scheinen.
Folgen wir aber unserer Sage, so sehen wir durch sie auch unser heutiges Moorburg verherrlicht, welches in alten Urkunden Glindes-Moor heißt. Im Jahre 1373 verkauften die damaligen Eigenthümer, die Edlen Barthold und Ludolf von Hiddesacker diese Landschaft an Meineke Schulte, der sie vier Jahre später dem Hamburgischen Rathe abtrat, was hundert Jahre darauf das Geschlecht derer von Hitzacker auch anerkannt hat. Und schon um 1399 bauten die Hamburger hier eine Burg zum Schütze der Eibschifffahrt und zur Abwehr gegen räuberische Ueberfälle und nannten sie die Moorburg. Hernach ist oft Fehde gewesen wegen derselben; der Bischof Johann von Verden verheerte das Land Ao. 1461, um die Hamburger zu bestrafen, die ihm bei einem Besuche ihrer Stadt einen Tort zugefugt hatten. Auch mit den Herzogen von Braunschweig-Lüneburg gab's viel Streit wegen des Landes und der Burg, die siegreich manchen Sturm abgeschlagen hat, und noch 1573 neu befestigt wurde.
Die Burg ist seitdem verschwunden, das dazu gehörige Ackergut aber, vormals eine Domaine der Stadt und später verkauft, heißt mit seinem Gehöfte und sonstigen Gebäuden noch jetzt "die Burg". In des Besitzers Garten ist die Stelle des alten Schlosses zu suchen.
Noch in neuerer Zeit sah der classische Kriegsboden des alten Glindes-Moor Kampf und Sieg der Deutschen Waffen. Am 1. und 4. April 1814 schlug hier das tapfere Hannoversche Jägerbataillon von Klenke die ungestümen Angriffe der in Harburg liegenden Franzosen unter dem General Pecheux siegreich zurück, nachdem 60 kühne Freiwillige durch die tiefen Marschwiesen gewatet und dem Feinde mit Bayonnett und Säbel in die Seite gefallen waren.
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 6