Altenwerder

Historische Nachrichten

über die

Elbinsel Altenwerder

Gesammelt und bearbeitet
Unter Mitwirkung des Lehrers Bosenick
von


J. J. Breckwoldt

Fischereipächter zu Altenwerder

------------- Mit acht Karten -----------



Preis: 1,50 Mark



1894

Verlag der Danckwart'schen Buchhandlung (C. Sieke),

Harburg

Lühmann's Buchdruckerei Harburg




Allgemeines.
Die Entstehung Altenwerders.
Geschichtliches.
Kirchliche Nachrichten.
Schulwesen.
Sanitätswesen.
Sturmfluten.
Kriegsunruhen.
Unglücksfälle.
Feuersbrünste.
Schifffahrt.
Postwesen.
Fischerei.
Die fiskalischen Fischereien bei Altenwerder.
Allgemeines über die Fischerei.
Auszug aus dem Kirchenbuche.
Verzeichnis der beigefügten Karten.


Bei Bearbeitung der folgenden Nachrichten über die Insel Altenwerder und deren Bewohner sind folgende Werke benutzt:


1. Klefeker, Sammlung hamb. Gesetze und Verfassungen samt historischer Einleitungen, 1771;
2. Hübbe, Erläuterungen historisch-topographischer Ausbildung des Elbstromes und der Marsch-Inseln bei Hamburg;
3. Hermann Allmers, Marschenbuch;
4. Lappenberg, Erläuterungen zu Lorichs Elbkarte von 1568;
5. Ludewig's Geschichte der Stadt Harburg;
6. Dr. Ehrenberg, Altona unter Schauenburgischer Herrschaft;
7. Pastor Bodemann, Denkwürdigkeiten der Elbinsel Finkenwerder;
8. Ballauf, die Insel Altenwerder;
9. Urkundenbeweis für die Berechtigung des Fiskus auf Elbfischerei im Kreise Harburg;
10. Archiv-Akten des königlichen Staatsarchivs zu Hannover;
11. Die Kirchenbücher der Gemeinde Altenwerder.

Indem wir allen denen, welche zu der Arbeit in liebenswürdigster Weise Beiträge geliefert haben, herzlichst danken, übergeben wir dieselbe den Bewohnern und Freunden Altenwerders zu diesem Zwecke, die Kenntnis der engeren Heimat und die Liebe zu derselben zu vermehren und zu festigen.

Altenwerder, im Dezember 1893.

Breckwoldt Bosenick



Allgemeines.

Die Insel Altenwerder gehört dem Kreise Harburg, Regierungsbezirk Lüneburg an. Landrat des Kreises ist seit 1885 der Geheime Regierungsrat Goeschen. Das frühere Amt Harburg wurde von 1846 bis 1859 durch Oberamtmann Compe, von 1859 bis 1868 durch den Legations-Rat Neuburg und von 1868 bis 1885 durch Amtshauptmann v. d. Osten verwaltet. Altenwerder ist eine Elbinsel. Es wird von den beiden Elbarmen Köhlbrand und Süderelbe bespühlt. Wegen seiner Lage und der Nähe der großen Städte Hamburg, Altona und Harburg ist Altenwerder auf Schiffahrt und Verkehr nach außen angewiesen. Altenwerder ist Zwischenstation der Hamburg-Harburger Dampfschiffe, welche auf jeder Tour hier anlegen. Außerdem fahren von Altenwerder selbst zwei Doppelschraubendampfer nach Hamburg und Altona, die außer Personen Grünwaren, Milch und Fische dorthin befördern.
Altenwerder ist im Besitze einer Kirche; eingepfarrt sind Neuhof, Groß- und Klein-Dradenau. Die Nachbarinseln Kattwyk und Krusenbusch gehören zum Gemeindebezirke Altenwerder. Die Volkszählung von 1890 ergab 202 bewohnte Gebäude, 402 Haushaltungen und 1934 Einwohner. Bringen wir hiervon Kattwyk und Krusenbusch mit 28 Personen in Abrechnung, so zählte Altenwerder im Jahre 1890 etwa 1900 Einwohner, während die Zahl derselben jetzt etwas über 2000 betragen wird.
Die Bewohner Altenwerders treiben größtenteils Landwirtschaft, Milchhandel und Fischerei. Ein Teil der Einwohner sind Industrie-arbeiter, die meistens auf Hamburger Werften Beschäftigung finden. Industrielle Anlagen sind vorhanden: 1 Schiffswerft, 1 Dampfsägewerk, 1 Baumaterialienhandlung, welche im Besitze eines Petroleum-Motors ist, 1 Dampfschrotmühle und 1 Windmühle. Ferner sind hier 2 Distillationen, 4 Krämereien, 3 Bäckereien, 5 Gastwirtschaften, 4 Viehfutterhandlungen. Das Baugewerbe ist ebenfalls stark vertreten. Die Verwaltung der Gemeinde, welche durch ein Ortsstatut geregelt ist, liegt in den Händen des Gemeinde-Vorstehers und des aus 13 Personen bestehenden Gemeinde-Ausschusses.
Früher war Altenwerder Sitz eines Amtsvogtes und zwar bis zur Einführung des Gesetzes betreffend die Landgemeinden vom 28.April.1859 Den Titel Vogt scheinen früher die Ortsvorsteher geführt zu haben. In einem Protokolle vom Jahre 1468 wird bereits ein Vogt erwähnt; 1643 wird Hans Schwartau und 26.April.1669 Carstens Lüdders als Vogt in Altenwerder genannt. Später scheint hier vom Staate eine Amtsvogtei eingerichtet zu sein, denn die Amtsvögte waren Ende des vorigen und im Laufe dieses Jahr-hunderts staatlich besoldete Beamte. Inhaber der Amtsvogtei waren in diesem Jahrhundert folgende Vögte: Kropp, Peters, Kaltenberg und Embert.
Solange die Amtsvögte hier stationiert waren, war die Stellung des Gemeindevorstehers keine bedeutende; dieses ist ersichtlich aus den damaligen Abrechnungsbüchern der Gemeinde. Die Haupttätigkeit des Vorstehers bestand in der Verwaltung der Gemeindeweiden. In den letzten zwanzig Jahren hat die Stellung des Gemeindevorstehers sehr an Bedeutung zugenommen; die Wirksamkeit desselben ist von großem Einfluss auf das Wohl und Wehe der Gemeinde. Der jetzige Ortsvorsteher, Vollhöfner Heinrich Finck, bekleidet das Amt im 20. Jahre und ist 1892 auf weitere 7 Jahre fast einstimmig wiedergewählt. Derselbe ist Mitglied des Kreistages seit seiner Bildung.
In Altenwerder sind 15 Vollhöfe und 2 Halbhöfe; dieselben sind vielfach seit mehreren Jahrhunderten im Besitze ein und derselben Familie. So sind z.B. die Vorfahren der beiden Höfeinhaber Schwartau und Todtmann nachweisbar seit 1640 im Besitze ihrer Höfe. Die Vollhöfnerstelle Johann Lüdders ist seit 1563 Eigentum derselben Familie; die Vollhofstelle des weiland Vollhöfners Peter Finck gehörte den Vorfahren desselben seit 1563. Im Jahre 1853 kam sie durch Heirat an die Familie Harms. Dagegen haben einzelne Höfe oft die Besitzer gewechselt, jedoch nur zwei durch Verkauf, die übrigen durch Aussterben der männlichen Nachkommen. So gehörte die Vollhofstelle des Vollhöfners Paul Finck, Westerende, 1640 einem Hans Külper, der auch Kirchenvorsteher war, 1689 kam sie an Tönnies Külper, 1705 an Paul Lüdders, 1725 an Hans Dierks (laut Quittungsbuch über Dienstgeld 1689 - 1744). Die Bewohner Altenwerders sind außerordentlich fleißig und ordnungsliebend. In den Häusern herrscht große Reinlichkeit. In und mit den Wohnungen wird jedoch oft ein über den Stand hinausgehender Luxus getrieben. Dasselbe geschieht mit der Kleidung. Diese Erscheinung ist auf die Nähe der Großstadt und auf die günstigen Erwerbsverhältnisse zurückzuführen. Die Vergnügungssucht hat eine große Ausdehnung angenommen. Der Altenwerder ist gegen Fremde gastfreundlich. Er liebt seine Heimat sehr. "Ein Ollwerder gifft man." Selten verlässt er sie für immer, selten heiratet er eine Auswertige. Der Besuch der Kirche ist ein guter. Auf denselben wird die in Aussicht stehende Erbauung eines Turmes auf hiesiger Kirche, wozu bereits ein erhebliches Kapital gesammelt ist, günstigen Einfluss haben.
Das politische Leben Altenwerders ergibt sich aus nachstehender Übersicht der Resultate der beiden letzten Reichstagswahlen von 1890 und 1893:

1890. (415 Wähler.)

Nationalliberale

116

187

Socialdemokraten

160

158

Zersplittert

20

-

1893.

Nationalliberale

102

163

Socialdemokraten

139

175

Zersplittert

61

-

Bei der letzten Reichstagswahl haben die Fischer mit wenigen Ausnahmen gefehlt, weil sie zum Fischen abwesend waren.
Eigenartig wird jedem Fremden am Morgen die frühzeitige Beschäftigung der hiesigen Bewohner erscheinen. Interessant ist es anzusehen, wenn die Altenwerder Dampfschiffe, damit sie rechtzeitig den Markt erreichen, morgens 4½ Uhr, vollbeladen mit Personen, Grünwaren und Fischen, nach Hamburg und Altona abfahren. Wie sehr Altenwerder hinsichtlich seines Verkehrs von den beiden genannten Großstädten abhängig ist, kam während der vierjährigen Cholera-Epidemie recht zum Ausdruck. Handel und Verkehr stockten hier fast gänzlich. Jeder weiß, dass die beiden Städte die Absatzgebiete für die hiesigen Erzeugnisse sind. Die Sympathie für Hamburg und Altona zeigte sich auch bei den freiwilligen Sammlungen für die Cholera-Notleidenden. Es wurden an Gaben ca. 3000M aufgebracht, die nach Hamburg, Altona und Wilhelmsburg abgeführt wurden. Die größten Beträge zeichneten die Vereine.
Das Vereinswesen ist in Altenwerder wie wohl an keinem zweiten Orte ausgebildet; Es gehört hier wahrscheinlich jeder selbstständige Mann wenigstens einem Vereine an.

Augenblicklich sind hier folgende Vereine:

1. Fachvereine:
Milcher-, Fischerei-, Handwerker-, Arbeiter-Verein
2. Politische Vereine:
Ein socialdemokratischer Verein
3. Gesangsvereine:
Einheit, Concordia, gemischter Chor "Edelweiß"
4. Kriegervereine:
Militärverein für Altenwerder und Umgegend
5. Wohltätigkeitsvereine:
Wohlthätigkeitsverein für Altenwerder
6. Gesellige Vereine:
2 Pfeifenklubs, 4 Spielklubs, 1 Frauenklub
7. Zweigstellen von auswärtigen Vereinen:
Verein zur Rettung Schiffbrüchiger in Bremen, Beamten-Verein in Altona, Landwirtschaftlicher Verein Harburg.


Die Entstehung Altenwerders.

