Moorburg zur Franzosenzeit

Die

Landschaft Moorburg in der Franzosenzeit



und


die Kämpfe um die Moorburger Schanze.




Zwei Vorträge
am 6. Und 13. Dezember 1908 gehalten
von
H. Stüven

Pastor zu Moorburg

Nebst einer Beigabe von Adolph Peters, Königl. Forstmeister zu Lüss
und einer Abbildung nach Knötels Uniformenkunde.

Der Reinertrag ist für das Kriegerdenkmal
Auf dem Moorburger Friedhofe bestimmt

Hamburg 1909
Komissionsverlag von Weitbrecht & Marissal.




Herrn Gustav Hansing zu Hamburg


als Vertreter der Familie Hansing

verehrungsvoll gewidmet

Vom Verfasser.





Pastor Stüven

Vorwort.

Die nachfolgenden beiden geschichtlichen Vorträge, am 6. Und 13. Dezember des verflossenen Jahres vor einer zahlreichen Zuhörerschaft, die auch aus der Umgebung von Moorburg erschienen war, im hiesigen Café Bauer gehalten, werden auf vielfachen Wunsch hierdurch der Öffentlichkeit überlassen.
Hat schon der erste Vortrag eine etwas erweiterte Gestalt erhalten, so musste der zweite Vortrag vielfach eine völlige Umarbeitung erfahren, nachdem ich die Schrift des Hauptmanns B. Hülsemann nachträglich kennen gelernt hatte. Es war namentlich unvermeidlich, an der Aufzeichnung von Carl Heinrich Nieber noch eine weitere Kritik zu üben, als ich sie am zweiten Vortragsabend geben konnte. Soviel ich vermochte, habe ich Licht in die im Laufe der Zeit mehr und mehr verdunkelte Begebenheit des ersten größeren Kampfes um die Moorburger Schanze zu bringen versucht.
Um meinen Zuhörern recht verständlich zu werden, war es überall mein Bemühen, die Schicksale und Erlebnisse unserer Landschaft während der Franzosenzeit in den Zusammenhang der allgemeinen Geschichte zu verflechten. Von diesen Gesichtspunkte aus, so hoffe ich, wird der geneigte Leser manche Stellen zu würdigen wissen, die vielleicht auf den ersten Blick nur als unnütze Abschweifung erscheinen.
Schließlich nehme ich auch hier gern Gelegenheit, dem Rat Dr. F. Voigt zu Hamburg, sowie Herrn Bibliotheksrat Buck zu Gmunden (Königl. Ernst August Fideikommißbibliothek) meinen herzlichen Dank für alle mir gütigst gewährte Unterstützung auszusprechen.
Möchte meine bescheidene Arbeit, eine bis dahin vorhandene Lücke ausfüllend, sich ihrem Zweck so annähern, dass echter patriotischer Sinn in den Herzen geweckt, das Gedächtnis der für das Vaterland Gefallenen gebührend geehrt und das Andenken an die große Zeit der Freiheitskriege bei der baldigen 100 jährigen Wiederkehr, besonders für unsere engere Heimat erneuert wird!

Moorburg, im August 1909.

Mit deutschen Gruß und Handschlag

Der Verfasser


Landschaft Moorburg in der Franzosenzeit


Hochgeehrte Versammlung, meine lieben Freunde!

Wer unter Ihnen in der letztverflossenen Zeit unserem Moorburger Friedhof gekommen ist, wird gewiss auch den Eindruck empfangen und mitgenommen haben, dass sich hier ein sehr erfreulicher Wandel gegen früher vollzogen hat. Schon auf unserem neuen Friedhofsportal, das im vorigen Jahre an die Stelle der alten hölzernen, wenig schönen Eingangspforte getreten ist, können wir wohl unser Auge mit Befriedigung ruhen lassen. Sowohl für die Lebenden, wie auch die Abgeschiedenen, die auf dem letzten Wege hindurchgetragen werden zur stillen, tiefen Ruh, wird es den rechten Gruß bieten mit den Sprüchen aus unseren Erlösers Mund, die in den beiden Marmortafeln eingetragen sind, mit dem Zeichen des Kreuzes, dass segnend und verheißend von der Höhe leuchtet. Es ist uns ferner ganz über Erwarten gelungen, die im Süden der Kirche gelegene Abteilung des alten Friedhofs durch regelrechte Anlage von Wegen und Einteilung der Grabstellen nicht nur für die Zukunft wieder aufzuschließen, sondern sie auch so mit dem neuen Friedhof zu verbinden, dass eine einheitliche, wohltuende Gesamtanlage hergestellt ist. Kurz, unser Friedhof kann jetzt, die ländlichen Verhältnisse in Betracht genommen, seine Aufgabe in Ehren erfüllen, für die Gemeinde eine Stätte ernster und trostvoller Weihe zu sein.
Andererseits würde es doch zuviel gesagt sein, dass durch die kürzlich vorgenommenen, umfassenden Arbeiten alle Nachwirkungen früherer Übelstände überwunden wären. Auf dem Friedhof an der Nordseite unserer Kirche wird einstweilen in die Gräber keine bessere Ordnung zu bringen sein, also alles beim Alten bleiben müssen. Was aber noch mehr zu bedauern ist, die sehr beschränkten Verhältnisse, worunter unsere Vorfahren Jahrhunderte hindurch die Beerdigungen vorzunehmen hatten, haben zur Folge gehabt, dass so manches Grab, dass ein besseres Schicksal verdient hätte, alsbald nach der Ruhefrist wieder in Benutzung genommen, darum zuletzt nach seinem Ursprung verschwunden ist. Um von anderen zu schweigen, gar wenige in der jetzt lebenden Generation wissen, dass auf unserm alten Friedhof auch Gräber aus der Franzosenzeit vorhanden waren. Im Frühjahr 1814 sind hier nicht weniger als 13 deutsche Krieger bestattet, Freiwillige aus drei damals gesammelten hannoverschen Truppenkorps, die Tapfer und heldenmütig ihr Leben im Kampf um die Moorburger Schanze für des Vaterlandes Freiheit und Ehre gelassen haben. Der Strom der Zeit ist darüber hinweggegangen. Nur ein Name wird noch genannt, der des jungen Leutnants Heinrich Hansing, und nur seine Grabstätte lässt sich mit völliger Sicherheit bezeichnen. Alles andere ist verweht, versunken, vergessen! -
Nein, ich hoffe doch zuversichtlich, schon die kurze Erwähnung der einfachen Tatsache, dass 13 deutsche Kämpfer und Brüder aus den Freiheitskriegen auf unserem Friedhof ruhen, wird uns zu erstem Sinnen und Nachdenken führen. Diese 13 Gräber an sich richten eine stille, starke Sprache an unser aller Herz. Der Blick darauf genügt, um wieder lebendig in unserem Geist das Bild der großen Zeit vor bald hundert Jahren erstehen zu lassen, jener Zeit schweren Leidens, Kämpfens und Ringens unter dem drückenden Joch übermütiger Fremdherrschaft, aber auch kraftvollen Hindurchbrechens und Auferstehens zu neuem Leben, das Bild der damaligen Schicksale und Erlebnisse unserer eigenen Landschaft, die in jene ganze Bewegung besonders und eigentümlich hineingezogen wurde. Für eine Sache möchte ich mir jetzt, ehe die letzten Spuren der von den Vätern empfangenen Erinnerung an jene Zeit ganz verschwinden. Die baldige hertjährige Wiederkehr der Jahre 1813/14 muss uns vollends ein starker Antrieb sein, eingehend zu betrachten, was Moorburg in der Franzosenzeit erlebt und erlitten, und was sich zumal an Kämpfen dort an der Moorburger Schanze abgespielt hat.
Wer es aber unternimmt, über eine geschichtliche Begebenheit zu berichten, hat gewissermaßen die Verpflichtung, die Quellen für seine Darstellung anzugeben, und so will ich Ihnen zunächst Rechenschaft in dieser Hinsicht erstatten. Dass wir noch immer aus einer in unserer Mitte vorhandenen mündlichen Überlieferung schöpfen können, brauche ich kaum besonders zu erwähnen, doch ebenso wenig, dass bei Ablauf von bald einem Jahrhundert manches schon verwischt und getrübt ist. Viel größere Sicherheit und Gewähr bieten auch hier die schriftlichen Aufzeichnungen. Darunter kommt für uns als eine Quelle ersten Ranges in Betracht das Moorburger Kirchenbuch, genauer gesagt, das Leichenregister vom Jahre 1814. Es ist mit gewohnter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit geführt von dem damaligen Hauptlehrer und Organisten August Beyer bzw. dem Pastor Paul Lorenz Cropp, dessen Bild noch in unserer Kirche hängt. In diesem Register findet sich der Tag des Todes sowie der Beerdigung nebst Angabe des Truppenteils der Gefallenen, und ein Irrtum muss hier, da die Eintragung jedes Mal bald nach einem Todesfall geschehen ist, so gut wie ausgeschlossen erscheinen. Hieran schließen sich füglich die aus jener Zeit geretteten Protokolle der Landherrenschaft zu Hamburg sowie der nachherigen Maine Moorburg nebst einigen kleineren Urkunden, deren Benutzung mir größtenteils Herr Rat Di-. F. Voigt, der Ihnen wohlbekannte, verdienstvolle Erforscher Hamburgischer Geschichte, besonders unseres Landgebietes gütigst ermöglicht hat. Wenden wir uns weiter zu unserer Nachbarschaft, so steht uns die Chronik, wie sie gewöhnlich genannt wird, der Stadt Harburg zur Verfügung, verfasst von dem Prediger W. C. Ludewig, die uns über die Franzosenzeit und insbesondere über die Kampfe um die Moorburger Schanze manche wertvolle Auskunft gibt. Sodann ist es mir unter der Führung und Hilfeleistung des Herrn Heinrich Bauer (Besitzer von ,,Café Bauer") gelungen, eine ganz neue Quelle für unseren Zweck zu erschließen. Als wir eines Tages in der Umgegend von Harburg Nachforschungen anstellten, fanden wir zu unserer freudigen Überraschung auf Heimfeld einen von dem Höfner Carl Heinrich Nieber herrührenden, ausführlichen Bericht über den ersten großen um die Moorburger Schanze geführten nächtlichen Kampf. Ich werde diese äußerst wichtige Urkunde, die inzwischen auch durch Herrn Senatssekretar Dr. Hagedorn abschriftlich in das Hamburgische Staatsarchiv aufgenommen ist, gebührend mitzuteilen und zu verwerten suchen. Außer dem Bericht des einfachen Landmanns haben wir aber noch drei andere von Männern, die selbst auf dem Boden unserer Landschaft mit-gefochten haben, also Augenzeugen der Begebenheiten gewesen find. Ich nenne zuerst den Jagdjunker und Leutnant Johann Christian von Düring, geb. zu Dannenberg am 16. April 1792, gest. zu Hannover am 29. Januar 1862. Er hat außer einem Tagebuch eine besondere Geschichte der Kielmannsegge'schen Jäger hinterlassen, in deren Reihen, wie wir sehen werden, er selbst eine so hervorragende Rolle spielte, Ebenfalls ein Tagebuch, worin die Ereignisse in Moorburg berücksichtigt werden" besitzen wir von dem als Verfasser der ,,bezauberten Rose" berühmt gewordenen Dichter Ernst Schulze, geb. am 22. März 1789 zu Celle, daselbst früh verstarb. Am 29. Juni 1817, der mit den gewöhnlich so genannten Harzer Jägern nach Moorburg gekommen ist. Veröffentlicht ist dieses Tagebuch in seinen gesammelten Werken von Hermann Marggraf, Leipzig bei F. A. Brockhaus. Weit ergiebiger noch ist die dritte Darstellung, die im Marz des Jahres 1888 in drei Nummern des ,,Hamburgischen Correspondent" unter dem Titel erschien: ,,Beim Blockadekorps vor Hamburg. Aus den nachgelassenen Papieren eines preußischen Offiziers." Den Namen des Verfassers, der ebenfalls zum Harzer Jägerkorps gehörte und bis zu allerletzt beim Abzug der Franzosen von Harburg tätig war. konnte ich nicht mehr ermitteln. Sie wissen also, wer gemeint ist, wenn ich später von dem ,,preußischen Offizier N.N." rede. Außer diesen besonderen Darstellungen der Ereignisse und Kampfe, wofür unsere Landschaft Moorburg und ihre Schanze den Schauplatz abgab, find über die seit der Freiheitskriege im Allgemeinen und über die damaligen Schicksale unserer so hart betroffenen Stadt Hamburg so viele treffliche quellengemäße Schilderungen erschienen, dass ich mir an dieser Stelle völlig versagen muss, irgendwie darauf einzugehen. Nur das Werk von C. L. E. Zander, Prorektor an der Domschule zu Ratzeburg und früher Leutnant in der Lützow'schen Freischar, will ich wenigstens namhaft machen, betitelt: ,,Geschichte des Krieges an der Nieder-Elbe im Jahre 1813. (Lüneburg bei Herold u. Wahlstab 1839.) Wie aber schon der Titel erkennen lässt, schließt es vor den Kriegsereignissen in Moorburg mit dem Frieden zu Kiel (14. Januar 1814) ab. Was endlich die militärischen Verhältnisse in den für die Kampfe um die Moorburger Schanze beteiligten Truppenkörpern betrifft, so leisten erwünschte Dienste: 1) Die Schrift des Hauptmanns B. Jacobi: "Hannovers Teilnahme an der deutschen Erhebung im Frühjahr 1813. Hannover, Helwingsche Hofbuchhandlung 1863. 2) Das Werk von A. und R. von Sichart, Geschichte der Königlich-Hannoverschen Armee, Band V. Hannover u. Leipzig, Hahnsche Hofbuchhandlung. 1898. Endlich bin ich noch in allerletzter Zeit durch die Güte des Herrn Bibliothekrates Bück in Gmunden auf eine Sonderdarstellung aufmerksam gemacht: "B. Hülsemann, Geschichte des Königl. Hannoverschen Infanterie-Regimentes und seiner Stammkörper. Hannover, Helwing 1863." Um unsern Überblick zusammenzufassen, so sehen Sie, dass es uns an reichhaltigem Quellenmaterial nicht gebricht. Nur ist es nicht immer ganz leicht, die verschiedenen Berichte, da auch bei den Augenzeugen die Erinnerungen in der Folgezeit naturgemäß manchmal verblassten, völlig auszugleichen und eine übereinstimmende Darstellung der einzelnen Vorgänge zu geben.
Um nun ein möglichst anschauliches Bild zu gewinnen, scheint es mir geboten zu sein, etwas weiter auszuholen und den Rahmen, wenn ich so sagen darf, der allgemeinen Zeitverhältnisse zu zeichnen, worin sich dann zuletzt die Schicksale unserer Landschaft, besonders die Kämpfe um die Moorburger Schanze zum rechten Verständnis einzufügen haben.
Im Jahre 1789 war die Französische Revolution zum Ausbruch gekommen, jenes für die ganze neuere Geschichte so folgenschwere Ereignis, das alle Grundordnungen und Lebensverhältnisse unseres Nachbarstaates auf das Tiefste erschütterte, ja seinen Wellenschlag alsbald in fast alle europäischen Länder weiter trug. Das Erbe aber dieser Revolution hatte der junge, hochbegabte Sohn der Insel Korsika, Napoleon Buonaparte angetreten. Frühzeitig an den Kämpfen der Revolution beteiligt, worin er mit seinen Truppen der Retter des durch sein Schreckensregiment berüchtigten Konventes wurde, durch seine Waffentaten gegen die Österreicher in Ober-Italien mit glänzenden Lorbeeren geschmückt, hatte er doch in allem nur seine selbstsüchtigen Zwecke und hochfliegenden Pläne verfolgt, wie er es einmal einem Vertrauten verriet: "Glauben Sie etwa, meine in Italien errungenen Triumphe hätten den Zweck, die Advokaten des Direktoriums groß zu machen? Glauben Sie, ich hätte gesiegt, um die Republik zu befestigen? ... Ruhm brauchen die Franzosen, Befriedigung ihrer Eitelkeit wollen sie haben. Die Nation braucht ein Oberhaupt, ein durch Ruhm verherrlichtes Haupt." Noch eine Weile hielt er in kluger Berechnung zurück, führte' sein Heer zu neuen Siegen in Ägypten bei den Pyramiden, in Syrien und Palästina dann erschien er wieder in Paris, um die reifgewordene Frucht zu sammeln. Durch den Staatsstreich vom 9. November 1799 lässt er sich zum Konsul auf 10 Jahre ernennen, 1802 wird er Konsul auf Lebenszeit und am 18. Mai 1804 Kaiser der Franzosen. Was diese Alleinherrschaft zu bedeuten hatte, sollte unsere eigene Landschaft Moorburg unter mancherlei Heimsuchung bald zu fühlen bekommen. Dass Moorburg so frühe vor allen anderen Hamburgischen Landgemeinden in Mitleidenschaft gezogen wurde, erklärt sich aus seiner geographischen Lage, wonach es ganz von hannoverschem Gebiet, abgesehen von der Wasserseite, umschlossen ist. Auf dieses Verhältnis müssen wir jetzt unser Augenmerk richten.
Bei Beginn des 19. Jahrhunderts war Hannover ein zwar im alten deutschen Reich selbständiges Kurfürstentum, aber unter englischer Hoheit und Verwaltung. Der König von England, Georg III. war zugleich Kurfürst von Hannover. Wenn aber vor einigen Jahren das Wort von der glänzenden Isolierung Englands gefallen ist, so traf das erst recht zu für die damalige Zeit. Zunächst stand England mit den nordischen Mächten Schweden, Dänemark, Russland und Preußen auf schlechtem Fuß. Diese schlössen, durch die Übermacht der Engländer zur See gereizt, die sog. nordische Koalition unter dem 16. August 1800, wonach die Verbündeten auf die in ihrem Bereich sich findenden englischen Waren und Schiffe Beschlag legen wollten. Preußen tat den weiteren Schritt, am 3.April 1801 ein Heer von 24700 Mann in die Kurstaaten einrücken zu lassen; so wurde Hannover zum ersten Mal preußisch. Dieser Zustand dauerte aber nur bis in den Monat Oktober des genannten Jahres, dann gestalteten sich die politischen Verhältnisse so, dass der preußische Adler wieder aus Hannover verschwand und das hannoversche Wappen mit dem Georg Rex wieder aufgerichtet wurde. Noch viel grimmiger war jedoch der Hass, den Napoleon auf England geworfen hatte. Er konnte es nicht verwinden, dass die englische Flotte der französischen im Jahre 1798 bei Abukir eine vernichtende Niederlage beigebracht hatte, überhaupt das England seinem ehrgeizigen Streben zur See unüberwindliche Schranken entgegensetzte. Wollte er aber England treffen, so konnte es einstweilen nicht anders geschehen, als dass er seine Hand auf Hannover legte. Das geschah mit unerwarteter Schnelligkeit. Am 30. Mai 1803 rückten die Franzosen in Osnabrück ein, am 8. Juni waren sie in Harburg. Am 5. Juli 1803 verstand sich der Kurfürstlich Braunschweig-Lüneburgische Feldmarschall Graf Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (+ 10. November 1811 zu Hannover) dazu, auf der Elbe im Schiff die unwürdige Konvention von Artlenburg mit dem französischen Generalleutnant Eduard Mortier abzuschließen. Das hannoversche Armeekorps löste sich auf. Alle Waffen, Pferde usw. wurden dem Feinde ausgeliefert, dem damit das ganze hannoversche Land offen stand. Freilich atmeten die Gemüter wieder auf, als zwischen England, Russland, Österreich und Schweden sich 1805 die dritte Koalition gegen Frankreich bildete und die französischen Truppen bis auf eine in Hameln zurückbleibende Abteilung von 4000 Mann zurückgezogen wurden. Allein in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 blieb Napoleon Sieger, und durch den nachfolgenden Frieden zu Preßburg lag Österreich gedemütigt zu seinen Füßen. Er fühlte sich bereits so als unumschränkter Herr, dass er gegen Abtretung von Cleve und Neufchatel jetzt Hannover an Preußen gab, dem noch immer nicht die Augen über die hinterlistige Politik des Eroberers aufgegangen waren. So wurde durch Patent vom 27. Januar 1806 der hannoversche Kurstaat zum zweiten Mal preußisch. Auf wie schwachen Füßen diese Herrschaft stand, wurde mit richtigem Instinkt lebhaft im Volk empfunden und sollte sich noch in demselben Jahr offenbaren. Nachdem Napoleon mit Österreich fertig geworden war, kam Preußen an die Reihe. In spät erkannte es die schlaue Taktik Napoleons, die nach dem alten Satz ging: "Teile und herrsche!" Hinterrücks wurde Hannover wieder an England ausgeboten, andere Demütigungen kamen hinzu. So wurde Preußen schließlich in den Krieg getrieben. Wie unglücklich er ausging, ist genügend bekannt. Das preußische Heer, das zu lange vertrauensselig auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen geschlummert hatte, man kann noch mehr sagen, das ganze alte morsch gewordene preußische Staatssystem erhält am 14. Oktober 1806 in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt eine furchtbare Niederlage. Noch schmählicher ist der unglaublich rasch erfolgende Fall einer ganzen Reihe preußischer Festungen: Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Hameln; nur Colberg und Graudenz hielten sich tapfer. Nachdem am 14. Juni 1807 die Schlacht bei Friedland auch siegreich für Napoleon geschlagen ist, muss sich Preußen zum Frieden von Tilsit verstehen der ihm außer gewaltigen Kriegskosten alle Länder zwischen Elbe und Rhein nimmt und es damit auf die Hälfte seines Besitzstandes beschränkt. Durch Napoleons Machtgebot wird unter der Herrschaft seines Bruders Jerome das neue Königreich Westfalen proklamiert, dem auch die hannoverschen Landesteile nachher angegliedert werden. Wahrlich, ein in seiner Art staunenerregender Siegeszug! Auf welche Höhe der Macht Napoleon gelangt war, zeigt so recht schon das nächste Jahr 1808. Um zu erkennen, wie es vor 100 Jahren in unserem deutschen Vaterlande aussah, wollen wir nur noch einen Blick nach der Stadt Erfurt werfen. Am Morgen des 27. September 1808 hält Napoleon dort seinen Einzug unter dem lauten Jubel der Bevölkerung. Nicht umsonst hatte er zu seiner Umgebung gesagt: "Meine Herren, meine Reise muss sehr schön werden! Ich will Deutschland durch Pracht und Glanz in Erstaunen setzen!" Auf sein Zauberwort hatte sich eine einzigartige glänzende Versammlung zusammengefunden: der russische Kaiser, die 4 Könige von Bayern, Würtemberg, Sachsen und Westfalen, 34 Fürsten und Prinzen, 30 Marschälle, 24 Staatsminister. Aber er, Napoleon, ist die Sonne, worum sich alles bewegt. Nach Tisch begeben sich die Herrschaften in das Schauspielhaus. Die berühmtesten Schauspieler aus Paris, unter ihnen ein Talmage, sind nach Erfurt beschieden, um vor einem "Parterre von Königen" zu spielen. Gegen 8 Uhr abends fahren mehr als 50 Wagen mit den Fürsten an dem Theater vor. Einmal geschieht es, dass die Wache, durch das Äußere des Wagens getäuscht, die allein für die beiden Kaiser vorgeschriebene dreifache Begrüßung ausführt. Da ruft der kommandierende Offizier zornig mit lauter Stimme: "Schweigt, es ist nur ein König!" Endlich erscheint Napoleon, ganz schmucklos, in seiner gewöhnlichen Kleidung. Von oben herab begrüßt er die Fürsten. Nachlässig wirft er sich in seinen Lehnsessel, während sich die 4 Könige mit ziemlich unbequemen Stühlen begnügen müssen; während der Vorstellung scheint er fast eingeschlafen. Da haben wir den grellen Kontrast - der Gewaltige in seinem Welt und Menschheit verachtenden Übermut, Deutschland mit seinen Fürsten im Staube der Knechtschaft, in Banden der Schmach!
Nach dem somit geschilderten Gang der Entwickelung werden uns die besonderen Schicksale unserer Landschaft ohne weiteres verständlich. Moorburg gehörte schon seit den Tagen des Mittelalters zu Hamburg, aber in den Kriegswirren der Franzosenzeit wurden die Grenzen sehr wenig respektiert. Was hatte für Napoleon auf der Höhe seiner Macht, der ganze Länder nahm und gab, was hatte für seine Vertreter, die ebenso willkürlich handelten, ein kleines vereinzeltes Gebiet wie Moorburg zu bedeuten? Es erschien einfach als ein Stück oder Anhängsel des benachbarten hannoverschen Gebietes und hatte demgemäß dessen wechselnde Schicksale am eigenen Leibe zu erfahren. So erklärt es sich, dass Moorburg schon vom Jahre 1801 oder 1802 an der Durchgangspunkt für die verschiedenen Truppenmärsche wurde. In seiner Chronik erzählt Ludewig, wie bei dem wundersamen, gewaltigen Hin- und Herschieben der Völkerschaften durch Napoleon selbst spanische Truppen nach Harburg kamen, und in den meisten Fällen wird wohl auch das nahe Moorburg berührt sein. So erklärt sich, dass schon von dem genannten Zeitpunkt an unser Land fortdauernd starke Einquartierungslasten zu tragen hatte. Gerade vor hundert Jahren, im Jahre 1808 war dieser Druck so empfindlich geworden, dass unsere Vorfahren bei der Landherrenschaft zu Hamburg - Landherren waren damals Dr. Johann Heinrich Bartels und Johann Daniel Koch - zu ernster Beratung darüber zusammentraten, "wie ins künftig bei fortdauernder Last des Landes verfahren und wie es mit Berichtigung der Landesschulden gehalten werden solle." Nach dem Protokoll der Landherrenschaft vom 10. November 1808 stellte der damalige Landvogt Jakob Harms, der mit den Deichgeschworenen Meyer, Ad. von Düring, Lorenz Harms, Thomas Gerkens sowie den Landes-Deputierten Claus Bauer und F. W. Sundheim vor dem Landherrn erschienen war, aus der Abrechnung der Gemeindekasse fest, dass die Ausgaben seit der französischen Okkupation - so wird schon jetzt bezeichnender Weise gesagt - an Tafelgeldern, für Fourage, Beköstigung der Truppen, Transport derselben und sonstige Lasten sich auf 8982 Mark und 8 Schillinge beliefen, wogegen an Einnahmen nur 8134 Mark und 3 Schillinge zu verzeichnen seien, so dass noch 848 Mark 2 Schillinge zu bezahlen übrig blieben. Bei Erläuterung der Rechnung auf der Ausgabenseite kommen zwei Posten vor, die ein bedeutsames Schlaglicht auf die damaligen Verhältnisse warfen, zunächst ein Posten von 120 Mark für gelieferte Fourage an den Kapitain der Douanen - das sind die französischen Zollbeamten, die also schon damals in Moorburg eingesetzt gewesen sein müssen. Sodann wird angezeigt, dass der Burgpächter Benedix Bauer für eine Mahlzeit, die die französischen Offiziere verlangt, ca. 342 Mark habe bezahlen müssen, wenngleich der Chef dies missbilligt und die Bezahlung der Kosten durch die Offiziere selbst angeordnet habe. Es sei nämlich Bauer von den Offizieren ge-zwungen worden, zu bescheinigen, dass sie selbst bezahlt hätten. Die Sache sei nun dahin verglichen, dass der Burgpächter, die Landprätur und das Land je ein Drittel, also 114 Mark tragen solle. Das Ergebnis ist, dass die Rückstände insgesamt auf 1829 Mark 4 Schillinge angewachsen sind. Um die Schuld zu tilgen, werden die Vorsteher ermächtigt, während sie um 3000 Mark Bco. nachgesucht hatten, noch den weiteren Betrag von 2500 Mark Bco. anzuleihen, jedoch unter dem Hinweis, dass ohne obrigkeitliche Anerkennung hinfort keine Rechnungen für irgend einen durch die Kriegsunruhen verursachten Aufwand zu bezahlen und bei etwa noch nötig werdenden Sammlungen gehörige Register zu führen seien. Die anzuleihende Summe soll zu einem Teil verwandt werden, um die noch immerwährend dem Kommandanten zu Harburg zu zahlenden Tafelgelder zu bestreiten, und dabei versucht werden, ob man nicht von Hannover die Bezahlung wegen der auf hannoversche Requisition zum Transport der Truppen gelieferten Ewer erhalten könne. Das alles ergibt ein klares Bild, wie unsere Landschaft an den Folgen der Ereignisse, die sich auf dem Kriegsschauplatz, besonders für Hannover abspielten, mitzutragen hatte. Freilich werden die angeführten Zahlen und Posten, die unseren Vätern in der französischen Zeit so viel Kopfzerbrechen machten, bei der Höhe unseres heutigen Gemeindebudgets beinahe als lächerlich gering erscheinen. Es ist aber dagegen zu bedenken, dass das Geld damals einen viel höheren Wert hatte, dass Handel und Wandel stockten und der Verdienst durchweg - wir brauchen nur an die noch lange fortdauernden, wahrhaft kläglichen Besoldungsverhältnisse der Lehrer zu erinnern -- für die meisten Einwohner äußerst gering war. So wird es auch verständlich, dass durch jenen Anleihebeschluss die Sorgen für unsere Vorfahren nicht aufhörten, im Gegenteil so wuchsen, dass die Gemeindevertreter bereits am 19. März des folgenden Jahres 1809 wieder vor der Landherrenschaft zusammenkamen, um einen neuen Modus zu finden für die gerechte Verteilung der fortdauernden Kriegslasten. In dieser Sitzung wurde festgestellt, "dass es mit dem Anleihesystem nicht weiter so fortgehen könne, wenn man nicht die Nachkommen in unabsehbares Elend stürzen wolle." Deshalb müsse der Vermögensstand jedes Einzelnen ermittelt und zu Grunde gelegt werden, so mühsam und schwierig dies Geschäft auch sein möge. Die zu diesem Zweck bereits eingesetzte Kommission, bestehend aus dem Landvogt, den Deichgeschworenen und den dazu aus der Klasse der Höfner, Kätner und Einwohner landherrlich ernannten Deputierten, habe die ihr gestellte Aufgabe in anerkennenswerter Weife gelöst, und nach der von ihr entworfenen Kontributionsliste solle nun die erste Sammlung am 23. März geschehen. Ein Einspruch gegen den Ansatz sei zwar verstattet, jedoch habe ein jeder einstweilen zu bezahlen bei Strafe sofortiger Pfändung, wie überhaupt alle Einwohner ermahnt werden, ohne Murren ihre Pflicht zu erfüllen und sich gegen die einsammelnden Deichgeschworenen bescheiden und anständig zu betragen, ebenfalls bei Androhung obrigkeitlicher Strafe." Bei dem friedlichen Sinn der Moorburger Bevölkerung ist anzunehmen, dass sie sich nach diesem gestrengen Erlass gebührend gerichtet und der Obrigkeit ihr zumal in jener Zeit verantwortungsvolles Amt nicht unbotmäßig erschwert hat.
Damit sind die Protokolle der Landherrenschaft für unseren Zweck erschöpft. Denn schon bald trat in der Folgezeit eine tief eingreifende Wendung ein, die in unserer Landschaft Moorburg ein neues Regiment aufrichten und eine völlige Umgestaltung der kommunalen Verhältnisse herbeiführen sollte. Am 20. Dezember 1810 ließ Napoleon seinen Entschluss verkünden, dass hinfort die 3 Hansastädte, denen noch bis dahin trotz des ihnen aufgedrungenen Beitritts zur Kontinentalsperre gegen England ihre althergebrachte Verfassung verblieben war, mit dem großen französischen Reich vereinigt werden sollten. Mit bitterem Hohn bemerkte er, auf die angebliche Gründung Hamburgs durch Karl den Großen anspielend, dessen Nachfolger zu sein er vorgab, dass er diese Stadt des Segens nicht berauben wolle, zum französischen Kaiserreich zu gehören, und die Hansastädte würden diese Verbindung zu schätzen wissen. Hamburg wurde jetzt französische Munizipalstadt. Durch diese Umwälzung wurde Moorburg aus seiner seit Jahrhunderten bestehenden Verbindung mit Hamburg herausgerissen und zum angrenzenden hannoverschen Gebiet geschlagen. Es bildete jetzt eine Mairie zusammen mit den Gemeinden Hausbruch, Wiedenthal, Neugraben und Fischbeck und gehörte wie Harburg zum Arrondissement Lüneburg, das wieder dem Departement der Elbmündungen eingegliedert war. Nur in kirchlicher Beziehung ward wohl an den bestehenden Verhältnissen, abgesehen davon dass die Fürbitte für den Kaiser Napoleon vorgeschrieben war, nichts geändert. Doch ist dabei in Betracht zu ziehen, dass von einer hamburgischen Kirchenverfassung, wie wir sie heute auch für die Landgemeinden haben, damals noch nicht die Rede war. Dagegen setzte sofort das Bestreben ein, unserer Landschaft wie allen anderen Gebieten französische Sprache und Sitte, damit zugleich den französischen Geist in seiner Eigenart aufzuprägen. Nicht mehr die bis dahin geführten Kirchenbücher waren maßgebend, sondern es wurden jetzt Zivilregister zur Beurkundung von Geburten, Eheschließungen, Todesfällen eingeführt, ganz nach Art und Weise des heutigen Standesamtes. Unsere heutigen Standesamtsregister sind also durchaus keine urwüchsige deutsche Einrichtung, sondern einfach die Nachahmung eines schon längst bestehenden französischen Brauches. Für die Französisierung unseres Landes können einen weiteren Beleg im Kleinen die noch vorhandenen beiden Patente bieten, die dem Gastwirt und Höfner Johann Rubbert (Nr. 11) behufs Ausübung seines Schankgewerbes ausgestellt wurden. Ein solches Patent musste all-jährlich durch eine Abgabe erneuert werden. Die erste Textreihe ist in französischer Sprache abgefasst, darunter oder daneben folgen die deutschen Ausdrücke. Das letzte Ziel war natürlich, die deutsche Sprache wie im Elsass verschwinden zu lassen und die französische Sprache zur herrschenden zu machen. Noch ist zu bemerken, dass auf dem Patent von 1811 die Einwohnerzahl unserer Landschaft mit 2188 vermerkt ist, eine Höhe, die wir noch heute nicht wieder erreicht haben. Eine gewiss auf höheren Befehl erfolgte Verordnung des Maire vom 22. Dezember 1811 zeigt, dass die Schankwirtschaften bei Geldstrafe im Sommer nicht länger als bis 11 Uhr, im Winterhalbjahr nicht länger als bis 10 Uhr offen gehalten werden durften und an Fest- wie Werktagen Musik oder sonstige Tanzgesellschaft unterbleiben sollte. Reisende sollten nur gegen einen von der Mairie ausgefertigten Nachtzettel beherbergt werden. Wir können uns aber denken, dass ohnehin den Bewohnern unserer Landschaft in jener ernsten Zeit nicht allzu viel der Sinn danach gestanden hat, sich an Vergnügungen zu beteiligen. Bei gleicher Gelegenheit darf ich hinzufügen, dass den genannten Gastwirt Rubbert in der Franzosenzeit, als im Jahre 1813 ein Aufruhr in Harburg ausbrach, ein arges Missgeschick betroffen hat. Er ritt auf seinem Pferde hin, um sich das Schauspiel anzusehen, ward als verdächtig aufgegriffen und nach Lüneburg ins Gefängnis, später, wie das Moorburger Kirchenbuch ersehen lässt, nach Hamburg in die Wache auf dem Pferdemarkt gebracht. Aus seinem Gefängnis in Lüneburg bittet er in einem noch erhaltenen, in seiner einfachen Ausdrucksweise rührenden Brief vom 28. Juni 1813 seine Frau, sich mit näher namhaft gemachten Zeugen seiner Unschuld in Verbindung zu setzen, und seine Angehörigen haben, wie die mündliche Überlieferung besagt, den weiten Weg zu Fuß nach Lüneburg nicht gescheut, um vor dem sich dort aufhaltenden Marschall Davoust, Prinzen von Eckmühl selbst einen flehentlichen Kniefall zu tun. Aber der Gefangene, durch Typhus am 3. Oktober 1813 dahingerafft, hat die irdische Freiheit nicht wiedergesehen. Die Leiche wurde zur Beerdigung nach dem Moorburger Friedhof auf Bitten der Witwe überlassen, die ihrem Mann durch die ausgestandene Aufregung sehr bald im Tode nachfolgen sollte. Dazu kam, dass das Rubbert'sche Haus inzwischen ein Schauplatz arger Verwüstung wurde; nach Herausnahme der Fenster, die zur Sicherung auf dem Boden gebracht wurden, musste es als Pferdestallung dienen - alles ein ergreifendes Bild davon, was schon eine einzelne Familie in der Franzosenzeit zu leiden hatte. Dass überhaupt von Segnungen des französischen Kaiserreiches wenig die Rede sein konnte, beweisen die Protokolle und Schriftstücke der Mairie Moorburg, der wir jetzt unsere Betrachtung zuwenden müssen.
Sitz der Mairie war das noch heute in seiner alten Gestalt der Hauptsache nach vorhandene Haus auf dem Gehöft von Matthias Hermann Bauer (Nr. 35, jetzt im Besitz des Höfners Heinrich Gerkens). Dort tagte der Munizipalrat, wie jetzt der Landesvorstand genannt wurde. An der Spitze dieses Munizipalrates stand als Maire der genannte M. H. Bauer, der in dem Höfner Hans Hinrich Meyer als Unter-Maire einen treuen Gehülfen hatte. Beide Männer, die nachher auch in verwandtschaftliche Beziehung traten - Meyer heiratete die älteste Tochter des Maire Bauer - verwalteten ihr schwieriges Amt in jener Zeit mit Geschick und Gewissenhaftigkeit, wie sie über tüchtige Kenntnisse nach Ausweis mancher noch heute vorhandenen Schriftstücke verfügten. Es zeigt sich auch hier: unsere Väter lernten in der Schule nur wenige Fächer, außer Religion Lesen, Schreiben, Rechnen aber gründlich. Sonst werden noch als Mitglieder des Munizipalrates genannt: Friedrich Wilhelm Suntheim (Sundheim), der zum Sekretär erwählt wurde und ebenfalls seine Tüchtigkeit aus einem auf der heute Heinr. Nieber'scheu Hofstelle (Nr. 5) aufbewahrten Dokument erkennen lässt, Claes Hinrich Meyer, Lorenz Harms, Hermann Bruhns, Nikolaus Matthias Stölken, Jacob Schuldt, Nicolaus Sievers, Peter Hintze und Hans Wolkenhauer. - Das erste uns noch erhaltene Protokoll der Mairie Moorburg datiert vom 12. Mai des Jahres 1812. Wieder ist auch hier der Hauptgegenstand der Verhandlung, wie die aus den Kriegslasten entstehenden Ausgaben zu decken seien, und wieder wird auch jetzt der Grundsatz geltend gemacht, dass an neue Anleihen nicht gedacht werden dürfe. Man sieht, dass unsere Väter ganz anders als wir heutigen Tages eine große Angst vor dem Schuldenmachen hatten. So wird denn beschlossen, der Behörde folgende neue Steuersätze vorzuschlagen:


