Die Eindeichung der Moorburger Marsch
Um das Jahr 1300 begann man die Moorburger Marsch einzudeichen. Die ältesten Deiche wurden von der Lauenbrucher Grenze im Osten bis zum Kirchdeich gebaut. Unabhängig hiervon im Bereich zwischen Bäckerschleuse und dem Alten Deich (Westerheusen).
Die Zeitangaben dieser ersten Eindeichungen sind geschätzt und auch umstrit-ten. Das älteste Moorburger Dokument über die Abspaltung von der Wilstorfer Kirche spricht schon von einer Gemeinde, so dass man davon ausgehen kann, dass im Vorfeld eine Bedeichung stattgefunden haben muss. Da Ausgrabungen auf dem alten Moorburger Kirchhof gezeigt haben, dass die erste Moorburger Kirche bereits um 1223 erbaut wurde, wäre es auch möglich, dass einzelne Deichbaumaßnahmen bereits damals erfolgten bzw. erfolgt waren. Da aber an der Ostgrenze von Moorburg kein Deich existiert, ist eine gemeinsame Eindeichung mit Lauenbruch um 1300 wahrscheinlich. Auch das Datum der Eindeichung von Westerheusen ist umstritten. Auf der Karte von Daniel Freese (1577) wird nur gesagt, dass dieser Teil von Moorburg von alters her eingedeicht gewesen sei.
Diese ersten Deiche würden heute die Bezeichnung "Sommerdeich" erhalten und boten aufgrund ihrer geringen Höhe von ein bis zwei Metern keinen Schutz vor Sturmfluten, sondern nur vor den Gezeiten und leichten Stürmen. Folgerichtig war es weiterhin notwendig die Häuser besonders zu schützen. Sie wurden weiterhin auf Warften gebaut. Leider ist heute hiervon in unserem Dorf nicht mehr viel zu sehen. Auf dem alten Kirchhof am Kirchdeich finden wir noch die teilabgetragene Warft, auf der vor 1596 die alte Kirche stand. Die Häuser der Untenmoorburger Siedlungszelle "Westerheusen" am Deich liegen höher als die Häuser östlich der Bäckerschleuse. Dort wurden die Warften nur eingeebnet, aber nicht abgetragen. Diese alten Hofstellen waren deshalb bei der Sturmflut von 1962 weniger stark betroffen als der Rest der Gemeinde.
Nachdem Hamburg Moorburg bzw. das Glindesmoor, wie es damals genannt wurde, 1375 käuflich erworben hatte, erbaute es 1390 einen Festungsturm außerhalb des damals eingedeichten Teiles der Landschaft. Die Burg wurde wiederum auf einer Warft gebaut, um den Bewohnern Schutz zu bieten. Die Deichlücke zwischen Kirchdeich und Bäckerschleuse wurde um das Jahr 1550 geschlossen. Auf der Karte von Daniel Freese (1577) ist dazu vermerkt, dass dieser Deich in einem Zeitraum von 20 Jahren von nur 6 Siedlern gebaut wurde (Hans Richers, der alte Hans Reimers, Karsten Brandt, Henke Wenten, Hein Wenten und Hermann Meyer). Das Höhenprofil von Moorburg erlaubt den Schluss, dass der Bereich zwischen Bäckerschleuse und der Hausnummer 319 (Querung der Autobahn A7) bereits vorher eingedeicht wurde. Jetzt war nur das Land westlich vom alten Deich, das sogenannte Domherrenland, noch ohne Deichschutz, auf Francoper Seite ebenfalls Hohenwisch. Diese letzte Deichlücke wurde 1600 geschlossen.
Auch die Inseln, die vor Moorburg in der Süderelbe lagen, wurden mit Sommerdeichen eingedeicht. Die Arbeiten begannen 1804 mit dem Ellerholz und wurden 1856 mit dem oberen Werder (Pagensand) abgeschlossen.
Diese Deichbaumaßnahmen, die ab dem Jahre 1200 im gesamten Gebiet der Niederelbe stattfanden, führten dazu, dass bei Sturmfluten immer weniger Über-schwemmungsflächen zur Verfügung standen und die Sturmfluten immer höhere Wasserstände erreichten und eine immer weitere Verstärkung und Erhöhung der Deiche notwendig wurde. Diese Entwicklung hält bis heute an.
Der Unterhalt und die Reparatur der Deiche war Pflicht der Landeigentümer, die Anlieger der Deiche waren. Die dafür notwendige Erde wurde von den Inseln der Süderelbe gewonnen. Zur Kontrolle der Deichpflichten und als Einsatzleitung bei Katastrophen wählten die Grundeigentümer den Deichvoigt und die Deichgeschworenen. Diese kontrollierten, ob die Deichpflichtigen ihren Pflichten nachgekommen waren. Gleichzeitig wurde die Pflege des Entwässerungssystems kontrolliert (bis zum heutigen Tag).