Die Bildung der Marschen stellt Hermann Allmers in seinem Marschenbuche wie folgt dar: Von den Körpern, die der Elbstrom in seinem langen Laufe mit sich führt, wie Sand, Schlick, Kalk, Thon und eine Menge animalischer und vegetabilischer Überreste, setzt sich ein Teil, dem Gesetze der Schwere folgend, zu Boden, ein anderer Teil wird am Ufer abgesetzt. Bildungsmaterial für die Marschen waren und sind noch heute plötzliche und anhaltende Regengüsse, durch welche Erde und Staub in den Fluss gespült werden. Am meisten Stoffe zur Bildung von Land geben jedoch dem Flusse die mächtigen schon gelösten Massen von Sand, Lehm und Kalk des niederen Hügellandes und der Ebene seines Gebietes. Herrscht hier langanhaltendes Regenwetter, dann sieht man die geschwollenen Gewässer gänzlich trübe gefärbt. In der Volkssprache wird das Wasser dann als "muddig" bezeichnet. So rauben Quellen und Bäche den Gebirgsbewohnern das Land, um es den Küstenbewohnern wiederzugeben.
Je länger und ruhiger der Fluss dahinflutet, je mehr Nebenflüsse ihm in seinem Laufe zugeströmt sind, und je mehr er sich seiner Mündung nähert, desto mächtiger werden seine Schlammab-lagerungen, welche endlich da, wo Ebbe und Flut beginnen, wo überhaupt der Einfluss des Meeres anfängt, die größte Bedeutung erreichen.
Es entstehen da, wo Ebbe und Flut zusammentreten und gegen einander wirken, gewisse Zeitpunkte, in denen alle Strömung so gut wie aufgehoben erscheint, oder in denen doch die Bewegung des Wassers so langsam ist, dass dieses viele Stoffe fallen lassen muss, die es bis dahin mit fortgerissen hat. Diese Augenblicke, Stauzeiten genannt, sind die wichtigsten Momente für die Bildung der Marschen, und jeder Ruhepunkt zwischen Ebbe und Flut und wieder zwischen Flut und Ebbe trägt mehr oder weniger dazu bei, das entstandene Land zu erweitern. Das salzige Wasser des unteren Stromlaufes enthält eine Menge mineralische Bestandteile, wie Bittererde, Kalk, usw. Sobald nun Süß- und Salzwasser zusammentreten, entsteht ein chemischer Ausscheideprozess; das ausgeschiedene Feste setzt sich ebenfalls zu Boden und trägt zur Bildung der Marschen bei. Die dritte höchst bedeutsame Wirkung zur Marschformation wird durch jenes Sterben der Infusorien hervorgebracht, welches fort und fort erfolgt. Ein Teil dieser Tierchen kann nur leben im Salzwasser, ein anderer nur im Süßwasser; trifft beides zusammen und wird das eine süßer, das andere salziger, so sind die Lebensbedingungen aufgehoben und das Sterben beginnt. So entstanden und entstehen die Marschen.
Durch fortwährende Anhäufung seines Schlammes vor der Mündung verengt ein Strom sich nach und nach selbst seinen Ausgang und muss sich um hinauszukommen in Arme spalten. Auf diese Weise bilden sich Deltas, wie viele große Flüsse darbieten, Rhein, Donau, Nil, Ganges, Wolga, Weichsel und Elbe hier bei uns.
Bis zum 12. Jahrhundert war das Elbtal zur Hochwasserzeit ein Meerbusen, dessen Grenzen an nördlicher und südlicher Seite die Geesthöhen waren. Bei niedrigem Wasser traten die verschiedenen Werder sumpfartig zu Tage. Nebenbei bemerkt, muss die Elbe damals erhebliche Tiefe gehabt haben, denn die Seeschiffe fuhren etwa bis zur Ilmenau-Mündung.
Die ersten geschichtlichen Tatsachen über unsere Insel liegen vor vom Ende des 12. Jahrhunderts, als die frühesten Ansiedler sich in unseren Marschen einfanden und die ersten gemeinschaftlichen Deichanlagen hergestellt wurden.
Der Deich war und ist die erste aller Daseinsbedingungen der Marschen, von dessen Erhaltung das Leben wie das Wohl und Wehe vieler Tausende, ja die Existenz ganzer Landstriche abhängt. Wir haben sie auch zugleich als ersten und einzigen Anlass zu einem ausgebildeten, auf Gesetz und Recht beruhenden Zustand zu betrachten.
Gegenseitige Pflichten und Rechte mussten festgestellt werden; Pflichten gegen den Deich, Rechte auf das dadurch gesicherte Land; Strafen wurden geschaffen für den saumseligen Arbeiter oder den mutwilligen Zerstörer der Deiche; Richter gewählt, um entstandene Streitigkeiten zu schlichten. Den Erfahrensten und Klügsten unter ihnen wurde die Leitung des Ganzen übertragen. Die Vereinigung zur gemeinsamen Arbeit nannte man einen Deichband; dieser Name ist noch jetzt recht gebräuchlich. Das Statut des Deichbandes hieß und heißt Deichrecht oder Deichordnung, und die obersten Leiter und Aufseher des Deichwesens führten den Namen Deichgäfen. In den alten Deichordnungen tritt eine solche Umsicht und Klarheit, und eine der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessene Strenge zu Tage, die uns noch immer mit Bewunderung und Verehrung für den Geist unserer Vorfahren erfüllen muss, wenn sie auch für die heutigen Verhältnisse nicht überall mehr passend erscheint. Noch aus dem 14. Jahrhundert sind friesische Deichordnungen erhalten geblieben, vielleicht die ältesten der bekannten.
Die erste Grundlage aller Deichordnungen bildet der Spruch: "Kein Land ohne Deich, kein Deich ohne Land." Also jedes von den Deichen beschirmte Grundstück ist dienstpflichtig und diese Pflicht ist von dem Lande, worauf sie haftet, unzertrennlich und geht auf jeden Besitzer desselben für alle Zeiten über. Um diesem Grundsatze wieder zu seinem Recht zu verhelfen, hat am 28. Dezember 1892 die Zuschreibung der Deiche an die einzelnen Deich- und Grundbesitzer und die Eintragung ins Grundbuch stattgefunden. Ein anderer alter Spruch lautet: "wer nich will diken, de mot wiken." Hierauf beruht das sogenannte Spatenrecht. Wer die auf seinem Grundstücke haftenden Deichpflichten, namentlich in Notfällen, nicht erfüllte, ging des Eigentums ohne Gnade verlustig.
Dem Eigentümer stand aber selber das Recht zu, sein Grundstück mit den darauf ruhenden Deichlasten aufzugeben. Wollte oder konnte er bei wiederholten und großen Deichschäden die hohen Kosten nicht tragen, so steckte er seinen Spaten in das belastete Grundstück und zeigte dies dem Deichgräfen oder Deichrichter an. Damit entsagte er allen Anrechten an seinem Eigentume. Wer dann den Spaten zog, übernahm die Deichlasten und ward Besitzer des Grundstückes. Fand sich in bestimmter Zeit keiner dazu, so musste der Resignierende sein aufgegebenes Eigentum zurücknehmen; im Falle er jedoch durchaus unvermögend war, nahm die Gemeinde Deich und Land an sich. In den meisten Gegenden ist das Spatenrecht aufgehoben, in anderen besteht es bis heute. Schwerlich wird jemals noch ein Spaten ins Land gestochen werden. Das letzte Mal soll es nach der großen Weihnachtsflut 1717 in Anwendung gekommen sein.
Von einer wahrhaft drakonischen Schärfe waren in einigen alten Deichordnungen die Strafen. Wer nur Bäume, die zum Schutze des Deiches gepflanzt waren, beschädigte, dem wurde die Hand abgehauen; wer seinen Deich in schlechten Zustande hielt, so dass dieser dadurch zum Verderben des Landes einbrach, wurde lebendig samt dem Holze und den Steinen seines Hauses darin bedeicht. (Stedinger Deichrecht 1424.) Und wer mutwilliger und boshafter Weise den Deich beschädigte, wurde verbrannt. Noch in der Deichordnung für das Herzogtum Bremen 1743 kamen ähnliche Strafandrohungen vor. Es heißt auch darin, dass Deichgräfen und Deichgeschworene mit Strenge darauf zu halten haben und mittels harter Bestrafung verwehren sollen, dass bei den Deichen und bei der Deicharbeit, wobei man sonderlich auf die gerechte und sündenstrafende Hand Gottes zurückzusehen habe, nicht geflucht, liederlich geschworen und gotteslästerlich geredet werde. Eine Deichordnung enthält sogar die Bestimmung, dass der Deich ein Freiplatz sein, und ein verfolgter Übeltäter, wenn er gerade am Deich arbeite, nicht eher als nach vollbrachtem Tagewerk verhaftet werden solle, sondern so lange er arbeite, unantastbar sei. Mit soviel Ernste, ja mit solch hoher Ehrfurcht betrachtete man damals die Deiche, aufs tiefste von ihrer hohen Bedeutung und Wichtigkeit durchdrungen.
Noch jetzt bestimmt die hier geltende Deichordnung in § 19: Der Bedarf an Erde und Soden zu den Deichen und ihrem Zubehör, der Deicherde, darf im Gefahrzustande von jedem Grundstücke, wo dieselbe am tauglichsten und mit dem geringsten Zeitverluste zu bekommen ist, entnommen werden. In §§ 55, 56 heißt es: Außer dieser Bewachung und Verteidigung des Deiches zur Zeit des Hochwassers ist die Nothülfe zu leisten, wenn ein Deichbruch drohet oder eingetreten ist, oder wenn sich andere Umstände zutragen, welche das Binnenland der Gefahr der Überschwemmung durch Flusswasser aussetzen. (Außerordentliche Hochfluten, Eisstopfungen usw.) Zu diesen Leistungen sind pflichtig:

1. zunächst die Deichpflichtigen, und dann alle arbeitsfähigen Bewohner der Gemeinde, in welcher der gefährdete oder gebrochene Deich liegt. Wenn aber deren Kräfte nicht genügen
2. die Deichpflichtigen und dann alle arbeitsfähigen Bewohner der angrenzenden Gemeinden;
3. die Bewohner der sonstigen Umgegend.

Die Aufsicht über die Deiche ward im Laufe dieses Jahrhunderts von den Deichgeschworenen und dem Regierungsvertreter ausgeübt. Es findet daher alljährlich zweimal eine Deichschau statt seitens des Obengenannten. Früher war mit dieser Deichschau außer einem Festessen auch ein bedeutendes Trinkgelage verbunden. Im Besitze unseres Gemeindevorstehers Finck befinden sich Abrechnungen, aus denen hervorgeht, was bei der Deichschau im Trinken geleistet wurde. (1820 für 2 Deichschauen 72M ) In enger fast unzertrennlicher Verbindung mit dem ganzen Deichwasser stehen die Schleusen und Siele, obgleich ihre Bestimmung eine der Deiche entgegengesetzte ist. Im Jahre 1755 wurde unsere Schleuse von Christoph von Kölln aus dem Altenlande angelegt.

Pastor Ballauf führt 1803 zwei Siele an.


Geschichtliches.