Sitz der Mairie

1. für Kühe von dem Älter an, wo sie durch die Milch nützlich werden,
a) auf Marschkühe in der Gemeinde Moorburg, deren Zahl sich beläuft auf 402 Stück a 1 Mark = 402 Mark.
b) auf die Geestkühe in den Ortschaften Hausbruch, Wiedenthal, Neugraben und Fischbeck, deren Zahl ist 240 a 1/2 Mark = 120 Mark
2. auf Schlachtvieh
a) für Ochsen, welche hier ohngefähr geschlachtet werden 10 a Stück zu 3 Mark = 30 Mark
b) für Marschkühe, 3 Stück a 2 Mark = 6 Mark
c) für Geestkühe, 20 Stück 1 1/2 Mark = 30 Mark
d) für 16 Stück Ferken unter 100 Pfund 1/2 Mark = 8 Mark
e) für 331 Stück Schweine über 100 Pfund a 1 MMark = 331 Mark
f) für jede 50 Pfund Fleisch, welche von auswärts hergebracht und für den Winter eingesalzen werden, die Quantität angenommen zu 1000 Pfund, a 1/2 M. Steuer für 50 Pfund = 10 Mark
Somit würde die Gesamteinnahme aus dieser Steuer betragen 937 M., nach Abzug der Hebungskosten ein Reinertrag von 862 M.

Aus dem folgenden Protokoll vom 15. Mai 1812 wird von Interesse sein, dass dem Maire als Gehalt der Betrag von 1400 Franken und außerdem für die in seinem Hause gewährten Diensträume eine Entschädigung von 70 Franken ausgesetzt wird. Das Gehalt ist zumal für die damalige Zeit recht ansehnlich zu nennen, doch muss man sich dabei an die weite Ausdehnung der Maine und die damit verbundenen beschwerlichen Wege erinnern sowie auch daran, dass der Maire die Zivilstandsregister zu führen hatte. Die Anstellung eines Feldhüters wird als für Moorburg nicht notwendig abgelehnt, dagegen ein Polizeivogt gefordert zur Aufsicht über Bettler, zum Ansagen von Einquartierungen und Truppentransporten; er soll sich jedoch mit der bescheidenen Entschädigung von 160 Franken begnügen. Außerdem findet sich noch die Bemerkung, dass die Kosten des Gottesdienstes, Unterhaltung der Kirche und 2 Schulhäuser einen Zuschuss von über 900 Franken für die Jahre 1810 und 1811 erfordert haben. Noch wichtiger ist das folgende Protokoll aus dem Jahre 1812, wobei allerdings Tag und Monat nicht ausgefüllt ist. Danach lässt sich doch auch von einem Segen berichten, den die Napoleonische Herrschaft unserer Gegend gebracht hat. Der Eingang lautet: "Der Herr Maire zeigt an, dass die Commune Moorburg zufolge eines Beschlusses des Herrn Unterpräfekten 2680 Meter Steine und (hier ist eine Lücke in dem vom Zahn der Mäuse oder der Zeit zernagten Papier, wahrscheinlich ist zu ergänzen das Wort) Grus für die Chaussee nach Wesel liefern solle, und soll jeder Einwohner dazu einen zu bestimmenden Anteil persönlich leisten." Ohne Weiteres erkennen wir, dass es sich um den Bau der großen, noch immer sogenannten Napoleon-Chaussee oder Bremer Chaussee handelt, die bis auf den heutigen Tag ihre Bedeutung behalten hat, wenn sie auch bei der Konkurrenz der nachher gebauten Eisenbahn nicht mehr so belebt ist wie früher. In jener Sitzung des Munizipalrates ward aber beschlossen, dass die auf Moorburg entfallenden Lieferungen an Unternehmer vergeben und die Kosten so aufgebracht werden sollen, dass vorerst von allen Einwohnern je 1 Mark für den Morgen nach Verhältnis des bisherigen Beitragsregisters gefordert und die Sammlung nach Bedarf wiederholt wird. Nur einen Blick werfen wir noch in die beiden folgenden Protokolle vom 9. Juli 1812 und (Lücke im Papier) November 1812. Das erste zeigt, dass es auf Veranlassung des Unterpräfekten doch zuletzt zur Anstellung von 2 Feldhütern - für Moorburg war es Hinrich von Riegen, der, 54 Jahre alt, außer Nebenvergütung für Kleidung und Schild von 65 Franken für seine Dienste jährlich 200 Franken erhielt - gekommen ist. Das andere gibt Zeugnis, dass unsere Landschaft bei den eigenen Lasten und Schulden - die Lehrer an der Kirchenschule hatten beispielsweise jetzt 700 Franken rückständige Forderungen - sich milden nachbarlichen Sinn bewahrt hat. Es wird der Meinung Ausdruck gegeben, dass das Vieh, welches auf den dürftigen Heidestrecken von Alt- und Neuwiedenthal, Neugraben und Fischbeck geweidet wird, nicht mit einer Steuer belegt werden dürfe. Im Übrigen wird jetzt und noch am 23. Dezember 1812 an dem Vorschlag festgehalten, auf alles in der Mairie befindliche lebende und Schlachtvieh eine besondere Abgabengebühr zu legen.
Die Protokolle der Mairie Moorburg haben uns bereits an das Ende des Jahres 1812 geführt. Was dieses Jahr 1812 für die Geschichte von ganz Europa bedeutet, ist genügend bekannt. Obwohl Napoleon jetzt auf einsamer Höhe des Glückes und Ruhmes stand, ließ ihn sein brennender Ehrgeiz doch nicht ruhen und rasten. Sein leidenschaftliches Verlangen ging zunächst dahin, das noch immer groß und stolz dastehende russische Reich mit seinem Kaiser empfindlich zu züchtigen und wie Deutschland zu seinen Füßen zu legen, und dahinter stand als letzter Plan, nach dem fernen Indien vorzudringen und so ein Weltreich zu gründen, wie es noch keinem früherem Eroberer gelungen war. Von diesem Streben beseelt, unternahm Napoleon seine Zurüstungen zum Kriege, die vor keinem Zwang und keiner Erpressung zurück-schreckten. Im Frühjahr 1812 wälzte sich eine ungeheure Heeressäule, 610 000 Mann, der Kern aus den vortrefflichsten Kriegern bestehend, mit 1375 Geschützen und 187 000 Pferden von Westen nach Osten. Mit 400 000 Mann Franzosen, Italienern, Schweizern vereinigten sich Truppen des Rheinbundes in Stärke von 100 000 Mann. Preußen musste 20 000 Mann, Österreich 30 000 Mann stellen. Am 22. Juni schritt das Heer, vom schönsten Wetter begünstigt, über den Niemen - ein überwältigender Anblick! Aber es sollte auch hier vor aller Welt offenbar werden, dass unser Herrgott die Bäume nicht in den Himmel wachsen lässt und dass die Stimme seiner Macht zu ihrer Stunde über die wilden Wogen ruft: "Bis hierher und nicht weiter!" Napoleon hatte nicht gerechnet mit den weiten, einsamen Gefilden des russischen Reiches, aber auch nicht mit dem russischen Winter, der schon am 17. Oktober 22 Grad Kälte brachte. Das vernichtende Gottesgericht brach aus in Moskau. In der Nacht vom 18. bis 19. September begannen die Flammen der in Brand aufgehenden Stadt die grausig schöne Beleuchtung zu geben. Schon am 6. November musste der Rückzug angetreten werden, der von der stolzen Armee nur noch Trümmer traurigster Art überließ. Kälte und Hunger waren die Würgengel, dahinter die unaufhörlich nachdrängenden Kosaken - welch ein anderer Anblick, welch greller Gegensatz gegen den Auszug! Elende, wankende Gestalten mit stierem, verzweiflungsvollem Blick, mit kranken erfrorenen Gliedern, wie Bettler und Abenteurer in alle möglichen Kleidungsstücke notdürftig gehüllt! Napoleon verlässt am 4. Dezember das Heer und eilt nach Paris, um seine erschütterte Machtstellung wiederherzustellen, neue Truppenkräfte zu sammeln und zu organisieren. Dann folgt für ihn im Februar des Jahres 1813 der weitere Schlag, dass Preußen, durch das eigenmächtige, kühne Vorgehen des Generals Jork hingerissen, aus seiner Reserve heraustritt und zu Kalisch ein Schutz-und Trutzbündnis mit Russland abschließt. Alsbald zeigt sich ein siegreiches Vordringen der Russen auf der ganzen Linie. Nachdem sie Mitte Februar über die Oder gegangen waren, sprengten schon am 20. Februar ein paar Kosaken durch Berlin zum Schrecken der Franzosen, die aus der von ihnen noch besetzten Stadt wichen und sich hinter die Elbe zurückzogen, um hier einen Stützpunkt für das neu sich bildende Heer zu gewinnen.
Die Kunde von dieser ganzen Katastrophe war frühzeitig nach Hamburg gedrungen, wie aus seiner ganzen. Lage leicht erklärlich ist, und hatte der längst insgeheim gegen die Franzosen herrschenden Erbitterung einen mächtigen Zündstoff zugetragen. Es bedurfte nur eines geringen Anstoßes, dass am 24. Februar ein Aufruhr in der Stadt zum Ausbruch kam. Er richtete sich gegen die verhassten französischen Douaniers 1, die Misshandlungen erfuhren und deren Wachtstube zerstört wurde, gegen die französischen Offiziere und Gendarmen sowie gegen die Wappenzeichen der französischen Adler, die vom Volk "Aasvögel" genannt wurden. Nun wurde allerdings die Ordnung bald wiederhergestellt, besonders durch das tapfere Eingreifen von angesehenen Hamburger Bürgern und anderer Männer, in deren Reihen wir auch den jungen Jagdjunker Joh. Chr. von Düring schon mitwirken sehen, und durch die Aufrichtung der Hamburger Bürgerwehr, um deren Bildung und Schulung sich neben dem Schriftsteller von Heß und dem Bleidecker Mettlerkamp der treffliche Buchhändler Friedrich Perthes, der Vater unseres Moorburger Pastors Friedrich Matthias Perthes, die größten Verdienste erworben hat. Aber der französische kommandierende General St. Cyr in Hamburg musste doch seine bedrohte Lage erkennen und zog am 12. März mit allen französischen Beamten ab, um bei Zollenspieker über die Elbe zu gehen. Der französische General Morand, der im Mecklenburgischen stand, suchte zwar in Eilmärschen Hamburg zu erreichen, konnte aber keinen Ersatz bringen, sondern musste sich ebenfalls von Zollenspieker unter Iurücklassung von 6 Kanonen nach Hoopte hinüberretten. Am 17. März hielt der russische General Tettenborn 2) seinen Einzug in Bergedorf, am 18. März in Hamburg unter dem unbeschreiblichen Jubel der Bevölkerung, die auf den Straßen wogte. Die Schlüssel der Stadt wurden ihm feierlichst überreicht. Als "Götterbote einer glücklichen Zeit" ward er gepriesen, und weißgekleidete Jungfrauen hingen ihm einen Blumenkranz um die Schultern. Alle Glocken läuteten, Böllerschüsse ertönten, daneben die Rufe: "Es lebe Kaiser Alexander! Es lebe Tettenborn!" So ging der Zug über den Jungfernsteig nach dem Gänsemarkt, wo die Kosaken sich lagerten und reichlich bewirtet wurden. Am Abend war Illumination der Stadt und Festvorstellung im Schauspielhause. Als Tettenborn das Haus verließ, wurden in der Begeisterung die Pferde vor seinem Wagen ausgespannt, und die Bürger spannten sich davor. So schwamm alles in einem Meer von Freude, und alles frühere Leid schien für immer dahin, zumal als der Rat wieder in sein Amt eintrat und die alte hamburgische Verfassung wieder aufgerichtet wurde. Aber so tief sich diese Befreiung durch die Russen den Hamburgern eingeprägt hat, - ich brauche nur an die großartige 50 jährige Gedächtnisfeier vom 18. März 1863 zu erinnern, woran auch unsere Landschaft Moorburg mit Fahne und Reitern beteiligt war - sie war nur wie ein schöner flüchtiger Traum, dem die bitterste Enttäuschung auf dem Fuß nachfolgen sollte. Es lässt sich heute klar übersehen, dass zwei Ursachen vornehmlich zusammenwirkten, um den baldigen Fall der Stadt Hamburg herbeizuführen. Die erste liegt in der Persönlichkeit des russischen Generals Tettenborn. Unbestreitbar war dieser ein tapferer, kühner Reitersmann, ganz geschaffen zu solch einem Wagestück, wie es nachher die Überrumpelung der von den Franzosen stark besetzten Stadt Bremen mit seinen wenigen Kosaken war. Aber er war entschieden nicht der Mann, um mit strategischer Einsicht und Schlagfertigkeit ein größeres Unternehmen zu leiten und in stürmisch bewegter Zeit für ein großes Gemeinwesen wie Hamburg das Ruder zu führen. Tettenborn machte den verhängnisvollen Fehler, für die Sicherung Hamburgs gegen den wieder zu erwartenden Angriff der Feinde wenig oder nichts zu tun. Sollte Hamburg gehalten werden, so mussten vor allem die vorliegenden Einfallspunkte befestigt und geschützt werden. Das waren Harburg und Wilhelmsburg, Hoopte-Zollenspieker und weiter auch Bergedorf. An keinem dieser Punkte hat Tettenborn in seinem unbekümmerten Sinn gründliche Maßregeln getroffen, ganz im Unterschied von Napoleon und seinem General Davoust, die in dieser Hinsicht, wie sich noch zeigen wird, eine ganz andere Einsicht und Tatkraft entfalten. Die zweite Ursache ist in der unglückseligen Politik der gegen Napoleon verbündeten Mächte, näher gesagt, in dem Verhalten von Schweden gegen Dänemark zu suchen. Zu Dänemark gehörte damals Norwegen als rechtmäßiger Besitz, gleichwohl machte Schweden darauf Anspruch und fand dafür die Zustimmung der anderen Verbündeten. Dänemark war von Haus aus gegen Hamburg sehr freundlich gesinnt und hat auch bis zum letzten Augenblick seine Truppen zum Schutz in Hamburg gelassen. Aber es konnte sich bei den Verlusten, wovon es in jener Zeit schon betroffen war, unmöglich einfach den Raub von Norwegen gefallen lassen" So wurde es durch diese Politik förmlich Napoleon in die Arme und in den Krieg gegen die Verbündeten getrieben. Damit war der Fall von Hamburg unwiderruflich besiegelt. Kehren wir jetzt dahin zurück und suchen wir den Verlauf der nachfolgenden Begebenheiten etwas genauer zu verfolgen, so muß gesagt werden, dass die Befreiung Hamburgs durch Tettenborn das Signal für eine allgemeine Erhebung in Niederdeutschland wurde, die der russische General mit Eifer nährte. In dem ganzen Gebiet zwischen Elbe und Weser flammte die Begeisterung gegen die Franzosen auf und drang tief in alle Volksschichten. In Lüneburg wurden die verhassten Douaniers, die nach Bremen abziehen wollten, tätlich misshandelt. Nach dem Moorburger Kirchenbuch ging in Harburg das Volk schon im Februar 1813 plündernd gegen die Douanen-Bureaus vor, und bei diesem Aufruhr war es, dass der früher genannte Gastwirt Joh. Rubbert verhaftet wurde. Als später nach Tettenborns Einzug in Hamburg auch eine Abteilung von 50 Kosaken in Harburg eintraf, wurde sie in der Stadt mit Jubel empfangen. Ähnlich war die Erhebung in unserer weiteren Umgebung zu Estebrügge im Altenlande, in der ganzen Gegend von Stade. Weit wichtiger aber war es, dass sich im Frühjahr 1813 auf hannoverschem Gebiet eine Reihe neuer größtenteils freiwilliger Truppenkörper bildete unter Überwindung aller Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich aus der in England liegenden Oberleitung der ganzen Sache ergeben mussten. Von Tettenborn war die Stadt Hamburg, wo sich ebenfalls aus Freiwilligen mit dem schon genannten edlen Vaterlandsverteidiger Friedrich Perthes als Major die hanseatische Legion bildete, als Hauptsammelpunkt bestimmt. Das Werbebüreau war in der Großen Reichenstraße eingerichtet, wo an dem Hause Nr. 37 ein Transparent das Bild eines Husars und die auf den englischen König hinweisende Inschrift trug:

"Hier wirbt Georg Soldaten
Für seine deutschen Staaten."

Von diesen hannoverschen Truppenformationen, deren im Monat August 1813 im Ganzen 9 gezählt werden, will ich 3 besonders namhaft machen, weil sie für die nachfolgenden Kämpfe um die Moorburger Schanze in Betracht kommen. Den kaum bestreitbaren Ruhm, als erster Werbemann in Hannover für den Freiheitskampf eine Schar von Freiwilligen gesammelt und mit gleicher bewunderungswürdiger Schnelligkeit schlagfertig gemacht zu haben, hat der wackere junge Jagdjunker Joh. Chr. Von Düring, der wohl neben den leuchtenden Heldengestalten eines Lützow und Schill seinen Ehrenplatz behaupten kann, und sicher, wenn das Vaterland es gefordert hätte, zu denselben Opfern bereit gewesen wäre. Er war es, der Tag und Nacht durch Wald und Flur ritt zu allen Forstbedienten der Ämter Schwarzenbeck, Steinhorst, Lauenburg und Ratzeburg und für seinen angestammten König an die Fenster und Türen der Forsthäuser klopfte. Zwei Männer haben die Auszeichnung, als die ersten auf seinen Ruf erschienen zu sein, der Zollverwalter Hagemann und der Förster Homburg, dann folgte einer um den andern, so dass von Düring schon am 28. März mit einer Abteilung von 2 Oberjägern, 2 Halbmondbläsern und 40 Jägern, völlig uniformiert und bewaffnet, von Lauenburg nach Hamburg aufbrechen konnte. Die zwar kleine, aber besonders tüchtige Truppe, weil durchweg aus geübten Forstleuten, Jägern und Büchsenschützen bestehend, wurde unter den Oberbefehl des Grafen Friedrich Kiel-mannsegge gestellt, der den Rang eines Obersten bekleidete (1839 General + 1851). Daher haben diese Freiwilligen den bis heute in der Erinnerung der Moorburger lebendig gebliebenen Namen: Kielmannsegge'sche Jäger. Sie hätten aber auch nach meiner Überzeugung mit Fug und Recht v. Düring'sche Jäger heißen können. Doch stand ja von Düring damals noch in sehr jungen Jahren, und der Graf Friedrich Kielmannsegge hat das besondere Verdienst, den zur Ausrüstung der Truppe erforderlichen bedeutenden Vorschuss (38000 Thlr. Gold) geleistet zu haben. Unter dem Obersten Kielmannsegge befehligte der Oberstleutnant Carl von Beaulieu-Marconnay (Oberforstmeister zu Misburg + 1855 zu Marienrode im Hildesheim'schen), der zu Ende des Jahres 1813, wie wir sehen werden, noch eine andere Aufgabe zu erfüllen hatte. Das Kielmannsegge'sche Iägerkorps war ursprünglich auf 2 Kompagnien berechnet. Die erste Kompagnie erhielt der Kammerherr von Spörken, die zweite der Oberwildmeister Knoop. Als älteste Leutnants wurden dabei die Herren v. d. Bussche und von Meding angestellt, denen von Düring in anerkennenswerter Selbstverleugnung als der Jüngste freiwillig den Vorrang einräumte. Die Uniform, wie sie schon von Düring gewählt hatte, wird uns also beschrieben: "Dunkelgrün mit hellgrünen Aufschlägen, graue Beinkleider mit grünem Besatz, Schuhe und graue Gamaschen, dunkelgrüne Kappe mit hellgrünem Streif und silbernem Halbmond als Schild. Die Feldzeichen der Offiziere bestanden in englischen Schärpen und Portepees. Als Waffe führten die meisten Jäger ihre eigenen Büchsen und als Seitengewehr den Hirschfänger am schwarzen Leibkoppel. Die Munition sowohl wie auch Gepäck und Lebensmittel nahm der bei den Grünen althergebrachte Dachsholster auf, jedoch trugen manche Jäger auch der schnelleren Ladung wegen eine kleine Patrontasche am Hirschfängerkoppel vor dem Leibe." Damit tritt das Bild dieser in der Geschichte der Freiheitskriege in ihrer Art besonders anziehenden Truppe deutlich vor unser Auge.
An zweiter Stelle nenne ich das leichte Bataillon Lüneburg, im März und April 1813 errichtet, oder wie es später genannt wurde, das Feldbataillon Lüneburg, woraus sich dann zuletzt das Königlich Hannoversche vierte Infanterieregiment entwickelte. Für die erste Organisierung der in der Provinz Lüneburg zu bildenden Truppe war auf den unter dem 20. März 1813 von dem General Tettenborn erlassenen Aufruf der zu Barnstedt im Lüneburgischen lebende Oberstleutnant von Estorff tätig (+ 19. März 1840), der zum Chef bestimmt wurde und das schon vorhin erwähnte Werbebüreau in Hamburg aufschlug. Nachdem schon die zuerst gesammelten Jäger unter dem Leutnant Langrehr (geb. 1775 zu Osnabrück, 1807 auf Gibraltar stationiert, dann Privatmann, gefallen als Oberstleutnant und Kommandeur des Feldbataillons Bremen in der Schlacht bei Waterloo) bei Lüneburg gefochten hatten, übernahm dann der Kapitain August von Klencke den Oberbefehl, um weiter zum Major und Oberstleutnant aufzurücken (+ 1825 zu Oberneuland bei Bremen). Nach Jacobi wurde zu Anfang Mai die erste feste Verteilung der Offiziere in folgender Weise bei den Kompagnieen vorgenommen: 1. Komp. Kapitain Holzermann, 2. Komp. Kapitain von Schkopp, 3. Komp. Kapitain Hamelsburg, 4. Komp. Kapitain von Roden (bei Jacobi auch von Rhoden und von Rohden 3) geschrieben). In mancher Hinsicht zeigt uns diese Truppe ein von den Kielmannsegge'schen Jägern verschiedenes Bild. Zunächst war sie ziemlich bunt zusammengewürfelt, wie sich aus den Angaben bei Hülsemann ersehen lässt, der folgenden Bestand vom 27. Juni 1813 aufzählt: Hannoveraner 267, Engländer 3, Preußen 46, Mecklenburger 9, Österreicher 15, Elsässer 10, Sachsen 26, Schweizer 2, Hessen 28, Berg- und Clevische 6, Holländer 46, Dänen 86, Schweden 9, Polen 2, Hamburger, Bremer, Lübecker 57, Mulatten 1, total 613. Wenn ferner auch die Ausbildung der Offiziere und Mannschaften sofort eifrig betrieben wurde, so ging doch die ganze Ausrüstung nur langsam von statten. Die Jäger mussten sich vorerst mit verhältnismäßig wenigen, bei Lüneburg erbeuteten, vielfach schadhaften sächsischen Gewehren behelfen, und erst bei Ratzeburg (13.-15. Mai) wurde der Mangel durch Gewehre aus dem englischen Depot und andere Ausrüstungsgegenstände beseitigt. Dennoch gelang es namentlich während des später noch zu erwähnenden Waffenstillstandes, auch diese Truppe in hohem Grade auszubilden und schlagfertig zu machen. In den letzten Tagen des Monats Juli 1813 war sie auf 6 Kompagnieen angewachsen mit folgenden Führerstellen: 1. Komp. Kapitain Jacobi, 2. Komp. Kapitain von Schkopp, 3. Komp. Kapitain Rall, 4. Komp. Kapitain Korfes. 5. Komp. Kapitain von Roden, 6. Komp. Kapitain von Bobarth. Zu der Zahl der 10 Leutnants und 13 Fähnrichs gehörten der Leutnant Bernhard Collmann 4) und Heinrich Hansing, deren tapfere Taten im zweiten Vortrag noch ihre gebührende Anerkennung finden werden. Was die Uniform betrifft, so bestand sie nach Hülsemann ursprünglich für Offiziere und Leute aus einem grünen Oberrock mit hellblauen Kragen und Aufschlägen, welcher vorn auf der Brust zugehakt wurde, dabei weite graue Tuchbeinkleiber mit einem hellblauen Streifen. Die Offiziere trugen auf den Achseln eine dicke silberne Raupe. Die von England gelieferten Tschakos waren die gewöhnlichen der Infanterie, bald durch Fangschnüre und grüne Federn verziert, vorn mit einem gelben Blech, worauf sich ein doppeltes G.R. befand. In Rücksicht auf diese Verzierung wurden sie während der Feldzüge stets mit dem Wachstuch-Überzug getragen. Besondere Schwierigkeiten machte es, das gelieferte gelbe Lederzeug durch allerlei Färbungsprozesse in schwarzes zu verwandeln, wie es für Jäger passend war. In dieser sehr kleidsamen Uniform vollzogen sich späterhin allmählich noch einige Änderungen. Im Herbst 1813 begannen die Offiziere damit, den Dollman des 2. leichten Bataillons der Königlich deutschen Legion anzulegen, dunkelgrün, mit schwarzen seidenen Schnüren besetzt und 3 Reihen runder weißer Knöpfe, dabei halbweite graue Beinkleider mit 2 hellgrünen Streifen. Im Frühjahr 1814 erhielt das Bataillon vor den Tschakos das Lüneburgische weiße Pferd, darunter ein Band von gelbem Metall mit der Inschrift: Numquam retrorsum ("Niemals rückwärts"). So tritt auch diese zweite Jägertruppe anschaulich vor unseren Blick, und es genügt an dritter Stelle kurz die Harzer-Sollinger Jäger namhaft zu machen, auf deren Entstehung und Ausbildung wir ausführlich im zweiten Vortrage zurückkommen werden.
Wäre nun die Sammlung und Ausrüstung all dieser neuen Truppenkörper so rasch erfolgt wie bei den Kielmannsegge'schen Jägern, wäre vor allem von Anfang an eine zielbewusste, energische einheitliche Oberleitung vorhanden gewesen, so hätte der Kriegslauf an der Niederelbe nach dem 18. März 1813 wohl eine andere Wendung genommen. Welch ein heldenmütiger, opferwilliger Geist in den Truppen lebendig war, hat sich am 2. April durch das Gefecht in und bei Lüneburg mit hellleuchtendem Ruhmesglanz offenbart, das der bedeutend überlegenen Abteilung des französischen Generals Morand eine vernichtende Niederlage bereitete und dem Anführer selbst das Leben kostete. Es ist dasselbe Treffen, worin ein einfaches Dienstmädchen durch seine Unerschrockenheit ein herrliches Beispiel gab von dem, was auch deutsche Frauen in dem großen Freiheitskampf geleistet haben. Es war die Jungfrau Johanna Stegen, die mitten im dichten Kugelregen aus einem von den flüchtigen Feinden verlorenen Packen den deutschen Landsleuten den ihnen schon mangelnden Schießbedarf zutrug. Die Gerechtigkeit erfordert hinzuzufügen, dass sich auch Tettenborn mit seinen Kosaken namentlich in den Gefechten in der Gegend von Rotenburg ritterlich gehalten hat. Aber inzwischen war doch auf französischer Seite je länger je mehr erkannt worden, dass der russische General nur über eine geringe Streitkraft verfügte und dass auch die Verbündeten diesen Mangel einstweilen nicht decken konnten. Im Besitz einer auf fast 30 000 Mann angewachsenen Macht hielt sich der Marschall Davoust stark genug, um seines Kaisers Befehl zur Ausführung zu bringen, die Stadt Hamburg wieder zu erobern, wo im Auftrag des russischen Kaisers Alexander der Graf Ludwig von Wallmoden - Gimborn 5) erschienen war, um den Oberbefehl über die fliegenden Korps an der unteren Elbe zu übernehmen. Von Bremen her setzte sich der General Vandamme mit seiner ansehnlichen Truppenabteilung in Bewegung, und wenn die Verbündeten auch jene einzelnen Erfolge errangen, so konnte doch das Vorrücken der beiden französischen Generale, mit ebenso viel Kraft als Vorsicht ausgeführt, durch nichts mehr aufgehalten werden. Das Vandamme'sche Korps, dem es geringe Mühe verursachte, die kleinen Kosakenscharen vor sich herzutreiben, war am 28. April bis Tostedt gekommen, und am 29. April vormittags erschien es vor Harburg, dessen Schloss zwar mit Wall und Graben umzogen, aber nur sehr schwach mit einer Ab-teilung Kielmannsegge'scher Jäger besetzt war. Hier hatten diese Gelegenheit, die erste Probe ihrer Tüchtigkeit zu geben und sich beim Feinde in Respekt zu setzen. Der junge kühne Leutnant Joh. Chr. von Düring hatte die vom Schloss nach der Stadt führende Brücke niedergelassen, um bei den Franzosen den Eindruck zu erwecken, dass das Fort unbesetzt sei. Als nun die französische Avantgarde hinüberdrängte, wurde von den Jägern ein lang gesperrtes ruhiges Feuer eröffnet, so dass der Feind sich mit einem Verlust von 10-12 Toten aus dem Bereich der Büchsen zurückzog. Diese Frist benutzten die Jäger, um mit den übrigen Truppen sich auf bereit liegenden Kähnen über die Elbe nach Wilhelmsburg in Sicherheit zu bringen.
Nachdem Vandamme seiner Avantgarde gefolgt war, beginnen die Kämpfe um die Wilhelmsburg, wobei sich die Verbündeten zunächst tapfer behaupten. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai um 1 Uhr machen die Franzosen den Übergang nach dem westlichen Teil der Insel, werden aber unter dem mutigen Vorgehen der Kiel-mannsegge'schen Jäger bei einem Verlust von 300 Toten und Verwundeten zurückgeschlagen. Nicht besser verläuft der Übergang am 9. Mai morgens nach Ochsenwerder. Der von Bergedorf herbeigeeilte, schon in früheren Kriegszügen erprobte Major August von Berger, der das Lauenburger Bataillon befehligte, nötigt den Feind zum Rückzug und führt am 13. Mai einen glücklichen Überfall bei Zollenspieker aus. Aber schon am 10. Mai hat Tettenborn den für den ersten Eindruck unbegreiflichen Befehl erteilt, den westlichen Teil der Insel zu räumen, und am 11. Mai ließ er die Truppen ganz auf die Veddel zurückziehen. Er war wohl von dem Gedanken geleitet, dass eine so weit ausgedehnte Insel wie Wilhelmsburg gegen den mit hinreichenden Fahrzeugen versehenen Feind nicht genügend bewacht, geschweige denn verteidigt werben könne. Ein Offensiv-Angriff aber, den Tettenborn am 12. Mai übernahm, fiel sehr übel aus. Unter den Verwundeten befand sich auch der Leutnant Joh. Chr. von Düring, der einen Schuss unter die Hüfte und am linken Arm erhielt, doch brachte ihm seine kräftige, gesunde Natur bald Genesung. Der genannte 12. Mai war eigentlich schon für das Schicksal Hamburgs entscheidend. Nachdem die Dänen am 19. Mai ihre Hülfstruppen zurückgezogen hatten und am 29. Mai durch einen unter Begünstigung des Nebels von Moorwärder aus glücklich vollführten Überfall seitens der Franzosen der Ochsenwerder verloren gegangen war, zeigte sich die ganze Lage der Stadt als eine völlig unhaltbare. Jetzt musste Tettenborn fürchten, von französischer wie von dänischer Seite umzingelt zu werden. So zog er in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai mit seinen Truppen ab, ohne wesentliche Verluste zu erleiden. Am 31. Mai hielt der Marschall Davoust seinen Einzug und begann nun sein Schreckensregiment in der wieder französisch gewordenen Stadt, die wegen ihres Abfalls als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt ward.
Eine der ersten harten Maßregeln von Davoust war, dass er der Stadt eine ungeheure Kriegskontribution auflegte. Sie sollte 48 Millionen Franken binnen Monatsfrist in 6 Terminen bezahlen. Schon die Eintreibung der ersten Rate, die 8 Tage nach dem Einzug der Franzosen aufzubringen war, machte die größten Schwierigkeiten, da der Wohlstand Hamburgs unter den Kriegswirren verfallen war. Ferner ward eine Poskriptionsliste aller derer, die gegen Frankreich geredet oder geschrieben hatten, aufgesetzt; darauf stand auch der Name des Buchhändlers Friedrich Perthes. Denselben Geist atmete noch so manche andere von Davoust erlassene Verfügung, so dass Hamburg wie keine andere Stadt unter dem Druck der Fremdherrschaft fortdauernd seufzen musste. Es ist mir freilich bekannt, dass man neuerdings den Marschall damit zu entschuldigen gesucht hat, dass er alles schweren Herzens nur auf höheren Befehl getan habe. Gewiss ist auch Davoust nur eine Kreatur von Napoleon gewesen. Aber wenn man dies auch gebührend in Anschlag bringt, Davoust erscheint doch in seinem ganzen Verhalten als ein gewalttätiger, grausamer Charakter. Er war es doch, der einen ehrwürdigen Mann wie den Senior Dr. Rambach, der selbst nicht körperlich arbeiten konnte, zwang, zu den Schanzwerken zu gehen und den Arbeitern Branntwein einzuschenken. Er war es doch, der die hamburgischen Prediger, die gewiss nichts verbrochen hatten, mit den härtesten Worten anfuhr. Seine weiteren Untaten werden noch zur Sprache kommen. Es ist jetzt wiederum nötig, den Gang der Ereignisse zu verfolgen, um die zuletzt nachfolgenden Kämpfe um die Moorburger Schanze zu verstehen.
Nach der Wiedereroberung Hamburgs kam bald eine Zeit der Stille. Es wurde nämlich durch Vermittlung Österreichs ein Waffenstillstand abgeschlossen unter der Bedingung, dass die Linie der Vorposten der kriegführenden Armeen zur Zeit um Mitternacht des 8. Juni als sog. Demarkationslinie d. h. Abgrenzung der beiderseitig besetzten Gebiete maßgebend sein sollte. Diese Zeit hat der Graf Wallmoden, wie wir schon andeuteten, mit großem Geschick benutzt, um seine Truppen zu vervollständigen, auszurüsten und auszubilden, was sich nach einem früher gegebenen Beispiel besonders dadurch erforderlich machte, dass seine Leute aus allerlei Volk erst kürzlich ausgehoben waren und keine rechte Kriegserfahrung besaßen. Die hanseatische Legion insbesondere, für deren Bildung der wackere Friedrich Perthes unermüdlich gestrebt hatte, war zwar an sich eine stattliche Truppe, aber ohne Sold, zum Teil ohne Schuhwerk, in armseliger Kleidung und in Gefahr zu verwildern. Perthes wusste es durchzusetzen, dass die Truppe der Hanseaten in englischen Sold genommen und dadurch dem Übelstand gewehrt wurde. So hatte Napoleon doch wenig Grund, in einem Briefe an Davoust von den Truppen Wallmodens wie von einer "Kanaille" zu reden. Die Hannoveraner wie die Hanseaten konnten ihren Ehrenplatz neben den besten deutschen Truppen behaupten. Andrerseits ist Davoust in dieser Zeit des Waffenstillstandes nicht müßig gewesen. Was Tettenborn versäumt hatte, das fasste er alsbald ins Auge, die zur Sicherung Hamburgs erforderlichen Schanzarbeiten auszuführen. Daneben aber konnte er einen gewissen Triumph feiern durch die rasche Vollendung eines Werkes, das bis heute in der Erinnerung geblieben ist und seine Berühmtheit behalten hat. Es ist der Bau der großen Brücke über Wilhelmsburg, die wir etwas genauer besprechen müssen, da sie uns auch beim Ausgang der Kämpfe um die Moorburger Schanze begegnen wird. Die leitende Idee zu diesem Bau ist von keinem Geringeren als Napoleon ausgegangen, der in einem uns noch erhaltenen Briefe an Davoust auch auf diesem Punkte, der Befestigung von Hamburg und Umgegend, seinen meisterhaften, weit überlegenen Scharfblick bekundet. Es heißt zu Eingang: "Sie müssen alle Inseln durch ein System von Redouten und Deichen okkupieren, sogar Brücken über eingerammte Pfahle legen über die kleineren Arme; auf jedem starken Arme zwei Fähren halten, wie ich zu Amsterdam angelegt habe, eine für die Ebbe und eine für die Flut, dergestalt, dass 100 Pferde und 500 Mann Infanterie mit einem Mal übersetzen können." Am Schluss des Briefes stehen die bezeichnenden Worte: "Sie wissen, dass ich Hamburg nie gesehen habe; man muss den Geist des Befehls studieren und nicht den Buchstaben." Dagegen bleibt für Davoust der Ruhm, sich diese Idee wirklich zu eigen gemacht und in 3 Monaten, nach anderen Angaben in 100 Tagen ausgeführt zu haben. Aber wohlgemerkt, man darf sich nicht vorstellen, so verbreitet auch noch immer die Meinung ist, dass es sich um eine Brücke über die Elbarme handelt. Nein, die Verbindung über diese letzteren war durch zwei an Seilen mit Rollen gezogenen Fähren hergestellt. Die Brücke selbst war ausschließlich für den Wilhelmsburger Grund und Boden bestimmt, der damals noch wenig genügend eingedeicht, deshalb der Überschwemmung leicht ausgesetzt, an vielen Stellen sumpfig und morastig war. Die Brücke war aus 4 Abteilungen, die zusammen 14394 Hamburger Fuß lang waren, zusammengesetzt und stand in Zusammenhang mit einem Damme, der durch die Insel führte. Um das Material für die Brücke zu gewinnen, wurden die Holz-läger von Hamburg, Wilhelmsburg, Harburg geplündert, während für die Chaussee besonders in Hamburg das Pflaster der Vorstädte aufgerissen wurde. Die Gesamtkosten sind berechnet auf die für die damalige Zeit hohe Summe von 855 000 M. Cour. Die 4 großen Zugtaue an den Fähren kosteten fast 6 400 M. und mussten nach einem Gebrauch von 8 Monaten ersetzt werden. Die Erhaltung und Bedienung der Fähren^ kostete in einem Jahr 22 500 M. Redeten die Hamburger von einer "Teufelsbrücke", so liegt doch auch darin eine respektvolle Anerkennung für den Bau. Im August 1818 ist er wieder beseitigt, ohne dass lange Jahre hindurch ein besserer Ersatz beschafft wurde. Gute Abbildungen sind außer in Hamburg auch im Harburger Museum zu sehen.
Der Waffenstillstand, dem das Anwachsen der hannoverschen Truppenformation auf 5337 Soldaten mit 189 Offizieren und 315 Unteroffizieren zu verdanken war, ging am 18. August zu Ende. Für unsere Gegend war jetzt das Mecklenburgische der Hauptschauplatz des weiteren Krieges, den wir aber nur kurz zu überblicken brauchen. Das Hauptheer Napoleons stand jetzt bei Dresden; die Verbündeten, zu denen Österreich hinzugetreten war, hatten in 3 großen Armeen Aufstellung genommen, in Schlesien unter Blücher, in Böhmen unter Schwarzenberg, bei Berlin unter dem Kronprinzen von Schweden. Das Korps von Wallmoden hatte den Auftrag, jede Wendung des Marschalls Davoust, der mit etwa 40 000 Mann in und bei Hamburg versammelt stand, zu verhindern. Dagegen hatte auf französischer Seite Davoust die wichtige Aufgabe zu erfüllen, den äußersten rechten Heeresflügel der Verbündeten zu beunruhigen und die Vorstöße, die gleich nach Ablauf des Waffenstillstandes von Wittenberg und Magdeburg her erfolgten, kräftig zu unterstützen. Er hätte auch zweifelsohne bei energischem Vorgehen auf Berlin den Verbündeten große Schwierigkeiten bereiten können. Allein Davoust hat das in ihn gesetzte Vertrauen nicht ge-rechtfertigt und nach seinen früheren mutigen Waffentaten im Dienst Napoleons, die ihm so hohe Ehren einbrachten, jetzt eine merkwürdige Erschlaffung bewiesen. Zwar dringt er mit feinem Hauptquartier bis nach Schwerin vor, aber dann zieht er sich, wahrscheinlich durch den Ausgang der Schlacht bei Großbeeren (23. August 1813) bedenklich gemacht, in die feste, berühmt gewordene Stellung an der Steckenitz zurück. In dieser Stellung kann ihm Wallmoden freilich wenig anhaben. Andrerseits läßt Davoust alle anderweitigen Unternehmungen der Verbündeten ruhig geschehen. Die Kielmannsegge'schen Jäger überrumpeln eine feindliche Abteilung in Dannenberg. Noch bedeutsamer war das Ergebnis des Gefechtes an der Göhrde am 16. September. Durch ein kühnes Wagnis des Generals Wallmoden erleidet der französische General Pecheux eine empfindliche Niederlage, verliert 6 Kanonen, 12 Pulverwagen und 18-1900 Mann. Den darauf folgenden ebenso tollkühnen Tettenborn'schen Überfall auf Bremen am 14. Oktober haben wir schon erwähnt. Schließlich kommt es dahin, dass Davoust durch die Unternehmungen Tettenborns so gut wie ganz vom linken Elbufer abgeschnitten wird. Aus dieser isolierten Stellung des Marschalls erklärt es sich, dass er eine ganze Weile ohne Nachricht bleibt von der Völkerschlacht bei Leipzig (16.-18. Oktober), die mit der wilden Flucht Napoleons endet. Als ihm endlich am 11. November durch einen Boten des Generals St. Cyr die völlige Gewissheit wird, beginnt er seine Steckenitz-Stellung aufzugeben und sich auf Schwarzenbeck zurückzuziehen. Die Dänen hat er dann weiter einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie hatten nicht ohne Tapferkeit gekämpft und zu Zeiten, namentlich in dem Gefecht bei Sehestedt (10. Dezember 1813) einige Vorteile errungen, aber durch die Kapitulation von Friedrichsort (19. Dezember) und Glückstadt (5. Januar 1814) sehen sie sich gezwungen, den Frieden von Kiel zu schließen und in die Abtretung von Norwegen an Schweden einzuwilligen. Am 2. Dezember 1813 nimmt Davoust wieder sein Hauptquartier in Hamburg, nachdem er zuvor die Vierlande furchtbar ausgeplündert hat, und während ihn das Woronzow'sche Korps einschließt, das Ende Dezember vom Armeekorps des Generals Graf Bennigsen abgelöst wird, beginnt für Hamburg die eigentliche Leidenszeit.
Davoust hat jetzt seinen ganzen Sinn darauf gerichtet, bis zur Wiederkehr besserer Zeiten im Norden wenigstens die eine wichtige Handelsstadt für Napoleon um jeden Preis zu halten, und nun erst hat er die ihm von seinem Herrn und Meister eingegebenen Gedanken und Pläne zur Befestigung Hamburgs ohne Scheu zur vollen Tat gemacht. Waren schon früher den Schanzungsarbeiten die herrlichsten Häuser, Villen, Gärten zum Opfer gefallen, nun stieg der Greuel der Verwüstung immer höher. Davoust selbst sah hohnlachend diesem Zerstörungszweck zu. Die Soldaten' hielten in den meisten Fällen die zur Räumung festgesetzte Frist nicht inne, sondern zündeten den Bewohnern, die sich frierend und hungernd mit ihrer elenden Habe fortschleppen mussten, einfach die Häuser über dem Kopf an. In der Kirche zu Hamm, in den Gängen und Stühlen, auf den Emporen hatten sich viele der Unglücklichen gesammelt, bis ihnen auch dieses Obdach genommen wurde. Den Höhepunkt erreichte alle diese Drangsal, als in der heiligen Nacht 1813 die Nichtverproviantierten aus den Betten geholt, in die St. Petrikirche und dann am andern Morgen in die winterliche Kälte getrieben wurden. Am 30. Dezember muss sogar das mit 800 Kranken und Wahnsinnigen angefüllte Krankenhaus geleert werden, denn am nächsten Sonntag soll es niedergebrannt werden. Von diesen 800 Menschen sind die meisten der Kälte zum Opfer gefallen und haben auf dem Kirchhof zu Ottensen ihre Ruhestätte gefunden - eins der drei, von dem Dichter verherrlichten Gräber von Ottensen. Schließlich legte Davoust seine Hand auf die noch von Napoleon für unverletzlich erklärte Hamburger Bank, die er um die Summe von 7^ Millionen Mk. Bco. beraubte. Wenn nun auch noch immer mancherlei daran fehlte, dass Hamburg für eine regelrechte Festung gelten konnte, so hat er doch in dieser Hinsicht getan, was er den Umständen nach tun konnte. Indessen konnte er, wie er jetzt seinen Plan durchführen wollte, bei Hamburg nicht stehen bleiben, sondern er musste ebenso bei Harburg und dessen Umgebung vorgehen. Daraus entspinnen sich auf dem Boden unserer Landwirtschaft Moorburg jene letzten Kämpfe, die den Gegenstand des zweiten Vortrages bilden werden.