Einen Einblick über die Deichordnung gibt der folgende Schulaufsatz von Ilse Heims aus dem Jahr 1939:
"Spaden und Teichrecht" in Moorburg um das Jahr 1664
Vor einigen Wochen fand man in einem alten Moorburger Hause ein altes Buch, welches die Deichrechte aus dem Jahre 1664 enthält. Aus diesem Buch sieht man, dass die Deichgesetze früher viel strenger waren als heutzutage. Das musste auch so sein; denn die Deiche waren damals noch nicht so hoch und stark. Weil es öfter vorkam, dass der Deich beschädigt wurde, mussten die Deichgeschworenen gut aufpassen, dass jeder sein Deichstück in Ordnung hielt. Moorburg war aber zu der Zeit noch nicht so stark besiedelt, und so fiel dem einzelnen Bauern ein ziemliches Stück des Deiches zu. Mancher unter ihnen konnte das Geld für die Ausbesserungen nicht aufbringen. Wie es diesen armen Menschen erging, hören wir aus folgendem Abschnitt des Buches: " Wann ein Mann seyne Teiche nicht mehr länger erhalten kann, soll er einen Spaden auf den Teich stechen und damit sich des Landes, wovon der Teich gemacht wird, gänzlich begeben, und es den Beamten und den Teichgeschworenen anzeigen, damit Land und Leute von Uns als der Obrigkeit wegen angenommen werden und anderen werden und andere Vorsehung damit geschehe. Da aber einer sich finden Würde, der den Spaden auszöge, soll er des Landes Herr seyn und das Teiches sich annehmen und denselben verbessern und im Stande halten, dagegen von dem Verlasser und dessen Erben und Nachkommen wegen solches Landes nicht besprochen werden, und da es geschehe, solche Ansprücher mit ihren Klagen lediglich abgewiesen werden." Es gab aber auch hartnäckige Bauern, die Geld hatten, aber ihre Deichschäden trotzdem nicht bezahlten. Mit diesen wurde kurzer Prozess gemacht, wie wir aus folgenden Abschnitt des Buches ersehen: " Wenn ein Mann seyne Teiche nicht in Ordnung hält, so sollen die Ober- Haupt- und Amtleute sammt den Teichgeschworenen es ihm ansagen und ihm befehlen, den Teich zu bessern. So er darinne ungehorsam ist, soll er beim ersten Male zween Gulden zu Strafe geben, zum andern Male zehn Gulden. So er aber zum dritten Male ungehorsam seyn würde, soll er Teich und Gut verlustig und die selbigen der Obrigkeit verfallen seyn." Aus diesen beiden Gesetzen geht hervor, dass es um die Bauern, welche das Geld nicht aufbringen konnten, schlimm stand und das die Hartnäckigen unter ihnen auch ihre verdiente Strafe bekamen. Ein Spruch, der noch oft bei uns gebraucht wird und der eine unseren Vorfahren selbstverständliche Wahrheit enthält, stammt aus dieser Zeit. Er lautet: " De nich will diken, de mut wiken."
Wie man auf der ersten Karte von Moorburg sehen kann, war schon 1577 das Land der Gemeinde komplett aufgeteilt, aber einige der Siedler besaßen mehrere Bauernhöfe, von denen viele noch ohne Gebäude waren. Auf der Karte von 1670 sind alle Hofparzellen mit eigenen Gebäuden bebaut. Auf dieser Karte sieht man auch, dass der Hof der Burg seinen Deichabschnitt fast komplett abgegeben hat und dort Häuser direkt am Deich gebaut wurden (Doppelte Reihe). Diese kleinen Katen wurden in der Regel von den ärmeren Einwohnern der Gemeinde bewohnt. Unter der Ausnutzung der Wohnungsnot und der Knappheit waren in diesem Abschnitt die hohen Lasten der Instandhaltung und Reparatur der Deiche auf die Ärmsten übertragen worden. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch am Deich des Domherrenlandes (vom Alten Deich bis zur Grenze Francops), auch hier waren bereits alle Deichparzellen mit Katen bebaut und somit die Deichlasten auf die ärmere Bevölkerung übertragen worden. Auch viele private Landbesitzer folgten dem Beispiel von Staat und Domkapitel. Diese Entwicklung hatte zwei Folgen, einmal lag jetzt ein Großteil der Deichlasten bei den Ärmsten der Gemeinde, die weder die finanziellen Mittel noch die Werkzeuge und Fuhrwerke hatten, um die notwendigen Arbeiten durchzuführen. Zum Zweiten war es durch die Bebauung eng am Deich nicht mehr ohne weiteres möglich, den Deich zu verstärken oder zu erhöhen. Da es in der Folge immer wieder zu Deichbrüchen bei Sturmfluten kam, wurde 1792 ein Versuch gemacht, die Deichlasten abhängig vom Grundbesitz gleichmäßig zu verteilen.
Pastor Cropp dazu in einer Predigt 1793: […] Bei den vorhergehenden Deichbrüchen halfen sie ihren bedrängten Miteinwohnern durch unentgeltliche Arbeit, bei den letzten haben sie die Einrichtung getroffen, dass der Landeigentümer von jedem Morgen 8 Schilling, der Eigentümer einer Kaate 1 Schilling von jedem Morgen und der Häuerling für ½ Schilling an jedem Morgen beisteuert, wofür Arbeiter gedingt werden.[…]
1882 wurden den Bürgern die meisten Deichlasten durch den Staat abgenommen, lediglich die Instandhaltung verblieb bei den Bürgern. Nach der Sturmflut von 1962 wurde die Alte Süderelbe in Finkenwerder und zwischen Moorburg und Altenwerder abgedeicht, ein neuer Deich wurde von Altenwerder bis nach Bostelbek gebaut. Moorburg wurde in zwei Teile geschnitten. Östlich des neuen Deiches gab es keinen geeigneten Schutz vor Sturmfluten für die Einwohner. Dieser Teil des Dorfes wurde geopfert, der Moorburger Deichverband wehrte sich nicht gegen diese Maßnahme, und der Staat hatte einen Anlass gefunden, das Gebiet schnell zu räumen. Auf diesem Gebiet wurde danach die Raffinerie erweitert und ein Spülfeld für giftigen Hafenschlick angelegt.
Moorburg hat nach diesen Deichbaumaßnahmen nur noch den Moorburger Hauptdeich, der eine Bedeutung für den Hochwasserschutz hat, der Elbdeich hat seitdem für den Hochwasserschutz keine Bedeutung mehr.
Quelle: Strom und Hafenbau (HPA) 2009