Die ältesten Nachrichten über unsere Elbinsel habe ich in dem mir von Dr. Voigt in Hamburg gütigst zur Verfügung gestellten Buche: Kleseker, Samml. Hamb. Verfüg. Teil X, 1771, gefunden.
Danach steht fest, dass die ersten Bewohner unserer Elbinsel um ihres Glaubens willen von den heidnischen Völkern verfolgte Flüchtlinge waren. In dem Bestätigungsbriefe, welchen Kaiser Friedrich Barbarossa (1152-1190) dem Erzbischoff von Bremen über dessen Besitz gab, heißt es: Die an der Elbe gelegenen an- und unangebauten Sümpfe und Brüche, welche vormals Kaiser Ludwig der Hamburger Kirche überwiesen habe, seien der Erzkirche überwiesen und bestätigt worden, damit sie sich und das Ihrige vor dem Überfalle der Heiden desto sicherer über die Elbe hin in diesen Orten verbergen könnten.
Kleseker schreibt über Finkenwerder - die Notizen sind auch für Altenwerder zutreffend - : Die ehemals ungemein raue, mit dickem Gebüsche bewachsene, morastige, folglich zur unaufspürlichen Zuflucht geschickte Gegend dieses Eilandes gibt die höchste Wahrscheinlichkeit an die Hand, dass in den mittleren Jahren, da sonst weit sichere Ländereien mit leichter Mühe zu erreichen waren, die bloße Not den Grund zur Bevölkerung einer so gefährlich liegenden Insel gelegt hat.
Wem sind die Verfolgungen der Hamburgischen und Bremischen Kirchen, diese schrecklichen und fortwährenden Verwüstungen, unbekannt? Wo war eine nähere und geschwindere Zuflucht anzutreffen, als in unseren Werdern ? Wenn wir bedenken, dass sich das Vorland derselben bis nach Neuenstädten erstreckte und im Südwesten bis an die Este reichte, so erkennen wir, dass hier für Flüchtlinge aus dem nördlichen und südlichen festen Lande des hamburgischen und bremischen Sprengels eine sichere Freistätte war.
Im Jahre 1412, am Cäcilentage , richtete eine schreckliche Flut, besonders auf den Elbinseln, eine furchtbare Verwüstung an. Bald nachher werden die Inseln als ein verwüstetes und ödes Land beschrieben. Da wandten sich viele Familien aus den Niederlanden, woselbst die Religions-Verfolgungen auf das höchste gestiegen waren, Mitte des 16. Jahrhunderts in die hiesige Gegend und bevölkerten sie.
Zum zweiten Male haben sich also die Elbinseln als Zufluchtsort gedient. Solches waren sie später noch mehrere Male, so im dreißigjährigen Kriege und im Anfang dieses Jahrhunderts unter der französischen Fremdherrschaft.
Den holländischen Kolonisten schreibt man die Anlage von Deichen und Schleusen zu. Die hiesige Familie Finck wird holländischen Ursprungs sein.
Über die Elbinseln und speziell über Altenwerder habe ich in verschiedenen Schriftstücken folgende Nachrichten gefunden: In der Mitte des 12. Jahrhunderts ließ Erzbischoff Hartwig die Marschengegend um Harburg urbar machen, nachdem ihm dieselbe durch den Pabst Ardiam (Hadrian II) überwiesen war. Diese Schenkung wurde, wie vorhin schon bemerkt, vom Kaiser Friedrich I. bestätigt.
Im Jahre 1158 kommt nach Hamburger Urkunden zuerst der Name Gorieswerder vor. Dieses war eine große bewohnte und nutzbringende Insel zwischen Harburg und Hamburg. Sie war eingedeicht. Wahrscheinlich umfasste sie das jetzige Wilhelmsburg, Kattwyk, Krusenbusch, Neuhof und Waltershof. Nach Hübbes Erläuterungen und seiner historischen Karte vom 12. Jahrhundert gehörten auch Altenwerder und Finkenwerder dazu. Geschichtliches ist von derselben folgendes zu finden gewesen: 1192 fiel Graf Adolf von Schauenburg mit seiner Mannschaft von Hamburg aus in in Gorieswerder ein. Da die Einwohner mit ihm ein Freundschaftsbündnis schlossen ist anzunehmen, dass die Insel stark bewohnt und die Bewohner unabhängig waren. 1226 überfiel Herzog Otto von Braunschweig Gorieswerder und zerstörte es. 1293 verschrieb Graf Adolf von Braunschweig die Insel als einen Teil des Witwentums seiner Gemahlin Helene. 1358 wird bereits über eine dortige Kirche und über den Pfarrer Johann geschrieben.
Es ist zweifelhaft, ob eine Kirche in Neuhof oder Rugenbergen gestanden hat; 1649 finden wir sie auf der Karte zu Dankwerths Landesbeschreibung von Schleswig-Holstein auf Rugenbergen stehend. Dasselbe ist der Fall auf der Homannschen Elbkarte. In einer Hamburger Stiftungsurkunde von 1646 heißt es: Wortmer scholen se geven dem Kerck-Herrn (nämlich St. Jacobi in Hamburg) twe Schillinghe to Dancke-Geld vor de Seelen, der ere Lycham rouvet up dem wüsten Kirckhavn in dem Grysenwerder. Das Harburger Amtslagerbuch von 1662 schreibt von einer früheren Kirche im Kirchhofe (Neuhof). Nach Bodemann hat die Kirche dort gestanden, wo jetzt der Köhlbrand fließt.
Durch die große Flut am Cäcilientage 1412 scheint die Bedeichung des Gorieswerder sehr gelitten zu haben; davon wird auch in der genannten Schenkungsurkunde von 1416 Erwähnung getan. Eisstopfungen in dem unteren Teil der alten Süderelbe bei der Graft müssen schon vor 1400 eine Zerreißung des Gorieswerder verursacht haben. Um diese Zeit ist auch der Köhlbrand und Reiherstieg entstanden. Bei dieser Gelegenheit sind früher namhaft gemachte Örter und Besitzungen verschwunden. 1263 wird der Ort Sandow, welcher im Süden der Insel gelegen hat, genannt. 1279 werden die beiden Besitzungen Diborch und Ollungslage erwähnt.
Aus zahlreichen Notizen über Gorieswerder geht hervor, dass die Insel schon in früheren Jahrhunderten eingedeicht war und ein besonderes Kirchspiel bildete.
Altenwerder, in alten Chroniken Oldenwerdere genannt, muss schon weit vor dem Jahre 1400 von Gorieswerder getrennt worden sein, denn es soll schon zur Zeit Ottos des Strengen (1277-1330) eine eigene Bedeichung gehabt haben. Neuhof mit Roß ist dagegen erst im Jahre 1623 eingedeicht. Früher gehörte Altenwerder zu Holstein; im Jahre 1265 aber gab Graf Gerhard von Holstein und Schauenburg die Insel seiner Tochter Luitgarde, welche sich mit dem Herzog Johann zu Lüneburg-Celle zu Hamburg vermählte, als Mitgift. 1396 wurde Altenwerder nebst Finkenwerder, Rethwisch (die jetzige Rethe), Kattwyk, Harburger Weide und Grafenwerder samt dem Fisch und Vogelfang von den Herzögen zu Brauschweig an den Rat zu Hamburg verpfändet; doch sollen die Inseln bald wieder eingelöst sein. Von 1648 bis 1714 war Altenwerder halb schwedisch, halb lüneburgisch; im letztgenannten Jahre kam es ganz an Lüneburg. Georg I., König von England, kaufte für sein Erbland Hannover nämlich die durch Dänemark besetzten schwedischen Gebiete Bremen und Verden und damit auch Altenwerder.
Die in der Elbe entstandenen Sande bei Altenwerder sind Jahrhunderte lang Zankapfel zwischen der Lüneburgischen Regierung und dem Staate Hamburg gewesen. Ebenso haben die Bewohner Finkenwerders und der Dradenau den Altenwerdern die Sande häufig streitig gemacht. Aus den Akten des königl. Staatsarchivs zu Hannover geht hervor, dass wiederholt Zeugen, denen die Hoheitsgrenzen bekannt waren und die Nutzungsrechte auf den streitigen Sanden ausgeübt hatten, vernommen sind.
1640 8. Juli zeigt der Vogt Claves Bliffers an, "dass in der Elbe zwischen Altenwerder und der Dradenow, in Propsien genannt, sich ein Sand legte; er erbitte Befehl, wie er sich deswegen verhalten solle." Hierauf wurde ihm vom Kanzleirat anbefohlen, "Weidenpathen zu setzen und fleißig Acht zu geben, dass die Dradenower oder andere hamburgische Unterthanen darauf nichts weideten, noch sonsten gebrauchten. Falls die Hamburger Soden gestochen oder Vogelhütten verwüstet hätten, solle er dies sofort anzeigen und sich Befehl erholen."
Am 19. August 1643 brachten der Vogt Hans Schwartau und Jürgen Bliffers zu Altenwerder Klagen vor, dass Bürgermeister und Rat zu Hamburg am 12. August durch ihren Wildschützen und zwei mit langen Rohren bewehrte Männer die von dem vorgenannten Vogt auf dem neuentstandenen Sande gegen Abgaben errichteten Vogelpfähle und -Hütten niedergerissen, ferner 19 Lockvögel samt drei Garnen nebst Zubehör weggenommen hätten. Er - Hans Schwartau - bäte, dass er sein Abgenommenes wiederbekäme. Solches wurde ihm auch verheißen.
Am 31. August 1644 zeigte Vogt Hans Schwartau an, dass die Dradenauer auf dem neuerstandenen Sande Soden stächen und in Ewern wegführen. Ihm wurde der Rat gegeben, die voll Soden geladenen Ewer nach Altenwerder zu bringen, hier auszuladen und die leeren Ewer den Dradenauern unbeschädigt zurückzugeben.
Dies ist geschehen, denn in einem späteren Protokolle sagt der Vogt Carsten Lüdders aus, er habe den Dradenauern soviel Soden weggenommen, dass er 25 Ruten an seinem Deiche damit habe machen lassen.
Der vorhin genannte Vogt berichtet am 9. Mai 1646, dass er ein Schreiben vom Landherrn Johann Schwörtering zu Hamburg erhalten habe, in welchem angedroht wurde, dass die Altenwerder, welche auf dem Sande angetroffen würden, gefangen gesetzt werden sollten. Der Vogt bittet um Instruktion. Ihm wurde erwidert, die Harburger Behörde wollte nach Hamburg schreiben, die Altenwerder sollten sich aber ihren Besitz nicht nehmen lassen.
Später sind Streitigkeiten zwischen Finkenwerder und Altenwerder wegen der Sande ausgebrochen. Nach einem Bericht vom 26. April 1669, dem eine Zeichnung beigefügt ist, wurde in Altenwerder ein Termin abgehalten, in dem Bewohner beider Inseln Aussagen machten. Aus diesen Aussagen geht hervor, dass Finkenwerder den Hornsand und Altenwerder den Blumensand für 5 Thaler pro Jahr gepachtet hatten.
Bei diesen Streitigkeiten ist das Harburger Amt Besitzerin geblieben; der streitige Sand, ein Teil des jetzigen Horn- und Blumensandes, ist jetzt lüneburgisch, desgleichen die Fischerei daselbst.
Vom 15. September 1563 liegt ein Protokoll vor, dass auch dadurch besonders wertvoll ist, weil es die ältesten Namen der Besitzer in Altenwerder enthält. Über das Sodengraben im Ellerholz sagen Heinrich Bade, Claus Blivers, Hennecke Nigehus, Heim Lüdders, Bartold Stehr, Bargehovven, Otto Lüdders und Peter Bincks, sämtlich zu Altenwerder, aus, dass ihre Füreltern vor 50, 60, 70, 80 und mehr Jahren die Soden des Orts gestochen und zu ihrem Deich gebraucht, ohne irgend welche Verhinderung.
Über die Kattwyk sagen die Genannten aus, das Wilhelm von der Borg dieselbe zu Lehen von den Fürsten zu Lüneburg innegehabt. Als derselbe gestorben sei, habe er ein Kind hinter sich gelassen neben seiner Frau. Die Frau hat einen andern Mann, Pennhaußen genannt, genommen. Beide sollen, damit sie Wilhelms Gut allein erhielten, das Kind vergeben (vergiftet) haben. Sind auch darum zu Hamburg verbrannt worden, und ist also das Lehen wiederum an den Fürsten gefallen.
Über die Dradenau gaben sie folgendes an: die Kapitularen zu Hamburg hätten die Altenwerder alle Diebe gescholten, und als solches nicht bewiesen werden konnte, seien sie deshalb laut Rechte (Landrecht) jeder mit 60 Thaler bestraft. Als sie die Strafe nicht bezahlen wollten, hat unser gnädiger Fürst und Herr die Dradenau zum Pfand genommen und etliche Jahre den Zins davon heben lassen.
Über die Kattwyk und Dradenau bemerke ich noch folgendes: Erstere wurde später Privatbesitz; im Jahre 1833 aber von den damaligen Besitzern, den Bauern Stubbe und Stoob, beide zu Wilhelmsburg, an die Regierung zu Lüneburg verkauft.
Dradenau hamburgisches Kämmereigut , scheint nach den mir von Herrn Dr. Voigt zu Hamburg gütigst übersandten Angaben bis 1609 unbedeicht gewesen zu sein. Die Häuser der Bewohner haben auf Worten gestanden. Die Bedeichung ist offenbar 1610 erfolgt (natürlich nur Sommerdeich). Hamburgische Untertanen sind zu Handdiensten dabei aufgeboten worden, welches aus der Verabreichung von Brot und Hering folgt, welche Nahrungsmittel damals (und später) den Handdienst-Leistenden gegeben wurden. Die "Vögte" hatten dabei die Aufsicht zu leiten. Nachstehend folgt ein Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben wegen der Dradenau:

1601. Von der Tradenow Jürgen v. Nolte 70 Mk., f. Hans Harmens 100 Mk.
1603. Die Bewohner der Dradenau, Hans Harmens und Lütke Horstmann bezahlen (zusammen) 4 Mk. 2 Schill.
1608. "Den beiden alten Leuten auf der Dradeneau laut Vertrag 20 Thaler = 41 Mark 4 Schilling".
1609. Wegen des Handdienstes zur Dradenau an Hering, Brot und Getränk 89 Mark 3 Schilling, und nochmals 89 Mark 9 Schilling.
1609. (3. Juni) An Hans Ritter up der Tradenow, so die Vögte bei ihm in den Arbeiten verzehrt und vertrunken.
1609. (14. Juni) An Hans Harms, für Alles, so er auf der Tradenow gebaut, abzutreten, laut Vertrages 2200 Mark.
1609. (12. Juli) An Tonnies Manecke, so er mit etlichen Tagelöhnern auf der Tradenow bei Deichen verunkostet für 83 Tage 91 Mark 8 Schilling 6 Pfennig.
1610. (7./I) An Jürgen v. Noltens Erben wegen des Abtrittes der der Dradenau, so sie noch 19 Jahre in Hauer gehabt 2000 Mark.
1619. Wurde Peter Manecke (auch Mancke geschrieben) Pächter beider Teile der Dradenau für 1150 Mark.
1628. derselbe für 1771 Mark auf ein Jahr (es scheint vorläufig bei dieser Pachtsumme geblieben zu sein).
Nach Protokollen aus dem Jahre 1738 war wieder ein Streit ausgebrochen zwischen Hamburg und der Harburger Regierung wegen des Pagensandes zwischen Moorburg und Altenwerder. Doch wurde die Grenze damals durch die beiderseitigen Ingineure festgestellt.
1697 am 27. Und 28. September wurde durch den Grenz-Sekretär Christian Klinger die Grenze des Amtes Harburg auf der Elbe besichtigt und darüber ein Protokoll aufgenommen. Bei dieser Gelegenheit wurden Zeugen aus den umliegenden Ortschaften vernommen. Bei diesen Akten liegt eine Karte vom Amte Harburg aus dem Jahre 1722. Das betreffende Protokoll ist 43 Seiten lang. Folgende interessante Stellen gebe ich aus demselben wieder:

In der Süderelbe, welche mit aller Hoheit, Recht und Gerechtigkeit dem Hochfürstlichen Haus Braunschweig-Lüneburg zugehöret, liegt westlich von dem Lauenbruch die jetzt sogenannte Mohrburg, welche an 3 Seiten mit dem fürstl. territorio, an der vierten aber mit dem bremischen Dorf Franckopen beschlossen wird, an welcher schwedischen Grenze die Schweden im letzten Kriege, um vor dem Einfall aus dem Lande Lüneburg sicher zu sein, eine Schantze unter dem Deiche aufgeworfen.
Dieses itzo so genannte Mohrburg hat vordem der Glindeßmohr geheißen und denen von Hitzacker zugehöret, welche von dem Hochfürstl. Hause Braunschweig-Lüneburg vor langen Jahren damit belehnet gewesen, auch noch jetzo damit belehnet werden und solches noch würklich in Ihrem Lehn-Brieff unter dem Namen Glindeß-Mohr haben. Wie und welcher gestalt die Stadt Hamburg solches Land bekommen, ist ungewiß, weil die jetzigen Herren von Hitzacker, als sie vor etlichen Jahren ihre Lehnstecke sollten specifieren und anzeigen, wie ein und anderes veräußert worden, nicht eigentlich darthun konnten, wie und in welchem Jahres dieses Glindeß-Mohr von ihnen abgekommen, sondern nur vermeinen, es sei gegen eine gewisse Summe Geldes an die Hamburger versetzet.
Ich habe allhier eine Copey von einem alten Vertrage, den Anno 1453 die Stadt Hamburg mit Mancken von Hitzacker errichtet und davon das auf Pergament geschriebene Original im hiesigen fürstlichen Archiv vorhanden, mit beilegen wollen, um dadurch zu erweisen, daß die Stadt Hamburg nicht eben justissimo titulo solches Land besitze. Denn weil Mancke von Hitzacker einen Anspruch auf den Glindeß-Mohr machte, und dadurch in eine offenbare Fehde mit der Stadt Hamburg gerieth, so verschrieb die Stadt demselben und seinen Erben, so lange als er oder diese keine Ansprüche daran mehr machen würden, alljährlich eine Tonne Butter großen Bands und eine Tonne Hering zu geben, welches sie auch bis in voriges Seculum entrichtet.
Wie die hier vorhandenen alten Nachrichten solches darthun, hat Herr Herzog Otto Hochf. Andenkens zu Harburg selbst in einer wieder die Stadt Hamburg Anno 1573 beim kaiserlichen Kammergericht eingebrachten Klage gesaget, daß die Hamburger solchen Glindeß-Mohr oder Mohrburg denen von Hitzacker mit Gewalt abgenommen, auch einen von Hitzacker, welcher desfalls prätension auf den Glindeß-Mohr machen wollen, beim Kopfe nehmen und ohngeachtet der von dem Herzog zu Lüneburg gethanenen Vorstellung, in der Haft jämmerlich umkommen lassen. In diesem Gute der Mohrburg hat Bürgermeister und Rath der Stadt Hamburg sich aller Rechte angemaßet und bis anhero darin ein eigenes zu der Stadt gehöriges territorium machen und behaupten wollen.
Weil es aber, wie angeführet, ein Fürstl. Braunschweig-Lüne-burgisches Lehngut gewesen, und noch ist, und sonder allen Zweifel ohne Consens des großen Lehnherrn veräußert worden, überdem auch höchsteigenhändig Herzog Otto sowohl in angeführter Klage, wie hernach 1579, wie die Stadt denselben beim kaiserl. Kammergericht wegen der in den Mohrs über den Grenzen von den Mohrburgern gemachten, von den Harburgern aber niedergerissenen Deichs belanget, alle Zeit anführet und darthut, daß die Mohrburg in dem territorio und districte des Herzogs von Lüneburg belegen sei, so würde es zu überlegen sein, ob man diese Sache nicht etwas genauer untersuchen, um so viel mehr, als die Stadt Hamburg wegen ihrer eingebildeten Rechte sich auf der Süderelbe zu großem Nachtheil des Amtes Harburg und dessen Hoheit allerhand Jura anmaßet und ihr vermeintliches territorium ganz unleidentlicher weise weiter hinaus auch über die Inseln erstrecken will, ohngeachtet ihnen wohl bekannt, daß wie oben erwähnt, dem durchlauchtigsten Hause Braunschweig-Lüneburg alle Hoheit, Obrigkeit und Gerechtigkeit über den Süderelbe-Strom und darin entstehende Inseln privative zustehen.
Es hat die Stadt Hamburg zwar den alten Namen Glindeß-Mohr ganz abgeschaffet, und das ganze Gut Mohrburg genannt, weil es an einem großen Mohre liegt, und aus diesem die meisten Ländereien aufgebrochen worden, es findet sich aber daselbst noch eine Weide, welche der Glindes-Mohr genannt wird und also genugsam zeiget, daß dieser der in den Lehnbriefen benannte Glindeß-Mohr ist.