1) In Hamburg war über "de verdammte stiefbeenige" Douanen nachfolgendes Spottgedicht
"De Heft uns visenteert von Kopp bet up de Knee,
Bei se hefft funden denn Kaffee oder Tee,
In den Stiweln un in de Arms kunnen wi nicks laten,
Da hefft uns de Aes allerwerts anfathen."
J. Binz, deutsche Kulturbilder aus sieben Jahrhunderten. Hamburg, Otto Meißner 1893, Band II, Seite 166.


2) Friedrich Carl Freiherr von Tettenborn geb. 1778, bis 1812 Major in der österr. Armee, Mai 1813 russischer Generalmajor, später in badischen Diensten.

3) Nach Hülsemann war Johann Georg von Roden 1770 zu Grasdorf im Hannoverschen geboren, 1828 pensioniert, gest. 17. August 1856 zu Pyrmont.

4) Geb. 1790 zu Niederländern als Sohn eines Amtmanns, trat 1844 mit Majorscharakter in Pension,

5) Ludwig, Graf von Wallmoden-Gimborn, wurde 1769 zu Wien geboren, wo sein Vater, der oben genannte hannoversche Feldmarschall, damals Gesandter war, trat früh in das hannoversche Leibgarderegiment, 1790 in preußische, nach dem Baseler Frieden 1795 in österreichische und 1813 als Generalleutnant in britische Dienste, ging 1815 in österreichische Dienste zurück und starb im hohen Alter als General der Kavallerie. Was der Vater etwa verfehlt hatte, der Sohn, wie er bei seiner Tüchtigkeit die ihm gestellte Aufgabe glänzend löste, hat es reichlich wieder gut gemacht.




Die Kämpfe um die Moorburger Schanze.



Von dem Marschall Davoust wird die Äußerung berichtet: die Hamburger sollten nur ihre Augen behalten, um ihr Elend zu schauen. Nach allem, was wir von ihm gehört haben, ist ihm eine solche herzlose Rede wohl zuzutrauen. Wie es sich jedoch damit verhalten mag, tatsächlich hat Davoust eine ganze Summe von Elend über unsere Stadt Hamburg gebracht. Aber alle grausamen Maßregeln, die er nach einander anwandte, sie liegen in derselben Richtung, verfolgen schließlich den einen Zweck, Hamburg bis aufs Äußerste zu behaupten. So musste er folgerecht zu weiteren gleichen Schritten über Hamburg hinaus getrieben werden. Wollte er einmal diese Stadt halten, so konnte er natürlich Harburg als den Brückenkopf von Hamburg nicht außer Acht lassen. Hatte er immer schon aus diesem Gesichtspunkt nach der von Napoleon gegebenen Anweisung gehandelt, so traf er nun für Harburg ganz ähnliche Vorkehrungen, wie er sie so rücksichtslos für Hamburg befolgt hatte. Im Oktober 1813 erging der Befehl, dass sich die Bewohner der Stadt Harburg auf 6 Monate verproviantieren sollten, widrigenfalls sie ihren Bereich zu verlassen hätten. Es waren hier 500 Personen, die zum Wanderstab, in vielen Fällen zum Bettelstab greifen mussten, worauf schon im November die engste Blockade von Harburg eintrat. Dass auch unsere Landschaft Moorburg zu der Verproviantierung der Festung Harburg herangezogen wurde, ersehen wir aus einem Schriftstück vom 18. Juli 1813, wonach der Einwohner Lorenz Wolter bei Strafe der Exekution 6 Mark zu diesem Zweck an die Maine Moorburg einzuzahlen hat. Es ist zu vermuten, dass die Höfner wenigstens den doppelten Beitrag zu leisten hatten. Aus weiteren Schriftstücken der Mairie ergibt sich, dass es sich besonders um Lieferung von Torf für die Festung Harburg handelte. Den Gemeinden Moisburg, Moorburg, Meckelfeld und Buxtehude, in deren Gebiet damals ein schwunghafter Torfhandel betrieben wurde, wird ein Quantum von 2520 000 Soden auferlegt, jeder Soden von 10 cm Länge, Breite und Dicke, und der genannte Untermaire Hans Hinrich Meyer, der zur Zeit in Buxtehude weilte, erinnert seinen dortigen Kollegen in einem höflichen Schreiben, auf die Ablieferung des für Buxtehude entfallenden Anteils mit 682 056 Soden bedacht zu sein. Bei unserem Maire Meyer geht auch unter dem 26. August 1813 ein Schreiben des Staatsratsauditeurs Olbers zu Harburg ein, sich über die Torfverhältnisse in den Gemeinden Hasselwerder und Estebrügge im Altenlande zu erkundigen und gutachtlich zu äußern. Einen anderen Ton schlägt ein Schreiben desselben Herrn Olbers vom 28. Oktober 1813 an. Danach hat sich der Maire Meyer mit der Ablieferung des Torfes von Hausbruch saumselig verhalten, obschon ihm Wagen dazu von Harburg und auch Schiffe angeboten waren, und er wird nun ernstlich ermahnt, innerhalb 3 Tage seine Pflicht zu erfüllen, widrigenfalls strenge Maßregeln gegen die Mairie Moorburg zu erwarten wären, wie sie sich schon gegen andere Gemeinden notwendig gemacht hätten. Dass daneben eine außerordentliche Kriegssteuer ausgeschrieben ist, zeigt ein Schriftstück, das dem Vollhöfner Johann Lüdders zu Lauenbruch für die Grundsteuer in dieser Hinsicht 230 Francs 29 Cent, auferlegt. Bei dieser Gelegenheit mag erwähnt werden, dass derselbe Vollhöfner Lüdders im Jahre 1807 zu den Tafelkosten des französischen Generals Frere in Harburg ein Darlehn von 500 Rthlr. und ferner zu Anfang des Jahres 1808 zur Deckung einer früher ausgeschriebenen Kriegskontribution ein Darlehn, das Drittel mit 285 4/7 Francs gegeben hatte. Bei der Unsicherheit der ganzen Zeitverhältnisse hat er es später für geboten erachtet, seine Wertsachen und Papiere von Lauenbruch über die Elbe nach der Hohenschar zu bringen und dort zu verstecken. Als aber Anfang 1813 sein Tod eintrat, konnte nichts wieder aufgefunden werden, doch sind sicher in diesem Fall die Franzosen unschuldig. Übrigens wird von all jenen Kriegssteuern auch unser Moorburg sein Teil zu tragen gehabt haben.
Um aber auf Harburg zurückzukommen, so sehen wir dort in der Folge ganz dasselbe traurige Bild im Kleinen, wie es uns vorher in Hamburg begegnet ist. Am 23. Januar 1814 erließ Davoust den Befehl, dass die dem Kanal anliegenden Häuser, darunter das Posthaus abgerissen werden sollten. Dann kamen die Häuser am Kanal zur Schlossstraße bis an den Ratskeller und weiter 16 Häuser am Karnapp an die Reihe. Die Ortschaften Lauenbruch und Heimfeld wurden niedergebrannt, und die Bewohner gingen größtenteils ihrer Habe verlustig. Später im März, als die Franzosen auf die Geestdörfer ausrückten, pflanzte sich die Verwüstung fort über die Überbleibsel von Wilstorf nach Eißendorf. Appelbütel und Marmstorf. Man kann sagen, dass auf eine Stunde Weges alles rings umher in Aschenhügel verwandelt war. Aus dem Kontrakt über das von Friedrich Wilhelm Sundheim an Carl Heinrich Nieber verkaufte Gehöft Nr. 5 lässt sich ersehen, dass auch die oberen Häuser und Gebäude in Moorburg planmäßig niedergelegt wurden.
Bei allem aber hatte Davoust sein Augenmerk darauf gerichtet, bei der zu erwartenden Blockade Harburg selbst möglichst ausgiebig zu befestigen. Bei Hülsemann findet sich die nachfolgende nähere Beschreibung: "In Harburg war die Citadelle, ein unregelmäßiges Fünfeck, mit bedecktem Wege, Glacis und von einem doppelten Wassergraben umgeben, welcher lange Zeit vernachlässigt war, wiederhergestellt; außerdem waren die der Stadt vorliegenden Höhen mit einem zusammenhängenden Bau von Verschalungen und Verhauen befestigt. Auf dem Schwarzenberge war eine große Schanze mit trockenem aber pallisadiertem Graben, gedecktem Wege und Glacis und weiter unterhalb auf den Abstufungen des Berges 2 kleinere Werke, mit jenen durch Verhaue verbunden, angelegt. Noch tiefer waren 2 Flaschen und 2 Blockhäuser und auf der Südseite des Berges noch 3 kleine Schanzen erbaut. Alle diese Werke verband ein zweiter Verhau, der einerseits an den Wassergraben der Citadelle, andrerseits an einen kleinen See außerhalb der Stadt sich anschloss." Außerdem war noch südlich der Stadt durch 3 kleine Fleschm und eine große mit Verhauen geschlossene Schanze zu Füßen des Krumholzberges eine zweite Linie zusammenhängender fester Werke angelegt.
Sehen wir uns nun die bei der Belagerung von Hamburg-Harburg einander entgegenwirkenden Streitkräfte genauer an, so sind die französischen Besatzungstruppen auf etwa 32 000 Mann zu veranschlagen, während das Einschließungskorps etwa 50 000 Mann betrug. Davon standen auf dem linken Elbufer schließlich 10^ Bataillone, 17 Schwadronen und 4 Batterien, und zwar so, dass die russisch-deutsche Legion den rechten Flügel der Einschließung von der Elbe bei Bullenhausen bis Hittfeld übernahm; die Hannoveraner den linken Flügel von Hittfeld bis Moorburg. Über die Belagerungstruppen kommandierte als General en chef Graf Bennigsen; das Hauptquartier war in Winsen. Neben dem Marschall Davoust, der sein Standquartier in Hamburg hatte, befehligte Leo als Stadtkommandant in Harburg.
Den Bemühungen des Einschließungskorps gelang es im Laufe des Monats Dezember 1813 und des Monats Januar 1814, den Feind allmählich Schritt für Schritt aus den vor Hamburg und Harburg liegenden Ortschaften hinauszudrängen. Außer der Wilhelmsburg hatten die Franzosen im Wesentlichen nur Neuland und die benachbarte Gegend festgehalten, um die Verbindung mit dem Ochsenwerder zu bewahren. Um so mehr musste ihnen daran liegen, sich nach anderer Seite hin Luft zu machen, und das war unsere Landschaft Moorburg. Die hier vermutlich gegen Ende 1813 angelegte Schanze sollte bei der Blockade von Harburg eine besondere Bedeutung gewinnen. Nicht nur, dass sie den beständigen Ausfallspunkt über Lauenbruch gegen Harburg bildete, von hier aus ließ sich auch der heute vielgenannte Köhlbrand und damit die Verbindung nach Hamburg leicht beherrschen. Endlich lag unmittelbar hinter Moorburg das Alteland, das von den Kriegswirren weit weniger heimgesucht, mit seinen fruchtbaren Feldern und Obsthöfen zumal in jener Zeit eine reiche Proviantkammer darstellte. Nach allem liegt es auf der Hand, dass ein großer Vorteil gegen das Einschließungskorps von den Franzosen errungen war, wenn es ihnen gelang, diese ihrem weiteren Vordringen entgegenstehende feste Schranke zu nehmen. So erklärt es sich, dass die erbitterten Kämpfe um die Moorburger Schanze, während die Ereignisse auf dem großen Kriegsschauplatz schon mächtig vorwärts drängten dem abschließenden Ziele zu, während die Heere der Verbündeten schon über den Rhein gegangen waren und auf Paris zustrebten, erst ihren Anfang nahmen und bis zum letzten Ende fortdauerten.


