Erntefestzug in Moorburg
Am letzten Sonntag hat man sich wider einmal freuen dürfen an einem alten, schönen Brauch. Der "Grusort" hat aus alter Zeit sein volkstümliches Erntefest herübergerettet, eine Begebenheit die Tradition an der alte wie junge "Mullheuner" treu und brav festhalten. Und das ist gut so! Nur schade drum, daß an diesem Fest sich nicht alle Moorburger beteiligen. Es kann jedem Moorburger empfohlen werden, am Festsonntag den kleinen Weg nach dem "Grusort" zu machen und sich den volkstümlich originellen Festzug, der sich als einziger auch über den "Olendiek" bewegt, anzusehen. Das Fest beginnt bereits am Sonnabend oder auch schon am Freitag. Bei einem Anwohner des "Grusortes" (der Mullheunerbezirk beginnt unterhalb der Bäckerschleuse) versammeln sich alljährlich die Junggesellen mit den eingeladenen "Grusorter Jungmädchen", um die Erntekrone, das Symbol des Festes zu binden und mit Feld- und Gartenfrüchten reich zu verzieren. Das ist ein richtiger "Jungvolkabend", der mit fröhlichen Geplauder, herzhaften Neckereien und schallenden Gelächter dahingeht. Die Jungmädchen stimmen alte Volkslieder an und dazwischen dröhnen und knarren die Junggesellenbässe. Auch moderne Schlager müssen wohl herhalten, wenn das alte Volksliedgut erschöpft ist. Man läßt den "weißen Flieder blüh'n" und "küßt die Hand der Madam" oder auch "in der kleinen Konditorei das elektrische Klavier, das klimpert leise" und was es sonst noch gibt. Das ist nun einmal "der Zug der Zeit". Altes und Neues wohnen friedlich und fröhlich beieinander.
Nach getaner Arbeit stärkt man sich an Kaffee und Kuchen, um anschließend auf der "Grotdeel" oder der "Vördeel" noch ein munteres Tänzchen zu drehen nach den Weisen eines "Seemannsklaviers", der Handharmonika. - Das Hauptfest nimmt seinen Anfang am Sonntag Nachmittag gegen 6 Uhr. Das erntemäßig ausgestattete Jungvolk versammelt sich in dem Hause, in dem die Erntekrone gebunden wurde. In fliegenden Schritten wird sie einigemal umtanzt und dann gibt es noch einmal Kaffee und Kuchen. Nun kommt der Höhepunkt des Festes. Unter Vorantritt einer richtiggehenden "Dörpskapell" (in diesem Jahr hatte man sich sogar vier Mann geleistet, von wegen dem "volleren Klang"!) ordnet man sich zum Festzug der unbedingt sehenswert ist. Das "Orchester" voran, dann der "Festzugführer" in Arbeitsmontur mit weißen "Hemdsmaugen" und breitrandigem "Kameruner", auf der Schulter eine Korngarbe. Hinter ihm die vier "Kronenjungfrauen", weißgekleidet, die auf vier Stäben befestigte Erntekrone tragend. Dahinter folgen Jungmädchen und "Junkkirls" in mannigfacher Kleidung mit Erntegeräten, Harken, Forken, Körben, allgeschmückt mit Erntetrophäen. Den Abschluss bildet ein "Festwagen", in diesem Jahr eine Windmühle, von geschickter Hand errichtet; Bespannung und Fuhrmann "Grusorter Jungs", die sich ihrer Würde voll bewußt sind. So bewegt sich der bunte Zug unter fröhlichen Geplauder "langs `n Neegn diek" die westliche Grenzstegel abwärts, und weiter auf der Straße entlang, sich den "Olendiekern" zu zeigen. Bei Hein Witt wird umgedreht und nun geht's zum Festlokal, nach Hein Tamke "Im goldenen Stern". Im Festsaal wird die Krone von den "Jungkirls" an der Decke über der Mitte der Tanzfläche befestigt, so niedrig, daß sie in leichtem Sprung erreichbar ist. Allmählich sammeln sich auch die "alten Mullheuner" um das Erntesymbol, um im Kreise des Jungvolks nach altem Brauch einige Stunden liebe Jugenderinnerungen aufzufrischen und miteinander fröhlich zu sein. Wenn dann die Mitternachtsglocke das Ende des Festtages kündet, wird die Krone in wilden Tanzsprüngen geplündert und alle Tanzenden suchen eine Erntetrophäe zu erobern. So feiert man auf dem "Grusort" nach altem Brauch.
Quelle: Zeitungsausschnitt aus dem Jahre 1929 wahrscheinlich aus der "Lühmannschen" (HAN)
Bilder 2009 hinzugefügt.