Im weiteren Verlaufe des Protokolles spricht der Verfasser seine Verwunderung darüber aus, dass man der Stadt Hamburg verschiedene ansehnliche und einträgliche Inseln, als die Moorburger Weide , Dradenau, das Ellernholz, den Pagensand u.a. überlassen, da doch durch das Urteil des kaiserl. Kammergerichts erwiesen, dass man von fürstlich lüneburgischer Seite das Recht auf der Süderelbe allemal gebrauchet und die in dem Strome entstandenen Inseln dem Hause Harburg zugeeignet habe. Demzufolge sei auch ein vor dem Frankop und Neuenfelde belegener Sand, der Junkersand geheißen, von dem Herrn Herzog Wilhelm Hochsel. Andenkens Anno 1626 dem in dem Herzogtum Bremen befindlichen adeligen Geschlecht der von Düringen als ein Erbzinsgut gegen einen jährlichen canonum übergeben.
"Unter den Sanden," so sagt der Verfasser weiter, "welche die Stadt Hamburg streitig machen will, ist sonderlich das stark vor dem Lauenbruch und der Mohrburg herliegende Blumensand zu nennen." (Zu unterscheiden von dem Blumensande bei der Dradenau.) Das Amt Harburg ließ von dem Lauenbrucher Vorlande ein Stack nach dem Blumensande legen und also für die Lauenbrucher einen Weg beschaffen. Dadurch wurde verhindert, dass die Moorburger ihr Vieh nach dem Blumensande trieben. Auf der 1687 stattfindenden Konferenz machten darob der Bürgermeister und Rat von Hamburg viel Schreiens und Lärmens, und der Pastor zu Moorburg legte von seinem Vorlande ein Stack nach dem hinter dem Blumensande neu entstandenen Sande. Dieses Stack wurde von den Harburgern wieder weggerissen. Nach vieler Schreiberei und nach einer Konferenz beschloss der Herzog, falls der Pastoren-Stack nicht wieder gebaut würde, das Lauenbrucher ebenfalls wieder wegzureißen. Doch Hamburg verschleppte die Sache und das Stack blieb. Das Moorburger Stack scheint ebenfalls wieder hergestellt und verlängert worden zu sein.
Verfasser behauptet, dass Hamburg sich mit Unrecht habe den Blumensand zueignen wollen, wie es sich auch 1631 einen Sand bei der Dradenau unrechtmäßiger Weise angeeignet habe. Bei diesem Strand ist jedoch das Amt Harburg unterlegen, der Blumensand ist heute hamburgisch.
Hierbei sei noch bemerkt, dass Hamburg sich bereits früh in den Besitz Moorburgs setzte, denn schon im Jahre 1390 baute die Stadt im Glindeß-Moor eine Burg, die Moorburg.
1600 wurde Moorburg mit dem Altenlande zusammen eingedeicht. Ausgebrochene Grenzstreitigkeiten wegen Moorburg wurden 1548 durch einen Vertrag zwischen Fürst Otto zu Brauschweig-Lüneburg und Hamburg geregelt.



Kirchliche Nachrichten.

Altenwerder ist schon lange im Besitze einer Kirche gewesen. Vom Jahre 1468 liegt eine Urkunde vor, in welcher Vogt, Kirchenge-schworene und Einwohner den Verkauf eines Erbes bezeugen.
An dieser Urkunde hängt das Siegel der Parochie Altenwerder bestehend aus einem dreieckigen Schild mit einem Maltheserkreuz. Neubauten der Kirche haben stattgefunden 1659 unter Pastor Lindemann, 1769 unter Pastor Niemann und, wie sich noch mehrere Einwohner erinnern werden, 1831 unter Pastor Ballauf. Im letzteren Jahre wurde die jetzige Kirche gebaut. Sie wurde eingeweiht vom Pastor Gilbert mit einer Rede über die Worte aus Moses: Ziehe deine Schuhe aus etc.
Hier sei gleich erwähnt, dass der Pastor Ballauf in seinem Buche: "Die Insel Altenwerder bei Hamburg und Altona in verschiedener Hinsicht betrachtet von Heinrich Ludwig Ballauf, Pastor auf derselben, herausgegeben 1803", folgende hier wohnhaft gewesene Prediger verzeichnet (dem Verzeichnis liegen die Kirchenbücher von 1640-1710 zu Grunde) - Ballaufs Nachfolger führe ich hier mit an - :

1. Heinrich Pruns, gestorben 1575. Ballauf bemerkt, von Pruns sei nicht mit völliger Gewissheit zu behaupten, dass er hier Prediger gewesen, es sei aber mit der höchsten Wahrschein-lichkeit nach zu schließen. Zwischen ihm und dem folgenden Prediger befinde sich eine Lücke von 4 Jahren, wovon er keine Nachricht geben könne.

2. Johann Luthmers, von 1579 bis 1606, also 27 Jahre in Altenwerder Prediger. Alter 57 Jahre.

3. Heinrich Meyer, gestorben den 28. März 1638; 32 Jahre in Altenwerder Prediger gewesen; wurde 66 Jahre alt.

4. M. Martin Lüdemann, von 1638-1671.

5. M. Andreas Kofahl, starb im Juli 1697.

6. Georg Wilhelm Walther, wurde 1702 abgesetzt. Der Grund der Absetzung ist nicht zu ermitteln gewesen.

7. Christoph Heinrich Pollmann, eingeführt den 4. Sonntag nach Trinitatis 1702, gestorben im August 1725.

8. Lucas Christian Meyer, eingeführt den 17. März 1726, ge-storben im August 1737.

9. Ludwig Hartwig Ziehn, als Adjunctus angesetzt den Palmen-sonntag 1735, als Pastor aber eingeführt am Michaelisfeste 1737 und gestorben den 23. Januar 1758, alt 53 Jahre.

10. Gerhard Christoph Niemann, eingeführt am Feste Michaelis 1758, beerdigt den 25.Mai 1771, alt 59 Jahre.

11. Johann Gottfried Thielen, eingeführt am 1. Adventssonntag 1771, gestorben den 4. Juli 1772, alt 37 Jahre.

12. Christian Friedrich Heldberg, eingeführt Michaelis 1772, gestorben den 26. Januar 1799, alt 74 Jahre und 7 Monate.

13. Heinrich Ludwig Ballauf, vorher Hospes und Conventual des Klosters Loccum, dann Pastor zu Dorfmark, in Altenwerder eingeführt am Sonntag Exaudi 1800, starb am 3. April 1834, nachdem er im November 1825 Friedrich Wilhelm August Gilbert zum Kollaborator erhalten hatte. Gilbert heiratete Ballaufs zweite Tochter und wurde 1832 in Ratzlingen, später in Gastorf Pastor. Ihm folgte als zweiter Kollaborator am 1. April 1832 Johann Friedrich August Ludolf Woltmann, welcher am 17. Juni 1832 die dritte Tochter Ballaufs heiratete und im September 1835 Pastor zu Osterwald, dann Superintendent zu Zellerfeld und hernach in Wittingen wurde.

14. Otto Carl Gottfried Daniel Hansemann, am 3. November 1775 zu Breselenz geboren als ältester Sohn des dortigen Pastor, war zuerst Pastor in Heiligenrode, dann zu Moisburg und darauf in Jokobidrebber, wurde am 22. Sonntage nach Trinitatis 1835 in Altenwerder eingeführt und starb am 7. Dezember 1858, 83 Jahre alt.

15. Emil Moritz Anton Eberhard Hansemann, des vorigen ältester Sohn und demselben seit 1851 zum Kollaborator beigegeben; wurde 1861 Pastor in Gr. Lobke und starb daselbst 11. Juni 1888.

16. Moritz Lauenstein. Über dessen Leben hat mir sein Sohn, Herr Dr. med. Carl Lauenstein in Hamburg folgendes mitgeteilt: Moritz Lauenstein wurde geboren den 2. Januar 1810 zu Esbeck unweit Elze als Sohn des Pastors Johann Dietrich Christoph Lauenstein, studierte in Göttingen von 1830 bis 33, gehörte hier mit Bismarck dem Corps Hannovera an. Dann war er Hauslehrer in Kurland und wurde nach bestandenen zweiten Examen Pastor zu Fallersleben, wo er sich am 25. Mai 1848 mit Minna Meyer verheiratete. Dort wurden die beiden ältesten Söhne Moritz und Carl geboren. Im Herbste 1850 bekam er die Pfarre in Gr. Lobke, wo er 10 Jahre blieb und von wo aus er im Herbste 1860 nach Altenwerder kam. 1867 kam er nach Hittfeld als erster Pastor; dort starb er am 17. Mai 1885 im 76. Lebensjahr.

17. Karl Heinrich August Christoph Gottschalk, geboren den 11. Juli 1819; war zuerst Rektor in Lüchow, dann Pastor zu Wustrow; kam am 22. März 1868 nach Altenwerder. Er starb am 2. Januar 1884 zu Hamburg im Krankenhause, wohin er sich wegen einem Nierenleidens begeben hatte.

18. Friedrich Adolf Schmidt, geboren zu Bockenem am 20. Dezember 1832, wurde am 29. Juli 1865 Pastor coll. zu Gr.-Elbe und Pastor daselbst am 18. Oktober 1867; ist seit dem 24. August 1884 in Altenwerder.


Vom Jahre 1468 bis 1640 finden sich nur wenige Nachrichten über Altenwerder vor. Erklären lässt sich dieses aus dem mir von Herrn Pastor Schmidt gütigst mir zur Verfügung gestellten Kirchenbuche von Altenwerder vom Jahre 1640 bis 1710. In diesem Buche heisst es Seite 111: "Ebenso befindet sich eine Lücke zu Anfang dieses Buches, wozu Pastor Lüdemann bemerkt, dass das frühere Kirchenbuch 1640 mit dem Pfarrhause verbrannt sei. Im genannten Buche waren die von 4 Pastoren vor ihm Getauften eingeschrieben. Nur drei sind dem Namen nach bekannt: Pruns, Luthmers und Meyer.

Im Kirchenbuche 1640-1710 werden 1641 folgende Ortschaften zur Parochie Altenwerder gehörig aufgeführt:

1. Altenwerder. Es wurde 1641 bewohnt von 16 Vollhöfnern und 46 anderen Familien. Die Seite zwei des Kirchenbuches verzeichneten 16 Vollhöfner führe ich hier auf:
1. Hans Schwartau
2. Heinrich Lüdders
3. Claus Diercks
4. Paull Lüdders
5. Carsten Lüdders
6. Paull Steer
7. Johann Rübke
8. Gerlost Wittorp
9. Cort Schwartau
10. Paull Lüdders
11. Hans Külper
12. Heinrich Todtmann
13. Peter Steer
14. Hein Lüdders
15. Paul Külper

2. Kirchhofes (Neuhof). Von dieser Ortschaft werden ziemlich viele Namen aufgeführt. Nach einer Nachricht des Amtslagerbuches zu Harburg vom Jahre 1662 ist Neuhof früher selbst im Besitze einer Kirche gewesen. Es heißt wörtlich: im genannten Buche: "Von den jetzigen Einwohnern vom Kirchhofe sind nur zween, so etwas Erbeigenes darinnen haben, als mitten im Lande, da eine Höhe und vor diesem eine Kirche gestanden, wohnen auf dem Kirchhofe." (Vergl. Seite 17) Bis 1740 hielten sich die Bewohner Neuhofs ohne Widerrede zur Kirche in Altenwerder. In diesem Jahre behauptete jedoch Herr von Grote, Besitzer der Insel, die Bewohner Neuhofs seien voluntarié parochiales d.h. freiwillig zur Kirchengemeinde Altenwerder angehörig und er habe daher das Recht, dort eine Kirche zu bauen und einen Pfarrer zu halten. Unterm 30. August 1741 entschied jedoch das Konsistorium zu Ungunsten des Herrn von Grote.