Standort der Schanze

Leider sind die schriftlichen Nachrichten über die erste Anlage der Moorburger Schanze äußerst dürftig; wir sind in der Hauptsache auf die mündliche Tradition angewiesen. Doch haben wir zum Glück gerade hier einen noch lebenden trefflichen Gewährsmann in unserem Höfner Lorenz Heinrich Meyer (geb. den 15. Oktober 1831), der von seinem Vater, dem Unter-Maire Hans Hinrich Meyer eingehenden Bericht empfangen und treu bewahrt hat. Jedenfalls muss zunächst die Meinung als irrig erscheinen, wenn sie auch viel verbreitet ist und selbst bei von Düring in der Geschichte der Kielmannsegge'schen Jäger sich findet, dass die Moorburger Schanze ursprünglich von den Franzosen angelegt sei. Dem steht schon das Zeugnis des Landherrn Dr. David Schlüter (gest. den 16. Juni 1844) entgegen, der einen Bericht über "Die Folgen der Franzosenzeit in der Landschaft Billwerder und Ochsenwerder" verfasste (veröffentlicht in den Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 1881 Nr. 11), worin auch Moorburg erwähnt wird. Hier heißt es ausdrücklich, dass die Hannoveraner die Schanze erbaut haben. Wir dürfen überzeugt sein, dass Dr. Schlüter über die Verhältnisse auf dem Landgebiet gut unterrichtet war. Wir werden außerdem noch aus einer Urkunde sehen, die jeden Zweifel ausschließt, dass die Moorburger Schanze ihren letzten Ausbau erst später durch die Russen erhalten hat. Damit soll dem von Düring'schen Bericht, dass die Kielmannsegge'schen Jäger eine von den Franzosen angelegte Schanze genommen haben, nicht widersprochen werden. Aber diese Schanze lag auf Lauenbrucher Gebiet, wo die Franzosen, wie leicht erklärlich und zudem in der Überlieferung erhalten ist, auch ihre Sicherungsmaßregeln getroffen haben. Es wird später noch zu berichten sein, dass bei heranrückendem Friedensschluss sich die Gegner zu Besuchen in den beiderseitigen Verschanzungen einluden. Bei der so nahen Nachbarschaft von Lauenbruch und Moorburg konnte schließlich von Düring leicht auf eine Verwechselung kommen.
Was die Lage der Moorburger Schanze betrifft, so befand sie sich ziemlich genau an derselben Stelle, wo noch heute das im Jahre 1869 erbaute Haus Nr. 9 des Höfners L. H. Meyer (Schanzen-Meyer) steht, und erstreckte sich wohl auch wesentlich in derselben Richtung in einer Länge von reichlich 100 Fuß, wozu dann später noch eine Erweiterung gekommen sein mag. Die Schanze verlief also in der Richtung von Süden nach Norden gegen den Deich, und behufs ihrer Herstellung wurde in Deichhöhe das alte aus Fachwerk bestehende Haus abgetragen, um in den unteren Räumen zwischen den Mauern mit Erde, Grassoden, Dünger und allerlei sonstigem Material ausgefüllt zu werden. Ob für die Abtragung des Hauses je eine entsprechende Entschädigung geleistet worden ist, darüber ist nichts mehr bekannt. Die Schanze war mit einer Brustwehr versehen, hinter der eine Kanone, - so zeigt es ein Bild in der Schanzenmeyer'schen Wirtschaft -, nach anderem Bericht zwei Kanonen aufgepflanzt waren. Legt sich nun hier noch einmal die Frage nahe, wie die somit geschilderte, immerhin bescheidene Schanzanlage eine solche Bedeutung bei der Blockade von Harburg gewinnen konnte, so müssen wir uns an die Terrainverhältnisse der damaligen Zeit erinnern. Die heutige Elbregulierung, insbesondere der Durchstich bei Kaltenhofe, war noch nicht erfolgt. Das Feld stand während der Herbst- und Winterzeit gewöhnlich etwas unter Wasser. Die Passage musste auf dem schmalen Hinterdeich erfolgen und hatte immer ihre Schwierigkeiten. Dazu war das an die Landscheide grenzende hannoversche Gebiet, der sog. Dubben, noch nicht in der heutigen, für unsern Gemüsebau so erfolgreichen Weise kultiviert, sondern mehr oder weniger eine Wildnis, entweder zum Torfabgraben oder zur mageren Weide für etliche Schafe benutzt. Musste also die Bewegung der französischen Truppen von Harburg her in der Hauptsache auf dem Elbdeich geschehen, so war die Moorburger Schanze das starke Hemmnis. Kurz, diese Anlage war von den Hannoveranern wohl berechnet. Allerdings blieb immer die eine Gefahr, dass bei eintretendem Frostwetter die Schanze leicht umgangen werden konnte. Aber ein Risiko ist ja schließlich bei allen Kriegsunternehmungen zu tragen.
Wird es wohl kaum gelingen, alle Dunkelheiten über die Anlage der Moorburger Schanze zu erhellen, so sind wir dafür desto eingehender unterrichtet über die einzelnen Kämpfe, die sich um diesen Schauplatz im Frühjahr 1814 abgespielt haben. Schon bei dem ersten größeren Kampf sind wir in der glücklichen Lage, den schriftlichen Bericht eines Mannes zu besitzen, der, obschon kein Soldat, sondern nur ein schlichter, einfacher Landmann, doch persönlich in ganz hervorragender Weise zu nächtlicher Stunde eingegriffen hat und durch sein kühnes, unerschrockenes Vorgehen eine empfindliche Niederlage der Franzosen herbeiführen half. Dieser Bericht ist enthalten in dem wieder ans Tageslicht gezogenen Lebenslauf des Höfners Carl Heinrich Nieber, wodurch manchen Verdunkelungen und Unsicherheiten ein Ende gemacht wird, die gerade auf diesem Punkt eingesetzt hatten, so dass schließlich völlige Vergessenheit zu befürchten gewesen wäre.
Der ganze Lebenslauf von Carl Heinrich Nieber ist sehr anziehend, so dass ich es mir nicht versagen kann, einige Mitteilungen daraus zu machen. Die Heimat von Nieber ist das adlige Gut Wehningen bei Dannenberg. Dort wurde er am 7. November 1777 als Sohn des Arbeitsmannes Jürgen David Nieber und dessen Ehefrau Margaretha Elisabeth geb. Frärken geboren. Obwohl von den rechtschaffenen Eltern zum regelmäßigen Schulbesuch angehalten, konnten diese doch bei ihrer großen Armut nicht soviel aufbringen, dass er wirklich schreiben und lesen lernte - ein bezeichnendes Bild der damaligen mangelhaften Schulverhältnisse. Nach der Konfirmation diente er als Bursche und Knecht und benutzte die Gelegenheit, sich gründliche Kenntnisse in der Landwirtschaft zu erwerben. Im Herbst 1799 nach Hamburg gelangt, geht er von dort im Frühjahr 1801 zur See und lernt nun die verschiedensten Länder kennen, was natürlich seinen Gesichtskreis bedeutend erweitern musste. Nieber selbst nennt in bunter Reihenfolge: Dänemark, Lübeck, Mecklenburg, Preußen, preußisch und russisch Polen, Russland (Riga), Schweden (Gothenburg), Norwegen, England, Frankreich, Spanien, Portugal, Afrika. Er macht die größten Erfahrungen und Entbehrungen durch, wird in die auf der See ausgebrochenen Kriegswirren hineingezogen, gerät nacheinander in Gefangenschaft, bis er, mehr als einmal den Tod vor Augen habend, nach Verlauf von 7 1/2 Jahren glücklich aus aller Drangsal befreit wird und wieder in Hamburg anlangt. Er begibt sich sofort in seine Heimat. Die Eltern halten ihn offenbar für einen hergelaufenen Menschen und verweigern ihm bei der von der Gutsherrschaft für die unruhige Zeit getroffenen Anordnung die Herberge, bis er sich zu erkennen gibt. Die Freude des Wiedersehens können wir uns denken. Es gelingt ihm darauf, wegen seines rechtlichen Betragens empfohlen, die Verwalterstelle auf dem Gut Hausbruch zu erhalten, das damals dem Justizrat Cord von Bülow gehörte, heute sich im Besitz des Herrn Thomas Harms befindet. In dieser Stellung schließt er die Ehe mit Catharina Elisabeth Ziemeken, woraus 9 Kinder hervorgehen. Erst als Verwalter zu Hausbruch lernt er durch eigne Bemühung ohne Unterricht eines anderen gründlich lesen, schreiben und rechnen. Im Jahre 1813 haben sich seine Verhältnisse so gehoben, dass er hier in Moorburg das Gehöft Nr. 5 von Friedrich Wilhelm Sundheim erwerben kann. (Der Kontrakt ist erst am 26. November 1814 unterzeichnet.) Daneben betreibt er einen nicht unbedeutenden Holzhandel. Nachdem Nieber noch erwähnt hat, dass auf dem Gut Hausbruch das russische Lager war, geht er zu seinem denkwürdigen Erlebnis zu Anfang des Jahres 1814 über, und hier kann ich nichts besseres tun, als Nieder selbst reden zu lassen:
"Nachdem, und zwar am 5. und 6. Januar 1814 griffen die Franzosen die Moorburger Schanze an; deshalb führte ich von Hausbruch aus den Herrn Hauptmann von Rheden mit dessen Jägerkompagnie mittels meines Wagens und zweier Pferde nebst zwei großen Eichenbohlen über die sogenannte Landscheide oder den Grenzgraben zwischen dem Hannoverschen und Hamburger Gebiet. Nachdem ich die vorgedachte Jägerkompagnie zu Fuß an den sogenannten Hinterdeich bis ungefähr das Moorburger Feld nach dem Hauptdeich geführt hatte, machte ich Halt. Jetzt fragte erwähnter Herr Hauptmann von Rheden, was denn nun zu tun sei, worauf ich demselben erwiderte: "Hier bei der Brücke zwischen dem Moorburger und Lauenbrucher Felde pflegt sonst wohl ein französischer Posten zu stehen, wohin ich mich begeben und demselben mich annähern werde. Sobald ich denselben erreicht habe, will ich mich seiner bemächtigen und um Beistand rufen." Auf solche Äußerung entgegnete gedachter Offizier, wie solches Zuviel von mir gewagt sein würde, da ich keine Militärperson sei, jedoch beharrte ich bei meinem Vorhaben, ohne mich abhalten zu lassen" Herr von Rheden wiederholt dessen Äußerung mit dem Hinzufügen, ich möchte erwägen, dass ich Frau und Kinder habe. Dennoch ließ ich mich nicht abhalten, sondern verfügte mich zu dem französischen Posten. Dort angelangt, fand ich niemand, während die Franzosen an der Moorburger Schanze im Feuer standen und den Posten eingezogen hatten, in der Voraussetzung, wegen des Wassers an dieser Seite keinen Unfall befürchten zu müssen. Hierauf führte ich den Herrn Hauptmann von Rheden mit dessen Jägerkompagnie ungefähr bis auf 200 Schritte an die Franzosen heran, welche sich hinter der Schleuse zwischen Moorburg und Lauenbruch postiert hatten und fortwährend auf die Moorburger Schanze schössen und dieselbe wiederholt be-stürmten. Als danach der mehrgedachte Herr Hauptmann dessen Kompagnie feuern ließ, stürzte auf die erste Salve der jenseits befehligende französische Großmajor an der vorerwähnten Schleuse. Oben an der Landscheide hatte ich sieben Jäger postiert, um zu beobachten, was nunmehr zu tun sei. Leider jedoch bei meiner Annäherung flogen mir die Kugeln um die Ohren, daher ich mich zur Erde niederlegen musste" Das gegenseitige Feuer dauerte jedoch lebhaft fort, daher ich mich wieder erhob und mich eiligst auf den Hinterdeich begab, wo die postierten sieben Jäger sich befanden. Fortwährend regnete das Kugelfeuer, jedoch bewahrte das höhere Geschick meinen Körper, obgleich zwei Kugeln durch meinen Rock und eine durch den Rand meines Hutes flogen. Um so mehr lässt sich denken, dass ich nicht nur in jener Not, sondern lebenslänglich der allgütigen Vorsehung für die Bewahrung meines Lebens Dank schulde, der ich Frau und Kinder verließ und an der Spitze der unserseitigen Truppen dem Feinde entgegendrang. Solches Scharmützel ereignete sich im Jahre 1814 zwischen dem 5. und 6. Januar in tiefer Finsternis von abends 10 Uhr an, während von dem Postenkommando drei Mann verwundet wurden und einer davon, meinem Vernehmen zufolge, namens Rußmüller verstarb" Bei diesem Scharmützel sollen die Franzosen an 600 Mann verloren haben. Unbestritten ist sowohl von der Haus-brucher als der Moorburger Seite mit den unserseitigen Truppen gegen den Feind gearbeitet worden, wo ich nicht stets an der Spitze stand. Die Bewahrheitung meiner vorstehenden Eröffnung darf ich Seiner Exzellenz, dem Herrn Generalleutnant Grafen von Kielmannsegge, dem Königlich Preußischen Herrn General von Galtzen, dem zeitigen Herrn Obristen und Oberforstmeister von Düring sowie dem mehrgedachten Herrn von Rheden und mehreren anderen Herren im damaligen Korps, welche nachher im Forstfache angestellt worden sind, vertrauen!"
Das ist die wortgetreue Nieber'sche Erzählung von dem ersten größeren, soviel wir wissen, um die Moorburger Schanze geführten Kampf, und ich glaube ohne weiteres sagen zu dürfen, dass wir diesem nächtlichen Drama, wie es den geplanten Angriff der Franzosen in eine blutige Niederlage verwandelte, mit tiefer Spannung gefolgt sind. Gehen wir aber jetzt, wie es die Pflicht einer nur auf Ermittelung der vollen Wahrheit bedachten, streng geschichtlichen Forschung gebietet, zu einer näheren Beurteilung dieses Berichtes über, so können wir uns nicht verhehlen, dass er von mancherlei Schwierigkeiten gedrückt ist. Schon dies muss uns auffallen, dass in keiner der uns zu Gebote stehenden Quellen irgend etwas von jenem nächtlichen Ereignis zu finden ist, wie wir doch schon nach der großen Anzahl der Franzosen, die als gefallen vermutet werden, eigentlich erwarten müssten. Auch von Düring, der von Nieber ausdrücklich als Zeuge angerufen wird und sonst in seinen Angaben sehr sorgfältig ist, hat darüber mit keiner Silbe weder in seinem Tagebuch noch in der Geschichte der Kielmannsegge'schen Jäger berichtet. - Der Name des als gefallen angegebenen Jägers Rußmüller steht nicht im Moorburger Kirchenbuch verzeichnet, und ebenso wenig habe ich bis jetzt über den als weiterer Zeuge angeführten preußischen General Galtzen etwas ermitteln können. Ob es bei weiteren Versuchen noch gelingen wird, steht sehr dahin. Schwierigkeit macht auch der Name des mehrfach von Nieber erwähnten Hauptmanns von Rheden. In der ganzen Rangliste des Kielmannsegge'schen Jägerkorps kommt kein Name vor, der auch nur entfernt daran anklänge. Es bleibt für mich nur die Annahme übrig, dass der früher genannte Hauptmann von Roden vom Lüneburger Jägerbataillon gemeint ist. Da sich bei Jacobi auch die Schreibweise von Rhoden findet, lässt sich denken, dass im Nieber'schen Lebenslauf ein Buchstabe e für o verschrieben ist. Was aber noch weit mehr ins Gewicht fällt, ist der Umstand, dass das Datum jenes großen nächtlichen Kampfes, der 5/6. Januar 1814, weder zu den über die Kielmannsegge'schen Jäger noch über das Lüneburger Jägerbataillon erhaltenen Nachrichten stimmt. Es steht geschichtlich fest, dass damals noch keine dieser beiden Truppen in Moorburg oder Umgebung eingetroffen war. Noch am 17. Januar 1814 lagen die Kielmannsegge'schen Jäger im holsteinischen Flecken Kellinghusen, wo von Düring zum Hauptmann und Chef der ersten Kompagnie befördert wurde, und erst am 26. Januar, nachdem 6 Tage früher von Blankenese aus die Elbe auf dem Eise passiert war, erfolgte der Marsch nach Moorburg, um die Vorposten gegen Harburg zu beziehen. Desgleichen gibt Hülsemann an, dass die hannoverschen und englischen Truppen am 20. Januar nach Wedel aufbrachen, um über die gefrorene Elbe nach Buxtehude zu gehen, und verzeichnet dann folgende Standorte des Lüneburger Iäger-bataillons: 21.-25. Januar Horneburg, 26. Buxtehude, 27. Januar-3. Februar Neuenfelde, 4. Februar-3. April Moorburg und Lauenbruch (Vorposten). An diesen genauen Angaben wird sich in keiner Weise rütteln lassen.
Liegen somit Schwierigkeiten und Dunkelheiten genug vor, so kann ich doch trotz allem den Nieber'schen Bericht nicht als einfach aus der Luft gegriffen erklären. Mag sich manches in seiner Erinnerung naturgemäß gesteigert haben und demgemäß in Abzug zu bringen sein, so z. B. die Zahl der gefallenen Franzosen, so haben wir es doch keineswegs mit einem leeren Gebilde der Phantasie zu tun, sondern mit einer geschichtlichen Tatsache, auch wenn die sonstigen Quellen darüber schweigen. Schon die schlichte, einfache, ich möchte sagen, treuherzige Ausdrucksweise wehrt entschieden dem Verdacht reiner Erdichtung, der ja auch auf den uns sonst bekannten Charakter von Nieber ein sehr ungünstiges Licht werfen würbe, und weckt in dem unbefangenen Leser einen ganz anderen Eindruck. Von Vätern und Großvätern her lebt die Erinnerung fort an die kühne, fast verwegene nächtliche Tat des Landmanns Carl Heinrich Nieber, und diese in unserer Gemeinde vorhandene Überlieferung, mag sie im Einzelnen getrübt sein, besagt einstimmig: er war es, der in tiefer Dunkelheit die Jägerkompagnie herführte, deren unerwarteter Angriff den Sturm der Franzosen auf die Schanze vereitelte und in schweren Verlust verwandelte. Noch werden die Stellen gezeigt, wo der französische Posten gewöhnlich im Felde stand, und wo der französische Großmajor erschossen wurde (es war bei der heutigen Meyer'schen Wirtschaft in Lauenbruch). Überhaupt tritt jedem Moorburger, der die Gegend einigermaßen kennt, der ganze Weg deutlich vor Augen, den Nieber zur Führung der Jägerkompagnie benutzt hat. Der Weg ging aus von Hausbruch, setzte sich fort durch den Saum des Waldes - die heutige Buxtehude Chaussee war noch nicht angelegt, - bog nach links ab bei dem heutigen Parkhotel und führte dann über das noch heute höher als das ganze umgebende Terrain gelegene Kallmeyer'sche Stück an die Landscheide, wo Nieber Wagen und Bohlen bereit gehalten hatte zum Übersetzen der Truppe. Bei dem allen muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, wie wild und unwirtlich damals diese Gegend war. Dann ging es weiter auf dem Hinterdeich, das angrenzende Feld, wie es sich schon als der gewöhnliche Zustand bei den damaligen Verhältnissen für die Winterzeit ergeben hat, nicht ganz unbeträchtlich unter Wasser, sodass der französische Posten eingezogen war. Endlich gings gegen den Deich etwa zwischen dem B. Bauerischen Gehöft und dem Benecke'schen Hause (Nr. 1-2), und die Franzosen wurden nun, da auch von der Schanze zumal nach dem Bemerken der eingetroffenen Verstärkung der Kampf energisch geführt wurde, von zwei Seiten unter Feuer genommen, was bann ihre großen Verluste erklärt. - Zuletzt glaube ich, nachdem sich der Bericht über den Weg als so zutreffend erwiesen hat, die Schwierigkeit durch die Annahme lösen zu können, dass sich Nieber bei der späteren Niederzeichnung seiner bedeutsamen Erinnerungen, wie nach Verlauf von 20 Jahren oder mehr wohl möglich war, um einen Monat hinsichtlich des Datums geirrt hat, dass also für den 5/6. Januar der 5/6. Februar einzusetzen ist. Dann fällt der Widerspruch zu den übrigen Berichten hinweg, denn an diesem späteren Datum waren die Kielmannsegge'schen Jäger und auch die Lüneburger Jäger in Moorburg erschienen. So konnte Nieber sehr wohl sich auf von Düring als Zeugen berufen, zumal dieser später in dem nicht so weit entfernten Rotenburg als Forst-beamter angestellt und ein Zweig der von Düring'schen Familie vom Stammgut Frankop (im Altenlande) in Moorburg ansässig geworden war. Gern würde ich nun auch der in Moorburg weit verbreiteten Ansicht zustimmen, dass es die Kielmannsegge'schen Jäger 1 gewesen sind, die Nieber im tiefen Dunkel der Nacht mit so großem Wagemut hergeführt hat. Aber der schon besprochene Name des Hauptmanns von Rheden bezw. von Roden setzt dem ein bis soweit unüberwindliches Hindernis entgegen. Ich muss deshalb nach reiflicher Überlegung bei der Annahme verbleiben, dass es die Jägerkompagnie des Lüneburger Bataillons unter dem Hauptmann von Roden war, der Nieber seine opferwilligen und von so großem Erfolg gekrönten Dienste geleistet hat. Mehr Licht wird sich einstweilen in diese ganze Angelegenheit nicht bringen lassen.
Legt sich noch die Frage nahe nach dem weiteren Lebenslauf unseres ersten Moorburger Helden, wie der Landmann Carl Heinrich Nieber wohl mit Recht genannt wird, so kann ich nicht verhehlen, dass ein gewisser dunkler Schatten darüber liegt. Es gelang ihm nach dem Eintritt des Friedens, die von F. W. Sundheim käuflich erworbene, arg verwüstete Hofstelle wieder aufzubauen und trotz aller schweren Verluste zu neuem Wohlstand zu gelangen. Später überließ er den Hof feinem ältesten Sohn und zog hinüber nach Heimfeld vor Harburg, wo er wieder ein Gewese ankaufte. Dort wurde er als Vormund in eine hier nicht näher zu erörternde Nachlassregulierung verwickelt, die ihm eine gerichtliche Strafe zuzog. Doch hat er selbst nachdrücklich seine Unschuld beteuert, und in einem dem Lebenslauf eingefügten Schreiben des Kanzlei-Prokurators Gans zu Celle vom 6. Juli 1836 findet sich die bestimmte Erklärung, dass durch eine wirksame und sachgemäße Verteidigung zweiter Instanz das Straferkenntnis reformiert und Nieder von aller Schuld und Strafe freigesprochen worden wäre, wofür aber der rechte Zeitpunkt vorüber sei. Wie dem auch sein mag, das Bild von Carl Heinrich Nieder leuchtet uns hell genug aus dem Freiheitskampf von 1814 um die Moorburger Schanze entgegen. Er kann wohl besonders unserer Moorburger Jugend mit dem doppelten Hinweis vor Augen gestellt werden: "Seht, so hat sich dieser Mann durch Fleiß und Energie aus den armseligsten Verhältnissen emporgearbeitet! Seht, das hat in den Freiheitskriegen ein schlichter, einfacher Landmann für die Heimat und das deutsche Vaterland getan!" - Nieder ist am 7. Februar 1854 zu Eißendorf, wo er zuletzt bei seiner jüngsten Tochter wohnte, gestorben und ist auf dem alten Friedhof zu Harburg in der Grabstelle Nr. 40 b beerdigt, die dringend einer würdigen Wiederherstellung bedürfte, um sein Gedächtnis gebührend zu ehren.
Doch es ist sehr an der Zeit, dass wir nach der Moorburger Schanze zurückkehren und den weiteren Gang der Kämpfe verfolgen. Trifft meine oben ausgesprochene Annahme zu, dass Carl Heinrich Nieder seine kühne Führungstat erst in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1814 vollbrachte, so verstehen wir auch den von Düring'schen Bericht über die erste Zeit nach dem mit dem 23. (Tagebuch) oder 26. (Geschichte) Januar erfolgten Eintreffen der Kielmannsegge'schen Jäger in Moorburg. Aus seiner doppelten Schilderung geht nämlich hervor, dass die Kämpfe um die Moorburger Schanze vorerst, im ablaufenden Monat Januar noch wenig ernsthafter Natur waren. Es heißt im von Düring'schen Tagebuch: "Wir standen dem Feinde immer sehr nahe gegenüber und das Schießen auf die beiderseitigen Vorposten ward bald als völlig nutzlos eingestellt, und so konnte ich auch meinen Vater, als er mich eines Tages besuchte, wo ich gerade die Vorposten kommandierte, bis auf keine 100 Schritte von den französischen Vorposten heranführen und einen Morgengruß mit dem französischen Offizier wechseln." In der Geschichte der Kielmannsegge'schen Jäger wird dann weiter über diesen Punkt ausgeführt: "Gleich beim ersten Bezüge der Vorposten durch die Jäger mussten einige Jäger kurz vor Tagesanbruch möglichst nahe an die französische Schanze zwischen Lauenbruch und Moorburg 2) hinankriechen, mit dem Befehle, nur dann mit möglichster Sicherheit zu schießen, wenn feindlicherseits wieder auf die einzelnen Posten geschossen würde. Als dies mit Tagesanbruch geschah, glückte es, dass durch die 3 ersten und einzigen Schüsse von 3 vorgekrochenen Jägern 2 Franzosen erschossen wurden, und da nun die Jäger das Feuer durchaus nicht fortsetzten, sahen die Franzosen ein, dass nur Ruhe beabsichtigt werde und das ewige Geplänkel aufhören sollte; sie stellten daher auch ihrerseits das Feuer ein, so dass man beim Ablösen der Pikets und Aufstellen der Posten sich guten Morgen bot, zuletzt sogar einige Offiziere - zuerst der Hauptmann von dem Bussche - zwischen den Vorposten zusammentraten, sich miteinander besprachen, auch wohl ein Glas Wein miteinander tranken, was jedoch vom Oberst von Kielmannsegge streng untersagt wurde". So friedlich sah es trotz der eingetretenen Blockade von Harburg damals noch in Moorburg aus, und in der Tat ist im Moorburger Kirchenbuch für den Monat Januar 1814 noch keine Beerdigung eines Kriegers verzeichnet. Aber dann dürfen wir weiter sagen, dass der für den 5.-6. Februar angenommene nächtliche Kampf das würdige Vorspiel bildete für die alsbald nachfolgenden viel wichtigeren Ereignisse. Denn darin stimmen nun die vorhandenen Quellenschriften überein, dass sich für den Anfang Februar eine neue Hauptaktion von Seiten der Verbündeten vorbereitete, deren Schilderung wir an der Hand der Sichart'schen Darstellung im Nachfolgenden wiedergeben.
Es war am 9. Februar, als der General Graf Bennigsen einen energischen Angriff unternahm, um vor allem die Insel Wilhelmsburg zurückzugewinnen und dann den Schwarzenberg mit allen Außenwerken von Harburg zu stürmen. Zum Wirken gegen Wilhelmsburg waren 20 Bataillone Russen bestimmt, die in 3 Kolonnen, 2 oberhalb, 1 unterhalb der Stadt Hamburg die gefrorene Elbe passieren, die französischen Posten durchbrechen und sich auf der großen Verbindungsstraße vereinigen sollten. General von Arentschildt, der für den in Hannover abwesenden General Wallmoden kommandierte, hatte die Aufgabe, gegen Harburg zu demonstrieren und die linke Flanke der von Ochsenwerder vordringenden Russen zu decken. Wenn das Unternehmen geglückt war, sollten 2 russische Kolonnen gegen Hamburg Front machen und unter dem Schutz der dritten Kolonne (7 Bataillone) Harburg im Rücken von der Wasserseite angreifen, während General von Arentschildt gleichzeitig in der Front von der Landseite dagegen vorgehen sollte. Der russische Angriff gelang nur teilweise wegen der Eisverhältnisse auf der Elbe. Nachdem die Russen reiche Beute und viele Gefangene gemacht hatten, standen sie doch vom Hauptangriff ab und traten den Rückzug an. Mit weit größerem Erfolg führte der General Arentschildt seine Sache durch. Auf dem rechten Flügel gelang es seinen Truppen (3 Bataillone der russisch-deutschen Legion), den Feind vor Tagesanbruch aus Fünfhausen und Neuland zurückzudrängen und bis zum Abend zu beschäftigen. Ebenso tapfer lösten die Hannoveraner auf dem linken Flügel, das Lüneburger Bataillon und die Kielmannsegge'schen Jäger ihre Aufgabe. Ersteres stand um 3 Uhr morgens bereit und war zum Vorgehen auf dem Elbdeich gegen Lauenbruch und die daselbst belegene feindliche Verschanzung 3) bestimmt. Der Ansturm erfolgte mit solcher Entschlossenheit und Kraft, dass die Schanze alsbald genommen wurde und der Feind kaum Zeit behielt, sich durch schleunige Flucht zu retten. Die Truppen gingen sofort daran, die Verschanzung abzutragen, und blieben bis nachmittags zum Sturm auf Harburg bereit, auch während der folgenden Nacht konsigniert. Nach Hülsemann hatte das Lüneburger Bataillon an diesem 9. Februar 1814 außer 2 Toten 10 Verwundete. Unter den letzteren befand sich der bald darauf zum Fähnrich beförderte Freikorporal Sachse, der damals noch nicht 15 Jahre alt war - ein bezeichnendes Bild von dem Tatendrang, der in der Zeit der Freiheitskriege auch die ganze deutsche Jugend erfasst hatte. Während dies in Moorburg-Lauenbruch geschah, standen die Kielmannsegge'schen Jäger vor dem Schwarzenberg bei Harburg im Feuer. In seinem Tagebuch erzählt von Düring, dass er die Trümmer des Dorfes Heimfeld im nahen Bereich der feindlichen Batterien am Schwarzenberge gegen den Andrang französischer Kürassiere besetzt halten musste, und wenn er auch den ganzen Tag dem schönsten Kanonenfeuer ausgesetzt war, doch keinen einzigen Toten hatte. 4) Bei dieser Gelegenheit mag es besonders gewesen sein, dass die Bomben und Kanonenkugeln nach unserm Moorburg flogen, eine derselben die auf dem Boden des Joh. Rubbert'schen Hauses vorsichtig verwahrte Fensterreihe zertrümmerte, eine andere an der J. H. Harms'schen Kate (Nr. 23) den Eckständer streifte, der mit der heute noch deutlich sichtbaren Spur gewissermaßen der historische Eckständer in unserer Landschaft geworden ist. - Fast denselben Angriff aber wiederholte Graf Bennigsen am 16. Februar (nach Hülsemann am 17. Februar) und nun mit noch mehr durchschlagendem Erfolge. 5) Weniger günstig lautet freilich das Urteil darüber bei von Düring in seiner Geschichte der Kielmannsegge'schen Jäger. Er sagt: "Frühmorgens gingen die Truppen gegen Wilhelmsburg über das Eis der Elbe. Die Jäger kamen zum lebhaften Tirailleurgefechte und gingen frisch und lustig vor. Doch nur zu bald traf der Befehl zum Rückzuge ein, da auch an diesem Tage wieder wie am 9. Februar der Hauptangriff der Russen unterblieb, indem Graf Tolstoy, welcher dem Vernehmen nach mit einem Korps von 10 000 Mann von Ochsenwerber aus über Wilhelmsburg gegen Harburg vordringen sollte, nicht erschien". Aber tatsächlich räumten doch jetzt die Franzosen, durch die wiederholten Angriffe ermüdet, die Wilhelmsburg, wenn die Insel auch danach von beiden Teilen unbesetzt blieb, so dass sie der Feind noch immer zum Hin- und Herschieben seiner Truppen zwischen Harburg und Hamburg benutzen konnte. Zudem hielt Graf Wallmoden jedenfalls nunmehr einen Teil der bei der Blockade von Harburg beschäftigten Truppen für entbehrlich, denn er brach am 18/19. Februar mit der russisch-deutschen Legion und dem Kielmannsegge'schen Jägerkorps nach den Niederlanden auf, wo letzteres sich weiter rühmlich gehalten hat.
Mit den geschilderten Kämpfen von 9/16. Februar stehen nun die ersten Eintragungen im Moorburger Leichenregister in Verbindung und Übereinstimmung. Für den 9. Februar 1814, abends, werden als gefallen genannt vom Lüneburger Jäger-Bataillon 1. Friedrich Hoffmann aus Memel, 22 Jahre alt, 2. Ludwig Kortlaender aus Elstorf, 27 Jahre alt, 3. Theodor Münnich aus Straßburg, 25 1/2 Jahre alt. Wir sehen wieder so recht an diesen 3 Gefallenen, wie die Freiwilligen in der Zeit der Freiheitskriege aus allen Gegenden des deutschen Vaterlandes auch unter die hannoversche Fahne zusammenströmten. Die Beerdigung erfolgte am 11. Februar. Dann ist als vierter verzeichnet Arnold Jacob aus Usingen im Nassau'schen, der am 14. Februar starb und am 16. Februar beerdigt wurde. Hieran schließen sich zwei Todesfälle, die ebenfalls das Lüneburger Jäger-Bataillon betrafen. Es starben am 18. Februar und wurden am nachfolgenden 20. Februar beerdigt: Friedrich Braunholz aus Schönberg i. Meckl., 18 Jahre alt und Carsten Christian (vielleicht fehlt der Zuname) aus Pattensen in Hannover, 19 Jahre alt. Bei beiden ist bemerkt, dass sie durch Versehen von einem Kameraden erschossen sind - das gehört zu den traurigen unberechenbaren Wechselfällen des Krieges. -
Bei dem Abzüge der Wallmoden'schen Truppen hatten sich die Verhältnisse folgendermaßen gestaltet. Das Kommando über das Blockadekorps vor Harburg war an den Generalmajor Lyon gefallen. Das Korps bestand aus 8500 Mann (9 Bataillone, 14 Schwadronen und 16 Kanonen). Die beiden Hauptbestandteile waren 1. hannoversche Truppen, darunter das Bataillon Lüneburg unter dem Oberstleutnant August von Klencke und später Anfang April das Harzer Schützenkorps unter dem Oberstleutnant von Beaulien-Marconnay. 2. hanseatische Truppen (2 Bataillone, 6 Schwadronen, 10 Geschütze). Die Verteilung hatte so stattgefunden, dass die Hanseaten die Einschließung rechts von Bullenhausen an der Elbe bis Hittfeld, die Hannoveraner das Zentrum und den linken Flügel bis nach Lauenbruch-Moorburg übernahmen.
Wenn ich mir an dieser Stelle ein Urteil erlauben darf, so will es mir scheinen, als sei der Abzug der Wallmoden'schen Truppen, besonders der Kielmannsegge'schen Jäger im Hinblick auf die Moorburger Schanze etwas verfrüht gewesen. Jedenfalls hatte nun das zurückgebliebene Lüneburger Bataillon fortdauernd eine schwere Probe zu bestehen. Wenn im ausgehenden Monat Februar nur kleinere Gefechte vorkamen, so sollte der 4. März ein höchst kritischer Tag werden. Wie Hülsemann berichtet, hatten es die Posten an der nötigen Wachsamkeit fehlen lassen. Infolge dessen gelang es den Franzosen, sich abends in der Dämmerung unbemerkt vom Schwarzenberg herüberzuschleichen und gerade in dem Augenblicke in unsere Landschaft einzufallen, als das Lüneburger Bataillon die Feldwachen ablösen ließ. Schon waren die ersten Schüsse in Lauenbruch bei dem in Moorburg angrenzenden Hause gefallen, schon waren mehrere Posten und Abteilungen umgangen und zuletzt das Piquet in der Schanze, nachdem die zum Ersatz herbeigeeilte, auf Reserve-Piquet in Moorburg stehende Kompagnie zurückgedrängt war, in der höchsten Gefahr, ganz abgeschnitten zu werden. Da war es der junge Leutnant Collmann, der durch seine entschlossene Tapferkeit unsere Landschaft und ihre Schanze aus aller Not rettete. Ohne in Dienst zu sein und einen Befehl dafür zu haben, raffte er doch beim ersten Feuer die nächst-liegende Mannschaft zusammen, deren er habhaft werden konnte, und warf sich dem Feinde so entschieden entgegen, dass dessen Vordringen ein Stillstand, gesetzt wurde. Der wackere Jägeroffizier harrte dann solange auf seinem schwierigen Posten aus, bis der Kommandeur Oberstleutnant von Klencke mit der inzwischen formierten Kompagnie zur Verstärkung herbeieilen und einen entscheidenden Vorstoß unternehmen konnte, der damit endete, dass der Feind aus Lauenbruch hinausgeworfen und in seine Verschanzungen zurückgetrieben wurde. Musste dem wachthabenden Offizier auch wegen feiner Unachtsamkeit, die an der kritischen Lage die Hauptschuld trug, ein scharfer Verweis erteilt werden, das Lüneburger Jäger-Bataillon hat doch auch an diesem 4. März 1814, der ein hellleuchtender Punkt in der Geschichte der Kämpfe um die Moorburger Schanze ist und bleibt, seine Ehre vollständig gewahrt. Andererseits musste der Sieg mit manchem schmerzlichem Opfer erkauft werden. Zunächst hatte schon der Leutnant Collmann ein bedauernswertes Geschick. Bei seinem kühnen Wagemut war er unter der herrschenden Dunkelheit auf dem Lauenbrucher Deich zu weit vorgegangen. Im Handgemenge wurde er durch eine Mehrzahl der Feinde überwältigt, verwundet und als Gefangener nach Harburg geführt. Erst bei der im Mai 1814 erfolgenden Kapitulation der Stadt erlangte er seine Freiheit wieder, nachdem er in der Gefangenschaft als ehemaliger westfälischer Offizier die empörendste Behandlung hatte erdulden müssen. Ferner hatte das Bataillon nach Hülsemann außer 6 Verwundeten 4 Tote. Von diesen sind im Moorburger Kirchenbuch nur 2 eingetragen nämlich der Leutnant (Hinrich) Heinrich Hansing aus Harburg und der Jäger Diederich Bergmann aus Nienburg, 21 Jahre alt, die beide am 6. März abends auf dem Moorburger Friedhof beerdigt wurden. Während über letzteren keine weitere Nachrichten vorhanden sind, sind wir über die Lebensverhältnisse des ersteren um so ausführlicher unterrichtet. Durch die mir von Herrn Gustav Hansing, dem Vertreter der heute in Hamburg blühenden Familie Hansing, gütigst gewährte Auskunft bin ich in den Stand gesetzt, eine ganze Reihe von weiteren Daten und Zügen vorzutragen, die sich zu einem schönen hellen Bilde des zweiten Moorburger Helden zusammenfügen, wie wir ihn mit Fug und Recht nennen können.
Heinrich Hansing ist geboren in unserer Nachbarstadt Harburg am 1. Weihnachtstag des Jahres 1795 als Sohn des Bürgermeisters Johann Gottlieb Hansing, der im Volksmunde "der Bürgermeister von der Feder" genannt wurde, während sein gleichnamiger, nichtstudierter Amtskollege als Besitzer einer Lederfabrik "der lederne Bürgermeister" hieß. Der ehrenwerte Bürgermeister von der Feder hat der Stadt Harburg über 50 Jahre treu gedient. Im Jahre 1777 als Auditor angestellt, wurde er 1784 Stadtsekretär und zweiter Bürgermeister, 1790 Stadtsyndikus, 1796 abermals zweiter und 1826 erster Bürgermeister. Am 24. Oktober 1827 wurde sein 50 jähriges Dienstjubiläum gefeiert, wobei ihn die Stadt durch Überreichung einer Pendüle ehrte. Über 80 Jahre alt, trat er 1835 unter Bewilligung einer Jahrespension von 1000 Talern in den wohlverdienten Ruhestand und ist dann am 24. März 1841 verstorben. Sein Sohn, der junge Heinrich Hansing wird in der Rangliste bei Jacobi als Studiosus aufgeführt. Es ist als sicher anzunehmen, dass er sich der Rechtswissenschaft widmen wollte. Wie so manchen deutschen Jüngling zog es ihn aber im Drang der Begeisterung, für die Freiheit und Ehre des Vaterlandes alles einzusetzen, aus dem akademischen Hörsaal unter die Fahne des Krieges. Im Lüneburger Bataillon, dem er sich aus nahe liegenden Gründen anschloss, rückte er rasch vom Fähnrich zum Leutnant auf. Aus den von ihm hinterlassenen, pietätvoll in der Familie aufbewahrten Papieren - es sind Briefe, Stammverse, längere Gedichte - spricht ein durchaus edler, für alles Schöne und Hohe früh erschlossener Charakter. Wie auf eine Braut blickte er auf sein Schwert, sehnsüchtig des Augenblicks wartend, wo er es im Kampf für sein Vaterland ziehen konnte, und das um so mehr, als sich am Knauf ein Siegel als Angedenken von lieber Hand befand. Wie sein Herz der freundlichen Geberin, einer Harburger Jungfrau, zugewandt war, hat er selbst in einem an sie aus Harburg unter dem 6. April 1813 gerichteten Briefe in poetischer Form so ausgesprochen:

In wilden Schlachten will ich auf des Degens Handgriff sehn
Und spornen wird mich dann zu grauser Tapferkeit
Des Siegels prächt'ger Glanz und Wert.
Bis zu des Bergbaus Schachten will ich niedergehn
Und denken an die Ewigkeit,
Zur Seite aber dich mein Weib, das Schwert!

Das ist etwas von dem Feuer, das in dem bekannten Liede von Theodor Körner stammt:
Du Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heit'res Winken,
Schaust mich so freundlich an,
Hab meine Freude dran.
Hurrah!

Ja, gutes Schwert, frei bin ich
Und liebe dich herzinnig,
Als wärst du mir getraut
Als eine liebe Braut.
Hurrah!

Dasselbe Gefühl der Liebe zu jener Geberin spricht sich aus in einem in Spiegelschrift gesetzten Stammbuchvers, wenn auch zum Schluss in etwas schalkhafter Weise:
Der Mamsell Marie Mühle (so heißt die Geliebte) gewidmet.

Diese Myrte möge grünen,
Streben palmenschlank empor
Und zu deiner Freude blühen
Wie viel andre nicht zuvor.

Set verschwiegen, sage keinem,
Dass ich diese Verse schrieb,
Denn von keinem Mund als deinem
Wäre mir's Auslachen lieb.

Zuletzt hat der junge Krieger doch geglaubt, aus uns unbekannten Gründen in ernster Selbstverleugnung der Geliebten entsagen zu müssen, die nachher die Frau seines älteren Bruders geworden ist. Aus einem längeren Gedicht sei das Nachfolgende mitgeteilt:

Du hast die höchste Wonne mir gegeben,
Die Hoffnung sog mein Herz aus deinem Blick,
Doch ach! nach diesem Blick war kalt mein Leben,
Dahin geschwunden alles Erdenglück.

Nie wird mein Arm dich liebevoll umfangen,
Verbrechen ist mein Blick, der Liebe fleht,
So schließ ich denn ins Grab mein glühendes Verlangen,
Dass schützend dich mein reiner Geist umschwebt.

So lebe froh an des Geliebten Seite,
Dem deine Nähe höh're Tugend gibt,
Doch liebet in der ganzen Schöpfungsweite
Kein Herz dich so wie dich das meine liebt.

Du hörest meine Töne sanft verhallen,
Es ist mein letzter Hauch, der zu dir fleht!
Laß auf mein Grab des Mitleids Träne fallen,
Die tröstend dann zu mir hinübergeht!

Übrigens war der jugendliche Dichter mit seinem älteren Bruder Fritz Hansing in inniger Liebe verbunden, wie aus dem noch erhaltenen Tagebuch des letzteren hervorgeht. Eine Aufzeichnung lautet: "Bald nach meiner Ankunft in Hameln hatte ich die Freude, von meinem Bruder Heinrich einen Brief zu erhalten. Wir korrespondierten jetzt fleißig zusammen." Aber dann folgt alsbald der im tiefen Schmerz niedergeschriebene Vermerk, dass es anders mit dem geliebten Bruder gekommen sei, der als Sieger in seine Vaterstadt einzuziehen gedachte, und durch den Tod des früh Gefallenen lange dunkle Trauernacht über die ohnehin schwer geprüfte Bürgermeisterfamilie hereingebrochen sei.
Wie sein tapferer Kamerad Collmann ist auch Leutnant Heinrich Hansing bei dem abendlichen Angriff der Franzosen am 4. März 1814 kühn zur Abwehr auf dem Lauenbrucher Deich gegen den Feind vorgegangen. Aber er sollte sein Vordringen noch teurer bezahlen. Das Moorburger Kirchenbuch enthält über seinen Tod die kurze Notiz: "auf Vorposten in Lauenbruch erschossen". Dagegen erzählt die mündliche Überlieferung, die sein Andenken bis auf den heutigen Tag erhalten hat, dass er, auf dem Lauenbrucher Deich in jugendlichem Feuer vordringend, auf einen höheren französischen Offizier eingestürmt sei und diesen aufgefordert habe, sich zu ergeben. Da habe sich fast in demselben Augenblick der Degen des sich arglistig verstellenden Feindes zum Todesstoß in die Heldenbrust des Stürmenden gesenkt. Damit summt eine Angabe bei Hülsemann: "Vor feiner Vaterstadt, in der sein Vater Bürgermeister, damals Maire war, fiel der Leutnant Hansing, wie mehrere Soldaten versicherten, von einem französischen Offizier durchstochen." Diesen Zeugnissen gegenüber bin ich geneigt, in diesem Fall das Moorburger Kirchenbuch zurückzustellen. So ist denn auch Herr Forstmeister Adolf Peters zu Lüß in der Lüneburger Heide, ein geborener Moorburger, der mit seinem Herzen treu und innig an der alten Heimat hängt, dieser Darstellung gefolgt und hat den Tod des Leutnants Heinrich Hansing in folgender schönen Weise verherrlicht:


Adolph Peters (Foto ca. 1888)

Helden der Heimat.
Dem Andenken des Leutnants Hansing.
+ 4. März 1814.

Auf, auf Ihr Leut! Der Feind rückt an,
So rief Herr von der Klencke,
Die Jäger eilten rasch heran,
Im Laufen hängte mancher Mann
Erst um sein Wehrgehenke.

Sie hielten nun mit vieler Müh'
Seit langem Moorburgs Schanze.
Nur Zwei Geschütze hatten sie,
Das war die ganze Artillerie,
Der Baß zum Kriegestanze.

Man konnte seitwärts schwer heran,
Das Feld war überflutet,
Und auf des Elbdeichs schmaler Bahn
Da hatte schon gar mancher Mann
Beim Ansturm sich verblutet.

Bald wird es Nacht, da hinterm Wall
Von Harburgs Zitadelle
Wird es lebendig überall,
Es wogt heran ein Menschenschwall
Wie eine schwarze Welle.

Das wälzt sich über Trümmer fort
Durch eklen Rauches Schwaden.
Ihr Braven auf der Schanze dort,
Ihr Moorburgs letzter Schutz und Hort,
Behüt Euch Gott in Gnaden!

Die Schanze schweigt noch. Ist sie leer?
Wo sind denn ihre Streiter?
Schon schallt es drüben: "Fällt's Gewehr!"
Die Luft erbebt vom vive l'empereur,
Sappeur, heran die Leiter!

Kartätschen prasseln hageldicht
Den Stürmenden entgegen,
Doch werden auch die Reihen licht,
Die Grenadiere wanken nicht,
Wie auch die Salven fegen.

Für Euch, Ihr Männer aus dem Wald
Ist jetzt die Zeit gekommen.
Des Leutnants Hansing Stimme schallt:
"Schnellfeuer!" Doch bevor es knallt,
Wird ruhig Ziel genommen.

Und furchtbar in die Feinde fuhr
Das Blei geübter Schützen.
Ha, schlag du nur zum Sturm Tambour,
Nichts kann französische Bravour
Bei solchem Feuer nützen.

Und steh, schon flutet es zurück
Den Weg, den es gekommen.
Jetzt Hansing, nutz' den Augenblick,
Frisch hinterdrein, das Kriegesglück
Nur kühn beim Schopf genommen.

Er bricht mit seinem Zug herfür,
Stürmt nach dem Feind verwegen,
Da dicht vor ihm ein Offizier.
"Die Waffe her! Ergebt Euch mir!"
Er greift nach dessen Degen.

Da trifft ihn jäh der Todesstoß,
Doch als er sterbend sinket
In heiß umstrittener Erde Schoß,
Sein Heldenauge klar und groß
Vor Siegesfreude blinket.

In Harburg stand sein Vaterhaus,
Er liegt in Heimaterde.
Auf Moorburgs Friedhof ruht er aus
Nach Kampfesmüh'n und Schlachtenbraus
Von jeglicher Beschwerde.

Doch ob das Blut der Helden all
Auch deutsche Erde feuchtet,
Schon braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall
Durchs Land. Der Morgen leuchtet, 6)

Wie Heinrich Hansing, tödlich getroffen, in Lauenbruch zusammenbrach, haben französische Soldaten es nicht unterlassen können, ihn seiner Taschenuhr zu berauben. Sie verkauften ihren Raub an einen Uhrmacher in Harburg, der alsbald die Uhr erkannte und an den Vater, Bürgermeister Hansing, aushändigte. Die Kapsel der Uhr wie auch der Federbusch vom Tschako ist noch im Besitz der Familie erhalten. Der Gefallene wurde in das Haus der Moorburger Mairie (Nr. 35) getragen. Dort erwies ihm die Jungfrau Elisabeth Maria Bauer, Tochter des Maire M. H. Bauer, einen letzten schönen christlichen Liebesdienst dadurch, dass sie ihn für die Beerdigung einkleidete, die bei den in Harburg herrschenden Kriegszuständen auf dem Moorburger Friedhof erfolgen musste. Der Domainenpächter Benedix Bauer stellte eine Grabstelle auf seinem Erbbegräbnis Nr. 26 des alten Friedhofs zur Verfügung. Der zum Ehrengedächtnis des jungen Helden errichtete Grabstein trug die Inschrift: "Hier ruhet Leutnant Heinrich Hansing. Er starb bei der Blockade von Harburg für das Vaterland." Später ist dieser Stein aus unbekannten Gründen beseitigt, wird aber demnächst seitens der Familie Hansing durch ein würdiges Denkmal ersetzt werden 7) Leider fehlt uns ein Bild des jungen Jägerleutnants, wie es die Kunst der damaligen Zeit herstellte. Doch hoffe ich, dass meine Ausführungen dazu gedient haben, seine Gestalt, wie er für das Vaterland gekämpft hat und gefallen ist, lebendig vor unsere Stelle zu stellen und zu fernerem treuem Andenken zu erhalten" Zusammenfassend darf ich wohl sagen, dass wir durch manchen Zug unwillkürlich an die ideale Gestalt des auch so früh gefallenen Offiziers in der Lützow'schen Jägerschar und Sängers in den Freiheitskriegen, an Theodor Körner erinnert werden. Leier und Schwert - so leuchtet es uns auch aus diesem Bilde, wenn auch in bescheidenerem Glanz entgegen.
Der Angriff, den die Franzosen am 4. März 1814 auf die Moorburger Schanze gemacht hatten, wiederholte sich sehr bald am 7. März in ähnlicher Weise, aber wiederum ohne Erfolg. Das Lüneburger Bataillon hatte an Verlusten nur 4 Verwundete. Dann scheint für den weiteren Verlauf des Monats März wieder eine Zeit der Ruhe gekommen zu sein. Aber für die letzten Märztage schon spitzte sich der Kampf zu einer neuen, schwerwiegenden Entscheidung zusammen. Am 28. März wurde von den Vorposten des Belagerungskorps gemeldet, dass starke feindliche Kolonnen von Harburg marschierten, und mancherlei Anzeichen deuteten darauf hin, dass der Feind, um sich Luft zu machen, sich mit starker Übermacht nach der Geestseite werfen wolle und zuletzt in Absicht habe, mit der ganzen Besatzung durchzubrechen. Da durch den Eisgang auf der Elbe die Verbindung mit den russischen Truppen völlig unterbrochen war, wurde die Sache für das Belagerungskorps noch bedenklicher, weshalb General Lyon seine Vorsichtsmaßregeln so traf, dass er alles, was ihm an Truppen zur Verfügung stand, nach Hittfeld zusammenzog. In der Tat machten die Franzosen am 29. und 30. März hierhin nach der Südseite, wo die Hanseaten standen, heftige Ausfälle, die nicht ohne einige bedeutende Erfolge blieben. Namentlich konnten sie in den Orten, woraus die deutschen Truppen weichen mutzten, einen reichen Plünderungs- und Beutezug vornehmen. So glaubte der Marschall Davoust für den 1. April einen Hauptschlag gegen Hittfeld führen und das dort befindliche Hauptmagazin der Belagerer wegnehmen zu können. Dafür aber war es erforderlich, die rechte Flanke zu sichern, den Elbdeich zu säubern und die Moorburger Schanze zu erobern. Demgemäß schritt General Pecheux am Nachmittag des 1. April zum Sturm mit 3 Bataillonen. Der Kampf dauerte bis zum späten Abend, und der Feind versuchte jedes Mittel, z. B. die Landschaft Moorburg durch Brandraketen in Flammen aufgehen zu lassen. Aber wie oft auch der Sturm wiederholt wurde, das tapfere Lüneburger Jägerbataillon wich und wankte keinen Fuß breit. Endlich um 11 Uhr wurde der Feind mit dem Bajonett geworfen und auf dem Elbdeich bis unter die Tore von Harburg verfolgt. Seine Verluste waren sehr bedeutend, wobei namentlich die Kanone (oder die beiden Kanonen) auf der Schanze mitgewirkt hatte. Nach Hülsemann waren es wenigstens 300 Tote und Verwundete. Außer mehreren Soldaten wurden auch 2 Offiziere, nur 30-40 Schritt von der Schanze entfernt, tot aufgefunden. Diese sind ohne Zweifel alsbald in der Nachbarschaft der Schanze beerdigt. Die bis in unsere Tage dort aufgefundenen Skelette rühren also in der Hauptsache von französischen und nicht von deutschen Soldaten her. Dagegen waren die Verluste des Lüneburger Bataillons, das 39 000 Patronen verschossen hatte, sehr gering. Von der Mannschaft waren 18 verwundet und 2 tot. Damit stimmt wieder das Moorburger Kirchenbuch. Freilich weiß es den Namen des ersten Gefallenen nur mit Neumann, den des zweiten nur mit N. N. anzugeben. Es ist wohl anzunehmen, dass in jener Zeit mancher in die Freikorps eintrat, ohne dass viel nach Herkunft und Papieren gefragt wurde.
Der 1. April 1814 ist ein Markstein in der Geschichte der Kämpfe um die Moorburger Schanze und wiederum ein Ehrentag für das Lüneburger Bataillon. Von Hülsemann wird besonders erwähnt, dass sich bei dem entscheidenden Bajonettangriff, der durch freiwillig sich Meldende geschah, der Feldwebel Friedrich Marwedel und der Korporal Parrhysius der 2. Kompagnie durch ungewöhnlichen Mut ausgezeichnet haben. So war es der tapferen Truppe, die durch eine Generalordre aus Buxtehude vom 2. April die vollverdiente Auszeichnung erhielt, wohl zu gönnen, dass ihr eine gewisse Erholung von den schweren Kämpfen gewährt ward. Das Bataillon wurde am 4. April von den äußersten Vorposten in Lauenbruch-Moorburg zurückgezogen und weiter zurück nach Frankop und Neuenfelde verlegt. Doch hatte es täglich eine Kompagnie zum Piquet in Moorburg und alle 2 Tage 2 Kompagnieen nach Altenwerder abzugeben. Auch hat das Lüneburger Bataillon an dem noch zu erwähnenden Kampf vom 4. April mit einigen Kompagnieen teilgenommen.
An die Stelle der zurückgezogenen Lüneburger Jäger traten nun die Harzer-Sollinger Jäger, und damit kommen wir an die Schlussperiode der um die Moorburger Schanze geführten Kämpfe. Merkwürdiger Weise hat die mündliche Überlieferung in unserer Gemeinde außer dem Namen "Harzer Jäger" so gut wie nichts erhalten. Um so mehr können wir uns freuen, dass wir anderweitige Quellen über diese dritte, in der Erinnerung und Darstellung so sehr zurückgetretene hannoversche Truppe besitzen. Außer dem Moorburger Kirchenbuch, das hier neben den üblichen Eintragungen noch eine längere Bemerkung enthält, verfügen wir über das Tagebuch von Ernst Schulze, wozu als sehr willkommene Ergänzung ein im "Hamburgischen Correspondenten" im Februar 1889 zuerst veröffentlichter Brief desselben Dichters hinzutritt. Dieser Brief ist datiert aus unserm Moorburg vom 5. April 1814 und gerichtet an den Hofrat Professor Bouterwerk in Göttingen 8) Ebenfalls im "Ham-burgifchen Correspondenten", wie schon erwähnt, erschienen im März 1888 die aus den hinterlassenen Papieren veröffentlichten Aufzeichnungen eines preußischen Offiziers. Er hat seine Erlebnisse bei der Blockade von Harburg sehr anschaulich, stellenweise mit feinem Humor geschildert. Ist ihm hier und da auch ein Irrtum untergelaufen, so erscheint er doch in der Schilderung der Vorgänge als durchweg zuverlässig. Wie ich auch schon zu Eingang sagte, konnte ich den Namen des Verfassers und seine sonstigen Verhältnisse nicht mehr ermitteln, weshalb ich mich begnügen muss, ihn mit N. N. zu bezeichnen.
Noch einmal erhalten wir hier einen interessanten und in seiner Art zusammenfassenden Einblick in die Entstehung und Ausbildung eines Freiwilligenkorps, wie sie sich in jenen Tagen vollzog. Unser N.N., im jugendlichen Alter von erst 16 Jahren stehend, hat seine Heimat im ehemaligen Kurfürstentum Hessen-Cassel und arbeitet unweit der Hauptstadt im Bureau seines Onkels, eines Rentmeisters. Aber bei dem überall erwachten Sturm und Drang der Freiheitskriege wird es dem Jüngling in der Schreibstube zu eng, und so macht er sich kurz entschlossen durch den Garten seines Onkels nach Cassel auf und von da nach Hannoversch-Münden, weil er gehört hat, dass hier ein hannoversches Freiwilligenkorps gesammelt werde. Nach rüstiger Wanderung am 6. Dezember mittags in Münden angelangt, irrt unser N. N. ziemlich rat- und planlos auf der Straße umher, als ihn ein Herr in Zivil anredet: "Wollen Sie Soldat werden?" worauf vor freudigem Schreck das "Ja" kaum über die Lippen kommen will. Nach einigen Tagen geht es mit einem Transport Freiwilliger über Göttingen und Northeim nach Einbeck, wo N. N. in die Kompagnie des Hauptmanns von Stockhausen eingereiht wurde. Das Bataillon erhielt jetzt den Namen "Harzer und Sollinger Jäger- und Scharfschützen-Bataillon" und bildete das leichte Bataillon des Grubenhagen'schen Infanterie-Regiments. Um Einbeck zu entlasten, wird Quartier in Dassel bezogen, wo Hauptmann von Stockhausen zum Major und Kommandeur aufrückt, während der Leutnant von Uslar die Kompagnie übernimmt. Unser N. N., schon wenige Tage nach seinem Eintritt wegen seiner Kenntnisse im Schreiben zum Fourier befördert, wird jetzt ältester (!) Sergeant der Kom-pagnie. Doch nennen ihn die Soldaten manchmal "das Kind von Sergeant" und haben es Wohl auch sonst an dem nötigen Respekt vor dem jungen Burschen fehlen lassen, der bei den Offizieren und gebildeten Kameraden wohlgelitten ist. Als Feldwebel in der Kompagnie wird ein Kandidat der Theologie Sprengel genannt, ein liebenswürdiger junger Mann, der aber doch zum Predigen die größere Fähigkeit hatte. Wir sehen aus dem allen, wie unvollkommen es in militärischer Hinsicht mit einer solchen jungen Truppe bestellt war, dass in manchen Fällen die begeisterte Vaterlandsliebe und der opferwillige Mut das Meiste tun musste. Damit soll das Verdienst des Mannes nicht geschmälert werden, der in der Sammlung und Aus-bildung der Truppe seine Aufgabe erfüllte und ihr als höchster Chef vorstand. Es ist der Oberst Carl von Beaulieu-Marconnay, der uns schon im Kielmannsegge'schen Jägerkorps begegnet ist und auch bei den Kämpfen um die Wilhelmsburg beteiligt war. Zu ihm stand der Dichter Ernst Schulze, der die Ilias auch im Felde bei sich trug, Wohl weniger wegen seiner militärischen, als seiner sonstigen edlen Eigenschaften in einem besonders nahen Verhältnis.
In Dassel wurden auch die ersten Exerzierübungen, freilich noch immer ohne Waffen, vorgenommen. Zwei alte ausgediente hannoversche Korporale waren die Exerziermeister. Die Ausrüstung der Truppe wurde von England gesandt, und demgemäß erhielt die Truppe die scharlachrote englische Uniform mit Namenszug des englischen Königs am Tschako und sonstigen entsprechenden Abzeichen. Die roten Waffenröcke waren mit blaudurchwirkten Litzen versehen, auf der Schulter die sog. Schwalbennester (Wings) mit blauem Grund, die Beinkleider grau. Die Scharfschützen trugen den Hirschfänger der leichten Infanterie am Koppel um den Leib; der Stutz war grün. Sie unterschieden sich von den übrigen Infanterieoffizieren der englisch-deutschen Legion durch rot und goldene Wings, Schärpen an der Uniform wie bei den Husaren, Schleppsäbel und grünen Stutz. (Nach Knötel, Uniformenkunde.)
Endlich wurde der mit Ungeduld erwartete Ausmarsch ins Feld angetreten, der über Göttingen nach Münden führt und dann wieder nach Göttingen zurück, wo die Truppe den Befehl erhält, nicht, wie sie sehnsüchtig gehofft, direkt in Frankreich hinein zu marschieren, sondern zu dem Blockadekorps vor Harburg zu stoßen. So geht der Marsch nun im März 1814 nach Einbeck, Hannover, Celle durch die Lüneburger Heide, deren Wege als nicht allzu annehmlich geschildert werden, und weiter auf der Straße, wie sie heute von den Walsroder Pulverwagen benutzt wird, durch die Haake, bis zuletzt der Weg nach Buxtehude eingeschlagen wird. Dies geschah wohl deshalb, um die junge Truppe nicht direkt gegen den Feind zu führen und wie auch N.N. schreibt, einige Felddienstübungen vorzunehmen. Bei Buxtehude, das nach Ernst Schulze am 27. oder 28. März erreicht sein muss, entfaltete sich sofort ein richtiges Lagerleben. Wie N.N. weiter erzählt, wurden am Feuer Lieder gesungen und Kriegsgeschichten vorgetragen. Dann aber muss in Buxtehude eine Teilung der Truppe eingetreten sein, und zwar wurde die Mehrzahl der Jäger nach Hausbruch entsandt. Denn in seinem Brief an Prof. Bouterwerk berichtet Ernst Schulze: "Wir glaubten anfangs längere Zeit zu Buxtehude in der zweiten Belagerungslinie zu bleiben, mussten aber am dritten Tage (am 30. März, wie es im Tagebuch ausdrücklich heißt) ins Biwak zu Hausbruch, eine halbe Stunde von Harburg". Dann gibt der Dichter weiter folgende humorvolle Schilderung: "Dieses Biwakleben hat viele Ähnlichkeit mit dem der grunzenden Tiere. Sobald der Morgen dämmert, wird man durch die empfindliche Kälte aus seinem Schlaf erweckt. Man kriecht auf allen Vieren aus seinem Lager hervor zum Feuer, an dem noch der Kessel mit den Resten der gestrigen Suppe steht, denn es ist ein Hauptmerkmal dieses Zustandes, dass man zu jeder Zeit Hunger hat. Jetzt wird das Morgenmahl ganz in antiker Form genossen. Acht bis zehn Personen liegen und knien im Staube um den Topf her, und wenn Gabel, Messer und Löffeln mangeln, bedient man sich seiner natürlichen Waffen. Dann werden von neuem Fleisch und Erbsen oder Kartoffeln ans Feuer gesetzt, und man vertreibt sich die Zeit auf dem Erdboden, so gut man kann und will. Um sieben oder acht Uhr ist Appell. Dann wird man gewöhnlich Hinausgetrieben ent-weder aufs Pikett oder zum Patrouillieren, Tiraillieren ober Plänkeln. Auf dem Pikett, das häufig halbe oder ganze Stunden vom Lager entfernt liegt, bleibt man einen Tag und eine Nacht auf der offenen Heide und im Holze und erhält fast nichts mehr als geschrotnes Brot und Wasser. Neulich war mir ein Topf voll steifer Hafergrütze, ohne Salz und Butter in Schneewasser gekocht, an der mich einige Soldaten vom Lüneburger Regiment teilnehmen ließen, und eine Metze Kartoffeln in der Asche verbrannt, die einige Kosaken beim Patroullieren gestohlen hatten und in der Nacht zu meinem Feuer brachten, eine sardanapalische Mahlzeit. Wenn man nicht ins Pikett geht, kommt man nach einigen Stunden zurück und kann sitzen oder liegen, wo man will. Sobald die Erbsen gar sind, wird gegessen und dann gewöhnlich geschlafen. Überhaupt kehrt man sich nie an die konventionellen Zeiten und an die Vorschriften des bürgerlichen Lebens, sondern man lebt wie im Paradiese. Gegen Abend wird die Herde wieder gezählt, wer etwas zu essen hat, der isst, jeder wickelt sich in seinen Mantel, legt die Jagdtasche unter den Kopf, bettet sich auf die Heide und schläft so gut als man schlafen kann, wenn man jeden Augenblick erwarten muss, durchs Kommando aufgeweckt und einige Stunden durch Wald und Moor umhergeführt zu werden und den Feind zu beobachten". 9)
Dagegen hat die Kompagnie oder derjenige Bestandteil der Harzer Jäger, dem unser N. N. angehörte, dieses Biwakleben anscheinend nicht mitgemacht, sondern den Marsch nach Moorburg durch das Alteland angetreten. Wie er schreibt, mussten die aus Buxtehude Ausziehenden noch einmal ihre Ungeduld zügeln. Denn sie glaubten vor den Toren der Stadt, alsbald an den Feind zu kommen, und die Offiziere hatten schon die Pistolen unter der Schärpe bereit gemacht. Statt dessen kommt der langweilige, ermüdende Weg, mehrere Stunden lang, auf dem Deich, wie wir ihn uns bei den damaligen Verkehrsverhältnissen lebhaft vorstellen können. Es war noch keine einzige Chaussee im Altenlande gebaut. Wollten bei den durchweichten Wegen, in der Winters- oder Frühjahrszeit Mann und Frau die entfernte Kirche besuchen, so war es Gewohnheit, dass sie selbander zu Pferde stiegen. In Moorburg angelangt, kam diese Abteilung der Jäger nach dem Bericht von N. N. alsbald ins Quartier und konnte sich ruhig schlafen legen.
Inzwischen war Ernst Schulze mit seinen Leuten schon an dem größeren Kampf beteiligt, der am 4. April um die Moorburger Schanze geführt wurde. Er hat davon, wie überhaupt von den damals in unserer Landschaft bestehenden Zuständen in seinem am nächsten Tage geschriebenen Briefe eine so anschauliche Darstellung gegeben, dass ich am besten tun werde, ihn selbst wieder möglichst ausführlich reden zu lassen: "Endlich lässt dies wüste, unruhige Leben mir einige Augenblicke Zeit, Ihnen, mein teuerster Herr Hofrat (Prof. Bouterwerk), einige Nachricht von meinem Leben und Treiben zu geben. Freilich muss ich immer erwarten, durch das Lärmhorn in die Schanze gerufen zu werden, und die häufigen Kanonenkugeln, die sich zwischen hier und Harburg kreuzen, vergönnen den Gedanken keinen gar zu freien Spielraum. - Ich sitze in einer engen Bauernstube mit vierzehn meiner Kameraden, die an demselben Tische, woran ich schreibe, mit sehr verschiedenen Arbeiten beschäftigt sind. Einige reinigen ihre Büchsen, andere gießen Kugeln, noch andere machen Patronen, hinter dem Ofen schreit ein krankes Kind in der Wiege, und ein alter Bauer flickt seinen zerrissenen Rock. Draußen auf dem Elbdeich, der dicht ans Haus stößt, ziehen Soldaten hin und her; bald sieht man eine Kanone vorüberfahren, bald geht eine Reihe Schanzengräber vorbei; vom schwarzen Berge hinter Harburg fliegen die Kugeln sausend herüber, und unsere Kartätschen antworten ziemlich nachdrücklich. Jenseits der Elbe liegt Hamburg wie eine ehrwürdige Ruine und streckt seine hohen Türme wie große Notfahnen traurig durch den Nebel. Es ist mir ein kläglicher Anblick zu der bedrängten Stadt Hinüberzusehen. Sie kommt mir vor wie ein leckes Schiff im Sturm. Man möchte gern hinüber, um zu helfen, aber die Wellen gehen zu wild, und man muss es beim bloßen Bedauern bewenden lassen. - Unser hiesiger Dienst ist sehr beschwerlich. Die ganze Kompagnie schläft in einem Hause; keiner von uns darf seine Waffen, nicht einmal die Jagdtasche ablegen; die Büchse muss während des kurzen Schlafs über dem Arm hängen. Um drei Uhr morgens müssen wir hinaus und bis um acht Uhr unter dem Gewehr stehen. Schon seit vierzehn Tagen habe ich weder Kleider noch Schuh ablegen dürfen."
"Als wir einige Tage zu Hausbruch gelegen hatten, hörten wir gegen Abend eine starke Kanonade jenseits Harburg. Von einer Anhöhe konnten wir das Gefecht deutlich beobachten. Die Franzosen griffen die Moorburger Schanze mit überlegener Macht an und nach den Aussagen eines Überläufers kommandierte Eckmühl 10) selbst. Das Feuer dauerte 3-4 Stunden ununterbrochen und hörte erst tief in der Nacht auf. Wir mutzten uns bereit halten, jeden Augenblick aufzubrechen, um den Bedrängten, wenn es nötig sein sollte, zu Hilfe zu eilen. Das Lüneburger Bataillon, das sich auf der Schanze befand, hielt sich aber so gut, dass die Franzosen, nachdem sie selbst Sturm gelaufen hatten, mit einem Verlust von 300 Mann zurückgetrieben wurden, während die Unserigen, die freilich durch die Schanze gedeckt waren, nur drei Tote und einige Blessierte hatten. Da indes Moorburg eine sehr wichtige Position ist, und die Franzosen sich vorgenommen haben, die Schanze zu nehmen, es koste, was es wolle, so musste unser ganzes Bataillon, eine Jäger-Kompagnie ausgenommen, hierher aufbrechen, um die hiesigen Truppen zu verstärken. Schon gestern (4. April), am Tage unserer Ankunft rückten drei Bataillone Franzosen von Neuem gegen uns an. Sowohl von dieser als auch aus den Schanzen am Schwarzenberge begann eine heftige Kanonade, die von uns nicht unbeantwortet gelassen wurde. Das Geräusch der Kugeln, die über das Wasser herflogen, war mir eine ganz neue und etwas erschütternde Musik. Es ist gewiss für jeden Menschen eine fatale Empfindung, zum ersten Male in eine wirtliche Schlacht hinauszutreten. Unsere Kompagnie musste anfangs eine Zeit lang im Hinterhalt liegen, während die anderen draußen waren. Als sich diese verschossen hatten, kamen wir vor. - Wir fanden nur noch wenig zu tun. Unser Geschütz hatte zwei Pulverwagen auf französischer Seite in die Luft gesprengt und ihnen eine Kanone zerschossen. Die Feinde zogen sich nach einem zweistündigem Feuer schnell zurück und ließen ziemlich viele Tote auf dem Platze. Wir verloren einen Kapitain und mehrere Verwundete. Jetzt haben die Franzosen drei Kanonenboote gegen unsere Schanzen gerichtet, wir erwarten aber mit jedem Augenblick die Ankunft der englischen Kanonenboote, welche bestimmt sind, die französischen in den Grund zu schießen und die Brücke über die Elbe zu zertrümmern. Dieses kann ein wichtiger Schritt zur Eroberung von Hamburg sein, wo außerdem die Not mit jedem Tage wächst. Bei den Toten, die vor unserer Schanze lagen, fanden wir nichts als Kartoffeln und Pferdefleisch."
Mit der obigen Darstellung stimmt die Angabe von W. C. Ludewig in der Harburger Chronik, dass am 4. April 1814 ein abermaliger heftiger Angriff auf die Moorburger Schanze versucht sei, und zwar sei neben den Harzer Jägern auch das Bremen-Verdische Landwehrbataillon beteiligt gewesen. Er erwähnt auch des besonderen Umstandes ebenso wie Ernst Schulze, dass der Marschall Davoust selbst den Angriff geleitet hat. So dürfen wir uns denn wohl vorstellen, dass Davoust in seiner ärgerlichen verdrießlichen Stimmung über den misslungenen Angriff damals den ihm allgemein zugeschriebenen Ausspruch getan hat: "So vieles habe ich in der Welt erobert und kann dieses Drecknest von Moorburg nicht gewinnen. Aber zuletzt soll auch Moorburg noch vor mir auf den Knieen liegen!" Schließlich füge ich an dieser Stelle noch bei, dass Beerdigungen für den 4. April im Moorburger Kirchenbuch nicht verzeichnet sind. Jedenfalls haben die Harzer Jäger damals ihre Feuerprobe tapfer und ehrenhaft bestanden.
Wenden wir uns jetzt zu unserem N. N. und seiner Abteilung zurück, so sagt auch er, dass bei der rauhen und kalten Witterung im März und April 1814 und bei den weit ausgedehnten Quartieren der Dienst in Moorburg recht beschwerlich gewesen sei. Weiter erzählt er dann, dass die Franzosen nicht lange mit einem Ausfall gegen die immer von einer Kompagnie besetzten Schanze - das war bei deren Größeverhältnis ausreichend - gewartet haben, da sie an den roten Uniformen der Vorposten das Erscheinen einer neuen Truppe bemerkt hatten. Den ersten dieser Ausfälle, an einem schönen hellen Nachmittag gemacht, bezeichnet er mehr als eine militärische Höflichkeitserweisung. Nach seiner Schilderung rückte eine Abteilung Franzosen auf und neben dem Deich von Harburg aus vor und führte auch zwei Ausfallgeschütze mit ins Gefecht. Von der Schanze wurde ein lebhaftes Geschütz-und Gewehrfeuer eröffnet, wie es für die dort diensttuende Kompagnie den Reiz der Neuheit haben musste. Die Kompagnie, der N. angehörte, erhielt nachmittags 4 Uhr den Befehl, zur Ablösung vorzurücken. Als sie auf dem Deich ihrem Ziel, der Schanze, entgegenmarschierte, pfiffen die Kugeln der französischen Geschütze zwar heftig, gingen aber hoch über die Schanze hinweg und beschädigten nur einige an der Außenseite des Deiches stehende Pappeln. Als die anrückende Kolonne bei dem andauernden feindlichen Geschützfeuer unwillkürlich rechts und links etwas vom Deich ausweichen wollte, konnte sie der Hauptmann von Uslar beruhigen: "Bleiben Sie nur auf der Mitte des Dammes! Die Kugeln gehen zu hoch, als dass sie uns gefährden könnten!" Seine hohe männliche Gestalt leuchtete allen voran, und wie er seinen auffallend hohen Federbusch 11) trug, so sagt N.N., sei er dem französischen König Heinrich IV. in der Schlacht bei Jory 1590 ähnlich gewesen. Machte sich bei den Harzer Jägern, wie sie über die Brustwehr der Schanze feuerten, auch noch einige Ungeübtheit im Schießen geltend, so zogen sich doch die Franzosen bei Dunkelwerden ohne Erfolg zurück, anscheinend unter Mitnahme der Toten und Verwundeten. Ihr Abzug wurde mit lautem Hurra begleitet, um so mehr als die tapferen Jäger keinerlei Verlust zu verzeichnen hatten.
Wie N. N. weiter erzählt, wiederholten sich derartige Ausfälle danach häufig, meistens in der Morgendämmerung 12) und wurden eine gute Übung für die junge Mannschaft. Da manchmal nur kleinere Abteilungen der Feinde vorrückten, wurden die Feldwachen nicht gleich eingezogen, sondern auch unter angemessener Verstärkung am Gefecht beteiligt, zumal sie Deckung hinter Bäumen, Strauchwerk und Terrainvertiefungen neben dem Deich finden konnten. Eines Tages hatte nun auch unser N. N. die Freude, dass ihn die Reihe traf, mit 25 Mann der Kompagnie einem Offizier zugeteilt zu werden, der mit 50 Mann zur Verstärkung der Schanze vor-rückte. Aber wenn er nun fortfährt: "Wir hatten eben den Brückensteg des Grabens überschritten, als uns 4 Mann begegneten, welche die Leiche des Schützen Kulemann nach der Schanze zurücktrugen. Er hatte einen Schuss durch den Kopf und war der erste Tote unserer Kompagnie" - so kann ich nicht umhin, das für einen Irrtum zu erklären. Die Kompagnie mag damals ihren ersten Toten gehabt haben, obwohl sich im Moorburger Kirchenbuch erst Eintragungen für den 11. April 1814 befinden. Aber der Schütze Kulemann kann es nicht gewesen sein, denn sein Todesfall ist im Moorburger Leichenregister erst für den genannten 11. April, den zweiten Osterfeiertag angemerkt. Allerdings könnte der Name Kulemann unter den gefallenen Harzer Jägern immerhin zweimal vorkommen. Indessen sagt N.N. ausdrücklich weiter, dass jener erste Tote mit feierlichem Begängnis (also mit Grabrede) bestattet worden sei, und einen solchen Fall hätte Pastor P. L. Cropp doch nicht einzutragen vergessen.
Dagegen ist es, wie der Bericht von N.N. meldet, jedenfalls bald nachher gewesen, dass in Moorburg neben den deutschen Truppen eine ausländische, nämlich ein russisches Landwehr-Bataillon, erschien. Ihm fiel die Aufgabe zu, die Schanze durch aufgeschüttete Erde zu verlängern und zu verbreitern, also damals erst ist der eigentliche Ausbau der Schanze vollführt worden. Hierzu wären nun auch wohl die Harzer Schützen tüchtig gewesen, allein die Russen haben immer in Schanz- und Festungsarbeiten eine gewisse Geschicklichkeit bewiesen. Sie machten denn auch hier in Moorburg ihre Sache so gut, dass sie, am andern Morgen nach ihrem Eintreffen beginnend, in wenigen Stunden die ganze Arbeit fertig machten und dann wieder abziehen konnten. Von N. N. wird geschildert, dass sie in ihrer abgerissenen Kleidung einen wenig günstigen Eindruck machten und dass sie in gewissen, bei ihnen eingenisteten Tierchen eine für die deutschen Truppen sehr unangenehme Plage mitgebracht hätten, wovon nur der liebenswürdige Hauptmann von Uslar verschont geblieben sei, der nach seiner Meinung "so bitteres Blut hatte, dass selbst russische Insekten nicht anbeißen wollten." Richtig einquartiert konnten die Russen in Moorburg nicht werden, da unsere Landschaft ganz mit Soldaten überfüllt war. Ernst Schulze erzählt, dass er zuerst in einem Bauernhause zusammen mit 120 Mann gelegen habe. 13)
Nachdem die Russen Lebensmittel, Holz und Stroh geliefert erhalten hatten, bauten sie sich bei ihrem damaligen Aufenthalt in Moorburg Hütten oder suchten anderweitig Zuflucht. An dem früheren Paul Peters'schen Hause (Nr. 43) haftet noch die Erinnerung, dass die Russen unter den niedergelassenen Fensterläden kampiert haben. Übrigens ist als sicher anzunehmen, dass sie nicht nur diesen einen kurzen Aufenthalt in Moorburg gehabt haben, sondern schon bei früherer Gelegenheit längere Zeit hier gewesen sind. Denn von den Vätern her ist das Andenken daran lebendig geblieben, dass die Russen vielfach noch übler als die Franzosen gehaust haben, sofern sie alles mitnahmen, was nicht niet- und nagelfest war, Töpfe, Pfannen und sonstige Gerätschaften und unaufhörlich Branntwein verlangten. Von einem Hause in unserer Gemeinde wird erzählt, dass die Bewohner sich vor Angst unter die Betten verkrochen, als die Russen sich blicken ließen.
Nach allen Versuchen, welche die Franzosen schon gegen die Moorburger Schanze unternommen hatten, schritten sie endlich am 2. Osterfeiertag, den 11. April 1814, zu dem heftigsten und anhaltendsten Angriff. Sie hatten sich diesmal eines besonderen Mittels bedient, um ihn wirksam zu machen. Sie waren es nämlich und nicht die Russen, wie man auch lesen und noch heute hören kann, die den Deich oberhalb der Stadt Harburg bei Neuland durchstachen und so über unsere Gegend eine Katastrophe schwerster Art heraufführten. Es lag jedenfalls auch kein Versehen zu Grunde, wie die Ludewig'sche Chronik meint, sondern eine klug erdachte Berechnung, um alle Hülfeleistung von der Feldseite her für die Moorburger Schanze unmöglich zu machen. Die ganze Niederung bis nach Buxtehude hin wurde überschwemmt. Das Wasser drang in die Häuser, so dass auch die Soldaten, aus ihren Quartieren vertrieben, sich auf den Boden der Gebäude flüchten und durch Bohlen und Bretter aus den Bodenluken die Verbindung mit dem Deich herstellen mussten, der noch einige Fuß über Wasser blieb. Doch rückten die Harzer Jäger mutig und schlagfertig in die Schanze und trieben dann die Feinde im Ansturm so tapfer zurück, dass diese sich nicht einmal Zeit ließen, ihre Toten mitzunehmen, die mehrfach ent-kleidet auf dem Deich liegen blieben, bis sie durch die Feldwache in der Umgebung der Schanze beerdigt wurden. An diesem Tag wird es wohl besonders gewesen sein, dass die Franzosen mit blutigen Köpfen nach Harburg zurückkehrten und nacheinander den Jammerruf vernehmen ließen: "oh nos camarades, oh nos pauvres camarades!" Freilich hatte dieser Tag auch auf deutscher Seite in den Reihen der tapferen Harzer Jäger seine Opfer gefordert. Während N. N. in seiner Angabe unsicher ist, haben wir aus dem Moorburger Kirchenbuch bestimmte Kunde. Es fielen am 2. Osterfeiertag, den 11. April 1814, die 3 Jäger: 1) Wilhelm Weiße, 20 Jahre alt, gebürtig aus Bockswiese am Harz; 2) August Wilhelm Diederich (Zuname fehlt?), 21 Jahre alt, gebürtig aus Andreasberg; 3) Heinrich Kuhlmann, 23 Jahre alt, gebürtig aus Kloster Dosse. Alle 3 wurden zusammen am nachfolgenden 13. April feierlich unter Musik und Gewehrsalven beerdigt. Weil Gräber und Wege auch auf dem Moorburger Friedhof sehr unter Wasser waren, hielt Pastor P. L. Cropp seine Rede an der Eingangspforte. Dann wurden die Leichen auf Kähnen nach dem Hügel an der Ostseite der Kirche, der eine erhöhtere Lage hatte, etwa an die Stelle gebracht, wo die Erbbegräbnisse von Th. Gerkens und C. H. Meyer benachbart sind. Im Laufe der Zeit sind auch diese Grabstätten verschwunden.
Nach dem 11. April 1814 haben wohl noch hin und wieder Alarmierungen stattgefunden, doch die eigentlichen Kämpfe um die Moorburger Schanze waren zu Ende. Denn eben dieser 11. April ist ein bedeutsames Zeichen für die entscheidende Wendung, die auf dem großen Kriegsschauplatz eingetreten war. Nämlich an diesem Tage entsagte Napoleon, nachdem die Verbündeten den Montmartre erstürmt und ihren Einzug in Paris gehalten hatten, der Krone und siedelte auf die Insel Elba über. Ernst Schulze erzählt, dass die Einnahme von Paris auch auf der Moorburger Schanze bei Musik und Punsch bis tief in die Nacht gefeiert ist. Freilich hat sich Davoust lange noch hartnäckig geweigert, die neuen Verhältnisse mit der Thronbesteigung Ludwig XVIII. in Frankreich anzuerkennen. Aber man merkte an so manchen Anzeichen doch auch in Moorburg, dass die Dinge zu Ende gingen. Unser N. N. erzählt, dass nach dem Frieden von Kiel (14. Januar 1814) die Elbe offen wurde und sich englische Kanonenboote bei Moorburg vor Anker legten, was einige Abwechselung in den Blockadedienst von Harburg brachte. Freilich konnten die kleinen Kanonenboote gegen den massigen Bau der Brücke auf Wilhelmsburg nichts ausrichten. Dann stellten sich schon einige französische Deserteure bei den Vorposten ein. Weiter näherten sich, wie N.N. hinzufügt, die französischen Posten den deutschen und riefen ihnen zu, es sich bequem zu machen, da sie nichts zu befürchten hätten. Zugleich forderten sie auf, zur Besichtigung der Schanzen herüberzukommen, und wenn dies auch beiderseits untersagt war, so lässt sich bei den Verhältnissen doch leicht eine Übertretung denken. So wurden denn in der Folge Truppenabteilungen von Moorburg in die Umgebung verlegt. Unser N. N. ist seinem Bericht zufolge nach Altenwerder ins Quartier gekommen und hat sich dort vier Wochen hindurch bei dem eingetretenen milden Frühlingswetter an dem Genuss von jungem Gemüse erfreut. Ernst Schulze ist ebenfalls in Altenwerder gewesen, muss aber auf Moorburg zurückgekommen sein. Denn er gibt an, dass es ihm viel Vergnügen gemacht habe, im Boot auf dem hier noch in Gärten und Feldern stehenden Wasser zwischen den blühenden Kirschbäumen hindurchzufahren, was doch vor Anfang oder Mitte Mai nicht möglich war. Von Altenwerder gingen die Offiziere schon in Zivil nach Hamburg, und auch den Mannschaften wurde einzeln erlaubt, Altona zu besuchen. Als unser N. N. durch die Straßen der letzteren Stadt schritt, wurde er von einem Weinhändler, der aus England stammte, feierlich und begeistert durch einen Kuss auf den Namenszug des englischen Königs an der roten Uniform begrüßt und trefflich bewirtet.
Schließlich wurde doch Davoust genötigt, die neue Ordnung der Dinge anzuerkennen. Am 28. April hatte er den Befehl gegeben, die weiße Fahne auf dem Turm der Gr. St. Michaelis-Kirche aufzuziehen. Damit kehrte, wenn auch immer noch langsam, die frühere Ordnung in Hamburg zurück. Am 5. Mai wird der Verkehr und Handel freigegeben, am 16. die Börse eröffnet, und am 18. erschien der "Hamburgische Correspondent" wieder in alter Form. Vom 23-30. Mai konnten die Franzosen Hamburg und Harburg in aller Ruhe räumen und mit allen Waffen abziehen, so glimpflich ist Davoust, der Hamburg in Stand und Land so hart gedrängt und geschädigt hatte, davongekommen. So hielt denn unser N. N. mit seiner Abteilung feierlichen Einzug in Hamburg, wo er freilich weniger gutes Quartier finden sollte. Die kluge und zugleich redselige Wirtin wusste durch Lobeserhebungen ihrer eigenen Person ihre erquickungsbedürftigen Gäste so hinzuhalten, dass aus dem Mittagessen gleich das Abendessen wurde. Doch hat es ihm seinen Humor nicht verdorben. Am 30. Mai rückte er mit dem Kapitain von der Decken in Harburg ein, um die französische Wache auf dem Schloss abzulösen. Er schildert zum Schluss, wie dort aus allen Ecken und Winkeln eine schreckliche Verwüstung blickte. Dann wurden die tapferen Harzer-Sollinger Jäger alsbald in ihre Heimat entlassen und in alle Winde zerstreut. Sie haben nicht 1814, sondern erst 1841 durch den hannoverschen König Ernst August als treuverdiente Auszeichnung eine Kriegsdenkmünze erhalten. Dem jungen Sergeanten aber, unserem N. N. hat sich nachher die Laufbahn zum preußischen Offizier geöffnet. -
Blicken wir jetzt noch einmal auf die Kämpfe um die Moorburger Schanze zurück, so können und sollen sie natürlich nicht mit den großen entscheidenden Schlachten der Freiheitskriege, etwa mit Leipzig oder nachher Waterloo in Vergleich gestellt werden. Dennoch haben sie in der Geschichte der Freiheitskriege einen Ehrenplatz und für unsere engere Heimat eine bleibende Bedeutung. Sie sind im Kleinen ein erhebendes Spiegelbild der großen Zeit, die unser Volk in der ernsten Schule Gottes läuterte, erneuerte und zuletzt stark machte, in opferfreudigem Ringen die Bande unwürdiger, drückender Knechtschaft zu durchbrechen und das edle, köstliche Gut deutscher Freiheit im Glanz eines neuen Lebens zurückzugewinnen. Als ein ehrwürdiger Bau steht inmitten unserer Landschaft das Haus der Maine Moorburg, wo unsere Väter, an ihrer Spitze der würdige Maire Matthias Hermann Bauer und der ebenso treff-liche Unter-Maire Hans Hinrich Meyer, in schweren Tagen für der Gemeinde Wohl gesorgt, beraten und gestrebt haben. Ehrwürdig schaut im Geist aus der Vergangenheit zu uns herüber die alte Moorburger Schanze, ein Denkmal auch für die fernsten Geschlechter, wie sich hier jeder noch so heftige französische Ansturm immer wieder brechen musste am starken Wall deutscher Tapferkeit und Treue. Wenn Davoust sein prahlerisches Wort tatsächlich gesprochen hat, es ist kläglich zu Schanden geworden - er hat Moorburg und seine Schanze nicht gewonnen, was er auch versuchte. Das haben damals die jungen, manchmal noch ganz ungeübten hannoverschen Truppen ihrem deutschen Vaterland gehalten, Treue in Entbehrung und Not, Treue in der Gluthitze des Kampfes, Treue bis in den Tod. Alle drei Abteilungen, wie sie an unserm Auge vorüber gezogen sind, die Kielmannsegge'schen Jäger, darunter ein Mann wie Johann Christian von Düring, das Lüneburger Bataillon, in seinen Reihen der Leutnant Bernhard Collmann und der Leutnant Heinrich Hansing, zuletzt die Harzer-Sollinger Jäger -- sie haben ohne Ausnahme dem althannoverschen Namen volle Ehre gemacht und auf dem Boden unserer Landschaft die althannoversche Losung erfüllt: Numquam retrorsum! Niemals rückwärts! So schauen endlich von unserm alten Friedhof in einem gar besonderen Lichte die 13 Gräber zu uns herüber, wo die Gefallenen zur letzten Ruhe gebettet sind, wenn sie auch äußerlich, bis auf eins, nicht erhalten blieben. Diese 13 Gräber aus der Franzosenzeit, das spreche ich jetzt als meine Überzeugung aus, darf unsere Gemeinde nimmer aus dem Herzen und Sinn verlieren. Immer wieder, wenn ich über unfern Friedhof ging, musste ich mich fragen, und ich denke, dieselbe Frage hat manchen bei Gelegenheit dieser Vorträge ergriffen: Sollen denn diese geweihten Stätten ganz versunken und vergessen sein? Wir mögen es bedauern, dass die 13 Begräbnisplätze nicht sofort durch Gedenkzeichen dauernd in der Erinnerung erhalten sind. Einen Vorwurf wollen wir deshalb unseren Vorfahren nicht machen. Abgesehen von der Eigentümlichkeit des damaligen alten Friedhofes, wo der knappe Raum die rasche Wiederbenutzung der Gräber aufdrängte, unsere Väter standen nach wiedergewonnener Freiheit noch lange unter schwerem Druck. Es gehörte viel dazu, die Wunden des Krieges zu heilen. Wie sah es überall traurig aus, auch hier in unserm Moorburg! Beispielsweise berechnet unser Carl Heinrich Nieber den ihm zugefügten Schaden auf über 30 000 Tlr. Wohl regten sich aller Orten die helfenden Hände. Für unsere hamburgischen Marschlande wurde eine besondere Kommission gebildet, der unser Pastor P. L. Cropp als Mitglied angehörte. Unterstützungen kamen dazu von auswärts aus England und auch aus Rußland. Was war das schließlich unter so viele? Aber wie ganz anders stehen wir heute nach 100 Jahren da! Es ist nicht nötig, darüber weitere Worte hinzuzufügen. Darum tritt an uns zumal bei dem baldigen Heranrücken der großen Gedenkzeit von 1813/14 die schöne Pflicht heran, eine bis jetzt noch bestehende Ehren- und Dankesschuld dadurch abzutragen, dass wir den 13 auf unserm Friedhof ruhenden, im Kampf um die Moorburger Schanze gefallenen Kriegern und zugleich unserm Carl Heinrich Nieber, der ja auch in seiner Weise ein heldenmütiger Kämpfer für Moorburg war, ein würdiges Gesamtdenkmal als Gegenstück zu der Hansing'schen Begräbnisstätte setzen. Es ist doch das nächstliegende Gefühl, die Gefallenen dort zu ehren, wo sie ihre Ruhestatt gefunden haben, und das ist unser alter Moorburger Friedhof. So werden wir auch den rechten grundlegenden Schritt tun, das Andenken an die große glorreiche Zeit der Freiheitskriege, wie es sich bei den Schicksalen und Erlebnissen unserer Landschaft gebührt, wieder lebendig zu machen. Wie das Denkmal auf dem Friedhof im Einzelnen auszuführen ist, bleibt Gegenstand weiterer Erwägung. Ich wende mich jetzt besonders an unsern Moorburger Kriegerverein, der das Mahnwort von Theodor Körner nicht überhören wird: "Mein Volk, vergiss der teuren Toten nicht!" Ich wende mich ebenso an unsern Moorburger Bürgerverein, der hier Gelegenheit hat, eine praktische Aufgabe im besten Sinne des Wortes zu erfüllen. Zuletzt richte ich meinen Aufruf an die ganze Gemeinde, die hier Heimatssinn und Heimatsliebe sich selbst zu reichem Segen für Herz und Auge betätigen kann. Möchte es bald zur Wirklichkeit werden, was ich ursprünglich als Überschrift über meine Vorträge zu setzen beabsichtigte:
Ein neues Schmuck- und Ehrenzeichen auf dem Moorburger Friedhof!