3. Dradenow. Es werden als dort wohnhaft aufgeführt: Michel und Clas Clasen. Die Gebühren an die Kirche zu Altenwerder wurden von Hamburg aus bezahlt. Die folgende Übersicht der von Hamburg gezahlten Gebühren ist von Herrn Dr. Voigt in Hamburg aufgestellt:

1611 (zuerst). Für das Gebäude der Kirche in Alten-werder 15 Mk.
1613, 31./VII. Wegen der Dradenow betalt, de Ge-rechtigkeit der Kerken in Oldenwarder tho erhollen, so in etlichen 3 Jahren nicht uthgegeven 13 Mk.
1614, 10./VI. An Peter Maneke wegen der Kirche in Altenwerder die Gebührnis 3 Mk. 8 Schilling, dem Pastor und Küster 3 Mark und 12 Schilling
1614. Wegen der Tradenow nach Altenwerder 4 Mark 1 Schilling 4 Pfennige
1615. Desgleichen. Der Kirche wegen der Häuser auf Dradenow 29 Mark.
1618. Dem Pastor in Altenwerder 2 Markstücke = 3 Mark 5 Schilling 4 Pfennige. Dem Küster 2 Mark.
1619. Dem Küster 4 Mark, dem Küster 2 Mark (bei der Zahlung dieser 6 Mark blieb es fortan).
1622. Für die Kirche zu Altenwerder 9 Mark.
1632. Wegen Reparierung der Kirche und des Pastoren-hauses zu Altenwerder 45 Mark.
1634. Wegen Reparierung der Kirche 14 Mark.
1640. Wegen des Pfarrhauses Erbauung 75 Mark.
1641. Wegen Wiedererbauung des Pfarrhauses in Altenwerder auf Anhalten des Rates (nämlich des Rates zu Hamburg) 150 Mark, noch auf Anhalten des Hauptmanns Hunecke 150 Mark, und noch 30 Mark.

Die Gebühr an Pastor und Küster zu Altenwerder wurde mit 6 Mark als "herkömmliche Pflicht wegen der Dradenau" 1871 zuletzt bezahlt und 1872 für alle Zukunft mit einer Kapitalzahlung abgelöst.
4. Krusenbusch.
5. Kattwyk

Im Jahre 1641 waren nach dem Kirchenbuche Paul Steer und Hans Külper Kirchenjuraten. 1641 kommen auch zuerst die Namen Werenberg, Oestmann und Meyer vor, 1643 der Name Hans Six.
In den Akten des königlichen Staatsarchivs zu Hannover habe ich noch folgende Nachrichten über Altenwerder, besonders über das Verhältnis der Insel zu dem früheren Erzbistum Bremen gefunden:
In einer kurfürstl. Braunschweig-lüneburgischen Statthalters an das Erzbistum Bremen, was letzteres zur Erbauung einer Kirche in Altenwerder tun will, heißt es: Die Collatur der Altenwerder Kirch ist ist mit der fürstlich bremischen Kirche alternative, d.h. die Besetzung der Pfarre zu Altenwerder geschieht abwechselnd durch die lüneburgische und schwedische Regierung resp. Das Erzbistum Bremen.
Vom 18./IV.1654 liegt eine Bitte der Harburger an die schwedische Regierung in Stade vor. In dieser wird gesagt, dass die Kirche in Altenwerder in einem solch schlechten Zustande sei, dass man sich nicht getraue Gottesdienst darin abzuhalten. Die Einwohner hätten nicht die Mittel, eine Kirche zu erbauen.
Mit dem Bau einer Kirche ist dann auch begonnen, denn am 14./12.1655 bitten die Altenwerder den Herzog Christian Ludwig zu Braunschweig-Lüneburg um Erlass der monatlich mit 23 Thaler 20 Schilling bezahlten Kontribution wegen des Kirchenbaues. Es sind ihnen darauf 30 Thaler bewilligt.
Am 8./V.1656 wird dem Vogt Hans Schwartau befohlen, das Holz der Altenwerder alten Kirche nicht zu verkaufen, sondern erst Befehl abzuwarten.
12./VIII.1656 wird angeordnet, dass ein Platz für 4 Personen für die Regierung reserviert werden soll.
Am 22./IX.1656 wird Befehl zur Anbringung eines fürstlich lüneburgischen Wappens im Kirchenfenster erlassen.
Aus einem Protokoll vom 11./IV.1657 geht hervor, dass die Kirchenvorsteher einerseits auf schwedischer, andererseits auf lüneburgischer Seite gewohnt haben.
Am 6./V.1657 wird der Vogt Hans Schwartau zur Rede gestellt über den für den schwedischen Kriegsrat und die braunschw.-lüneb. Regierung erbauten Kirchenstuhl.
Im Jahre 1659, 10./XII., wurde der Befehl erteilt, auch ein Witwenhaus zu erbauen.
Am 18./VII.1668 wurden die Kirchenvorsteher Hans Lüdders, beinahe 70 Jahre alt, Paul Lüdders, 58 Jahre, und Hein Hoppe, 62 Jahre alt, vernommen:

1. Ob die vorigen Prediger in Altenwerder von lüneburgischer oder bremischer Seite eingeführet seien?

2. Wann Kirchenvisitationen gehalten, ob von bremischer Seite niemals dazu aufgefordert?

3. Ob ein Buß- und Bettag von bremischer Seite allein ausgeschrieben, allda gehalten und ob von lüneburgischer Seite darin gebilligt?

Zu 1. Antworten sie: Heinrich Meyer sei von lüneburgischer Seite sein Nachfolger Gerhard, welcher aber nur 1 Jahr allhier gelebt, von bremischer Seite bestellt worden.

Zu 2. Sie wüssten es nicht, dass von bremischer Seite jemals einer dabei gewesen; bei der Bestellung des Pastor Ludemann sei von bremischer Seite niemand dabei gewesen.

Zu 3. Sie wüssten sich keiner von bremischer Seite ausgeschriebener Bettage zu erinnern.

Bei dieser Gelegenheit zeigte der Vogt Carsten Lüdders an, dass der bremische Vogt von den Altenwerder Kirchengeldern die Hälfte hätte wegnehmen lassen; warum dieses geschehen, wisse er nicht. Der Verwalter vom Mühlenhofe in Buxtehude solle gesagt haben, sie sollten es bis auf weiteren Bescheid wegnehmen. Am 16., Donnerstag Abend habe der bremische Kirchengeschworene aus dem Hause des Küsters den Kirchenschlüssel holen und des Morgens die Betglocke läuten lassen. Wie der Vogt nach der Ursache gefraget, habe er sagen lassen, der Schlüssel sei schon wieder hingeschickt.
Am 24. Mai 1620 zeigte Carsten Lüdders an, dass ihm bei der hohen Wasserflut sein Eigentum auf das bremische Gebiet getrieben sei.
Durch eine Verfügung vom 26./III.1644 wurde den Altenwerdern wegen ihrer Entheiligung der Sonn- und Festtage und weil sie sich nicht zum heiligen Abendmahl hielten, Strafe angedroht.
Am 10./IV.1647 wurde die Anzeige gemacht, dass Hein Benitt aus dem Erzstifte Bremen einen Bewohner Finkenwerders mit Namen Peter Fiensdahl entleibt habe. Benitt sei verhaftet worden. Darauf entstand ein großer Schriftwechsel zwischen dem Erzstifte Bremen und Lüneburg.
Im Oktober desselben Jahres wurde in Altenwerder ein Landgericht abgehalten. Der Vogt Hans Schwartau, Diedrichsen und Hans Külper sagen aus, dass vor vielen Jahren einer mit Namen Joachim Wriede einen Menschen namens Thomas Bornemann auf der Elbe mit einem Fischerhaken erschlagen. Über Bornemann sei damals sei damals ein peinlich Halsgericht in Altenwerder abgehalten, in welchem der Täter dieses Totschlags geständig gewesen und keine Einrede zur Entschuldigung habe einwenden können. Demselben sei das Leben abgesprochen und denn auch sofort in die Mitte auf die Landscheidung geführet und mit dem Schwerte justifizieret worden.
Ein anderer Hein Lüdders war beschuldigt, den Küster in Altenwerder totgeschlagen zu haben. Er bestritt dieses, wurde aber bestraft mit dreimal 60 Mark. Als er später bei einem Brande sein ganzes Vermögen einbüßte, wurde die Strafe auf 25 Mark ermäßigt.
Am 28. Juni 1661 erschien eine Verordnung des Erzbistums Bremen und Verden über Psalme, Kollekten und Gebete, welche bei Dankfesten und Buß- und Bettagen benutzt werden sollten.
Nachstehend lasse ich einen Auszug aus den Totenregistern der Parochie Altenwerder folgen, aus dem zugleich ersichtlich ist, dass die hiesige Gemeinde von Seuchen nicht verschont geblieben ist.
Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen den zehnjährigen Durchschnitt der Gestorbenen.

Es starben:
1657 42 (26)
1667 40 (25)
1668 39 (25)
1673 44 (30)
1678 44 (30)
1679 41 (30)
1685 43 (38)
1693 44 (29)
1697 46 (29) Es herrschten Pocken.
1715 38 (27) Der schwarze Tod.
1719 42 (27)
1727 62 (34)
1729 43 (34)
1733 44 (39)
1738 48 (39)
1739 61 (39)
1740 53 (37)
1743 57 (37)
1751 87 (37)
1756 48 (37) Kriegsunruhen
1757 60 (37) Kriegsunruhen
1758 66 (37) Kriegsunruhen
1763 65 (41) Kriegsunruhen
1772 70 (36)
1792 52 (36)
1795 47 (36)
1814 73 (36) Krieg und Teurung
1829 43 (31)
1832 51 (38) Cholera
1847 73 (39)
1853 74 (62)
1857 74 (62) Cholera
1859 83 (62) Cholera
1860 75 (62)
1861 60 (58)
1866 72 (58)
1871 73 (58) Pocken
1873 85 (64) Cholera
1875 68 (64)
1877 70 (64)
1878 78 (64)
1891 90 (62) Influenza
1892 87 (62) Cholera


Schulwesen.

Vor dem 18. Jahrhundert fehlt jede Nachricht über das hiesige Schulwesen. Im Kirchenbuche wird 1711 ein Küster Johann Ludwig Ritterbusch genannt, der die Getauften eingetragen hat. Die Schule war bis 1837 einklassig. In diesem Jahre wurde die zweite Stelle errichtet und 1856 die dritte. Die dritte Klasse wurde 1876 geteilt, und beide Abteilungen unterrichtete der dritte Lehrer. Im Jahre 1881 wurde die Schule vierklassig und ein vierter Lehrer eingestellt. Ostern 1886 wurde die vierte Klasse geteilt; beide Abteilungen unterrichtete der vierte Lehrer. Außerdem wurde Handarbeitsunterricht für Mädchen eingeführt. Ostern 1890 wurde vierstufig mit auf der Oberstufe getrennten Geschlechtern (also fünfklassig). Ostern 1893 ist noch eine 6. Klasse errichtet, so dass jetzt fünf Stufen, mit getrennten Geschlechtern in der Oberstufe vorhanden sind, mit 4 Lehrern und einer Lehrerin. Ostern 1893 stellte sich die Anzahl der Kinder wie folgt dar: Es waren vorhanden 345 Kinder, davon fielen auf

Klasse V 55 Kinder
Klasse IV 53 Kinder
Klasse III 64 Kinder
Klasse II 69 Kinder
Klasse Ib 53 Kinder
Klasse Ia 51 Kinder

Bis 1837 besaß Altenwerder ein Schulhaus. Dasselbe war 1780 erbaut und enthielt eine Schulstube und die Küsterwohnung. Bei der Errichtung der 2. Klasse wurde ein zweites Schulhaus gebaut. Dieses bis dahin einstöckige wurde bei Errichtung der 3. Klasse in ein zweistöckiges umgebaut. Als bei der Anstellung des 4. Lehrers ein Neubau erforderlich war, wurde das Küsterhaus abgebrochen und dafür 1884 ein Haus mit drei Klassen gebaut. Der auf Neuhof entfallende Anteil an den Baukosten. Etwa 1500 Mk., wurde durch freiwillige Beiträge aufgebracht. Das Haus ist erbaut von den Zimmermeistern Meyer und Rieckmann. Im Nordende, der östlichen Grundmauer befindet sich eine längliche Dose, welche enthält: einige Nachrichten über Altenwerder und über die Veranlassung zum Neubau, je eine Nummer des "Daheim", des "Hamburger Fremdenblattes", und der "Harburger Anzeigen" und die Münzsorten bis zu einer Mark einschließlich.

Als Lehrer wirkten an den einzelnen Klassen der hiesigen Schule:

1. An der ersten Klasse (mit derselben ist der Küster- und Organistendienst an hiesiger Kirche verbunden):

1. Ludwig Bötcher, starb im Mai 1740.

2. Johann Hermann Becker, von 1740-1776.

3. Ernst Dietrich Bohnhorst, von 1776-1782.

4. J. L. Denecke, starb 7. Dezember 1835.

5. Uhde, starb 17. Februar 1837, war vorher Lehrer in Finkenwerder.

6. Joachim Peter Oetjen, geboren den 12. Dezember 1799 zu Kakensdorf, Kirchspiel Hollenstedt, war Lehrer zu Wenzendorf und Reiherstieg, wurde am Reformationsfeste 1837 in Altenwerder eingeführt und war hier 38 Jahre Lehrer und Küster. Am 4. November 1869 feierte der Kantor Oetjen sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum; er wurde 1875 emeritiert und starb am 11. Januar 1885.

7. Peter Heinrich August Wörmer, dem Vorgänger 1875 adjungiert, wurde Neujahr 1890 zum Hauptlehrer der Schule zu Altenwerder ernannt.

2. An der zweiten Klasse:
1. Schmidt, von 1837-1840, starb im Jehre 1840 an der Schwindsucht.

2. Kaiser, von 1840-1857, nacher Hauptlehrer in Reiherstieg I, jetzt emeritiert.

3. Brandes, später Lehrer auf der Veddel, zuletzt Hauptlehrer in Hamburg, starb 1885.

4. Flügge, von 1857-1859, starb an der Schwindsucht.

5. Meyer, später Rektor in Peine, jetzt in Hittfeld.

6. Emme, 1872-1875, nachher Lehrer in Osterholz-Scharmbeck, später in Hamburg, starb 1892.

7. Rudolf Lohmann, seit 1875.
3. An der dritten Klasse:
1. F. Schulz, 1856-1858, jetzt Lehrer in Georgswerder.

2. Krüger (Präparand).

3. Wörmer, von 1859-1864 (s.o.)

4. Brandes, 1864-1866, jetzt Rektor in Lüneburg.

5. H. Oetjen, 1865, starb als Lehrer in Stillhorn, Sohn des Kantors Oetjen.

6. Kohrs, 1865-1866, jetzt Rektor in Lüneburg.

7. Grote, jetzt in Harburg.

8. Friedrich Otte, Jetzt Bäckermeister und Mühlenbesitzer hierselbst.

9. Rudolf Lohmannn, (s.o.)

10. Adolf Lohmann, Bruder des vorigen (Präparand), (s.u.).

11. Krohn, (ertrank beim Baden in Uetersen, wohin er sich zum Besuche seiner Braut begeben hatte.

12. Heinrich Schönemann, seit 1879.
4. An der vierten Klasse:
1. Wilhelm Meyer, 1881-1886, jetzt in Hannover.

2. Adolf Lohmann (s.o.) 1886-1891, vorher Lehrer in Gr. Totshorn, jetzt Inspektor der Lebensversicherung "Victoria".

3. Bosenick, vorher Lehrer zu Meckelfeld b. Harburg.

5. An der 1b (der Mädchenklasse):
1. Lehrerin Anna Körnig, seit 1890.


Sanitätswesen.

Da es hier keine Ärzte gab, mussten in Krankheitsfällen Harburger oder Hamburger Ärzte geholt werden.
In den Jahren 1820-1848 kamen folgende Harburger Ärzte hierher: Dr. Airer, Dr. Appuhn, Dr. Rust. Später vornehmlich: Dr. Strohmeyer, Dr. Wattenberg, Dr. Biermann, außer diesen die Moorburger Dr. Schreier, Dr. Kraft, Dr. Heimer, Dr. Koch.
Stationiert waren hier: Bis 1853 der Wundarzt Kropp, später Dr. Hansemann, gestorben 20. Mai. 1886, und seit 1886 ist Dr. med. Modes hier ansässig.


Sturmfluten.

Weil in früheren Zeiten die Deiche natürlich noch nicht die nötige Höhe und Stärke hatten, richteten damals die Sturmfluten weit erheblicheren Schaden an, als jetzt. In alten Chroniken wird über folgende Wasserfluten berichtet:

1380, am Maitage
1412, am Cäcilientage
1490,
1570, die sog. Allerheiligenflut
1625, am 21. Januar und 26. Februar
1633, im Oktober
1661, am 5. Januar
1717, am 1. Weihnachtstage.
An Deichbrüchen habe ich folgende verzeichnet gefunden:
1736,
1741,
1751, 11. September, Wasserstandshöhe 20 Fuß 2 Zoll ,
1756, 8. Oktober, " 20 Fuß 5 Zoll,
1791, 22 März, " 20 Fuß 2 Zoll,
1792, 11. Dezember, " 20 Fuß 6 Zoll,
1793, 3. März " 18 Fuß 6 Zoll.

Der Deichbruch in der Krümme muss bereits viel früher stattgefunden haben, denn auf Karten vom Jahre 1600 ist die Krümmung im Deiche schon angegeben.
Wann und bei welchen Fluten die einzelnen Bracks entstanden sind, ist nicht zu ermitteln gewesen. Der letzte Deichbruch kam in Altenwerder in der Nacht vom 3. Auf den 4. Februar 1825 vor. Das Rieckbornsche Haus ging dabei verloren. Es stand an der Stelle, wo jetzt das Haus der Witwe J. J. Meyer steht.
Das Wasser erreichte eine Höhe von 20 Fuß 6 Zoll. Im Amte Harburg zählte man 36 Deichbrüche an dem Tage. Im Lauenbrucher Felde ertranken 3, in Finkenwerder 2 Personen. Zur Linderung des entstandenen Elends und Unterstützung der Notleidenden bildete sich ein Comité, und es kamen viele Gaben an Geld und Naturalien zusammen; selbst England sandte Unterstützungen.

In neuerer Zeit fanden folgende Sturmfluten statt:
1885, vom 1. Auf den 2. Januar.
1881, am 14. Oktober.

Bei dieser Gelegenheit lief Waltershof voll Wasser. Diese Flut ist bis heute die letzte der bedeutenden.
Als Gegenstück zu dem Vorstehenden führe ich an, was Pastor Lüdemann im Kirchenbuche schreibt: Im Jahre 1657 hat einige Tage ein so starker Ostwind gewehet, dass aus der Elbe das Wasser so sehr hinweggegangen, dass ich von unserer Insel zu Fuß nach Moorburg habe gehen können, woselbst ich für den damals kranken Prediger eine Leichenpredigt gehalten habe.



Kriegsunruhen.

Im dreißigjährigen wie im siebenjährigen Kriege ist unsere Insel wegen ihrer isolierten Lage von Kriegsunruhen verschont geblieben. In den Freiheitskriegen kamen Altenwerder und Finkenwerder nicht so gut davon. Im Jahre 1811 wurden drei hiesige Einwohner, Carsten Reese, Claus Schwartau und Johann Breckwoldt, gewaltsam von den Franzosen nach Frankreich gebracht und am 1. August 1811 bei der französischen Marine in Toulon eingestellt. Sie machten mit ihrem Schiffe Touren bis nach Genua. Im mittelländischen Meere haben sie eine Seeschlacht mit den Engländern erlebt.
Nach der Schlacht bei Leipzig wurden sie am 8. Mai 1814 von Toulon aus entlassen und marschierten von dort in 7 Wochen nach Altenwerder. Der letztgenannte Kombattant war mein Großvater, der für seinen älteren verheirateten Bruder eingestellt war. Ich befinde mich noch im Besitze seines französischen Passes und eines Briefes, den derselbe am 13. August 1814 von Avignon an seinen Vater geschrieben hat. In denselben berichtet er, sie seien am Tage ihrer Entlassung mit einem Transporte von 250 Mann unter dem Kommando holländischer Offiziere aus Toulon marschiert und wüssten nicht, wohin der Marsch von Avignon ginge.
Während der Fremdherrschaft fanden zahlreiche auswertige Flüchtlinge hier gastliche Aufnahme. Pastor Ludewig aus Harburg berichtet, dass 1814 dortige Gerichtspersonen nach Altenwerder geflüchtet wären.
Französische Douaniers und Offiziere lagen hier in Quartieren. Später wurde Altenwerder von russischen Truppen besetzt, die sehr stark Vieh usw. requirierten, überhaupt nicht als verbündete Truppen auftraten, sondern die Einwohner schwer belästigten. Ältere Leute wissen noch heute zu erzählen, wie in der Zeit das Vieh auf den Boden gebracht ist, um es vor den Russen zu sichern.
Gefechte haben in Altenwerder nicht stattgefunden, wohl aber in den Nachbarorten Moorburg und Lauenbruch.
Am schleswig-holsteinischen Kriege von 1848 haben zwei hiesige Einwohner teilgenommen, der Fischer Hans Lütgens und H. Schuldt.
Den Krieg von 1866 machten drei hiesige Einwohner mit, die auch bei Langensalza gekämpft haben.
Im letzten großen Kriege fochten 28 hiesige Einwohner gegen Frankreich; 20 dienten bei der Armee und 8 bei der Marine. Einer der ersteren mit Namen Behrmann, 2. Comp. Inf.-Reg. Nr. 77, starb den Heldentod bei Langre. Overbeck schreibt in seinen Kriegserin-nerungen über die Kämpfe bei Langre, in denen Behrmann fiel, folgendermaßen: "Langre, eine mit Außenforts umgebene Festung von 25000 Einwohnern, war in französischen Händen und stark besetzt, außerdem schwärmte die ganze Gegend von Mobilgarden und Franktireurs. Vor der Front der Südarmee befand sich obendrein noch Garibaldi mit einem Corps von 25000 Mann. Zwischen uns, den 77., und Langre lag eine Befestigung frei im Felde. Bei der Umgehung Langre's waren wir gesehen worden. Kavallerie und Fußtruppen gingen gegen uns vor und eröffneten aus der Ferne ein schwaches erfolgloses Feuer gegen uns. Schließlich aber warf das Fort noch eine Anzahl Granaten, von denen eine einen Mann der 2. Compagnie namens Behrmann tötete; zwei Mann wurden verwundet. Wie mir erzählt wurde, gesehen habe ich den Toten nicht, da sich der Vorgang etwa 500 Schritte westlich von uns abspielte, hatte die Granate einen Baumstumpf getroffen, war krepiert und hatte der rückwärts fliegende sog. Teller den ganzen Unterkiefer des Mannes fortgerissen, wodurch sofortiger Tod eingetreten war. Es ist dies der einzige Fall während des Feldzuges, dass ein Sprengstück rückwärts geflogen."
Zwei der Kombattanten sind im Feldzuge verwundet, aber glücklich wieder geheilt worden.
Zu Ehren dieser Kämpfer von 1870/71 sind in Altenwerder zwei Denkmäler errichtet; das letzte wurde am 31. Oktober 1886 durch eine Festrede des Herrn Pastor Schmidt eingeweiht. Der Sage nach hat an dieser Stelle, wo das Denkmal am Ostende steht, ein russischer Kosacken-Offizier einen nächtlichen Überfall der Franzosen, welchen diese im Winter 1813 beabsichtigten, durch ein stark hervorgestoßenes Kommandowort zurückgewiesen. Er soll gerufen haben: "Erstes, zweites, drittes Bataillon antreten," die aber gar nicht vorhanden gewesen sind. Die Franzosen sollen den Überfall von Neuhof her über die mit Eis bedeckte Elbe versucht haben.


Unglücksfälle.

Recht oft sind einzelne Fischer aus Altenwerder bei der Ausübung ihres Berufes in der Elbe ertrunken. Ein größeres Unglück ereignete sich jedoch am 11. Juni 1875. An diesem Tage fischte eine große Anzahl Altenwerder und Neuhöfer Fischer mit Störnetzen in der falschen Tiefe an der holsteinischen Seite unterhalb Cuxhaven in der Elbe. Während sie sich in ihren Jollen befinden, erhebt sich ein furchtbarer Gewittersturm aus Süd-Südwest, der den ganzen Nachmittag anhält. Ein Teil der Fischer vertrieb nach Büsum und rettete sich daselbst; einzelne kamen frühzeitig an ihren Ewer und brachten sich damit in Sicherheit; andere trieben an den Buschsand und erkletterten die dort befindliche Baake, an deren Fuße aber noch ein Mann starb. Der Rest musste das Unglück über sich ergehen lassen. Dabei ertranken 9 Personen, 7 Altenwerder und 2 Neuhöfer. Die Schilderung dieser Szenen seitens der Überlebenden sind grausig. Zwei Fischer, Six und sein Knecht, welche keine Rettung sahen, banden sich und die Jolle zusammen, damit mit der letzteren auch ihre Leiber gefunden würden. Sie ertranken beide. Es fehlte auch nicht an wunderbaren Rettungen. Der Fischer Külper, welcher seine Jolle verloren hatte, trieb an einen Mastbaum geklammert, gerade auf den Fischer Oesmann zu und wurde von diesem gerettet, während Külpers Knecht ertrank. Ein anderer Fischer wurde von einer Woge aus der Jolle gerissen, die zweite warf ihn wieder hinein, er wurde gerettet.



Feuersbrünste.

Altenwerder ist wiederholt von Feuerbrünsten heimgesucht worden. Zu verschiedenen Zeiten wurden einzelne Häuser durch Blitzschläge eingeäschert, so das Meiersche, Fincksche, Heitmannsche, Bornhorstsche und Bötchersche Haus. Am 24. Juli 1872, nachmittags 6½ Uhr, brach bei einer enormen Hitze in dem von Leidel und Oesmann bewohnten Hause Feuer aus. Da dieses und die Nachbarhäuser sämtlich Reetbedachung hatten, nahm das verheerende Element bald große Ausdehnung an. Das Feuer sprang von einem Hause auf das andere über; die ganze Häuserreihe war ein Flammenmeer; alle Löschversuche waren unwirksam. Auch von Moorburg wurde eine Spritze gesandt; dennoch war alle Mühe vergeblich. Das Feuer machte erst Halt an dem hartbedachten Breckwoldtschen Hause, welches auch noch erheblich beschädigt wurde. Unterdessen war von Hamburg eine Dampfspritze eingetroffen, die tätig mit eingriff. Am entgegengesetzten Ende brannte es bis zum Lüdderschen Hause, dort gebot die große Entfernung bis zum Nachbarhause dem Feuer halt. 25 Wohn- und 2 Nebengebäude lagen in Asche.
Zur Unterstützung der Abgebrannten bildete sich hier ein Comité, bei dem Geld, Lebensmittel und Kleidungsstücke recht erheblich eingingen. Über die Entstehung des Feuers ist nichts bekannt geworden.
Am 14. August 1879 entstand in dem Rieckmann gehörigen, von Wiechern bewohnten Hause ein Feuer, welches ebenfalls eine große Ausdehnung annahm. Es brannten 5 Häuser nieder.
Die letzte Feuersbrunst war hier im Vorjahre, bei der bekanntlich das Borchersche Haus eingeäschert wurde.