Beigabe

von Adolf Peters, Kömgl. Forstmeister zu Lüß.


Adolph Peters und Gretchen Peters geb. Bauer (um 1890)


Die dreizehn Gräber auf dem Moorburger Friedhof.

Schon strahlte durch Rauch und durch Pulverdampf
Die Freiheit im Morgenrotglanze,
Da tobte noch immer erbittert der Kampf
Um die heiß umstrittene Schanze.

Zerbrochen schon war des Tyrannen Joch,
Sein Schlachtenruhm war im Verblassen,
Da musste manch tapferer Streiter noch
Für Moorburg sein Leben lassen.

Die Dreizehn sei eine böse Zahl,
So Pflegen die Leute zu sagen,
Es waren auch dreizehn, die dazumal
Den Schrecken des Krieges erlagen.

Da lag der aus Nassau, tot nun und kalt,
Der so freudig ins Feld gezogen.
Das Wiegenlied sang ihm der Taunuswald,
Sein Grablied rauschten die Wogen.

Aus Straßburg, der wunderschönen Stadt,
Die sich Frankreich als Raub einst genommen,
Aus der Stadt, wo begraben manch braver Soldat
War der Zweite herbeigekommen.

Ein Dritter kam gar von Memel her,
Dass die Waffenehre er rette
Und dass von dem Siegeslorbeer auch er
Als Preuße sein Reislein hätte.

Vom Harz kamen drei, das fröhliche Herz
Dem Vaterlande zu bringen.
Darinnen mocht es von Tannen und Erz
Im Sterben noch rauschen und klingen.

Die Andern, die Niedersachsens Gau'n
Wohl all miteinander entsprossen,
Sie haben ihr Blut auf Moorburgs Au'n
Für die engere Heimat vergossen.

Doch ließen von Vaterlandsliebe allein
Die Braven alle sich werben
Und gingen in diesen Kampf hinein,
Zu siegen, oder zu sterben.

Ein Offizier wars und zwölf Mann,
Gefallen, verunglückt, gestorben.
Wo ruhen die Dreizehn, sagt an, sagt an,
Die um hohen Preis einst geworben?

Um Befreiung des Volkes aus Elend und Schmach
Durch Vernichtung seiner Bedränger,
Um den strahlenden Morgen, den Freiheitstag,
Um den Vaterlandsfrühling der Sänger.

Die für dich, o Moorburg, gekämpft, gewacht,
Auf der Schanze in bangen Tagen,
In den Mantel gehüllt, in so mancher Nacht,
Auf frostharter Erde lagen.

Die schlaflosen Auges viel Stunden lang
Ins nächtliche Dunkel starrten,
Und die, wenn der Nachtwind sie eisig durchdrang,
Erschauernd des Morgens harrten.

Die ihre erstarrten Leiber alsdann
Den pfeifenden Kugeln boten. -
Wo ruhen die Helden, sagt an, sagt an,
Wo ruhn sie die teuren Toten?

Sucht nur auf dem Kirchhofe hin und her,
Wo sie liegen, die Moorburg gerettet,
Ach, zwölf von den Stätten weiß niemand mehr,
Wo man einst sie zur Ruhe gebettet.

Doch gottlob, noch sind uns die Namen bekannt
Der Streiter aus Osten und Westen,
Wird einer auch nur als N. N. genannt,
Vielleicht war er einer der Besten.

Die Namen schreibt in das Herz euch ein
Und hütet sie treu dort im Stillen.
Der Nachwelt bewahrt sie auf festem Stein,
Eine Ehrenpflicht gilts zu erfüllen.


1) Es werden daneben auch die Harzer-Sollinger Jäger genannt. Aber diese können nicht in Betracht kommen, weil sie, wie wir sehen werden, erst Anfang April 1814 in Moorburg eingetroffen sind.

2) Aus dieser Bemerkung bestätigt sich unsere frühere Behauptung, dass die Franzosen ihre Verschanzungen bis an die Lauenbrucher Grenze angelegt haben, dagegen die eigentliche Moorburger Schanze von den Hannoveranern gebaut wurde.

3) Nach von Düring waren hier 1 Oberjäger und 12 Jäger der 2. Kompagnie der Kielmannsegge'schen Jäger zugeteilt.

4) Es war hier wesentlich die 1. Kompagnie der Kielmannsegge'schen Jäger tätig, die verdeckt in einer Talschlucht nahe hinter Heimfeld aufgestellt war, während die 2. und 3. Kompagnie am Mittag über das Eis der Elbe gegen Wilhelmsburg vorging, aber bei dem unterbleibenden Hauptangriff der Russen nur kurze Zeit ins Gefecht kam. Kapitain von Düring wurde von einem Stück einer neben ihm platzenden Haubitz-Granate gestreift, aber ohne weitere Beschädigung als Zerreißen der Uniform. Dagegen taten die wackeren Jäger auch hier brillante Schüsse. So wurde ein geharnischter französischer Kürassier, der sich vorwitzig genähert hatte, mit seinem Pferd von nur 3 Kugeln auf immerhin bedeutende Entfernung erschossen.

5) Bei dieser Gelegenheit wurden auch Teile der Elbbrücke auf Wilhelmsburg von den Russen in Brand gesetzt.

6) Das Gedicht wurde in der Versammlung am 13. Dezbr, 1908 von Hermann Hansing, dem jüngsten Mitgliede der Familie Hansing, vorgetragen.

7) Die Ausführung ist inzwischen am 2. August 1909 nach den Angaben des Herrn Gustav Hansing zu Hamburg erfolgt. Das Denkmal, von Herrn Bildhauer Emil Koehler zu Harburg geliefert, ist aus rotem Sandstein hergestellt und überragt bei seiner Höhe von 2,70 m nicht nur äußerlich alle übrigen Zeichen ringsumher auf den Gräbern des alten Moorburger Friedhofs, sondern macht auch bei aller Einfachheit einen sehr gewinnenden und wohltuenden Eindruck" Dem durch das Friedhofsportal eintretenden Beschauer zeigt sich auf der Rückseite ein Lorbeer-kranz mit der Jahreszahl 1814. Auf der Vorderseite ist oben der Lüneburger Tschako mit dem Namenszug GR. getreu nachgebildet, darunter der Offiziersdegen mit dem Wehrgehenk und mit der Scheide gekreuzt. Dann folgt in schwarzen eingelassenen Buchstaben, die sich von dem roten Sandstein vorteilhaft abnehmen, die Inschrift: "Hier ruhet Leutnant Heinrich Hansing, geb. zu Harburg den 25. Dezember 1795, gefallen vor der Moorburger Schanze den 4. März 1814." Die Embleme auf der Vorder- wie Rückseite sind in Bronze ausgeführt.

8) Dem Briefe ist im "Hamburgischen Correspondenten" eine Lebensbeschreibung des Dichters vorangeschickt.

9) Im Tagebuch erwähnt Ernst Schulze noch, dass er dazwischen am 2. April nach Buxtehude ging, um einen Brief an Adelheid, die Schwester seiner verstorbenen Braut Cäcilie zu schreiben.

10) Davoust erhielt den Titel eines Fürsten von Eckmühl (Eggmühl) infolge des bei Eggmühl unweit Regensburg gewonnenen Sieges am 22. April 1809.

11) Danach müssen sich die Offiziere wohl einige Freiheiten bei der Uniform erlaubt haben.

12) Noch lebt in unserm Moorburg die Erinnerung, wie in der Frühe an die Türen und Fensterläden der Häuser mit dem lauten Ruf geklopft wurde: "Auf, Leute, der Feind rückt an!"

13) So verstehen wir, dass der wackere Unter-Maire Hans Heinrich Meyer fortdauernd seine liebe Not hatte, die Truppen in Moorburg unterzubringen und alle Ansprüche der Verproviantierung zu befriedigen. Meistens suchte er im Altenlande das Nötige aufzubringen. Es wird aber zuweilen an der prompten, richtigen Bezahlung gefehlt haben. Wenigstens zeigten sich die Altländer einmal so erbittert, dass sie, mit Stangen, Heugabeln und allerlei anderen Gerät-schaften bewaffnet, vor die Mairie Moorburg rückten. Der vielgeplagte Unter-Maire Meyer musste flüchten und eine ganze Nacht in der Haake zubringen. Die Höhe der Lebensmittelpreise lässt sich aus Beispielen in der Ludewig'schen Chronik ersetzen. Ein Ei wurde in Harburg, das ja allerdings blockiert war, anfänglich mit 6 ggr., nachmals mit einem Gulden bezahlt. Gin Pfund Butter kostete 22 ggr. bis 1 Tlr. Ein Himpten Kartoffeln kostete über 1 Tlr., Weizenmehl das Pfund 10-12 ggr. Fleisch war natürlich ein ganz rarer Artikel.


Gedenkstein auf dem Friedhof


Pastor Stüven bei einer Kranzniederlegung am Gedenkstein