Schifffahrt.

Die Bewohner Altenwerders sind wegen ihrer Lage auf Schifffahrt und Fischerei angewiesen. Schifffahrt muss jeder treiben in Alten-werder: der Landwirt, um seine landwirtschaftlichen Produkte nach dem Markte zu schaffen; der Milchhändler, um in Hamburg und Altona die Milch in die Häuser zu bringen; der Fischer, um seinen Fang zu veräußern; der Arbeiter, um auf den Arbeitsplätzen der Nachbarstädte Beschäftigung zu finden. Es wird daher interessieren, wenn ich im Nachfolgenden die allmähliche Entwicklung des Schiffsverkehrs zwischen Altenwerder resp. Harburg und Altona-Hamburg darstelle:
Die erste regelmäßige tägliche Verbindung Altenwerders mit Altona und Hamburg stellten die Milchhändler mit ihren Ewern, welche zum Transporte der Milch dienten, her; dieselben nahmen auch Passagiere gegen Fahrgeld mit. Die Entstehung des Milchhandels nach Hamburg und Altona ist jedenfalls bedeutend jüngeren Datums, als der Betrieb der Landwirtschaft und Fischerei, denn erst im Jahre 1536 wurde das erste Haus von Altona, "der Krug Altona", erbaut. In den ersten Jahrhunderten nach Erbauung dieses Hauses war die Bedeutung Altonas eine minimale. Wann der Milchhandel begonnen hat, lässt sich nicht genau feststellen; die ältesten Nachweisungen haben mir vom Jahre 1770 vorgelegen. Pastor Ballauf schreibt 1803: Die Milchhändler fahren in sieben Ewern nach Hamburg und Altona. Damals hatte also der Milchhandel schon eine bedeutende Ausdehnung angenommen, denn man muss bedenken, dass Altenwerder zu der Zeit erst 1000 Einwohner hatte.
Außer diesen Milchewern vermittelten den Verkehr das Kochsche Fahrzeug, welches mit den Ergebnissen der Fischerei nach dem Hopfenmarkte in Hamburg fuhr, und von 1827 an der Schiffer Becker; 1829 kam noch der Schiffer Holst hinzu, der ebenfalls Passagiere und Grünwaren beförderte.
Die Harburger Schiffergilde befand sich seit 1564 im Besitz eines Privilegiums, des Harburger Schiffer-Reglements, das am 1. August 1788 erneuert wurde. Danach stand der Gilde das alleinige Recht zu, Personen und Sachen von Harburg aus gegen Entgelt zu befördern. Die Harburger betrieben dieses mit ihren sog. Postewern durch den Köhlbrand nach Hamburg. Ferner fuhren auch von Moorburg und Lauenbruch Milchleute nach Hamburg und Altona und nahmen Passagiere und Güter mit.
Dass dieser Verkehr nicht immer glatt abging, sondern oft mit Gefahren und Unannehmlichkeiten verbunden war, geht aus den vielen Beschwerden der Passagiere über zu lange Fahrt und aus den beiden Tatsachen hervor, dass am 28. Oktober 1826 ein Lauenbrucher Milchewer bei Krusenbusch und am 23. Dezember 1836 ein Moorburger Ewer umsegelten. Beide Male ertranken viele Personen, beim letzten Unglücke wurden nur acht gerettet.
Im Winter, wenn das Eis stand, wurde der Verkehr mit Schlitten aufrecht gehalten. Trat bei Eisstand Tauwetter ein, so dass die Eisbahn unsicher wurde, machte man die Fahrt mit sog. Eiskähnen. Unter diesen waren eiserne Schienen angebracht. Hielt das Eis, so wurde der Kahn von der Besatzung, die zur Seite ging, fortgezogen; brach dann der Kahn durch das Eis, so sprangen die Männer auf den Rand des Kahnes.
Oft dauerte der Eisstand so lange, dass das Erwerbsleben dadurch sehr beeinträchtigt wurde. Dann wurde wohl das Eis auf der Elbe aufgebrochen. So kamen am 16. März 1829 50 Schiffer und Arbeiter von Harburg, um das Eis im Köhlbrande aufzubrechen. Trat plötzlich im oberen Gebiete der Elbe Tauwetter ein, so sandte die Regierung Pioniere, um die Elbdeiche, die durch das Auftauen des Eises bedroht wurden, vor Brüchen zu bewahren. Im Jahre 1862 war hier ein Detachement Pioniere und versuchte, das Eis im Köhlbrand durch sprengen zum Aufbruch zu bringen. Die Deichbrüche bei Darchau im Jahre 1888 veranlassten die Regierung Preußens, Dampfschiffe zu bauen, die sich wegen ihrer besonderen Bauart und ihres geringen Tiefganges zum Brechen des Eises eignen; es sind die sog. Eisbrecher. Solche hat die Hamburger Behörde seit 1876 im Betriebe. Die Eisbrecher sind im vorigen Jahre auf acht vermehrt und haben, wie es aus dem letzten Winter erinnerlich sein wird, glänzende Resultate erzielt.
Georg I., Kurfürst von Hannover, König von Großbritannien, wollte, um eine größere Handelsverbindung Harburgs mit England herzustellen, einen Hafen für größere Segelschiffe in Harburg anlegen. Im Jahre 1722 ließ er zu dem Zwecke das Fahrwasser des Köhlbrandes ausmessen und Baaken und Tonnen auslegen. Allein der Plan, den Wasserweg durch den Köhlbrand zu führen, scheiterte, da derselbe für größere Schiffe nicht immer passierbar war. Damals wurde also der Köhlbrand zuerst als Hauptfahrstraße in Aussicht genommen.
Georgs Nachfolger, Georg II., nahm die Idee wieder auf. Es wurde ihm nach London eine Bittschrift überbracht, nach welcher beabsichtigt wurde, die alte Süderelbe zu vertiefen, um dadurch eine Schifffahrt zwischen Blankenese und Harburg zu bewerkstelligen; man wollte hierdurch zugleich bezwecken, das Fahrwasser von Hamburg nach und nach ganz wegzuziehen. Man sah jedoch bald die Unmöglichkeit des beabsichtigten Projektes ein und ließ es fallen.
Am 17. Juni 1816 erschien das erste Dampfschiff auf der Elbe, die "Lady oft he Lake". Dasselbe kehrte am 24. Juli 1817 nach England zurück. Das war der Anfang großer Umwälzungen in unserem ganzen Schiffsverkehr.
Vom 1. Juni 1818 ließ die Firma Klendzen in Hamburg das erste Dampfboot "Neptun" benannt, zwischen Hamburg und Harburg fahren. Dasselbe war mit einem Rade hinten ausgestattet und entwickelte so wenig Kraft, dass es bei starkem Strome still liegen musste. Der Volkswitz nannte es "Schmöker". Dieses Schiff fuhr bis in die dreißiger Jahre. 1836 kam das erste Kohlendampfschiff in Hamburg an.
Behufs Regulierung des Fahrwassers im Köhlbrande und Entlastung der Deiche wurde 1835 mit der Anlage der Stacks begonnen; das erste war das sog. Bullerstack bei Altenwerder.
Am Mittwoch, den 1. Mai 1839, begann der erste Harburger Dampfer, der "Kronprinz von Hannover", Kapitän Tewes, seine Fahrten. Es war dieses das erste hannoversche Dampfschiff. Es hatte eine Länge von 120 Fuß, eine Breite von 20 Fuß und einen Tiefgang von 3 Fuß. Der Preis betrug 75,000 M. 1840 wurde das kleine Dampfboot "Primus" in Tätigkeit gestellt. Es machte folgende Touren: morgens fuhr es von Hoopte nach Harburg, woselbst es um 8 Uhr ankam und von dort nach Hamburg; um 9 wieder nach Harburg, um 11 nach Hamburg, um 2½ nach Harburg und weiter nach Hoopte. Am 1. Oktober setzte die Firma Klendzen ein anderes Dampfschiff, die "Alexandrine", welches vorher zwischen Hamburg und Boitzenburg gefahren hatte, hier in Tätigkeit. Neptun wurde außer Fahrt gestellt. Am 1. März 1843 wurde die Alexandrine "Phoenix" genannt. Im Sommer 1844 legten die Harburger Dampfschiffe zuerst in Altona an.
In der Nacht vom 7. Auf den 8. August 1844 verbrannte an der Harburger Landungsbrücke das Dampfschiff "Kronprinz von Hannover". An seiner Stelle nahm das Winsener Dampfschiff "Delphin" die Fahrt auf.
Von großem Einflusse auf die Dampfschifffahrt war die Eröffnung der Altona-Kieler Eisenbahn am 18. September 1844 und die Veröffentlichung des Schifffahrtsvertrages zwischen Hannover und Hamburg am 28. Dezember 1844. Mit diesem Tage hörte das Privelegium der Harburger Schiffer auf. 1846 wurde an Stelle des "Kronprinzen von Hannover" ein neuer Dampfer, der "Courier", gebaut, der ausgangs Oktober seine Fahrten begann. 1846 wurde die Fährstelle der Harburger Dampfschiffe in Altenwerder eröffnet. Am Sonnabend, den 6. März 1847, kam die erste Lokomotive mit 2 Personenwagen in Harburg an, und am 1. Mai desselben Jahres wurde die Strecke Hannover-Harburg eröffnet. Diese Bahn und die großen Truppentransporte von 1848 von Harburg nach Altona machten die Dampfschifffahrt Harburg-Hamburg zu einer sehr respektablen. Am 4. November 1848 wurden Versuche zwischen Harburg und Hamburg mit dem elektrischen Telegraphen angestellt. Im Jahre 1850 wurde den aus See kommenden, nach Harburg gehenden Schiffen der Stader Zoll erlassen.
Im Jahre 1850 wurde in Harburg das erste Seeschiff erbaut; ferner eröffnete man eine direkte Dampfschiffverbindung zwischen Harburg und England. Die vier Hamburg-Harburger Dampfschiffe, Primus, Phönix, Delphin und Courier, wurden in den sechziger Jahren sämtlich erneuert, behielten aber die alten Namen.
Im Jahre 1864 ließ der Schiffsreeder Koch in Altenwerder seinen bisher zur Fahrt nach Hamburg benutzten Ewer eine Dampfmaschine einsetzen und gestaltete denselben zu einem Schrauben-Dampfschiffe. Er benannte ihn "Fortschritt". Es war in der Tat ein großer Fortschritt, denn es trat damit ein Wandel in unseren Verkehrsverhältnissen ein. Das Dampfschiff hatte pekuniär die besten Erfolge und genügte bald nicht mehr.
Unter Koch's Leitung bildete sich eine Gesellschaft zur Beschaffung eines neuen Schrauben-Dampfschiffes, welches den Namen "Altenwerder" erhielt und 1866 seine Fahrten begann. Dieses benutzten außer den Fisch- und Grünwarenhändlerinnen auch die Milchhändler, welche bis dahin in Ewern nach Hamburg gefahren waren. Bald danach ließen sich auf Veranlassung der Herren Becker und Holst die nach Altona fahrenden Milchleute ebenfalls einen neuen Dampfer, einen Raddampfer bauen, welcher den Namen "Union" erhielt und am 8 Mai 1866 seine erste Fahrt machte. Die dadurch außer Tätigkeit gekommenen Milchewer wurden sämtlich verkauft.
Im Jahre 1884 wurde infolge eines Bittgesuches regierungsseitig der Altenwerder Hafen erbaut. Zu derselben Zeit ging die hiesige Landungsbrücke, deren Erbauung 1866 wegen der Platzfrage eine große Erregung verursachte und bis dahin Eigentum der Fährbesitzer Koch und Nieber war, durch Kauf in den Besitz der Gemeinde Altenwerder über. Die Dampfschiffe wurden veranlasst, vom 1. September 1884 an jede Tour in Altenwerder anzulegen. Das war ein bedeutender Fortschritt, denn bis dahin mussten die Passagiere mittels Kähne an die mitten auf der Elbe haltenden Dampfschiffe gebracht werden. Dieser Fährbetrieb war sehr umständlich und auch mit Gefahr verbunden; so kam am 3. März 1871 der Fährkahn wegen Überfüllung zum Kentern, glücklicherweise wurden alle Personen gerettet.
In der Kochschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft kam es am 1. Mai 1872 zu einer Trennung. Ein Teil derselben behielt das Dampfschiff "Altenwerder", während Koch die "Energie", welche bis dahin zwischen Neuenfelde und Hamburg gefahren hatte, ankaufte. Doch fand nach fünf Jahren, nachdem sich herausgestellt hatte, dass "Altenwerder" mit einer Unterbilanz arbeitete, wieder eine Vereinigung statt. Das Schiff "Altenwerder" wurde nach Borstel verkauft und fährt noch heute unter dem Namen "Borstel" zwischen dort und Hamburg. Nach dem Verkauf dieses Schiffes ließ Koch im Jahre 1879 in Roßlau a. E. einen neuen Dampfer, die "Hammonia" bauen.
Die Gesellschaft "Union" verkaufte 1892 ihren Dampfer nach Finkenwerder und gab bei der Schiffswerft von Jansen & Schmilinsky in Hamburg eines Schraubendampfschiff in Bestellung, welches seit November 1892 unter dem Namen "Union" fährt. Diese beiden Altenwerder Schiffe laufen pro Stunde über 12 Knoten (ca. 22 Kilometer).
1890 setzte die Hamburg-Harburger Dampfschifffahrtsgesellschaft einen fünften Dampfer, den "Köhlbrand", für die Wintermonate in Fahrt, derselbe fungiert auch gleichzeitig als Eisbrecher. Im Jahre 1893 wurde "Delphin" zum vierten, "Phönix" zum dritten Male erneuert. Von Moorburg fahren seit Jahren ebenfalls 2 Dampfer nach Hamburg, "Moorburg I und II", welche hier auch anlegen und Personen und Güter mitnehmen. Trotz des strengen Winters im Vorjahre ist es den vereinten Bemühungen gelungen, den Verkehr zwischen Harburg-Hamburg in der Elbe aufrecht zu erhalten.?


Postwesen.

Unsere Postverkehrs-Verhältnisse waren unter der früheren hannoverschen Regierung sehr mangelhaft. Bis 1861 wurden die für Altenwerder bestimmten Postsendungen von dem Harburger Postamte nach dem Gastwirte und Tierarzte Timm in Hamburg gesandt. Dort lagen sie so lange, bis sich Gelegenheit bot, sie nach Altenwerder zu befördern. Dieses geschah zum Teil durch Personen aus Altenwerder, welche in der Wirtschaft einkehrten; zum Teil wurden die Sachen auch von dem Boten der Totenlade Redenz aus Harburg abgeholt und an die Adressaten verteilt. Der Bote machte auf jeden Brief beliebigen Aufschlag. Die an das Amt in Harburg gerichteten Briefe mussten durch Mitglieder der Familie Lütgens befördert werden. 1861 trat insofern eine Besserung ein, als auf Veranlassung des hiesigen Pastors Lauenstein eine Botenfrau zweimal wöchentlich bestimmt nach Harburg fuhr, die Postsachen abholte und hier austrug. Beliebige Botenaufschläge fanden auch dann noch statt.
Nach der Vereinigung Hannovers mit Preußen 1866 wurde das Postwesen umgestaltet.
Am 1. April 1870 ward in Moorburg eine Postexpedition errichtet, welche am 1. Januar 1872 in eine Postagentur umgewandelt wurde. Derselben wurde Altenwerder als Landbestellbezirk zugeteilt. Von Moorburg aus fand werktäglich einmal hier eine Bestellung statt. Sonntags fiel die Bestellung aus.
Die Besorgung der Postsendungen ging jetzt glatt von statten. Leider wurde aber Ende der siebenziger Jahre ein Bote in Moorburg angestellt, der stark dem Trunke ergeben war und sich sehr nachlässig in der Bestellung der Postsachen zeigte. Beschwerden wurden aus Rücksicht auf die Familie des Postboten nicht eingereicht. Als derselbe sich aber 1881 entleibte, wurde nach vorheriger Besprechung mit dem Postdirektor in Harburg von einigen hiesigen Einwohnern ein Gesuch um Einrichtung einer selbstständigen Postanstalt in Altenwerder bei der Oberpostdirektion in Hamburg eingereicht. Das hatte Erfolg. Am 5. April 1882 wurden die Bittsteller benachrichtigt, dass die oberste Postbehörde die Errichtung einer Postagentur in Altenwerder genehmigt habe. Dieselbe wurde am 16. Mai 1882 eröffnet und dem Verfasser dieses übertragen. Als Landbestellbezirk wurden der Postagentur zugeteilt: Kattwyk, Krusenbusch, Klein- und Groß-Dradenau, Waltershof, Rugenbergen, Mühlenwerder. Die Bestellgänge werden für Altenwerder und Waltershof täglich zweimal durch einen Postboten ausgeführt, während die übrigen oben genannten Ortschaften eine einmalige Bestellung haben. Seit dem 16. Mai 1882 ist der Landbriefträger Wedel hier angestellt. Der zunehmende Postverkehr machte die Anstellung eines zweiten Boten notwendig, die 1890 erfolgte, in welchem Jahre der Posthilfsbote Eickhoff in Dienst trat.
Es kommen und gehen jetzt werktäglich 3 Posten, sonntäglich eine Post. Die Beförderung genügt den Ansprüchen vollkommen; die Hamburger Morgenzeitungen befinden sich z.B. schon teilweise morgens um 7½, die Mittagszeitungen um 3½ in den Händen der Leser. Bis 1884 wurden die nach hier gerichteten Telegramme von Moorburg aus bestellt. Seit 1884 hat Altenwerder Telephon-Verbindung mit Finkenwerder.



Fischerei.

"Die Elbe ist ein ganz fischreich Wasser, so allerhand Gattung von Fischen darreichet, insbesonderheit aber im November, Dezember und January große Quappen und Neunaugen, im February auch Neunaugen, aber keine Quappen, im März und Aprilli Lächße und Stinte, im Mai, Juny und July Lächße und Stöhr, im August Reesen und Breßen, im Septembris Reesen und Schnepel und im Oktobris Schnepel und Neunaugen, sonsten aber das ganze Jahr durch Hechte, Bärße und allerhand geringe Fische darauß gefangen werden pp.", so lautet Kap. 1 des Amtslagerbuches zu Harburg vom Jahr 1667.
Man wird unwillkürlich die Frage aufwerfen: Mit was für Netzen fischte man damals? Man hatte zu der Zeit fast genau dieselben Netze wie heute, nur haben diese im Laufe der Jahre vielfache Verbesserungen erfahren. Im 15. Jahrhundert verlangten die Hamburger Amtsfischer den Grevenhofer Fischern solle verboten werden mit Lachsgarnen, Hamen, Reusen, Stintpahlen und "seynen" (Zugnetze) zu fischen. Ferner werden in Altonaer Urkunden vom August 1611 Butt- und Reesengarne, Hamenanker, und Dreppen als Fischereigeräte, Hudefässer als Aufbewahrungsgefäße und Ewer und Kähne als Fahrzeuge aufgeführt. In einer Harburger Urkunde vom 26.IV.1669 wird das Wort "Schütten", d.i. Absetzen flachen Stellen mit einem Zugnetze (Seide) gebraucht. Als Fischplätze werden Böhrden und Driften, die Elbe hinunter bis Freiburg und bis in die "solte See" angegeben. Der Verkaufsplatz der Fische befand sich bei der Holzbrücke in Hamburg (Hopfenmarkt). Die ältesten Urkunden über die Fischerei sind meines Wissens in Dr. Ehrenberg's Buche "Altona unter Schauenburgischer Herrschaft" enthalten. Interessant ist ein Streit, der zwischen Altonaer Fischern und dem Hamburger Fischereiamt entstanden war. In diesem Zwiste waren nicht nur die Altonaer, sondern auch sämtliche Elbfischer aus unserer Gegend beteiligt. Der Streit mit den Altenwerdern hat sich hingezogen bis in die Mitte dieses Jahrhunderts. 1834 und 1856 beschwerte sich Hamburg wegen Übergriffe der Altenwerder Fischer im Köhlflete. Die Hamburger Amtsfischer beanspruchten für sich die Fischerei bis Blankenese und machten den Altenwerdern die Fischerei im Köhlflete und bei der Dradenau streitig. Die Hamburger Amtsfischer waren von vornherein gegen die übrigen Fischer im Vorteil, weil diese den Hamburger Markt als Verkaufsplatz für ihre gefangenen Fische benutzen mussten. Jene kauften die Fische von den holsteinischen und hannoverschen Fischern und schickten ihre sogenannten Manger-Ewer bis Freiburg hinunter, um dort Fische aufzukaufen. Da nun die Hamburger Aufkäufer den holsteinischen Fischern für ihre Ware nur Spottpreise zahlten, vereinigten sich diese und schickten ihren Fang selbst in einigen Ewern nach dem Hamburger Markt, während das Gros die Fischerei weiter betrieb. Auf diese Weise erzielten sie bedeutend bessere Preise. Das gefiel natürlich den Hamburger Amtsfischern nicht, und es kam daher bei der Holzbrücke oft zu Reibereien. Die Hamburger Amtsfischer prügelten ihre Konkurrenten, schlugen deren Hütefässer entzwei und setzten die Fische wieder in die Elbe. 1609 erreichte der Streit seinen Höhepunkt. Die beiderseitigen Regierungen mischten sich ein; aber die Verhandlungen führten zu keinem Resultate. Später erlosch die Fischerfehde von selbst. Um die Streitigkeiten beizulegen, hatte Graf Ernst von Schauenburg die Errichtung eines Fischmarktes in Altona vorgeschlagen. Den Gedanken erklärten jedoch die alten Fischer für nicht ausführbar, weil sie ihre Fische daselbst nicht verkaufen könnten. ?



Die fiskalischen Fischereien bei Altenwerder.

Allgemeines über die Fischerei.

Diese Kapitel sind noch nicht erfasst worden.

Auszug aus dem Kirchenbuche.

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
 1641        17        -        13
1642 28 9 11
1643 30 8 12
1644 38 9 10
1645 24 4 19
1646 34 10 16
1647 29 6 9
1648 21 8 12
1649 24 3 16
1650 18 6 20
Summe 263 63 138

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1651 17 7 14
1652 24 6 19
1653 26 11 29
1654 32 9 34
1655 31 9 27
1656 36 6 33
1657 44 12 42
1658 30 10 30
1659 36 14 23
1660 50 16 16
Summe 326 100 267

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1661 27 21 17
1662 29 23 10
1663 29 7 27
1664 34 8 22
1665 25 10 26
1666 38 11 24
1667 24 8 27
1668 27 8 40
1669 34 7 39
1670 26 5 21
1671 fehlt 5
Summe 293 113 253

Von 1671 sind die Gestorbenen nur unvollständig verzeichnet.

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1672 36 8 26
1673 20 11 44
1674 28 12 24
1675 26 8 17
1676 26 11 28
1677 31 9 20
1678 27 6 44
1679 23 9 41
1680 22 17 30
1681 19 10 28
Summe 258 101 302

Jahrgang
Getauft Getraute Paare Gestorben
1682 31 13 32
1683 40 8 18
1684 28 7 52
1685 30 18 43
1686 30 11 27
1687 40 4 36
1688 38 8 26
1689 41 9 26
1690 36 11 32
1691 28 9 29
Summe 351 98 321

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1692 29 15 29
1693 32 13 44
1694 24 7 35
1695 33 18 35
1696 34 10 17
1697 35 11 46
1698 39 5 18
1699 21 11 25
1700 29 4 22
1701 38 7 27
Summe 314 101 298

Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1702 29 4 28
1703 22 9 20
1704 32 9 27
1705 29 6 24
1706 28 9 26
1707 23 10 12
1708 32 7 14
1709 23 10 19
1710 32 7 7
Summe 250 71 204

1711 27 8 27

Bemerkung. Vom Jahre 1711 sind die Getauften nur von Ostern an verzeichnet, nämlich durch den damals hier angetretenen Küster Johann Ludwig Ritterbusch.
Die von 1711 Getrauten sind nur von Ostern an verzeichnet.


Jahrgang Getauft Getraute Paare Gestorben
1712 31 6 31
1713 24 6 23
1714 30 11 29
1715 34 14 38
1716 33 9 18
1717 24 8 18
1718 35 11 20
1719 32 4 42
1720 24 7 25
1721 24 21 26
Summe 291 97 270

Den Rest diesen Kapitels muss ich noch erfassen.


Verzeichnis der beigefügten Karten.

Karte 1: Fischerewer von Altenwerder und Ewer mit zwei ausgestellten Hamen. Die Öffnungen sind gegen den Strom gerichtet.

Karte 2, 3 und 4 zeigen die Veränderung der Elbinseln. Bei diesen drei Karten ist Norden unten, während bei allen folgenden oben Norden ist. Die Insel Gorieswerder auf Karte 2 umfasste etwa das jetzige Altenwerder, Finkenwerder, Dradenau, Neuhof und Waltershof. Stillhorn und Rethwisch (hohe Schaar) bildeten besondere Inseln. Ums Jahr 1400 (3. Karte) sind Altenwerder und Finkenwerder bereits von Gorieswerder getrennt und eingedeicht. Im Jahre 1600 (4. Karte) hat eine vollständige Zerreißung Gorieswerder stattgefunden. Diese 3 Karten sind nach Hübbe's historischen Karten, welche seinen "Erläute-rungen zur historisch-topographischen Ausbildung des Elbstroms und der Marschinseln" beigegeben, gezeich-net.

Karte 5 ist die Kopie einer Skizze vom 26./IV. 1669. Letztere befand sich in den Akten des honnoverschen Staatsarchivs und betrifft den Streit zwischen den Altenwerdern und den Dradenauern um die zwischen beiden Inseln gelegenen Sande.

Karte 6 ist ein Teil der Homannschen Karte "Prospekt und Grundris der Kaiserl. Freyen Reichs und Ansee Stadt Hamburg sammt ihrer Gegend" nebst einer Ansicht von Hamburg (1702-1724). Sie scheint nach einer Karte von Christiano Mollero gezeichnet zu sein, welcher dieselbe 1628 dem Senat von Hamburg schenkte. Nach beiden Karten hat auf Waltershof eine Kirche gestanden.

Karte 7 ist ein Teil einer Karte vom Jahre 1722: "Karte von der Elbe zwischen dem Einfluß der Auwe und Este samt der Lüneburgischen Landgrenze". Dieselbe scheint nicht genau gezeichnet zu sein; es ist z.B. die Krümm bei Altenwerder, welche nach Hübbe's Karte schon 1600 vorhanden war, nicht angegeben.

Karte 8: Altenwerder in seiner jetzigen Gestalt nebst seiner Umgebung.















Karte Nr 6 und 8 fehlen in meinem Exemplar. Ich wäre sehr dankbar wenn ich einen Scan bekommen könnte.